Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (10. Zivilsenat) - 10 W 42/13 (KfB), 10 W 42/13

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 23. April 2013 über die Nachfestsetzung von Kosten zum Kostenfestsetzungsbeschluss I. Instanz vom 2. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 614,08 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit rechtskräftigem, die Klage abweisenden Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 9. November 2012 wurde die Klägerin zur Kostentragung verpflichtet. Am 22. November 2012 haben die Beklagten die Festsetzung der Kosten I. Instanz beantragt. In dem anwaltlichen Schriftsatz vom 20. November 2012 heißt es u.a.: „19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV: 614,08 € … Die von uns vertretene Partei ist vorsteuerabzugsberechtigt, so dass die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht festzusetzen ist“. Auf den Kostenfestsetzungsantrag wird Bezug genommen.

2

Die zuständige Rechtspflegerin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau hat die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 2. Januar 2013 auf 3.232,00 € festgesetzt und hierzu in den Gründen ausgeführt, von dem Antrag sei die Mehrwertsteuer in Höhe von 614,08 € abzusetzen gewesen, da die Beklagten vorsteuerabzugsberechtigt seien. Auf den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Januar 2013, der dem Klägervertreter ausweislich dessen Empfangsbekenntnisses am 10. Januar 2013 zugestellt und dem Beklagtenvertreter am 14. Januar 2013 in vollstreckbarer Ausfertigung formlos übersandt worden ist, wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2013, eingegangen beim Landgericht am 21. Januar 2013, hat der Beklagtenvertreter beantragt, den Umsatzsteuerbetrag nachträglich festzusetzen, da für die Beklagten entgegen seiner Annahme keine Vorsteuerabzugsberechtigung bestünde. Die Klägerin hat der Nachfestsetzung widersprochen.

3

Im Wege der Nachfestsetzung hat die zuständige Rechtspflegerin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 23. April 2013 auf weitere 614,08 € Umsatzsteuer festgesetzt. Gegen diesen ihr am 26. April 2013 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 8. Mai 2013, eingegangen beim Landgericht Dessau-Roßlau per Telefaxkopie am selben Tag. Sie macht im Wesentlichen geltend, einer Nachfestsetzung stünde die rechtskräftige Aberkennung des Mehrwertsteuerbetrages im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Januar 2013 entgegen. Auf die sofortige Beschwerde wird Bezug genommen.

4

Die Rechtspflegerin am Landgericht Dessau-Roßlau hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 22. Juli 2013 nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

5

Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und form- und fristgerecht nach § 569 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde, über die gemäß § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden hat, ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

6

1. Zur Berücksichtigung der Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren genügt grundsätzlich die Erklärung des Antragstellers, nicht vorsteuerabzugsberechtigt zu sein (Zöller-Herget, ZPO, 29. Aufl., § 104 Rn 21, § 91 Rn 13, jeweils Stichwort „Umsatzsteuer“). Das behauptete Fehlen der Vorsteuerabzugsberechtigung wird im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich auch nicht überprüft, um das Kostenfestsetzungsverfahren von steuerrechtlichen Fragen zu entlasten (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rn 13). Eine zweifelsfrei unrichtige Erklärung, die gegebenenfalls eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, liegt weder für die Beklagte zu 1.) noch für die Beklagte zu 2.) vor (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 29. Aufl., ebenda).

7

Da der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hier zunächst mit Kostenfestsetzungsantrag vom 20. November 2012 ausdrücklich den Mehrwertsteuerbetrag wegen der - irrtümlich angenommenen - Vorsteuerabzugsberechtigung der Beklagten nicht geltend gemacht hat, indem er vorgetragen hat, die ausgewiesene Umsatzsteuer sei nicht festzusetzen, konnte er mit Nachfestsetzungsantrag vom 17. Januar 2013 für die Beklagten das Vorbringen zur Vorsteuerabzugsberechtigung korrigieren und die ursprünglich nicht begehrte Umsatzsteuer nachträglich festsetzen lassen. Hat ein Prozessbevollmächtigter in seinem ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag irrtümlich nicht alle Kosten geltend gemacht, so ist eine Nachliquidation nach den allgemeinen Grundsätzen des Kostenrechts grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.02.1995, Aktenzeichen: 2 BvR 502/92, m.w.N., zitiert nach juris). Zwar kann, wenn die erstattungsberechtigte Partei mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag erkennbar ihren gesamten Anspruch auf Erstattung von Gebühren geltend gemacht und das Gericht dem antragsgemäß stattgegeben hat und wenn der Erstattungsberechtigte später geltend gemachten Gebühren einen höheren Gegenstandswert zugrunde legt, die materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung einer erneuten Kostenfestsetzung entgegen stehen (BGH, Beschluss vom 10.03.2011, Aktenzeichen: IX ZB 104/09, zitiert nach juris). Vorliegend ist aber bereits zweifelhaft, ob die Rechtspflegerin in dem Nachfestsetzungsbeschluss vom 23. April 2013 insoweit über denselben Streitgegenstand wie im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Januar 2013 entschieden hat. Der Mehrwertsteuerbetrag war von den Beklagten zunächst ausdrücklich nicht geltend gemacht worden. Die Rechtspflegerin ist i.S. § 308 Abs. 1 ZPO auch im Kostenfestsetzungsverfahren an den Parteiantrag gebunden. Sie durfte den nicht geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Januar 2013 deshalb auch nicht aberkennen (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.1990, Aktenzeichen: I ZR 45/89, zitiert nach juris; vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 308 Rn 1, m.w.N.). Hätte in der Entscheidung vom 2. Januar 2013 gleichwohl eine teilweise Zurückweisung eines vermeintlich geltend gemachten Anspruchs der Beklagten gelegen, wie die Klägerin meint, wäre der Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 2. Januar 2013 gemäß § 104 Abs. 1 Satz 3 ZPO den Beklagten förmlich zuzustellen gewesen. Die Übersendung einer Abschrift des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 2. Januar 2013 erfolgte nach dem Akteninhalt an den Beklagtenvertreter aber erstmals am 14. Januar 2013. Bei Eingang des Nachfestsetzungsantrages der Beklagten vom 17. Januar 2013 beim Landgericht Dessau-Roßlau am 21. Januar 2013 war mithin jedenfalls noch keine rechtskräftige Aberkennung dieses Anspruchs erfolgt. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Januar 2013 war am 21. Januar 2013 noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Die Beklagten konnten zu diesem Zeitpunkt gegen die Aberkennung des Mehrwertsteueranspruchs noch Rechtsmittel einlegen. Sie waren auch nicht daran gehindert, den Vortrag, vorsteuerabzugsberechtigt zu sein, zu korrigieren und die Nachfestsetzung des ursprünglich nicht geltend gemachten Mehrwertsteuerbetrages zu beantragen. Gemäß § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO beginnt die zweiwöchige Notfrist zur sofortigen Beschwerde erst mit Zustellung der Entscheidung oder spätestens fünf Monate nach der Verkündung des Beschlusses. Ist eine förmliche Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht nachweisbar oder ist sie unterblieben, dann beginnt die zweiwöchige Notfrist des § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO spätestens fünf Monate nach der formlosen Bekanntgabe der Entscheidung an die Parteien (OLG Köln, Beschluss vom 02.05.2011, Aktenzeichen: I -17 W 8/11, 17 W 8/11, zitiert nach juris).

8

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin zitierten Beschluss des OLG Karlsruhe vom 09. März 2007, Aktenzeichen: 15 W 93/06, wonach einer Nachfestsetzung die rechtskräftige Aberkennung der Mehrwertsteuer im Kostenfestsetzungsbeschluss entgegensteht (vgl. OLG Karlsruhe vom 09. März 2007, Aktenzeichen: 15 W 93/06, zitiert nach juris). Dort war, anders als hier, nachdem die förmliche Zustellung ebenfalls unterblieben war, der Antrag auf Nachfestsetzung erst nach Ablauf der fünfmonatigen Frist gemäß § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO gestellt worden und die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses bereits eingetreten.

9

2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO liegen nicht vor.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen