Beschluss vom Oberlandesgericht München - 34 Wx 555/19

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim - Grundbuchamt - vom 14. November 2019 wird verworfen.

2. Der Beteiligte zu 1 trägt die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2.

3. Der Geschäftswert wird auf EUR 425.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 2 ist mit seiner Ehefrau H.-S. als Miteigentümer zu je ½ im Grundbuch eingetragen. Die Eheleute leben getrennt, der Beteiligte zu 2 hat am 6.6.2019 Scheidungsantrag gestellt. Mit Vertrag vom 29.7.2019 veräußerte H.-S. ihren Miteigentumsanteil an den Beteiligten zu 1. Der Beteiligte zu 1 ist der geschiedene Ehemann von H.-S.. Am 24.10.2019 wurde beim Grundbuchamt die Eintragung der Auflassung beantragt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.10.2019 teilte der Beteiligte zu 2 dem Grundbuchamt mit, dass das Veräußerungsgeschäft gemäß § 1365 BGB zustimmungsbedürftig sei. Dem Schreiben beigefügt war eine Auskunft des anwaltlichen Vertreters von H.-S., wonach diese kein Anfangsvermögen hatte und ihr Endvermögen aus dem halben Miteigentumsanteil der Immobilie besteht.

Mit Zwischenverfügung vom 30.10.2019 forderte das Grundbuchamt für den Vollzug die Einreichung der Zustimmung des Beteiligten zu 2 gemäß § 1365 BGB in grundbuchtauglicher Form.

Am 6.11.2019 erließ das Amtsgericht - Familiengericht - auf Antrag des Beteiligten zu 2 eine einstweilige Anordnung, wonach es dem Beteiligten zu 1 verboten wird, einen Auflassungsantrag zum Grundbuch des Amtsgerichts zu stellen. Die Entscheidung wurde darauf gestützt, dass die Unwirksamkeit des Kaufvertrages nach § 1366 Abs. 4 BGB glaubhaft gemacht worden sei.

Mit Beschluss vom 14.11.2019 hat das Amtsgericht - Familiengericht - den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Aufhebung der einstweiligen Anordnung abgelehnt, da der Kaufvertrag jedenfalls sittenwidrig und die Auflassung nichtig sei.

Ebenfalls mit Beschluss vom 14.11.2019 hat das Grundbuchamt den Antrag vom 22.10.2019 zurückgewiesen, da das Erwerbsverbot ein als zwingend zu beachtendes Eintragungshindernis darstelle.

Am 18.11.2019 hat der Beteiligte zu 1 eine Erinnerung eingelegt, ferner mit anwaltlichem Schreiben vom 27.11.2019 eine Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vom 30.10.2019.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Mit Schriftsatz vom 22.1.2020 hat der Beteiligte zu 1 die Beschwerde begründet und beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts R. - Grundbuchstelle - vom 14.11.2019, Az: … aufzuheben und dem Antrag des Beschwerdeführers auf Auflassung des Miteigentumsanteils an Flst. … Gemarkung P. vom 22.10.2019 stattzugeben.

Er trägt vor, Umstände, die eine Ehegattenzustimmung des Beteiligten zu 2 erforderlich machen, lägen nicht vor. H.-S. habe weder über ihr gesamtes Vermögen verfügt, noch habe er im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis davon gehabt, dass es sich bei dem zu übertragenden Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz um das gesamte Vermögen handeln könnte.

Der Beteiligte zu 2 ist der Beschwerde entgegengetreten und beantragt diese zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, das Veräußerungsgeschäft sei gemäß § 1365 BGB zustimmungsbedürftig, da H.-S. außer dem Miteigentumsanteil über kein Vermögen verfüge. Ferner verstoße der Kaufvertrag gegen Treu und Glauben und sei sittenwidrig, da er ausschließlich abgeschlossen worden sei, um ihn zu schädigen. Mit Schriftsatz vom 2.6.2020 hat er die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO bzw. § 148 ZPO analog im Hinblick auf die familiengerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht beantragt.

II.

Die Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen.

1. Eine Aussetzung des Verfahrens entsprechend § 21 Abs. 1 FamFG bzw. entsprechend § 148 ZPO - wie von dem Beteiligten zu 2 zuletzt im Hinblick auf die Verfahren vor dem Familiengericht beantragt - findet im grundbuchrechtlichen Eintragungsverfahren nicht statt (Senat vom 1.8.2013, 34 Wx 62/13 = Beck RS 2013, 15889; Demharter GBO 31. Aufl. § 1 Rn. 74).

2. Das Rechtsmittel ist als unbeschränkte Beschwerde gegen den Beschluss vom 14.11.2019 gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 71 Abs. 1 GBO statthaft. Das Rechtsmittel ist von dem Beteiligten zu 1 im Übrigen formgerecht erhoben (§ 73 GBO, § 10 Abs. 2 FamFG).

Die Beschwerde vom 27.11.2019 richtete sich zwar dem Wortlaut nach gegen die Zwischenverfügung vom 30.10.2019. Wie sich aus dem Akteninhalt ergibt, war dem anwaltlichen Vertreter zu diesem Zeitpunkt allerdings der Zurückweisungsbeschluss des Grundbuchamts vom 14.11.2019 noch nicht bekannt. Aus der Beschwerdebegründung vom 22.1.2020 ergibt sich eindeutig, dass sich die Beschwerde nunmehr gegen den Zurückweisungsbeschluss des Grundbuchamts vom 14.11.2019 richtet. Die von dem Beteiligten zu 1 bereits vorher persönlich eingelegte „Erinnerung“ hat darüber hinaus kein gesondertes Rechtsschutzziel. Die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels ist insoweit unschädlich.

3. Der Beteiligte zu 1 ist auch beschwerdeberechtigt. Regelmäßig ist dies jeder, dessen Rechtsstellung durch die Entscheidung des Grundbuchamts unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt wäre, falls diese in dem vom Beschwerdeführer behaupteten Sinn unrichtig wäre. Bei Zurückweisung eines Eintragungsantrags ist jeder Antragsberechtigte beschwerdeberechtigt (Demharter a.a.O. § 71 Rn. 58 und 63). Als Auflassungsempfänger ist der Beteiligte zu 1 antrags- und damit auch beschwerdeberechtigt.

4. Hiervon zu unterscheiden ist allerdings die Beschwerdeführungsbefugnis und somit die Frage, ob der Beschwerdeberechtigte die Beschwerde (selbst) erheben darf. Diese kann eingeschränkt sein oder gänzlich fehlen (Demharter a.a.O. § 71 Rn. 60). Die Beschwerdeführungsbefugnis fällt zwar regelmäßig mit der Beschwerdeberechtigung zusammen. Sie fehlt aber, wenn dem Beschwerdeberechtigten die Verfügungsmacht hinsichtlich des Vermögensgegenstandes entzogen ist (Hügel/Kramer GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 217 f.). Maßgeblich ist insoweit die Verfügungsbefugnis des Beschwerdeberechtigten. Diese steht dem Beteiligten zu 1 derzeit nicht zu. Vorliegend wurde dem Beteiligten zu 1 durch die einstweilige Anordnung des Familiengerichts untersagt, einen Auflassungsantrag zu stellen. Dies ist dahingehend auszulegen, dass dem Beteiligten zu 1 nicht nur untersagt ist, die Eintragung der Auflassung zu beantragen. Auch wird damit die Aufrechterhaltung eines bereits gestellten Eintragungsantrags und damit ganz allgemein die Herbeiführung der zur Vollendung des Rechtserwerbs erforderlichen Eintragung untersagt (RGZ 120, 118; KG Rpfleger 1962, 177; Demharter a.a.O. § 19 Rn. 97). Damit ist auch verboten, den Antrag im Rahmen der Beschwerde weiterzuverfolgen. Ein solches Erwerbsverbot ist zulässig und begründet, wenn es dem Grundbuchamt bekannt wird, ein im Grundbuchverfahren zu beachtendes Eintragungshindernis (BayObLGZ 1997, 55 ff.; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 1649; KEHE/Volmer GBO 8. Aufl. § 18 Rn. 35; Demharter a.a.O.; BeckOGK/Assmann 1.5.2020 BGB § 888 Rn. 107 f.). Dem Beteiligten zu 1 ist somit aufgrund der einstweiligen Anordnung die prozessuale Verfügungsbefugnis vorläufig entzogen (KEHE/Volmer GBO 8. Aufl. § 18 Rn. 36). Damit fehlt ihm auch die Beschwerdeführungsbefugnis.

5. Die Regelung des § 878 BGB, wonach nachträgliche Verfügungsbeschränkungen eine abgegebene Erklärung nicht unwirksam machen, steht dem nicht entgegen. Diese Vorschrift betrifft lediglich Verfügungsbeschränkungen des Berechtigten, nicht aber ein Erwerbsverbot auf Seiten des Erwerbers (BeckOGK/Kesseler 1.4.2020 BGB § 878 Rn. 10; MüKoBGB/Kohler 8. Aufl. BGB § 878 Rn. 6; BayObLG a.a.O.; Demharter a.a.O.; KEHE/Volmer a.a.O.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 46 Abs. 1 GNotKG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):

Übergabe an die Geschäftsstelle Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 03.07.2020.

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