Beschluss vom Oberlandesgericht München - Verg 11/19

Tenor

I. Der Antrag auf Beiladung wird abgelehnt.

II. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 29. März 2019, Az. Z3-3-3194-1-08-03/19, wird zurückgewiesen.

III. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.

IV. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Auftragsbekanntmachungen im EU-Amtsblatt (Nr. 2018/S. 234-534404 und 2018/S. 234-534421) vom 5. Dezember 2018 hat die Antragsgegnerin zwei europaweite Vergabeverfahren zur Vergabe von Lieferaufträgen im Wege des offenen Verfahrens bekannt gemacht. Zur Durchführung des Vergabeverfahrens bediente sich die Antragsgegnerin der von der Beschwerdeführerin betriebenen eVergabeplattform.

Die Antragstellerin hat am 1. März 2019 die seit dem 22. Februar 2019 dort freigeschaltete Information nach § 134 GWB geladen und mit Schreiben vom 4. März 2019 die beabsichtigte Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter gerügt. Ihren mit Schreiben vom 6. März 2019 gestellten Nachprüfungsantrag hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 19. März 2019 zurückgenommen, da sie aufgrund neuer Erkenntnisse von der Unzuständigkeit der Vergabekammer für dieses Verfahren ausgehe. Sie hat beantragt, eventuell auftretende Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen, denn bei zeitnaher Beantwortung ihrer Rüge oder einer Eingangsbestätigung der Rüge wäre eine Anrufung der Vergabekammer zu diesem Zeitpunkt nicht nötig gewesen.

Die Vergabekammer Südbayern hat daraufhin mit Beschluss vom 29. März 2019 das Nachprüfungsverfahren eingestellt und nach § 182 Abs. 3 GWB der Antragstellerin und der Antragsgegnerin die Kosten je zur Hälfte auferlegt. Im Falle der Rücknahme eines Nachprüfungsantrags entspreche die Kostentragung der Antragstellerin regelmäßig billigem Ermessen. Hier seien die Kosten jedoch hälftig der Antragsgegnerin aufzuerlegen, da diese ein schwerwiegendes Verschulden treffe, weil sie keine Mitteilung nach § 134 GWB versandt habe und die Antragstellerin daher von der beabsichtigten Zuschlagserteilung zu spät erfahren und sich genötigt gesehen habe, einen Nachprüfungsantrag zu stellen, ohne eine Rügeerwiderung der Antragsgegnerin abzuwarten. Das bloße Freischalten der Informationen nach § 134 GWB auf der von der jetzigen Beschwerdeführerin betriebenen Vergabeplattform genüge auch dann nicht der Informationspflicht nach § 134 GWB, wenn dem Bieter - wie hier - eine Hinweismail ohne die notwendigen Informationen nach § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB geschickt worden sei. Die vergaberechtswidrige Implementierung der Vergabeplattform müsse sich die Antragsgegnerin, die sich dieser Plattform bedient habe, zurechnen lassen.

Gegen diesen Beschluss hat die bislang nicht am Verfahren beteiligte Beschwerdeführerin am 17. April 2019 sofortige Beschwerde eingelegt und in Schriftsätzen vom 7. Mai 2019 und 7. Juni 2019 ihren Standpunkt vertieft. Sie vertritt insbesondere die Ansicht, sie sei beschwerdebefugt, da die Entscheidung der Vergabekammer für sie - mindestens - eine nachteilige präjudizierende Wirkung habe. Nach § 162 GWB genüge es, dass die Entscheidung der Vergabekammer die Interessen eines Beteiligten lediglich „schwerwiegend berühre“. Das sei bei ihr schon wegen der potentiell drohenden Inanspruchnahme durch die Antragsgegnerin der Fall. Hinzu kämen die unabsehbaren negativen Auswirkungen der Entscheidung der Vergabekammer auf die Außenwahrnehmung ihrer eVergabeplattform auf dem Markt. Sie sei gezwungen, dem bereits entstandenen Druck nachzugeben und ihre Plattform technisch zu verändern, wodurch für sie ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil verloren gehe. Aufgrund der expliziten namentlichen Benennung ihrer eVergabeplattform in den Beschlüssen der Vergabekammer sei sie materiell und individuell beschwert. In den veröffentlichten Entscheidungsgründen sei die von ihr betriebene eVergabeplattfom namentlich genannt. Sie habe deshalb ein schwerwiegendes Rehabilitationsinteresse daran, die angegriffene Entscheidung „aus der Welt“ zu schaffen. Wegen der ausschließlichen Rechtswegzuweisung in § 171 Abs. 1 GWB stehe ihr kein anderer Rechtsweg zur Verteidigung ihrer Rechte und Interessen zur Verfügung. Es sei daher auch aus den verfassungsrechtlich geschützten Gründen effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG und des ausreichenden rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 GG geboten, ihr als Beizuladende die Möglichkeit einzuräumen, die schwerwiegende Beeinträchtigung ihrer individuellen Interessen im Wege der vorliegenden Beschwerde abzuwenden. Sie könne weder alle ihre Kunden auf Feststellung verklagen, dass ihre eVergabeplattform entgegen der veröffentlichten Ansicht der Vergabekammer vergaberechtskonform sei, noch könne sie von Konkurrenzbetreibern anderer Plattformen verlangen, es zu unterlassen, auf die Entscheidung der Vergabekammer hinzuweisen. Die sofortige Beschwerde sei auch begründet. Die Feststellung der Vergabekammer, dass die Implementierung der eVergabeplattform der Beizuladenden vergaberechtswidrig sei, sei fehlerhaft. Die Vergabekammer habe in ihrem Beschluss inzident einen - vermeintlichen - Vergaberechtsverstoß durch die Beizuladende festgestellt, durch den die Beschwerdeführerin materiell beschwert sei. Dies sei durch den Senat zu korrigieren.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

I. Die Beizuladende wird zu dem beschwerdegegenständlichen Nachprüfungsverfahren gem. § 162 GWB (analog) beigeladen.

II.

Auf die sofortige Beschwerde der Beizuladenden wird der Beschluss der Vergabekammer vom 29. März 2019 - Z3-3-3194-1-08-03/19 - aufgehoben.

III.

Das beschwerdegegenständliche Nachprüfungsverfahren wird an die Vergabekammer Südbayern zurückverwiesen und die Vergabekammer wird verpflichtet, über den Nachprüfungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin für unzulässig, jedenfalls für unbegründet. Sie meint, es sei kein Raum für eine Beiladung der Beschwerdeführerin. Abgesehen davon hält sie die Entscheidung der Vergabekammer einschließlich der von der Beschwerdeführerin kritisierten Begründung für zutreffend.

Die Antragsgegnerin hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdeführerin wurde weder von der Vergabekammer zu Unrecht nicht beigeladen noch ist sie durch die angegriffene Entscheidung materiell beschwert.

1. Nach dem Wortlaut des § 171 Abs. 1 Satz 2 GWB steht die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen der Vergabekammern nur den am Verfahren vor der Vergabekammer Beteiligten zu.

Nach wohl überwiegender Meinung sind über den Gesetzeswortlaut hinaus auch sogenannte „Beiladungspetenten“ beschwerdebefugt, vorausgesetzt, das bislang nicht beigeladene Unternehmen kann tatsächlich eine eigene materielle Beschwer darlegen (Ulbrich in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl. 2016, § 171 Rn. 60; Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, § 171 GWB Rn. 14; Stickler in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 171 GWB, Rn. 23). Nach der Begründung zum Vergaberechtsänderungsgesetz (BT-Drs. 13/9340, S. 12), das u. a. der Umsetzung der Richtlinie 89/665/EWG dient, sollen die Bieter im Einklang mit dem europäischen Recht Anspruch darauf haben, dass die ihren Schutz bezweckenden Vergabevorschriften von den Vergabestellen eingehalten werden. Dies ziehe im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG notwendigerweise einen gerichtlichen Rechtsschutz nach sich. Nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass das Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jedem zur Verfügung steht, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Liefer- oder Bauauftrag hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht. Die Beschwerdeberechtigung sogenannter „Beiladungspetenten“ setzt somit eine materielle Beschwer voraus (Stickler a. a. O.).

Nach anderer Ansicht besteht kein Bedürfnis für eine eigene Beschwerdebefugnis des bisher nicht Beigeladenen. Eine solche widerspräche den Regelungen anderer Prozessordnungen, bei denen ebenfalls nur die am Verfahren erster Instanz Beteiligten ein Recht zur Rechtsmitteleinlegung hätten. Vorzuziehen sei die Verpflichtung des Beschwerdegerichts zur Beiladung solcher Bieter, welche durch eine Entscheidung der Vergabekammer beschwert seien, auch wenn sie nicht am Verfahren beteiligt waren (Vavra in Beck'scher Vergaberechtskommentar Bd. 1, GWB 4. Teil, 3. Aufl. 2017, § 171 Rn. 39). In diesem Fall hinge die Wahrung der Rechte des betroffenen Unternehmens jedoch davon ab, dass einer der anderen Beteiligten die Entscheidung der Vergabekammer mit der sofortigen Beschwerde angreift.

Fraglich ist, ob es mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) vereinbar wäre, Beiladungspetenten generell die Beschwerdebefugnis nach § 171 GWB abzusprechen. Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 7. November 2006, KVR 37/05, pepcom, juris Rn. 18) hat für das Kartellverwaltungsverfahren entschieden, dem Beiladungspetenten, der zwar die subjektiven Voraussetzungen der Beiladung erfülle, dessen Antrag aber aus Gründen der Verfahrensökonomie abgelehnt worden sei, stehe gegen die Hauptsachenentscheidung - wenn er durch sie unmittelbar und individuell betroffen sei - ein Beschwerderecht zu. Zwar gebiete es das Grundgesetz nicht, demjenigen, der durch eine staatliche Entscheidung nicht in seinen Rechten verletzt, sondern lediglich in seinen wirtschaftlichen Interessen erheblich berührt werde, eine Rechtsschutzmöglichkeit einzuräumen. Werde der Rechtsschutz indessen eröffnet, wäre es mit dem Gleichheitssatz nur schwer zu vereinbaren, wenn der Rechtsschutz im Einzelfall davon abhinge, ob der beantragten Beiladung im Verwaltungsverfahren Gründe der Verfahrensökonomie entgegenstünden. Wähle die Kartellbehörde aus mehreren Beiladungspetenten mit gleichgerichteten Interessen einen Antragsteller aus und weise sie in Ausübung ihres Ermessens die Anträge der anderen ab, die ebenfalls geltend machen können, durch die erwartete Entscheidung in ihren wirtschaftlichen Interessen erheblich berührt zu werden, läge eine ungleiche Behandlung gleicher Sachverhalte vor, wenn der Rechtsschutz dem einen gewährt, dem anderen dagegen verweigert würde (BGH, a. a. O. Rn. 21). Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 11. November 2008, EnVR 1/08, citiworks, juris Rn. 14 ff.) auf das energiewirtschaftsrechtliche Verfahren nach den § 66 Abs. 2, § 75 Abs. 2 EnWG zu übertragen. In diesem Fall sei es citiworks unmöglich gewesen, rechtzeitig eine Beiladung zu beantragen und damit die in § 75 Abs. 2 EnWG aufgestellte formelle Voraussetzung für eine Beschwerdeberechtigung herbeizuführen, weil die Behörde den Bescheid erlassen habe, ohne dass das Verfahren in der Öffentlichkeit bekannt geworden sei. Deshalb sei citiworks so zu stellen, als hätte sie ihren Beiladungsantrag rechtzeitig gestellt.

Inwieweit diese Rechtsprechung in das Vergaberecht mit der Folge zu übertragen ist, dass ein zu Unrecht nicht Beigeladener beschwerdebefugt sein kann (Dicks a. a. O. Rn. 14 f.; Gröning in Münchener Kommentar, Vergaberecht I, 2. Aufl. 2018, § 171 GWB Rn. 8), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Für eine Beiladung der Beschwerdeführerin nach Rücknahme des Nachprüfungsantrags ist kein Raum. Die Beschwerdeführerin ist weder durch die Begründung der Kostenentscheidung unmittelbar materiell beschwert noch wurde sie - vor Rücknahme des Nachprüfungsantrags - von der Vergabekammer zu Unrecht nicht beigeladen. Mit den der pepcom-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. November 2006 und der citiworks-Entscheidung vom 11. November 2008 zugrundeliegenden Fallkonstellationen ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar.

1.1. Das Nachprüfungsverfahren, das auf Antrag eingeleitet wird (§ 160 Abs. 1 GWB), ist mit der Rücknahmeerklärung des Antragstellers erledigt (Horn/Hofmann in Burgi/Dreher, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB 4. Teil, § 160 Rn. 21; Dieck-Bogatzke in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, § 178 GWB Rn. 14b). Seitens der Nachprüfungsinstanz ist nur noch eine Entscheidung über die Kosten und die Auslagen zu treffen (§ 182 Abs. 3 und 4 GWB). Dies verkennt die Beschwerdeführerin, soweit sie beantragt, die Vergabekammer zu verpflichten, über den Nachprüfungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Ebenso wenig, wie eine Nebenintervention noch möglich ist, wenn der Prozess zwischen den Hauptparteien durch Klagerücknahme sein Ende gefunden hat (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 1990, IX ZB 78/90, juris Rn. 6), kommt noch eine Beiladung nach § 65 VwGO nach Klagerücknahme in Betracht (Kintz in BeckOK VwGO, 49. Ed. 1. April 2019, VwGO § 65 Rn. 25).

Gleiches gilt für eine Beiladung nach § 162 GWB nach Rücknahme des Nachprüfungsantrags. Ausgangspunkt der Prüfung der Interessensbetroffenheit des Beizuladenden im Rahmen des § 162 GWB ist das vom Antragsteller mit seinem Nachprüfungsantrag verfolgte Ziel; erscheint dieses Ziel zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beiladung erreichbar, ist zu fragen, wessen Interessen durch eine antragsgemäße Entscheidung in der Hauptsache betroffen wären (Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 162 GWB, Rn. 13). Eine dem Nachprüfungsantrag stattgebende Entscheidung kann nach dessen Rücknahme jedoch nicht mehr ergehen. Aus denselben Erwägungen ist ein Zuschlagsdestinär im Verfahren nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB nicht beizuladen, denn ein stattgebender Feststellungsantrag kann keinesfalls zu einer Aufhebung des Zuschlags oder zu irgendwelchen rechtlichen Auswirkungen auf den geschlossenen Leistungsvertrag führen (Dittmann in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, § 162 Rn. 13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Februar 2006, VII-Verg 61/05, juris Rn. 6).

1.2. Eine Beiladung der Beschwerdeführerin ist auch nicht zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes geboten, da einzelne Begründungselemente eines Beschlusses der Vergabekammer nicht in Bestandskraft erwachsen. Gegen die Verletzung wirtschaftlicher Interessen allein eröffnet Art. 19 Abs. 4 GG keinen Rechtsweg (BVerfG, Beschl. 27. April 1971, 2 BvR 798/65, juris Rn. 20). Wenn die Beschwerdeführerin ihre Interessen insbesondere gegenüber ihrer Vertragspartnerin, der Antragsgegnerin - ggf. in einem Zivilprozess - vertritt, ist das Gericht nicht an die von der Vergabekammer in den Entscheidungsgründen vertretenen Erwägungen gebunden.

Die Beschwerdeführerin wird durch die von der Vergabekammer ausgesprochene Kostenentscheidung nicht belastet. Sie strebt keine Abänderung des - nur für die Antragsgegnerin und die Antragstellerin nachteiligen - Tenors an, sondern wendet sich nur gegen Erwägungen in der Begründung der von der Vergabekammer getroffenen Kostenentscheidung.

Ob die Entscheidungsbegründung der Vergabekammer den Erwartungen der Beteiligten entspricht oder unerwünschte Feststellungen oder Rechtsausführungen enthält, ist für die Betroffenheit und die Beschwer indes unerheblich. Maßgebend ist allein, ob die Entscheidung die vom Antragsteller begehrte Rechtsfolge bejaht oder verneint, nicht hingegen, wie die Vergabekammer das Ergebnis begründet hat. Präjudizielle Rechtsverhältnisse oder einzelne Entscheidungselemente einschließlich der Bejahung oder Verneinung von Normtatbeständen erwachsen nicht in Bestandskraft, können also auch niemanden beschweren (Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 171 GWB Rn. 13).

Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Vergabekammer habe nicht nur abstrakte rechtliche Vorfragen behandelt, sondern konkret und individuell bezogen auf ihre eVergabeplattform festgestellt, dass sie eine vergaberechtswidrige Implementierung beinhalte, greift nicht durch. Denn selbst für unmittelbar Verfahrensbeteiligte wäre als Rechtsschutzziel die bloße Korrektur einzelner nicht genehmer Rechts- oder Tatsachenausführungen in den Gründen einer Entscheidung nicht zulässig. Erforderlich und notwendig wäre vielmehr, dass der Beschwerdeführer eine Abänderung eines ihm nachteiligen Tenors der Entscheidung anstrebt. Dies verkennt die Beschwerdeführerin, soweit sie argumentiert, es genüge wegen der einem Nebenintervenienten (§ 66 ZPO) weitgehend rechtsähnlichen Stellung des Beigeladenen die Beschwer des vom ihm unterstützen Hauptbeteiligten.

Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerdeführerin schließlich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, wonach eine unmittelbare Betroffenheit ausnahmsweise dann zu bejahen ist, wenn die Norm ihren Adressaten bereits vor konkreten Vollzugsakten zu später nicht mehr revidierbaren Dispositionen veranlasst oder er ansonsten nicht in zumutbarer Weise Rechtsschutz gegen den Vollzugsakt durch die Anrufung der Fachgerichte erlangen kann (BVerfG, Beschluss vom 18. März 2003, 2 BvR 246/02, juris Rn. 4). Dies betrifft eine andere Fragestellung. Die Betroffenheit in Grundrechten durch die Norm und nicht erst durch deren Vollzug ist mit der Frage der Beschwer durch Entscheidungsgründe, die nicht in Bestandskraft erwachsen, nicht vergleichbar.

1.3. Die Beschwerdeführerin wurde vor Rücknahme des Nachprüfungsantrags nicht zu Unrecht nicht beigeladen.

Das Nachprüfungsverfahren dient der Gewährleistung des Primärrechtsschutzes der Bieter/Bewerber bei einer Vergabe eines europaweit ausgeschriebenen (oder auszuschreibenden) Auftrags eines öffentlichen Auftraggebers. Neben den originär am Verfahren Beteiligten sind nach § 162 GWB diejenigen Unternehmen beizuladen, deren Interessen durch die Entscheidung der Nachprüfungsinstanzen schwerwiegend berührt werden (können).

1.3.1. Dies betrifft regelmäßig das Unternehmen, das den zu vergebenden Auftrag erhalten hat oder anstelle des Antragstellers erhalten soll (Dittmann in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, § 162 GWB Rn. 6; Reidt in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, § 162 GWB Rn. 14; Summa in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, § 162 GWB, Rn. 3). Die schwerwiegende Berührung wirtschaftlicher Interessen nach § 162 Satz 1 GWB ergibt sich aus der Schlechterstellung bei der vorher gegebenen Chance auf den Auftrag (Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 171 GWB Rn. 12).

Auch die Beschwerdeführerin räumt ein, dass der Gesetzgeber insbesondere solche Unternehmen im Blick hatte, deren Angebote in die engere Wahl kommen, insbesondere dann, wenn ihre Angebote nach einer bereits vorliegenden Wertung des Auftraggebers dem Angebot des Antragstellers vorgehen (BT-Drs.13/9340, S. 18).

Zu diesem Kreis gehört sie nicht. Die Beschwerdeführerin hat kein Interesse an dem Auftrag, der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens war.

1.3.2. Eine Ausweitung des Kreises der Beizuladenden auf sonstige Dritte, hat - soweit ersichtlich - bislang nur das Oberlandesgericht Düsseldorf vorgenommen (s.u. 1.3.2.2). Mit der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fallkonstellation ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar.

1.3.2.1. Nach der Gesetzesbegründung soll durch Beiladung die Beteiligung all derer sichergestellt werden, die durch eine für sie nachteilige Entscheidung der Vergabekammer eine Verletzung ihrer eigenen Rechte erfahren. Voraussetzung für die Beiladung ist nach der Rechtsprechung (KG, Beschluss vom 10. Oktober 2016, Verg 16/15, juris Rn. 2), dass die Interessen des Beizuladenden durch die Entscheidung über den Vergabenachprüfungsantrag schwerwiegend berührt werden. Dabei erfordere eine schwerwiegende Interessensberührung die Verletzung von Rechten des Beizuladenden (vgl. Gesetzentwurfsbegründung, BT-Drs. 13/9340 S. 18) oder ein negatives Betroffensein (Reidt in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, § 162 GWB Rn. 12; Dittmann in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, § 162 Rn.13) von zumindest wirtschaftlichen Belangen des Beizuladenden (André in Heuvels/Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht, 2013, § 109 GWB Rn. 6). Ausgangspunkt der Prüfung der Interessensbetroffenheit des Beizuladenden ist regelmäßig das vom Antragsteller mit seinem Nachprüfungsantrag verfolgte Ziel (Summa in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, § 162 GWB Rn. 13).

Auch wenn für die Beiladung ein bloßes wirtschaftliches Interesse genügt, müssen die Beizuladenden zumindest potentiell eigene Rechte im Sinne von § 97 Abs. 6 GWB in Bezug auf das konkrete Vergabeverfahren haben. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung, aus Gründen der Verfahrensökonomie und der Beschleunigung weitere Nachprüfungsverfahren zu vermeiden (Reidt in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, § 162 GWB, Rn. 16). Von der Norm geschützt sind demgemäß nur unmittelbare, nicht lediglich mittelbare Interessensberührungen. Vorlieferanten, Unterauftragnehmer, Berater oder Projektanten sind deshalb nicht beizuladen (Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 162 GWB Rn. 2).

Die Beschwerdeführerin ist als Betreiberin der eVergabeplattform indes nur mittelbar in ihren Interessen betroffen. Deshalb ist die von der Beschwerdeführerin herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 11. November 2008, EnVR 1/08, citiworks) nicht einschlägig. Dass sie einen anders als nach § 66 Abs. 3 Nr. 3 EnWG nach § 162 GWB zwar nicht zwingenden Antrag auf Beiladung (vgl. Reidt in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, § 162 GWB, Rn. 20) nicht stellen konnte, hat sie im Übrigen nicht dargelegt.

1.3.2.2. Über den Wortlaut des § 162 GWB hinaus vertritt das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss vom 13. Februar 2007, VII-Verg 2/07) die Auffassung, dass gegebenenfalls auch sonstige Dritte beizuladen sind, deren Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden können und denen deswegen vor einer Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren ist. Gegenstand des dortigen Nachprüfungsverfahrens war die Frage, ob ein Grundstücksverkauf wegen der Koppelung mit dem Abschluss eines städtebaulichen Vertrages mit der Gemeinde vergaberechtlich als Bauauftrag anzusehen ist. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Gemeinde beigeladen und zur Begründung insbesondere ausgeführt, es seien schwerwiegende Interessen der Gemeinde berührt. Denn - sollte eine Kopplung bestehen - würde der Senat auch darüber entscheiden, wann und gegebenenfalls mit wem die Gemeinde einen städtebaulichen Vertrag abschließen könnte. Sollte der Senat der Auffassung der Antragstellerin folgen, könnte nicht nur die Antragsgegnerin der ausgewählten Interessentin nicht das Grundstück verkaufen, sondern wäre auch die Gemeinde daran gehindert, einen städtebaulichen Vertrag mit ihr abzuschließen. Damit würden nicht nur schwerwiegende Interessen der Gemeinde berührt, sondern eine dem Nachprüfungsantrag stattgebende Beschwerdeentscheidung habe für sie sogar eine rechtsgestaltende Wirkung (juris Rn. 11 f.). Sachlicher Grund für die Beiladung war damit die untrennbare Verbindung des ausgeschriebenen Vertrages mit dem städtebaulichen Vertrag. Im weiteren Sinne war mithin im Nachprüfungsverfahren zu entscheiden, welcher Bewerber rechtmäßig Vertragspartner beider Verträge werden kann.

Damit ist die hiesige Fallkonstellation jedoch nicht vergleichbar. Eine rechtsgestaltende Wirkung für die Beschwerdeführerin hätte eine dem Nachprüfungsantrag stattgebende Entscheidung der Vergabekammer nicht gehabt. Darauf stellt die Beschwerdeführerin, die aufgrund der Ausführungen der Vergabekammer in der Kostenentscheidung wirtschaftliche Nachteile befürchtet, auch nicht ab. Soweit die Beschwerdeführerin meint, mit der Formulierung „sogar eine rechtsgestaltende Wirkung“, habe das Oberlandesgericht Düsseldorf deutlich gemacht, dass die rechtsgestaltende Wirkung keine zwingende Voraussetzung für die Beiladung sei, rechtfertigt dies keine Divergenzvorlage nach § 179 Abs. 2 GWB. Denn tragend für die Begründung des Oberlandesgerichts Düsseldorf war die rechtsgestaltende Wirkung einer dem Nachprüfungsantrag stattgebenden Beschwerdeentscheidung.

2. Der Senat kann über die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung der Vergabekammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Zwar gilt nach § 175 Abs. 2 GWB i. V m. § 69 Abs. 1 Hs. 1 GWB der Grundsatz der mündlichen Verhandlung. Dies gilt jedoch nur für Sachentscheidungen (OLG Jena, Beschluss vom 30. Januar 2002, 6 Verg 9/01, juris Rn. 5; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. Juli 2000, 2 Verg 4/00, juris Rn. 14).

Ohne Erfolg wendet die Beschwerdeführerin ein, im Fall einer sofortigen Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung handele es sich dabei um die „Hauptsache“, über die gemäß § 69 GWB mündlich zu verhandeln sei. Keine Sachentscheidung ergeht, wenn sich die sofortige Beschwerde allein gegen die Kostenentscheidung richtet (Stickler in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 175 GWB, Rn. 9). Denn mit Antragsrücknahme ist das Nachprüfungsverfahren beendet.

Im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 EMRK ist das gesamte Verfahren, wie es in der innerstaatlichen Rechtsordnung geregelt ist, in den Blick zu nehmen (vgl. BSG, Beschluss vom 8. April 2014, B 8 SO 22/14 B, juris Rn. 7 f.). Nach Antragsrücknahme ist nur noch nach § 182 Abs. 3 und 4 GWB über die Kosten zu entscheiden. Wenn eine Entscheidung nach § 168 GWB nicht mehr in Betracht kommt, ist nach der Konzeption des Gesetzes vor der Vergabekammer nicht gemäß § 166 GWB mündlich zu verhandeln. Entsprechendes gilt nach § 269 Abs. 4 ZPO. Soweit gegen einen Kostenbeschluss nach § 269 Abs. 4 ZPO die sofortige Beschwerde statthaft ist (§ 269 Abs. 5 ZPO), kann das Beschwerdegericht ebenfalls ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 572 Abs. 4, § 128 Abs. 4 ZPO). Aus den Regelungen in der VwGO ergibt sich nichts anderes; Kostenentscheidungen nach Klagerücknahme ergehen ebenfalls durch Beschluss (§ 92 Abs. 3, § 155 Abs. 2 VwGO) ohne mündliche Verhandlung und sind gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar.

Es ist kein Grund ersichtlich, über eine sofortige Beschwerde, die eine Kostenentscheidung nach Rücknahme des Nachprüfungsverfahrens zum Gegenstand hat, nur nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden. Der Beschwerdeführerin wurde rechtliches Gehör gewährt.

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