Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Senat für Familiensachen) - 3 UF 155/13

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Zerbst vom 2. Mai 2013 abgeändert:

Der Antrag des Antragstellers wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz trägt der Antragsteller.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

Gründe

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Durch den angefochtenen Beschluss vom 2. Mai 2013 hat das Amtsgericht die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über die Vaterschaft für ihr Kind J. M., geboren am 29.07.2000, durch Benennung des Vaters zu erteilen. Der Antragsteller gewährt der Antragsgegnerin sowie ihrem Kind laufende Leistungen nach dem SGB II. Wegen des Sachverhalts im Übrigen sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den angefochtenen Beschluss, Bl. 51 f. d. A., Bezug genommen.

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Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.

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Sie wiederholt und vertieft dazu ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und führt aus, das Verfahren zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Vaterschaftsanfechtungsverfahren, auf das der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.04.2008 - XII ZR 144/06 - abstelle, stehe ausschließlich dem Kind und den Eltern, nicht aber Dritten zu.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den angefochtenen Beschluss abzuändern und den Antrag des Antragstellers abzuweisen.

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Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),

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die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

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Die nach §§ 58 ff., 63 Abs. 1, 117 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Zerbst vom 02.05.2013 hat zur Überzeugung des Senats Erfolg, denn der angefochtenen Entscheidung, mit welcher die Antragsgegnerin verpflichtet wurde, dem Antragsteller Auskunft über die Vaterschaft für das Kind J. durch Benennung des Vaters zu erteilen, vermag der Senat nicht zu folgen, sieht er dafür doch keinerlei Stütze im Gesetz und vermag er auch aus der neuerlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nichts zu ersehen, was dem Auskunftsbegehren zum Erfolg verhelfen könnte.

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Darauf hat der Senat den Antragsteller mit Hinweis vom 28.08.2013 hingewiesen und ausgeführt:

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„…Das Amtsgericht meint unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.11.2011 - XII ZR 136/09 -, zitiert nach juris, zum Auskunftsanspruch des Scheinvaters, ein Auskunftsanspruch des Antragstellers ergebe sich aus Treu und Glauben wenn - wie im zu entscheidenden Fall - es die zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehungen mit sich brächten, dass der eine Teil in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen und der andere Teil in der Lage sei, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Das sei hier der Fall, weil die Antragsgegnerin Sozialleistungen für sich und das Kind beziehe und die Auskünfte zum Kindesvater unschwer erteilen könne. Grundgesetzlich verbriefte Rechte der Kindesmutter würden zwar berührt, jedoch überwiege der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Kindesmutter nicht dem Rückforderungsanspruch des Staates auf Rückzahlung der auf Kosten der Allgemeinheit erbrachten Unterhaltsleistungen.

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Allerdings ist der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall mit der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht vergleichbar. Dort nämlich war zu klären, ob dem rechtlichen Vater, der noch während des Zusammenlebens auf Aufforderung der Kindesmutter ein Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben und Unterhalt gezahlt und schließlich erfolgreich seine Vaterschaft zu dem Kinde angefochten hatte, zur Vorbereitung eines Unterhaltsregressprozesses gegen den wirklichen biologischen Vater ein Auskunftsrecht gegen die Kindesmutter über diejenigen Personen zusteht, die ihr in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt haben. Das hat der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung gemäß § 242 BGB bejaht, weil der frühere rechtliche Vater nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung aus übergegangenem Recht den leiblichen Vater in Regress nehmen könne und dem Regressanspruch nicht entgegenstehe, dass nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung durch den bisherigen Vater noch keine neue Vaterschaft festgestellt worden sei. Die Rechtsausübungssperre des § 1600 d IV BGB könne im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger in besonders gelagerten Einzelfällen dadurch durchbrochen werden, dass die Vaterschaft inzident festgestellt werde. Dazu hebt der Bundesgerichtshof darauf ab, dass sich die Kindesmutter weigert, den mutmaßlichen Erzeuger zu benennen, obwohl dieser ihr auf Grund bezogener Unterhaltszahlungen bekannt war, der bisherige Vater selbst keine Möglichkeit hatte, die Vaterschaft des wirklichen Erzeugers feststellen zu lassen und die dazu (bis zur Volljährigkeit des Kindes allein) Berechtigten eine gerichtliche Feststellung ablehnten.

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Diese Situation ist mit der hiesigen nicht vergleichbar. Denn zwischen den Beteiligten bestehen wegen der öffentlich-rechtlichen Überlagerung keine solchen besonderen Rechtsbeziehungen, die einen aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ableitbaren Auskunftsanspruch begründen könnten. Insbesondere spricht gegen den Auskunftsanspruch des Antragstellers gegen die Kindesmutter hier dessen Möglichkeit, Leistungen nicht gewähren zu müssen, wenn der Hilfesuchende nicht selbst in „ Vorleistung“ tritt. Denn der um staatliche Hilfeleistungen Nachsuchende - die Leistungen sind stets subsidiärer Art, greifen sie doch erst, wenn der dem Anspruchsberechtigten zur Leistung Verpflichtete aus welchen Gründen auch immer nicht leistet - hat seinerseits Pflichten zu erfüllen. So obliegen ihm nach §§ 60 ff SGB II umfassende Mitwirkungspflichten, deren Verletzung sanktioniert werden kann (vgl. u.a. IG Aachen, FamRZ 2013, 333). Die Situation ist also eine wesentlich andere, als die des Scheinvaters, der auf den Weg der Auskunftserlangung für die Inzidentfeststellung angewiesen ist, um Ansprüche überhaupt geltend machen zu können…“

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Ergänzend zum Hinweis ist anzumerken:

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Der Antragsteller begehrt die Auskunft über den Erzeuger des Kindes ausschließlich deshalb, weil er meint, kraft Gesetzes auf ihn übergegangene Ansprüche gegen diesen geltend machen zu können. Dabei lässt er aber außer acht, dass dafür allein der Name des Erzeugers nicht ausreicht. Denn ein Anspruchsübergang findet solange nicht statt, solange nicht die Vaterschaft rechtlich feststeht, etwa durch Anerkennung oder gerichtliche Entscheidung. Auf die Problematik der §§ 60 f. SGB I käme es also schon nicht an. Deshalb erweist sich das Begehren des Antragstellers auch als unbegründet.

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Überdies käme eine Rückforderung der gewährten Leistungen dann in Frage, wenn diese ohne ausreichende gesetzliche Grundlage bewilligt worden sind. Das ist wegen der Subsidiarität der Sozialhilfeleistungen dann der Fall, wenn die Anspruchstellerin nicht zuvor im Wege der Selbsthilfe eigene und gesetzliche Unterhaltsansprüche ihres Kindes geltend gemacht hat und nicht ausnahmsweise ein gewichtiger dagegen sprechender Grund vorliegt (vg. BVerwG FamRZ 1983, 903).

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Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass sich der fragliche Auskunftsanspruch auch nicht aus übergegangenem Recht in Verbindung mit § 1605 BGB ergibt, weil von dieser Norm die hier begehrte Benennung des Vaters nicht erfasst wird.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Abs. 1 FamFG, 91 ZPO.

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Die Rechtsbeschwerde hat der Senat zur Klärung der grundsätzlichen Frage des Auskunftsrechts zugelassen (§ 70 FamFG).


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