Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (2. Senat für Familiensachen) - 8 UF 102/12

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 21. Februar 2012 verkündete Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – W. unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin für die beiden gemeinschaftlichen Kinder folgenden Kindesunterhalt zu zahlen:

für das (am 27. August 2004 geb.) Kind J. :

für die Zeit ab Juli 2011 

93,1 % des Mindestunterhalts, jeweilige Altersstufe,
abzüglich hälftigen Kindergelds für ein 1. Kind
in Höhe von EUR 92 monatlich zurzeit,

für das (am 27. Februar 2007 geb.) Kind A. :

für die Zeit ab Juli 2011

93,3 % des Mindestunterhalts, jeweilige Altersstufe,
abzüglich hälftigen Kindergelds für ein 2. Kind
in Höhe von EUR 92 monatlich zurzeit.

Der weitergehende Zahlungsantrag wird abgewiesen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Beschwerdewert beträgt EUR 3.696.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt – in Verfahrensstandschaft für zwei eheliche Kinder – vom Antragsgegner Kindesunterhalt, und zwar für die Zeit ab Juli 2011.

2

Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 23. April 2004 die Ehe miteinander geschlossen. Aus der Ehe sind zwei Kinder, nämlich

3

- das (am 27. August 2004 geb.) Kind J. und
- das (am 27. Februar 2007 geb.) Kind A.

4

hervorgegangen, um die es im vorliegenden Verfahren geht. Am 04. Januar 2011 trennte sich die Antragstellerin innerhalb der Ehewohnung, die sich in W. befand, vom Antragsgegner und machte gegen ihn beim Familiengericht ein Verfahren auf Zuweisung der Ehewohnung anhängig (5 F 211/11 AG Weißenfels).

5

Während des (am 15. September 2011 erledigten) Verfahrens zog der Antragsgegner am 01. Juni 2011 aus der Ehewohnung aus, so dass sich die beiden gemeinschaftlichen Kinder seitdem in der alleinigen Obhut der Antragstellerin befinden. Inzwischen wohnt die Antragstellerin mit den Kindern in D. und der Antragsgegner wohnt seit seinem Auszug aus der Ehewohnung in einem möblierten Zimmer in N. (Bl. 2 VkH-Heft Antragsgegner).

6

Mit Schreiben vom 04. Juli 2011 mahnte die Antragstellerin – als Vertreterin der Kinder – eine Auskunft über das Einkommen des Antragsgegners an.

7

Nachdem der Antragsgegner die Auskunft erteilt hatte, machte die Antragstellerin am 05. Oktober 2011 – in Verfahrensstandschaft für die Kinder – beim Familiengericht das vorliegende Kindesunterhaltsverfahren anhängig, in dem sie begehrte, den Antragsgegner zu verpflichten, für jedes Kind jeweils für die Zeit ab Juli 2011 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergelds zu zahlen.

8

Das Familiengericht hat dem Antrag nur teilweise stattgegeben und den Antragsgegner – auf Grund mündlicher Verhandlung vom 17. Januar 2012 – mit einem am 21. Februar 2012 verkündeten Beschluss zur Zahlung folgenden Kindesunterhalts verpflichtet:

9

für das (am 27.08.04 geb.) Kind J.
für die Zeit ab Juli 2011

 (zurzeit 2. Altersstufe):
 66,21 % Mindestunterhalt
 abzgl. hälftigen Kindergelds für ein 1. Kind
 i.H.v. EUR 92 monatlich zurzeit,

für das (am 27.02.07 geb.) Kind A.
für die Zeit ab Juli 2011

 (zurzeit 1. Altersstufe):
 65,94 % Mindestunterhalt
 abzgl. hälftigen Kindergelds für ein 2. Kind
 i.H.v. EUR 92 monatlich zurzeit.

10

Gegen diese – ihr am 01. März 2012 zugestellte – Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der am 28. März 2012 beim Familiengericht eingelegten und sogleich begründeten Beschwerde, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.

11

Am 12. Juni 2012 wurde die Ehe der Beteiligten geschieden.

II.

12

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin (§§ 58 ff., § 117 FamFG) ist überwiegend begründet:

13

1. Die Antragstellerin kann Kindesunterhalt in Verfahrensstandschaft für die beiden ehelichen Kinder geltend machen, die sich in ihrer alleinigen Obhut befinden (§ 1629 Abs. 3 BGB).

14

2. Die Antragstellerin kann Kindesunterhalt für die Zeit ab Juli 2011 beanspruchen, weil sie – als Vertreterin der beiden Kinder (§ 1629 Abs. 2 BGB) – mit Schreiben vom 04. Juli 2011 eine Auskunft über das Einkommen des Antragsgegners angemahnt hat (§ 1613 Abs. 1 BGB).

15

3. Weil für jedes der beiden Kinder – für die Zeit ab Juli 2011 – nur Kindesunterhalt bis zu 100 % des Mindestunterhalts (§ 1612a BGB) abzüglich hälftigen Kindergelds (§ 1612b BGB) geltend gemacht wird, hat der Antragsgegner die gesetzliche Vermutung seiner Leistungsfähigkeit zu entkräften (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage, § 6 Rn 704 f. m.w.N.), wobei freilich eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt werden muss, da der Antragsgegner nicht ohne Weiteres in der Lage ist, für jedes seiner beiden Kinder 100 % Mindestunterhalt abzüglich hälftigen Kindergelds zu leisten:

16

a) Der (am 18. Februar 1977 geb.) Antragsgegner ist gelernter Dachdecker. Er ist seit September 2008 als Berufskraftfahrer bei der Fa. G. an der B. Straße 26b in N. angestellt. Seit 01. Juni 2011 wohnt er in N. . Er erzielt bei (unstreitig) 40 Wochenarbeitsstunden (Bl. 32 d.A.) ein Festgehalt von (nachweislich) brutto EUR 1.750 monatlich (Bl. 11 ff. d.A.), das bei 0 Kinderfreibeträgen in seiner Lohnsteuerklasse 5 – in der er sich nach wie vor befindet – einem Nettoeinkommen von ca. EUR 1.003 monatlich entspricht (Bl. 11 - 22 d.A.), wie das Familiengericht zutreffend ausführt.

17

Das Familiengericht hat dem Antragsgegner zu Recht entgegengehalten, dass sich seine Leistungsfähigkeit angesichts der ihn gegenüber seinen beiden minderjährigen Kindern treffenden gesteigerten Erwerbsobliegenheit, nach der er zur Deckung des Unterhaltsbedarfs seiner minderjährigen Kinder „alle verfügbaren Mittel“ einzusetzen hat (§ 1603 Abs. 2 BGB), nicht nur nach seinen tatsächlichen Einkünften, sondern nach den ihm zumutbaren Einkünften bemisst (vgl. BGH, NJW 1994, 1002 ff. m.w.N.). Infolgedessen müsse er nicht nur (unter Berücksichtigung des Arbeitszeitgesetzes) bis zu 48 Stunden wöchentlich einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen oder zusätzlich zu seiner Vollerwerbstätigkeit eine Nebenerwerbstätigkeit – wie Taxifahren, Kellnern, Zeitungaustragen usw., auch an Wochenenden (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 71. Auflage, § 1603 Rn 41 f. m.w.N.) – aufnehmen (vgl. BGH, Urt. v. 03.12.08 – XII ZR 182/06; ferner Palandt/Brudermüller a.a.O., § 1603 Rn 32, 42 m.N.), sondern ihn treffe unterhaltsrechtlich auch die Obliegenheit, Möglichkeiten zur Verringerung seiner Steuerlast (insbesondere Wechsel in eine günstigere Lohnsteuerklasse) auszuschöpfen (vgl. Palandt/Brudermüller a.a.O., § 1603 Rn 40 m.w.N.).

18

Andererseits kann dem Antragsgegner – abweichend von der Ansicht der Antragstellerin – nicht angesonnen werden, seinen sicheren, nach Schätzung des Senats auch angemessen vergüteten Arbeitsplatz, den er schon seit mehr als 3 Jahren inne hat, durch deutschlandweite Bewerbungen auf besser vergütete Stellen zu gefährden und zu Gunsten einer solchen Stelle – insbesondere in seinem erlernten Beruf als Dachdecker – aufzugeben (vgl. OLG Naumburg, FamRZ 1997, 311 f.). Denn es kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass ein neuer Arbeitsplatz genauso sicher wie sein jetziger ist, selbst wenn er besser vergütet wird; das Risiko, den neuen Arbeitsplatz nach einer Probezeit wieder zu verlieren, dürfte überwiegen, so dass, falls ihm keine Aufstockung des jetzigen sicheren Arbeitsplatzes auf 48 Wochenarbeitsstunden angesonnen werden kann, weil eine solche Möglichkeit für ihn nicht besteht, nur eine Nebenerwerbsobliegenheit angenommen werden kann (vgl. Palandt/Brudermüller a.a.O., § 1361 Rn 13 unter Bezugnahme auf OLG Schleswig, OLG-Report 2007, 325 ff. [zu § 1603 Abs. 2 BGB], wonach an die [gesteigerte] Erwerbsobliegenheit keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen). Eine andere rechtliche Wertung ließe sich auch schwerlich mit den – auch im Rahmen von § 1603 Abs. 2 BGB zu berücksichtigenden – persönlichen Bindungen des Antragsgegners zu seinen beiden Kindern, insbesondere mit seinem Umgangsrecht, vereinbaren, zumal bei den Zumutbarkeitserwägungen auch entstehende Kosten der Ausübung des Umgangs sowie Umzugskosten Beachtung finden müssen (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage, § 1 Rn 738 unter Bezugnahme auf BVerfG, FamRZ 2006, 469, 470).

19

Nicht zuletzt mit Rücksicht darauf kann dem Antragsgegner auch nicht entgegengehalten werden, nicht mehr wie „früher“ als Fernfahrer zu arbeiten und ein Nettoeinkommen von ca. EUR 1.800 monatlich zuzüglich Spesen zu erzielen, zumal der Antragsgegner höheres damaliges als sein jetziges Einkommen bestritten und die Antragstellerin ihr Vorbringen nicht spezifiziert hat, so das der Vortrag des Antragsgegners als zugestanden gilt. Im Übrigen ist Folgendes zu beachten: Zwar hat ein Unterhaltspflichtiger grundsätzlich kein Recht, aus beruflichen Gründen einen gut bezahlten Arbeitsplatz aufzugeben, welcher seiner Familie eine auskömmliche Lebensgrundlage bietet, und die Familie der Hilfe Dritter oder der Sozialhilfe zu überantworten; er muss sich unterhaltsrechtlich weiterhin als leistungsfähig behandeln lassen, wenn er ohne zureichenden Grund seinen Arbeitsplatz aufgibt, denn gegenüber der höherwertigen, aus Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes folgenden unterhaltsrechtlichen Verantwortung für die Familie muss das Recht des Unterhaltspflichtigen auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit und Berufswahl zurücktreten (BGH, FamRZ 1983, 140 f.). Diese Rechtsprechung betrifft aber nur Fälle, in denen der Unterhaltspflichtige seine Erwerbstätigkeit ohne Rücksicht auf eine bereits bestehende Bedürftigkeit der von ihm abhängigen Familienangehörigen sowie ohne deren Einverständnis aufgibt, ihm also die Berufung auf einen im Widerspruch zur Rechtsordnung geschaffenen Zustand verwehrt ist (BGH a.a.O., S. 140). So verhielt es sich im vorliegenden Fall nicht. Da der Antragsgegner seinen jetzigen Arbeitsplatz bereits seit September 2008 – mithin seit der Zeit, als die Ehegatten noch nicht getrennt lebten – bekleidet (die Trennung erfolgte erst im Januar 2011), hat der Antragsgegner seine „frühere“ Arbeitsstelle als Fernfahrer nicht aufgegeben, ohne mit seiner Ehefrau, der Antragstellerin, übereingekommen zu sein, dass sie den Lebensbedarf für sich und die Kinder in stärkerem Maße als bisher von ihrem Nettoeinkommen (derzeit ca. EUR 2.210 monatlich), das sie als Chemikantin bei der T. GmbH in L. erzielt, mitbestreitet. Eine Verschiebung der Aufgabenverteilung zwischen den Ehegatten ist rechtlich zulässig (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB), auch die Lebensstellung (§ 1610 Abs. 1 BGB) und damit die Unterhaltsansprüche der ehelichen Kinder wurden durch die gemeinschaftliche eheliche Bestimmung des Lebenszuschnitts der Familie angepasst. Die ehelichen Kinder müssen sich daher die Vereinbarung innerhalb der Schicksalsgemeinschaft der Familie entgegenhalten lassen, zumal der Antragsgegner, als er seinen damaligen Arbeitsplatz aufgab, davon ausgehen durfte, dass der Unterhalt seiner Familienmitglieder sichergestellt war, so dass ihm unterhaltsrechtlich kein leichtfertiges Verhalten angelastet werden kann (vgl. zum Ganzen Wendl/Dose a.a.O., § 1 Rn 767 unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 1983, 140, 141 m.w.N.).

20

Demnach ist das Familiengericht zu Recht von einem dem Antragsgegner anzurechnenden Einkommen von ca. EUR 1.400 monatlich ausgegangen: Durch den Wechsel von der ungünstigen Lohnsteuerklasse V in die günstigere Lohnsteuerklasse I, der ihm für die Zeit seit der Trennung der Ehegatten zusteht (§ 38b Satz 2 Nr. 1b EStG a. F. bzw. § 38b Satz 2 Abs. 1 Nr. 1a, bb EStG n. F.) und von der er steuerrechtlich (bis zum 30. November 2011 rückwirkend ab der Zeit der Trennung) Gebrauch machen konnte (§ 39 Abs. 5 EStG a. F.; § 39 Abs. 6 EStG n. F.; vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 30. Auflage, § 39 Rn 5), konnte der Antragsgegner bei einem Bruttoeinkommen von EUR 1.750 monatlich ein Nettoeinkommen von ca. EUR 1.230 monatlich erzielen. Bei einer Erhöhung seiner Arbeitszeit von 40 Wochenarbeitsstunden auf 48 Wochenarbeitsstunden oder der Aufnahme einer Nebenerwerbstätigkeit konnte – und kann – er ein Nettoeinkommen von ca. EUR 1.400 monatlich erzielen, wie das Familiengericht zutreffend annimmt. Infolgedessen ist das vom Familiengericht angenommene, bei Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts des Antragsgegners (EUR 950 monatlich) für Kindesunterhalt verfügbare Einkommen von ca. EUR 450 monatlich nicht zu beanstanden. Der insoweit darlegungsbelastete Antragsgegner hat nicht dargetan, dass und ggf. aus welchen Gründen ihm die Ableistung von Überstunden oder eine Nebentätigkeit nicht möglich oder unzumutbar sein sollte. Hierzu hätte er spätestens aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts Veranlassung gehabt.

21

b) Auch den Gesamtbedarf der beiden Kinder (EUR 497 monatlich) hat das Familiengericht zutreffend berechnet:

22

Bedarf des (am 27.08.04 geb.) Kindes J.
(seit 08.10 in der 2. Altersstufe):
100 % Mindestunterhalt, 2. Altersstufe,
abzgl. ½ Kindergeld für ein 1. Kind, d.i. Zahllast von

 EUR 272 monatlich

Bedarf des (am 27.02.07 geb.) Kindes A.
(bis 02.12 in der 1. Altersstufe):
100 % Mindestunterhalt, 1. Altersstufe,
abzgl. ½ Kindergeld für ein 2. Kind, d.i. Zahllast von

EUR 225 monatlich

Sa.

EUR 497 monatlich

23

Er wird vom verfügbaren Einkommen des Antragsgegners (EUR 450 monatlich) zu 90,5 % gedeckt.

24

c) Vergleicht man die für Kindesunterhalt verfügbare „Verteilungsmasse“ mit dem vom Familiengericht angenommenen Gesamtbedarf der Kinder, so ergibt sich statt des vom Familiengericht tenorierten Kindesunterhalts (von 66,21 % bzw. 65,94 % des Mindestunterhalts abzgl. hälftigen Kindergelds) folgender Unterhalt:

25

für das Kind J. :

90,5 % von EUR 272 mtl. (wie vor), d.s. ca. statische EUR 247 monatlich,
d.s. umgerechnet in dynamischen Mindestunterhalt:

Zahllast

EUR 247 mtl.

zzgl. ½ Kindergeld

+ EUR   92 mtl.

Sa.

EUR 339 mtl.

d.s. 93,1 % des Mindestunterhalts 2. Altersstufe (EUR 364 mtl.),
von dem hälftiges Kindergeld für ein 1. Kind
(EUR 92 monatlich zurzeit) abzusetzen sind;

26

für das Kind A. :

90,5 % von EUR 225 mtl. (wie vor), d.s. ca. statische EUR 204 monatlich,
d.s. umgerechnet in dynamischen Mindestunterhalt:

Zahllast

EUR 204 mtl.

zzgl. ½ Kindergeld

+ EUR   92 mtl.

Sa.

EUR 296 mtl.

d.s. 93,3 % des Mindestunterhalts 1. Altersstufe (EUR 317 mtl.),
von dem hälftiges Kindergeld für ein 2. Kind
(EUR 92 mtl. zurzeit) abzusetzen sind.

27

D.h., auf das Rechtsmittel der Antragstellerin ist die angefochtene Entscheidung entsprechend zu korrigieren.

28

d) Abweichend von der Ansicht des Antragsgegners besteht keine Verpflichtung der Antragstellerin, neben dem von ihr geleisteten Betreuungsunterhalt für die Kinder (§ 1606 Abs. 2 Satz 3 BGB) auch den Barunterhalt (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) zu übernehmen. Die Voraussetzungen der Bestimmung zu § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB sind nicht gegeben. Bei der Bestimmung zu § 1603 Abs. 2 Satz 3 handelt es sich um eine Ausnahmebestimmung, denn nach der Grundsatzvorschrift zu § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB hat nur der nicht betreuende Elternteil Barunterhalt zu leisten; mit Rücksicht darauf müssen die Einkommensunterschiede des betreuenden und des nicht betreuenden Elternteils, um zur Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung zu § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB zu gelangen, „erheblich“ sein (NK-BGB/Saathoff, § 1603 Rn 24). Der Senat nimmt – in ständiger Rechtsprechung – an, dass der betreuende Elternteil etwa über das dreifache Einkommen des nicht betreuenden Elternteils verfügen muss, um letzteren von der Haftung für Barunterhalt freizustellen (so auch Palandt/Brudermüller, BGB, 71. Auflage, § 1603 Rn 46 unter Hinweis auf § 1606 Rn 16, wo u.a. auf Büttner, FamRZ 2002, 743 verwiesen wird). Dies kann bei einem der Antragstellerin – nach dem gebotenen Wechsel von der Lohnsteuerklasse III in die Lohnsteuerklasse II – anzurechnenden Nettoeinkommen von bis zu EUR 2.689 monatlich (Bl. 129 d.A.) und dem dem Antragsgegner nach dem Steuerklassenwechsel anzurechnenden Nettoeinkommen von ca. EUR 1.230 monatlich (siehe oben) nicht angenommen werden; dies gilt erst recht, wenn man dem Antragsgegner – wie oben angenommen – bis zu 48 Wochenarbeitsstunden zumutet und ihm ein Einkommen von ca. EUR 1.400 monatlich anrechnet (siehe oben). Hinzu kommt, dass die Antragstellerin als gelernte Chemikantin ihr Einkommen nur deshalb erzielt, weil sie als Anlagenfahrerin im 3-Schicht-Betrieb bei der Fa. T. in L. arbeitet; sie muss, um die Kinder betreuen zu lassen, nicht nur einen Hortbeitrag und Kindergartenbeitrag leisten, sondern auch ein Kindermädchen bezahlen.


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