Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (2. Zivilsenat) - 2 W 34/14 KE

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenausspruch im Anerkenntnisurteil der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal vom 16. April 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf eine Gebührenstufe bis zu 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Klägerin hat im Februar 2014 gegen den Beklagten eine Klage auf Zahlung in Höhe von 34.715,31 € erhoben; mit der Klage hat sie Schadenersatzansprüche wegen der vermeintlich rechtswidrigen Aufhebung eines Verfahrens zur Vergabe einer öffentlichen Dienstleistungskonzession zur Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung geltend gemacht.

2

Der Beklagte hat diesen Anspruch innerhalb der Frist zur Verteidigungsanzeige mit Schriftsatz vom 14.03.2014 anerkannt, sich jedoch gegen die Auferlegung der Prozesskosten gewandt mit der Begründung, dass der Anspruch zuvor nicht beziffert außergerichtlich geltend gemacht worden sei.

3

Die Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal hat am 16.04.2014 im schriftlichen Vorverfahren ein Anerkenntnisurteil erlassen; die Kosten des Rechtsstreits hat sie der Klägerin in Anwendung des § 93 ZPO auferlegt. Das Anerkenntnisurteil ist der Klägerin am 25.04.2014 zugestellt worden.

4

Die Klägerin hat am 08.05.2014 isoliert gegen die Kostenlastentscheidung sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Sie meint, dass der Beklagte durch sein vorprozessuales Verhalten hinreichend Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Insoweit wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen zur vorgerichtlichen Korrespondenz der Prozessparteien im Zeitraum von Oktober 2013 bis einschließlich Februar 2014. Aus den jeweiligen Stellungnahmen des Beklagten sei eine grundsätzliche Verweigerungshaltung gegenüber den Schadenersatzforderungen der Klägerin deutlich geworden, welche die Annahme gerechtfertigt hätten, dass eine Streitbeilegung ohne Anrufung des Gerichts nicht zu erreichen sei.

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Das Landgericht hat nach Anhörung des Beklagten und Replik der Klägerin dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache mit Beschluss vom 23.05.2014 dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

6

Die Prozessparteien haben im Beschwerdeverfahren ergänzend Stellung genommen. Die Klägerin hat ihr Beschwerdevorbringen u.a. dahin ergänzt, dass der Beklagte die Veranlassung zur Klageerhebung nachträglich dadurch bestätigt habe, dass er nach Erlass des Anerkenntnisurteils nicht sofort gezahlt, sondern eine Zahlungsaufforderung durch die Klägerin abgewartet habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Klägerin vom 06.06.2014, 18.06.2014 und 01.10.2014 sowie auf die Stellungnahmen des Beklagten vom 22.05.2014, 26.06.2014 und 10.07.2014 Bezug genommen.

B.

7

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach § 99 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und genügt sowohl der Voraussetzung des § 99 Abs. 2 S. 2 ZPO – hypothetische Zulässigkeit eines Rechtsmittels in der (nicht angefochtenen) Hauptsache – als auch der Mindest-Kostenbeschwer nach § 567 Abs. 2 ZPO.

8

Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben und den mit der Klage geltend gemachten Anspruch sofort anerkannt hat, so dass die Kosten des Rechtsstreits nach § 93 ZPO der Klägerin aufzuerlegen waren.

9

I. Auch die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass der Beklagte die Klageforderung im Sinne des § 93 ZPO „sofort“ anerkannt hat. Er hat innerhalb der Notfrist von zwei Wochen zur Verteidigungsanzeige prozessual wirksam das Anerkenntnis der Klageforderung erklärt.

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II. Der Beklagte hat hier auch der Klägerin keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.

11

1. Veranlassung zur Anrufung eines Gerichts hat ein Beklagter gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden gegenüber dem späteren Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin im vorliegenden Fall im Februar 2014 nicht davon ausgehen durfte, dass der Beklagte nicht freiwillig, d.h. ohne einen gegen ihn ergangenen Vollstreckungstitel, zur Schadenersatzleistung bereit sei. Es ist insbesondere kein Verhalten des hiesigen Beklagten ersichtlich, mit dem dieser vor Klageerhebung unmissverständlich signalisiert hätte, ohne gerichtliche Verurteilung nicht zahlungswillig zu sein.

12

a) Allerdings beruft sich die Klägerin zu Recht darauf, dass ein Beklagter, der abweichend vom Grundsatz des § 91 Abs. 1 ZPO eine Belastung der klagenden und infolge des Anerkenntnisses obsiegenden Prozesspartei mit den Kosten des Rechtsstreits begehrt, die Beweislast dafür trägt, die Klageerhebung nicht veranlasst zu haben (vgl. nur Herget in: Zöller, 30. Aufl. 2013, § 93 Rn. 6 – Stichwort „Beweislast“ m.w.N.). Das Landgericht hat diese Beweislast jedoch nicht verkannt; es hat seine Feststellungen ausschließlich auf die von den Prozessparteien, ganz überwiegend von der Klägerin selbst, vorgelegten wechselseitigen Schriftstücke gestützt. Eine hiervon zu unterscheidende Frage ist, welcher Erklärungswert bestimmten Äußerungen des Beklagten in seinen vorprozessualen Schreiben zukommt. Insoweit hat das Landgericht zu Recht auf das Verständnis eines objektiven Erklärungsempfängers abgestellt und nicht etwa auf das subjektive Verständnis der Klägerin.

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b) Unstreitig ist, dass die Klägerin sich zu keiner Zeit vor Klageerhebung an den Beklagten gewandt hat mit einer bezifferten und hinsichtlich der Positionen vereinzelten Schadenersatzforderung, erst recht nicht mit denjenigen Einzelforderungen, welche später Gegenstand der Klageerhebung gewesen sind. Die Klägerin gab damit dem Beklagten zu keinem Zeitpunkt Gelegenheit, von konkreten Schadenspositionen vorprozessual auch nur Kenntnis zu erhalten, keine Chance, diese auf ihre Berechtigung der Höhe nach zu prüfen, und jedenfalls auch keine Gelegenheit, diese anzuerkennen oder zurückzuweisen. Grundsätzlich ist eine außergerichtliche Geltendmachung konkreter Zahlungsansprüche durch den späteren Kläger Voraussetzung dafür, dass ein Beklagter durch sein Verhalten, nämlich durch seine Reaktion auf diese Zahlungsaufforderung, eine Veranlassung zur Erhebung einer Zahlungsklage geben kann. An einer solchen Voraussetzung fehlt es hier.

14

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin war die vorprozessuale Zahlungsaufforderung nicht entbehrlich. Die Klägerin hat zwar zu Recht darauf verwiesen, dass sich eine Entbehrlichkeit daraus ergeben kann, dass der (künftige) Beklagte durch sein Verhalten hinreichend deutlich macht, dass er jegliche Zahlung endgültig verweigert. Eine solche Verweigerungshaltung nahm der hiesige Beklagte jedoch nicht ein. Da es auf das Verhalten des Beklagten ankommt, können nur dessen Äußerungen maßgeblich sein, hier also die beiden vorprozessualen Schriftsätze vom 23.10.2013 und vom 04.11.2013.

15

aa) Mit seinem Schriftsatz vom 23.10.2013 nahm der Beklagte zu dem Vorwurf der Vergaberechtswidrigkeit seiner Aufhebungsentscheidung vorläufig Stellung und erläuterte seine Gründe für diese Entscheidung. Zu diesem Zeitpunkt ging es trotz des Umstandes, dass die Klägerin bereits mit ihren Schreiben vom 09.09.2013 und vom 01.10.2013 jeweils abstrakt auf die Möglichkeit von Schadenersatzansprüchen hingewiesen hatte, im Wesentlichen noch darum, das Begehren der Klägerin nach einer Rücknahme der Aufhebungsentscheidung zu bescheiden. Selbst dieses Anliegen wurde noch nicht endgültig beschieden.

16

bb) Mit dem Schriftsatz vom 04.11.2013 erklärte der Beklagte die Weigerung zur Rücknahme der Aufhebung und verteidigte erneut seine eigene Entscheidung als sachgerecht. Darin lag aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers an Stelle der Klägerin keine Stellungnahme im Hinblick auf mögliche Ansprüche auf Ersatz eines hierdurch u.U. eintretenden Schadens.

17

cc) An dieser Einschätzung ändert die vorherige Aufforderung der Klägerin an den Beklagten vom 28.10.2013 nichts. Mit diesem Schriftsatz hatte die Klägerin dem Beklagten nach Erhalt der Zwischenauskunft vom 23.10.2013 primär eine Frist für die endgültige Entscheidung über die Abhilfe oder Nichtabhilfe auf die Rüge der Klägerin gesetzt, d.h. auch dieser Schriftsatz zielte auf eine Schadensvermeidung durch eine Korrektur der aus Sicht der Klägerin vermeintlich rechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung. Soweit in dem Schriftsatz von der Klägerin die Möglichkeit einer Nichtabhilfe durch den Beklagten angesprochen wird, wurde hieran lediglich der Vorbehalt geknüpft, Schadenersatzansprüche i.S. des sog. negativen Interesses künftig geltend zu machen. Unter einem Vorbehalt ist schon allgemein zu verstehen, dass die Geltendmachung mit dieser Erklärung noch nicht erfolgt, sondern nur für den Fall einer unerwünschten Reaktion des Erklärungsempfängers in Erwägung gezogen wird. Dieses Verständnis gilt auch für die vorliegende Erklärung der Klägerin: Sie wollte mit der Äußerung des Vorbehalts gerade erreichen, dass ein Schadenseintritt durch Rückgängigmachen der Aufhebungsentscheidung vermieden wird; in diesem Falle wäre es nicht zu einer Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gekommen. Allein aus dem Umstand, dass der Beklagte danach am 04.11.2013 die Rüge der Vergaberechtswidrigkeit seiner Aufhebungsentscheidung „vollumfänglich“ zurückwies, durfte ein objektiver Erklärungsempfänger nicht den Schluss ziehen, dass damit auch bereits eine Entscheidung über die Zurückweisung jeglicher – noch nicht einmal geltend gemachter, sondern lediglich vorbehaltener – Schadenersatzansprüche zum Ausdruck gebracht werden sollte.

18

dd) Dem Beklagten oblag es auch nicht, im Rahmen der Zurückweisung der Rüge im Schriftsatz vom 04.11.2013 ohne vorherige Geltendmachung konkreter Schadenersatzansprüche – quasi ungefragt – bereits zu möglichen Schadenersatzansprüchen der Klägerin Stellung zu nehmen.

19

2. Für eine Veranlassung zur Anrufung des Gerichts spricht – entgegen der Auffassung der Klägerin – schließlich auch nicht das Leistungsverhalten des Beklagten nach Erlass des Anerkenntnisurteils. Ursächlich für die Erhebung der Klage kann nur ein Verhalten des Beklagten vor Einreichung der Klageschrift beim Gericht, d.h. hier bis zum 17.02.2014, sein. Soweit die Rechtsprechung zum Teil eine sog. „nachträgliche Klageveranlassung“ anerkannt hat, auf welche sich die Klägerin hier beruft, handelt es sich um die Annahme einer Indizwirkung in dem Sinne, dass ein Beklagter, der selbst nach Erlass des Anerkenntnisurteils nicht leistet, auch zuvor in seinem Verhalten, ggf. nonverbal, mangelnde Zahlungswilligkeit bzw. fehlende Zahlungsfähigkeit zum Ausdruck gebracht hat (vgl. Herget, a.a.O., § 93 Rn. 3 m.w.N.). Der von der Klägerin geschilderte Verlauf der Leistungserbringung des Beklagten vermag indessen einen solchen Rückschluss nicht zu rechtfertigen. Angesichts einer fehlenden vorprozessualen Zahlungsaufforderung ist es nachvollziehbar, dass der Beklagte nach Zugang des Anerkenntnisurteils noch einer Information bedurfte, in welcher Weise und insbesondere unter Verwendung welcher Kontoverbindung die Zahlung erfolgen sollte. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, sich diese Informationen unverzüglich zu beschaffen, wäre hier ein schuldhaftes Zögern nicht anzunehmen. Denn die Zahlungsaufforderung der Klägerin erreichte den Beklagten bereits einen Tag nach Zustellung des Anerkenntnisurteils an die Prozessbevollmächtigten des Beklagten – hierauf wurde sodann gezahlt.

C.

20

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

21

Die Festsetzung des Kostenwerts des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 47, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Der Senat schätzt das Kosteninteresse hinsichtlich der Gerichtskosten auf ca. 440,00 € und hinsichtlich der notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung bzw. der Rechtsverteidigung auf jeweils ca. 1.750,00 €.


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