Beschluss vom Oberlandesgericht München - 34 Wx 468/19

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen das Schreiben des Amtsgerichts Deggendorf - Grundbuchamt - vom 19. September 2019 wird verworfen.

II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.152,03 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 ist Eigentümer von Grundbesitz, den er an den Beteiligten zu 2 verkauft hat.

An dem Grundbesitz ist in Abteilung II des Grundbuchs ein Nacherbenvermerk zugunsten der Abkömmlinge des befreiten Vorerben, des Beteiligten zu 1, eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 7.5.2019 verkaufte dieser das Grundstück an den Beteiligten zu 2 und erklärte zugleich die Auflassung. In derselben Urkunde teilte der Beteiligte zu 1 mit, X. sei sein einziges Kind, weitere Kinder, auch nichteheliche oder adoptierte, habe er nicht. Die Beteiligten beantragten die Löschung des Nacherbenvermerks Zug um Zug mit Eigentumsumschreibung und stimmten - wie auch X. - der Lastenfreistellung zu.

Mit Schreiben vom 9.8.2019 haben die Beteiligten über ihren Verfahrensbevollmächtigten unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift der o.g. notariellen Urkunde deren Vollzug beantragt.

Das Grundbuchamt hat mit Schreiben vom 19.9.2019 darauf hingewiesen, dass allen Nacherben rechtliches Gehör zu gewähren sei, weshalb ein Pfleger für noch unbekannte Nacherben zu bestellen sei. Weiter bat es um eine eidesstattliche Versicherung des Beteiligten zu 1 mit dem Inhalt, dass weitere Kinder, weder leibliche noch adoptierte, nicht vorhanden sind. Für die Vorlage hat das Grundbuchamt eine Frist von vier Wochen gesetzt.

Mit Schreiben vom 25.9.2019 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten „gegen o.g. Zwischenverfügung (…) Beschwerde erhoben, bzgl. des Erfordernisses, eine eidesstattliche Versicherung vorzulegen.“ Dieses finde keine Stütze im Gesetz. Der Vorerbe begehre die Löschung des Nacherbenvermerks nicht wegen Zustimmung gemäß § 19 GBO, sondern wegen Unrichtigkeit gemäß § 22 GBO. Die Anhörung erfolge aus rein prozessualen Gründen. Der Beteiligte zu 1 habe zudem bereits in der notariellen Urkunde versichert, nur ein Kind zu haben. Dem OLG München solle Gelegenheit gegeben werden, die entgegenstehende Rechtsprechung des OLG Frankfurt a.M. abzumildern.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 4.10.2019 erklärt, das Schreiben vom 19.9.2019 sei als Zwischenverfügung anfechtbar, es halte aber an seiner Rechtsauffassung fest. Die eidesstattliche Versicherung sei erforderlich, um den Kreis der gegebenenfalls anzuhörenden Nacherben einzugrenzen. Dass der Vorerbe keine weiteren Kinder habe, könne als negative Tatsache hierdurch in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden.

II.

Das Rechtsmittel ist bereits unzulässig.

1. Das Rechtsmittel ist als Beschwerde zu behandeln. Der Verfahrensbevollmächtigte des Rechtsmittelführers hat es nicht nur als solche bezeichnet, sondern begehrt ausdrücklich eine Entscheidung durch das OLG München. Dies ist gemäß §§ 71, 72 GBO nur über eine Beschwerde zu erreichen.

2. Dabei ist als Beschwerdeführer lediglich der Beteiligte zu 2 anzusehen.

Der Beschwerdeführer ist im Schreiben vom 25.9.2019 nicht ausdrücklich benannt. Legt der Notar das Rechtsmittel nicht explizit für einen einzelnen Antragsberechtigten ein, so gilt es als im Namen aller Antragsberechtigten erhoben (BGH NJW 1985, 3070/3071; Demharter GBO 31. Aufl. § 15 Rn. 11; Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 15 Rn. 40). Zu diesen zählt im vorliegenden Fall von den formell Beteiligten jedoch nur der Beteiligte zu 2, nicht aber der Beteiligte zu 1. Letzterer ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO antragsberechtigt im Hinblick auf die Eigentumsumschreibung. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist aber eine Grundbuchberichtigung gemäß § 22 Abs. 1 GBO durch Löschung des Nacherbenvermerks. In einem solchen Verfahren ist antragsberechtigt neben demjenigen, der zu Unrecht eingetragen ist, nur derjenige, dessen Recht nicht oder nicht richtig eingetragen ist, also der unmittelbar gewinnende Teil, dem der Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB zusteht (BGH NJW 2014, 1593; Senat vom 28.2.2019, 34 Wx 318/18 = NJW-RR 2019, 1037/1038; Budde in Bauer/Schaub GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 74). Dies ist hier nicht der Beteiligte zu 1, obwohl er derzeit als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Denn das Nacherbenrecht erlischt mit der gemäß §§ 2136, 2113 Abs. 1 und 2 BGB wirksamen Veräußerung des Grundstücks, das hierdurch aus dem Nachlass ausscheidet; der Nacherbenvermerk wird gegenstandslos (Schaub in Bauer/Schaub § 51 Rn. 157; Demharter § 51 Rn. 45; Hügel/Zeiser § 51 Rn. 140). Somit wird der Berichtigungsanspruch hinsichtlich des Nacherbenvermerks im Grundbuch aus § 894 BGB überhaupt erst mit dem Übergang des Eigentums am Grundstück vom Beteiligten zu 1 auf den Beteiligten zu 2 existent und kann folglich auch nur letzterem zustehen. Solange der Beteiligte zu 1 noch Eigentümer ist, ist eine Grundbuchunrichtigkeit insoweit denklogisch ausgeschlossen (verkannt von OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2018, 1480/1481 und OLG Bamberg BeckRS 2015, 15073 Rn. 5). Der durch die Löschung des Nacherbenvermerks gewinnende Teil kann somit nur der Beteiligte zu 2 sein. Hierfür spricht auch der im Vertrag vom 7.5.2019 vorgesehene Ablauf, nämlich dass die Löschung des Nacherbenvermerks Zug um Zug gegen die Eigentumsumschreibung erfolgt. Danach ist es unmöglich, dass der Beteiligte zu 1 als Eigentümer durch den Wegfall der Verfügungsbeschränkung begünstigt wird. Von der Löschung profitieren kann ausschließlich der neue Eigentümer, der Beteiligte zu 2. Auch eine Verfahrensstandschaft des Beteiligten zu 1 für den Beteiligten zu 2 (vgl. Hügel/Kramer § 71 Rn. 182, 212) scheidet aus, da letzterer selbst mit der Beschwerde seine Rechte durchzusetzen versucht.

3. Die Beschwerde ist allerdings unzulässig, weil sie in Ermangelung einer beschwerdefähigen Entscheidung schon nicht statthaft ist gemäß § 71 Abs. 1 GBO.

Eine Entscheidung i.S. dieser Vorschrift kann auch eine Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO sein (BGH NJW 1994, 1158; Budde in Bauer/Schaub § 71 Rn. 6; Demharter § 71 Rn. 1; Hügel/Kramer § 71 Rn. 112). Dabei muss diese nicht als solche bezeichnet sein. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass sie inhaltlich den Kriterien der genannten Bestimmung genügt, d.h. konkrete Eintragungshindernisse bezeichnet und eine Frist zu deren Behebung setzt (Budde in Bauer/Schaub § 71 Rn. 13; Hügel/Kramer § 71 Rn. 113). Im Falle einer Mehrheit von Beanstandungen stellt jede einzelne eine für sich anfechtbare Entscheidung dar (BGH NJW 1994, 1158; Hügel/Kramer § 71 Rn. 114).

Der Beteiligte zu 2 könnte demnach die Beschwerde also wie geschehen auf das Erfordernis einer eidesstattlichen Versicherung begrenzt einlegen.

Indes kann das vom Grundbuchamt bereits nicht als Zwischenverfügung bezeichnete Schreiben vom 19.9.2019 in dem angegriffenen Punkt auch nicht als solche angesehen werden, weil es inhaltlich nicht dieser Entscheidungsform entspricht. Denn das Fehlen der geforderten eidesstattlichen Versicherung ist kein Eintragungshindernis i.S. von § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO. Beantragt ist hier eine Grundbuchberichtigung nach § 22 Abs. 1 GBO wegen nachgewiesener Unrichtigkeit. In einer solchen Konstellation dient die eidesstattliche Versicherung bezüglich eventueller sonstiger Abkömmlinge zwar der Ermittlung weiterer potentieller Nacherben, dies allerdings eben nicht im Hinblick auf gegebenenfalls durch diese zu erteilende Löschungsbewilligungen nach § 19 GBO, sondern lediglich um ihnen das gemäß Art. 103 Abs. 1 GG gebotene rechtliche Gehör (BayObLGZ 1994, 177/179; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2018, 1480/1481 f.; OLG Bamberg BeckRS 2015, 15073 Rn. 6; Senat vom 9.2.2015, 34 Wx 416/14 = NJW-RR 2015, 907; OLG Düsseldorf NJOZ 2012, 1145/1146) gewähren zu können. Letzteres ist indes Aufgabe des Grundbuchamts, nicht des Antragstellers. Zwar gilt im Antragsverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG nicht, vielmehr hat der Antragsteller alle für die Eintragung erforderlichen Erklärungen und Nachweise selbst zu erbringen. Davon zu unterscheiden ist aber die Ermittlung der am Verfahren materiell Beteiligten und deshalb auch formell zu Beteiligenden; diese obliegt dem Grundbuchamt selbst (BayObLG DNotZ 1997, 395/396; Demharter § 1 Rn. 41; Hügel/Zeiser § 18 Rn. 9; Keidel/Sternal FamFG 19. Aufl. § 26 Rn. 4), und zwar auch und gerade wenn sie der Gewährung des rechtlichen Gehörs dient (OLG Düsseldorf NJOZ 2012, 1145/1146; verkannt von OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2018, 1480/1483 und OLG Bamberg BeckRS 2015, 15073 Rn. 5). Dass indes ausschließlich dies das Ziel der Anforderung der eidesstattlichen Versicherung im vorliegenden Fall war, ergibt sich sowohl aus dem Schreiben vom 19.9. als auch aus dem Beschluss vom 4.10.2019. Die Obliegenheit des Antragstellers nach § 27 FamFG, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, ändert an der Unzulässigkeit einer entsprechenden Zwischenverfügung nichts. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beteiligte zu 2 mit der in der notariellen Urkunde vom 7.5.2019 erteilten Auskunft dieser Obliegenheit nicht schon hinreichend nachgekommen ist. Ein Verstoß gegen die Sollvorschrift des § 27 FamFG mag nämlich den Umfang der Aufklärungspflicht des Gerichts beeinflussen und im Einzelfall zu einer Antragszurückweisung führen (Keidel/Sternal § 27 Rn. 5 f.), stellt aber kein Eintragungshindernis i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO dar, das sich durch eine eidesstattliche Versicherung beheben ließe. Das Schreiben vom 19.9.2019 ist somit, selbst wenn darin der Antragsteller zur Mitwirkung aufgefordert und ihm hierzu eine Frist gesetzt wurde, nicht als Zwischenverfügung anzusehen, sondern lediglich als unangreifbare verfahrensleitende Maßnahme (vgl. Senat vom 11.3.2010, 34 Wx 23/10 = FGPrax 2010, 122; Demharter § 71 Rn. 20; Hügel/Kramer § 71 Rn. 76 f.).

III.

1. Einer gesonderten Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil der Beschwerdeführer bereits gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.

2. Der gemäß § 79 Abs. 1 GNotKG festzusetzende Geschäftswert ist nach §§ 61 Abs. 1, 47 Satz 1, 51 Abs. 2 GNotKG mit 30% des im Kaufvertrag vereinbarten Preises zu bemessen (vgl. OLG Rostock BeckRS 2016, 16251 Rn. 14).

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO liegen nicht vor.

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