Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (7. Zivilsenat) - 7 U 29/16

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 04. April 2016 verkündete Einzelrichterurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Halle abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 82.287,17 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19. November 2015 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

A.

1

Die Parteien streiten darüber, ob bei dem Betrieb einer Biogasanlage der Klägerin im Jahr 2014 die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des sog. "Güllebonus" gem. § 100 Abs. 1 Nr. 10 EEG 2010 i.V.m. § 66 Abs. 1 EEG 2012 i.V.m. § 27 Abs. 4 Nr. 2 EEG 2009 i.V.m. Nr. VI 2 b) aa) der Anlage 2 zu EEG 2009 erfüllt waren.

2

Die Klägerin betreibt am Standort T. eine Biogasanlage mit einer elektrischen Leistung von 345 kW, die sie im Jahr 2008 in Betrieb genommen hat. Sie beschickt die Anlage ausschließlich mit nachwachsenden Rohstoffen (Maissilage) und Gülle. Durch Vergärung der Biomasse erzeugt die Klägerin Biogas, das sie in einem Blockheizkraftwerk vor Ort verstromt. Den so erzeugten Strom speist sie in das Netz der Beklagten ein. Für das vor Ort über ein Blockheizkraftwerk verstromte Biogas erhält sie die Grundvergütung nach dem EEG 2009, den Bonus für die Verwendung nachwachsender Rohstoffe (NaWaRo-Bonus), den Luftreinhaltebonus und den sog. KWK-Bonus. Seit dem 01. Januar 2009 beansprucht sie außerdem den sog. Güllebonus, indem sie auf der Grundlage des Einsatzstofftagebuches mit Angaben und Belegen über Art, Menge und Einheit sowie Herkunft der eingesetzten Stoffe sowie durch Vorlage eines Umweltgutachtens jeweils den Nachweis führt, dass sie jederzeit zumindest 30 Masseprozent Gülle in ihrer Biogasanlage einsetzt. Für das Abrechnungsjahr 2014 legte sie der Beklagten das Umweltgutachten der Umweltgutachter Dr. S. /T. W. vom 09.02.2015 vor, das im Hinblick auf den Güllebonus unter Ziffer 3 folgende Feststellungen enthält:

3

"Im Jahr 2014 betrug (lag) der Anteil Gülle an den Input-Stoffen der Biogasanlage bei 48,4 %. Die Prüfung des Einsatztagebuches ergab, dass aufgrund der Zuführung des täglichen Anfalls in den Fermenter haltungstechnisch bedingt an acht Tagen im Jahr 2014 die Dosiermenge 30 % des täglichen Inputs unterschritten hat, jedoch an den jeweiligen Vor- bzw. Folgetagen die entsprechende Mehrmenge eingesetzt wurde. Dadurch war dennoch gewährleistet, dass jederzeit im System ein Anteil Gülle von deutlich über 30 % vorhanden war."

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Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf die Ablichtung des Gutachtens nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz EEG 2014 §§ 100 und 101 in Verbindung mit EEG 2009 für den Zeitraum vom 01. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014 – Anlage K 1, Blatt 9 bis 12 d. A.

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Die Klägerin speiste im Abrechnungsjahr 2014 eine Jahresgesamtstrommenge von 3.105.680 kWh in das Netz der Beklagten ein. Die Beklagte zahlte hierfür - vorbehaltlich der Jahresendabrechnung - an die Klägerin Abschläge auf den Güllebonus in Höhe von 82.287,17 Euro aus. Mit Schreiben vom 13. März 2015 teilte sie der Klägerin indessen unter Bezugnahme auf die gutachterliche Stellungnahme des Umweltgutachters Dr. S. mit, dass sie den Güllebonus nicht anerkennen könne, da der Umweltgutachter in seinem Gutachten vom 09. Februar 2015 festgestellt habe, dass haltungstechnisch bedingt an acht Tagen im Jahr 2014 die Dosiermenge 30 % des täglichen Inputs unterschritten worden sei. Sie forderte deshalb mit weiterem Schreiben vom 04. Mai 2015 von der Klägerin den bereits ausgezahlten "Güllebonus" zurück. Einen Teil in Höhe von 38.025,61 Euro verrechnete die Beklagte mit laufenden Vergütungszahlungsansprüchen der Klägerin, den Rest in Höhe von 44.261,53 Euro zahlte die Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht an die Beklagte vorsorglich zurück. Die Klägerin fordert daher (erneut) die Zahlung des gesamten, der Höhe nach unstreitigen "Güllebonus" für 2014.

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Das Landgericht hat mit dem am 04. April 2016 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass das in Nr. VI. Nr. 2 b) der Anlage 2 zum EEG 2009 bestimmte Erfordernis, wonach der Gülleanteil "jederzeit mindestens 30 Masseprozent" betragen müsse, als tatbestandliche Voraussetzung für den Anspruch auf Zahlung des sog. "Güllebonus" zu verstehen sei, die hier indessen nicht erfüllt sei. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung komme es nicht auf den Anteil der Gülle am Fermenterinhalt an, sondern darauf, ob der tägliche "Input" an Gülle in den Fermenter mindestens 30 Masseprozent betrage. Nach seinem Wortsinn sei "jederzeit" dahin zu verstehen, dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt innerhalb eines bestimmten oder unbestimmten Zeitraums etwas in gleicher Weise bestünde. Das bedeute für den "Güllebonus", dass die Voraussetzungen innerhalb des Zeitraums der Geltendmachung zu jedem beliebigen Zeitpunkt vorliegen und sekundengenau feststellbar sein müssten. Dies spreche aber dafür, auf den täglichen Fermenterinput und nicht etwa auf den Fermenterinhalt abzustellen, denn (nur) bei diesem sei über die tatsächliche Messung und Dokumentation der Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen theoretisch auch sekundengenau möglich. Würde demgegenüber auf den Fermenterinhalt abgestellt, käme es auf die Prognose der Verweildauer der Inhaltsstoffe in dem Fermenter an, ohne dass hierzu eine tatsächliche Messung möglich wäre. Auch die Gesetzessystematik spreche für dieses Verständnis, denn nach § 27 EEG 2009 erfolge der Nachweis, welche Biomasse eingesetzt werde, über das sog. "Einsatzstofftagebuch". Hierüber könne aber nur der Fermenterinput, nicht aber der Fermenterinhalt nachvollzogen werden. Unter gesetzessystematischen Gesichtspunkten betrachtet sei es nicht sinnvoll, einerseits eine solche Pflicht zur Führung eines Einsatzstofftagebuchs gesetzlich zu begründen, dann aber bei dem Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen für den Güllebonus nicht hierauf, sondern auf eine andere Nachweismethode zurückzugreifen. Auch in der "Aufgabenleitlinie EEG" des Umweltgutachterausschusses vom 31.01.2013 sei bestimmt, dass das Beschickungsminimum an Gülle sowie die betriebliche Kontinuität anhand des Einsatzstofftagebuchs im Gutachten auszuweisen und zu bewerten sei. Sinn der Vorschrift sei, sicherzustellen, dass tatsächlich Gülle zur Stromerzeugung eingesetzt werde. Das Tatbestandsmerkmal "jederzeit" konkretisiere hierbei den Zeitpunkt des Einsatzes der Gülle. Hätte der Gesetzgeber die zeitweilige ausschließliche Verwendung von Gülle oder eines anderen Einsatzstoffes zulassen wollen, hätte es dieses Merkmals nicht bedurft. Da der ständige Einsatz aber ausdrücklich gefordert werde, sei ein Wechsel zwischen einem Güllebetrieb und einem güllefreien Betrieb nicht möglich. Der vom Gesetzgeber offensichtlich angestrebte Mischbetrieb könne aber nur funktionieren, wenn auf den Input abgestellt werde, denn ansonsten verblieben Unsicherheiten. Auch die Gesetzesbegründung spreche für dieses Verständnis, denn danach sollte die Ermittlung der Masse mit Hilfe einer Waage erfolgen. Nur die Menge des Inputs, nicht aber jene des Fermenterinhalts könne gewogen werden. Die von der Klägerin angeführten Plausibilitätsüberlegungen überzeugten hingegen nicht. Eine auf den Kalendertag bezogene Betrachtung des Fermenterinputs sei durchaus möglich. Soweit die Klägerin zur Stützung ihrer Rechtsansicht auf einen Schiedsspruch der Clearingstelle EEG vom 17. November 2015 zu dieser Problematik verwiesen habe, sei dieser für das erkennende Landgericht indessen nicht bindend gewesen. Auch ergebe sich daraus nicht, dass eine Betrachtung des Fermenterinhalts gegenüber einer Betrachtung des Fermenterinputs eine gleichwertige Methode zum Nachweis des Einsatzes der geforderten Güllemenge darstelle. Vielmehr betrachte auch die Clearingstelle die Überprüfung des Fermenterinhalts als nachrangige Methode, die nur zum Einsatz kommen könne, wenn eine andere Methode zur Bestimmung des Gülleanteils nicht zur Verfügung stünde.

7

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihren erstinstanzlichen Klageantrag in vollem Umfang weiter verfolgt.

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Sie meint, das Landgericht habe verkannt, dass ihr Anspruch auf Zahlung des sog. "Güllebonus" nicht dadurch untergegangen sei, dass im Jahr 2014 vorübergehend an acht Tagen weniger als 30 % der Masse, mit welcher der Fermenter beschickt worden sei, aus Gülle bestanden habe, weil jederzeit gewährleistet gewesen sei, dass der Fermenterinhalt aus einem über 30 % liegenden Gülleanteil bestanden habe.

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Insoweit vertritt sie die Ansicht, dass sich dem Gesetzeswortlaut nichts dafür entnehmen lasse, dass auf den täglichen Input abzustellen sei. Die Vorschrift in Nr. IV 2 b) der Anlage 2 zum EEG 2009 nenne keine zeitlichen Voraussetzungen dafür, wann die Gülle in die Biogasanlage eingebracht werden müsse und ob der Masseanteil täglich, stündlich oder sekundengenau eingebracht werden müsse. Ein Abstellen auf den täglichen Fermenterinput sei daher willkürlich. Dem Landgericht könne auch nicht darin beigepflichtet werden, dass aus der Gesetzessystematik herzuleiten sei, dass auf den Fermenterinput abgestellt werden müsse. Für die Gewährleistung eines jederzeitigen Gülleanteils von 30 % sei es vielmehr völlig ohne Bedeutung, ob auf den Fermenterinput oder Fermenterinhalt abgestellt werde, denn nur was eingebracht sei, könne dort auch vorhanden sein. Ein Abstellen auf den Fermenterinput sei nur eine Möglichkeit, um zu erkennen, was sich im Fermenter befinde. Die tatbestandliche Voraussetzung "Anteil von Gülle" besage jedoch nicht, dass täglich mindestens 30 Masseprozent Gülle in die Anlage gelangen müssten. Entscheidend sei vielmehr allein, dass bei der Stromerzeugung in der Anlage ein derartiger Anteil zur Verfügung steht. Als Abrechnungsgrundlage sei gem. § 100 Abs. 1 Nr. 10 a) EEG 2014 die Bestimmung in § 18 Abs. 2 EEG 2009 heranzuziehen, wonach zur Bestimmung der vergütungsrelevanten Leistungsschwellen auf das Kalenderjahr abzustellen sei. Ohne das Merkmal "jederzeit" müssten deshalb nur innerhalb eines Kalenderjahrs die genannten 30 Masseprozent an Gülle eingehalten werden. Mit Einfügung dieses Merkmals dürfe es nicht zu kurzzeitigen Unterschreitungen der Grenze für die eingesetzten Substratmengen kommen. So könne der Gülleanteil zwar im System vorübergehend absinken, müsse aber jederzeit konstant über 30 % gehalten werden. Soweit das Landgericht auf das Einsatzstofftagebuch abgestellt habe, habe es übersehen, dass die Erfassung des Inputs letztlich nur dazu diene, festzustellen, was sich im Fermenter befinde. Die Erfassung der Einsatzstoffe lasse einen Rückschluss auf den Fermenterinhalt zu. Dem Gesetzestext lasse sich aber nicht entnehmen, dass das Merkmal "jederzeit" eine Konkretisierung des Zeitpunkts des Einsatzes der Gülle enthalte. Es komme vielmehr nur darauf an, dass über das ganze Jahr hinweg die Stromerzeugung aus mindestens 30 Masseprozent Gülle erfolgt. Soweit auf den täglichen Input abgestellt werde, diene dies lediglich dazu, ein ungefähres Bild zu geben, welche Mengenverteilung im Fermenter vorhanden sei. Entsprechend sei hier auch der Umweltgutachter vorgegangen. Zu beachten sei im Übrigen, dass auch eine (alleinige) Betrachtung des täglichen Inputs Fehlerquellen hinsichtlich des Fermenterinhalts in sich berge, wenn etwa gar keine tägliche Beschickung erfolge oder bei einem "vollen" Fermenter überschüssige Substrate über den Überlauf sofort wieder abgesondert würden. Gleiches gelte, wenn einzelne Substrate zeitversetzt innerhalb des Tages eingebracht würden. Demgegenüber sei es gerade Aufgabe des Umweltgutachters, das Einsatzstofftagebuch und die eingebrachten Stoffe anhand einer Gesamtschau zu bewerten. Insoweit sei auch unzutreffend, dass die Masseermittlung ausschließlich mithilfe einer Waage erfolgen dürfe, zumal bei flüssiger Gülle die Menge in der Praxis üblicherweise mittels eines Mengendurchflusszählers bestimmt werde. Das Landgericht habe überdies den in Bezug genommenen Schiedsspruch der Clearingstelle fehlerhaft gewürdigt. Darin sei ausgeführt worden, dass die Bestimmung des Gülleanteils anhand des Fermenterinhalts eine "alternative Betrachtung" darstelle. Im dortigen Fall habe der Umweltgutachter anhand der Inputmengen, des Volumens und der verdrängten Mengen nachvollziehbar errechnet, dass an jedem Tag mehr als 30 Masseprozent Gülle im geschlossenen System vorhanden gewesen sei. Der vorliegende Fall sei nahezu identisch. Im Ergebnis müssten bei beiden Messmethoden die eingesetzten Substrate gemessen bzw. "gewogen" werden. Auf welchem Weg der Gutachter dann seine Berechnung zur Höhe des eingesetzten Masseprozentanteils vornehme, sei gesetzlich nicht bestimmt. Es bestehe auch kein Widerspruch zwischen dieser Auffassung und der "Aufgabenleitlinie" des Umweltgutachterausschusses.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte unter Abänderung des am 04.04.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Halle, Az. 6 O 499/15, zu verurteilen, an sie 82.287,17 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres schon erstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunktes.

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Wegen des weitergehenden Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg und führt zu der beantragten Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

I.

17

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des sog. Güllebonus für den in ihrer Biogasanlage im Jahr 2014 erzeugten und in das Netz der Beklagten eingespeisten Strom in der geltend gemachten Höhe aus § 100 Abs. 1 Nr. 10 c) EEG 2014 in Verbindung mit §§ 66 Abs. 1, 27 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 EEG 2009 in Verbindung Abschnitt I, Abschnitt VI Ziffer 2 lit. b) der Anlage 2 zu EEG 2009 zu. Der der Höhe nach unstreitige Vergütungsanspruch der Klägerin ist durch die kurzzeitige Unterschreitung eines Mengenanteils von 30 % am Fermenterinput nicht entfallen, da der Massenanteil auch über den Fermenterinhalt bestimmt werden kann.

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1. Nach den Überleitungsvorschriften in § 100 Abs. 1 Nr. 10 c) EEG 2014 und § 66 Abs. 1 EEG 2012 bestimmen sich die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des zusätzlichen "Güllebonus" für die hier betroffene Biogasanlage der Klägerin nach § 27 Abs. 1 und 4 Nr. 2 EEG 2009 i.V.m. Ziffer I und Ziffer VI Nr. 2 b) der dortigen Anlage 2.

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2. § 27 Abs. 4 Nr. 2 EEG 2009 sieht insoweit vor, dass sich die in § 27 Abs. 1 EEG 2009 genannte, hier nicht im Streit stehende, Grundvergütung für Strom erhöht, der aus nachwachsenden Rohstoffen oder Gülle nach Maßgabe der Anlage 2 zum EEG 2009 erzeugt wird. Die näheren Anspruchsvoraussetzungen der Vergütungserhöhung sind Abschnitt I der Anlage 2 zum EEG 2009 zu entnehmen. Gemäß Abschnitt VI Ziffer 2 lit. b) der Anlage 2 zum EEG 2009, der eine Regelung zur Bonushöhe enthält, erfährt der Bonus für Strom aus nachwachsenden Rohstoffen unter bestimmten Voraussetzungen bei dem Einsatz von Gülle eine zusätzliche Erhöhung. Hierzu ist in Abschnitt VI Nr. 2 lit. b) der Anlage 2 bestimmt, dass sich der in lit. a) genannte Bonus für Strom aus Biogasanlagen nochmals um 4,0 Cent/KWh (bei Anlagen bis zu 150 Kilowatt) bzw. 1,0 Cent/KWh (bei Anlagen bis 500 Kilowatt) erhöht, "wenn der Anteil von Gülle im Sinne der Nr. II. 2 jederzeit mindestens 30 Masseprozent beträgt", was anteilig zum Gesamtdurchsatz und durch Wiegung zu bestimmen ist. Der Mindestanteil von Gülle ist durch ein Gutachten einer Umweltgutachterin oder eines Umweltgutachters mit einer Zulassung für den Bereich Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energien nachzuweisen. Die geforderte Mengenschwelle muss danach als konstante Mindestmenge jederzeit vorliegen und ist durch ein Umweltgutachten nachzuweisen.

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3. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine zusätzliche Vergütungserhöhung in Form des Güllebonus liegen hier vor.

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Die Klägerin hat den Strom im Jahr 2014 gemäß Anlage 2 Abschnitt I Nr.1 und Abschnitt VI Ziffer 2 b der Anlage 2 zu EEG 2009 "jederzeit" aus einem Gülleanteil von mindestens 30 Masseprozent gewonnen, was sie der Beklagten gemäß Anlage 2 Abschnitt VI Ziffer 2 b) Satz 2 EEG 2009 durch Vorlage eines Umweltgutachtens des zugelassenen Umweltgutachters Dr. S. vom 09. Februar 2015 auch nachgewiesen hat. (Anlage K 1, Blatt 9 d. A.).

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a) Den Feststellungen des Umweltgutachters Dr. S. aus dessen zu Nachweiszwecken vorgelegtem Umweltgutachten vom 09. Februar 2015 lässt sich zwar entnehmen, dass die Prüfung des Einsatzstofftagebuches ergeben habe, dass die Dosiermenge bei der Zuführung des täglichen Anfalls in dem Fermenter haltungstechnisch bedingt an 8 Tagen im Jahr 2014 den Masseanteil von 30 % des täglichen Inputs unterschritten habe. An den jeweiligen Vor- und Folgetagen seien jedoch entsprechende Mehrmengen eingesetzt worden, so dass im Ergebnis stets gewährleistet gewesen sei, dass im System jederzeit ein Anteil an Gülle von deutlich über 30 Masseprozent vorhanden gewesen sei. Laut dem Gutachten hat der Anteil an Gülle an den Inputstoffen der Biogasanlage im Jahresdurchschnitt 48,4 % betragen.

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Danach bestand der Substratanteil am Fermenterinhalt durchgehend und damit jederzeit mindestens aus 30 Prozent Wirtschaftsdünger (Gülle), der für den Vergärungsprozess zur Verfügung stand. Ausweislich des Umweltgutachtens des Umweltgutachters Dr. S. unterschritt der Gülleanteil im Fermenter zu keiner Zeit die Mengenschwelle von 30 Masseprozent. Das für den Güllebonus maßgebliche gesetzliche Tatbestandsmerkmal "jederzeit mindestens 30 Masseprozent" ist damit erfüllt.

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Soweit das Landgericht das tatbestandliche Erfordernis "jederzeit mindestens 30 Masseprozent" hingegen ausschließlich auf den täglichen Input an Gülle in den Fermenter bezogen und insoweit die Ansicht vertreten hat, dass der Anspruch auf den Zusatzbonus wegen Unterschreitung der Inputmenge an acht Tagen des Jahres entfallen sein müssen, kann die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht überzeugen.

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Dem Gesetzestext ist zwar nicht eindeutig zu entnehmen, worauf sich der Gülleanteil beziehen soll. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/ 8148, S. 81) verweist insoweit auf den Substratanteil, also den Anteil an den Einsatzstoffen der Biogasanlage. Ausgehend hiervon könnte diese Voraussetzung zum einen dadurch erfüllt werden, dass mindestens 30 % der der Anlage zugeführten Einsatzstoffe als Input Gülle sind, zum anderen könnte aber ebenso gut darauf abgestellt werden, dass mindestens 30 Massenprozent der sich in der Anlage befindlichen und zur Biogas- und Stromerzeugung eingesetzten Einsatzstoffe (Fermenterinhalt) aus Gülle bestehen.

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Gleichwohl kann die Bonusregelung im Wege der Gesetzesauslegung nur dahingehend verstanden werden, dass es für die Inanspruchnahme des Güllebonus im Ergebnis allein auf die Zusammensetzung im Fermenter ankommen kann, der "jederzeit" und konstant einen Gülleanteil von zumindest 30 Massepunkten aufweisen muss. Dabei ist im Hinblick auf Abschnitt VI Ziffer 2 b) der Anlage 2 zwischen den Anspruchsvoraussetzungen einerseits und deren methodischen Nachweis andererseits klar zu unterscheiden.

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aa) Aus dem Wortlaut des Erhöhungstatbestandes geht hervor, dass der vorgegebene Mengenanteil "jederzeit", d.h. durchgängig zu jedem Zeitpunkt eingehalten werden muss.

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Nach seinem allgemeinen Begriffsverständnis bedeutet das Adverb "jederzeit", dass innerhalb eines nicht näher bestimmten, unbeschränkten Zeitraums zu jedem beliebigen Zeitpunkt etwas in gleicher Weise besteht bzw. fortbesteht; d.h. ständig derselbe Zustand vorherrscht. Laut Duden ist "jederzeit" das Synonym für "immer", "zu jeder Zeit" und "in jedem Fall", "stets" oder "ständig". Soweit "jederzeit" zum Ausdruck bringen soll: "zu jedem Zeitpunkt innerhalb eines unbeschränkten Zeitrahmen", knüpft es als Bezugsgröße an einen längeren Zeitraum an. Der Begriff beschreibt insofern einen auf Dauer angelegten, gleichbleibenden Zustand bzw. eine fortwährende, über eine gewisse Zeitspanne konstante Beschaffenheit. Dies aber spricht dafür, dass damit die konstante stoffliche Zusammensetzung des Fermenterinhaltes und nicht der Input gemeint ist. Denn der Input bezeichnet nicht einen Zustand oder eine Beschaffenheit, der in gleicher Weise fortwährend besteht, sondern einen konkreten (punktuellen) Vorgang, der in bestimmten Zeitabständen (täglich oder in längeren Zeitabschnitten) regelmäßig wiederholt wird.

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bb) Dieses am Wortlaut orientierte Verständnis wird überdies durch systematische Auslegungsgesichtspunkte gestützt.

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(1) Die Bonusregelung aus Abschnitt VI Ziffer 2 lit. b) der Anlage 2 zu § 27 Abs. 4 Nr. 2 EEG 2009 ist aus dem gesetzlichen Kontext heraus, in dem sie eingebettet ist, zu verstehen.

31

Der Güllebonus ist nicht als eigenständiger Anspruch des Anlagenbetreibers ausgestaltet, sondern als zusätzliche Erhöhung des sog. NawaRo-Bonus, der wiederum eine Erhöhung des Anspruchs auf die Grundvergütung für Strom aus Biomasse darstellt (vgl. Klewar, Vaßen in Loibl, Maslaton, von Bredow, Walter, Biogasanlagen im EEG, 3. Aufl., § 17 Rdn. 3). Der Anlagenbetreiber muss daher neben den allgemeinen Vergütungsvoraussetzungen für die Grundvergütung zusätzlich die Voraussetzungen des § 27 EEG 2009 in Verbindung mit Abschnitt I Anlage 2 EEG 2009 erfüllen, um den Güllebonus beanspruchen zu können. § 27 Abs. 4 Nr. 2 EEG 2009 knüpft die Erhöhung der in § 27 Abs. 1 EEG 2009 bestimmten Grundvergütung durch den sog. "Bonus für nachwachsende Rohstoffe" daran, dass der Strom aus den dort genannten Stoffen "erzeugt" wird. Hierfür kommt es nur darauf an, dass die dort genannten Einsatzstoffe zur Stromerzeugung in der Biogasanlage verwendet worden sind. Die Regelung in Abschnitt I. Nr. 1 lit. a) der Anlage 2 bestätigt dies erneut, denn auch dort wird hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen darauf abgestellt, dass Strom aus den dort genannten nachwachsenden Rohstoffen oder Gülle "gewonnen" wird. Auch danach ist als Anspruchsvoraussetzung nur maßgeblich, welche Stoffe in dem Fermenter zum Einsatz gekommen sind, denn nur hieraus wird das Biogas und damit im Ergebnis der Strom gewonnen. Sofern man in der Regelung des Abschnittes VI Nr. 2 lit. b) der Anlage 2 nur einen unselbständigen Erhöhungstatbestand innerhalb der Bonusregelung für Strom aus nachwachsenden Rohstoffen erblickt, liegt es aber nahe, auch die dortige Bestimmung zum Anteil von Gülle dahin zu verstehen, dass auch für diese zusätzliche Voraussetzung auf den Fermenterinhalt abzustellen ist, denn auch insoweit findet die Energiegewinnung durch Vergärung nur dort tatsächlich statt und ein anderer Bezugspunkt für die Bemessung des "Anteils an Gülle" als der Anteil an den zur Energiegewinnung eingesetzten Stoffen findet sich im Gesetz nicht.

32

(2) Hiervon zu unterscheiden sind die im Gesetz enthaltenen Bestimmungen über die durch den Anlagenbetreiber beizubringenden Nachweise. Soweit in § 27 Abs. 3 Nr. 2 EEG 2009 eine Nachweispflicht durch das Führen eines Einsatzstofftagebuchs normiert ist, betrifft dies den Grundtatbestand der Vergütung für Energie aus Biomasse gem. § 27 Abs. 1 EEG 2009, also nicht speziell die Feststellung des Masseanteils an Gülle im Verhältnis zu den weiteren Einsatzstoffen. Aus dieser Vorschrift lässt sich deshalb noch nicht herleiten, worauf für die besondere Erhöhung der Vergütung durch den Einsatz eines bestimmten Mindestanteils von Gülle nach Ziffer VI. Nr. 2 lit. b) der Anlage 2 abzustellen ist und wie der Nachweis zu führen ist.

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Maßgeblich ist hierfür die dortige, speziellere Bestimmung in Satz 2, wonach der Nachweis durch ein Umweltgutachten zu führen ist. Das Gesetz enthält allerdings keine Vorgabe dazu, wie der Umweltgutachter bei der von ihm zu treffenden Feststellung zur Höhe des jeweiligen Masseanteils an den Einsatzstoffen vorzugehen hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Abschnitt I. Nr. 1 lit. b) der Anlage 2, denn der dem Anlagebetreiber darin auferlegte Negativnachweis über das Einsatzstofftagebuch bezieht sich nur darauf, dass keine anderen Stoffe als nachwachsende Rohstoffe oder Gülle für die Energieerzeugung eingesetzt worden sind. Darum geht es hier indessen nicht, sondern um den Massenanteil der Gülle am gesamten Substrat.

34

Legt man diese Folgerungen aus der gesetzlichen Systematik zugrunde, wird deutlich, dass jedenfalls nicht in dem von der Beklagten verstandenen Sinn Anspruchsvoraussetzung für den sog. "Güllebonus" sein kann, dass der Anlage kontinuierlich ein Gülleanteil von mindestens 30 % als täglicher Input zugeführt worden ist. Auch die der Anlagenbetreiberin durch Vorlage des Umweltgutachtens auferlegte Nachweispflicht kann im Ergebnis nur auf die Feststellung gerichtet sein, dass kontinuierlich ein bestimmter Masseanteil zur Energiegewinnung zum Einsatz gekommen ist.

35

Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, auf welchem Weg und mit welcher Methodik der Umweltsachverständige eine derartige Feststellung zu treffen hat. Eine unmittelbare gesetzliche Vorgabe hierzu gibt es – wie bereits ausgeführt – nicht. Eine Bestimmung des erforderlichen Gülleanteils ist danach sowohl anhand der in den Fermenter der Anlage täglich eingebrachten Einsatzstoffe (Input) als auch anhand des sich im Fermenter befindlichen Substratgemisches möglich. Der Nachweis des Gülleanteils über die Inputmengen hat dabei den Vorteil, dass diese anhand des Einsatzstofftagebuches unschwer nachvollzogen werden können und hierdurch sicher gestellt werden kann, dass ein gleicher Anteil an den zur Gaserzeugung dienenden Substraten aus Gülle besteht und die Vergütungsvoraussetzungen dementsprechend erfüllt werden. Kurzfristige Schwankungen beim Input werden hierdurch allerdings nicht sachgerecht erfasst.

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Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/8148, S. 81) verweist, wonach die Masseermittlung nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers mittels einer Waage zu erfolgen habe, überzeugt dies nicht. Denn eine Masseermittlung mit Hilfe einer Waage ist mit den tatsächlichen Produktionsabläufen in einer Biogasanlage – unstreitig – nicht in Übereinstimmung zu bringen. Die naturgemäß mehr oder weniger flüssige Gülle gelangt in der Praxis üblicherweise über Pumpen in die Anlage und wird dementsprechend in der Regel über einen Durchlaufmesser (sog. Durchflussmengenzähler) mengenmäßig erfasst.

37

Der Senat hält deshalb auch die Einschätzung der Clearing-Stelle in deren als Anlage B 8 vorgelegten Schiedsspruch vom 17. November 2015 (Geschäftsnummer 2015/38), der einen vergleichbaren Sachverhalt betrifft, für überzeugend und richtig. Die Clearingstelle hat insoweit ausgeführt, dass der Gülleanteil am Substratgemisch im Fermenter in bestimmten Fällen auch dann "jederzeit" mindestens 30 Masseprozent betragen könne, wenn der Anteil an den jeweils (z.B. bei jedem Beschickungsvorgang oder an jedem Tag) in den Fermenter eingebrachten Substratmenge (Input) zeitweise unter 30 Masseprozent liege. Die Betrachtung des Gülleanteils am Substratgemisch im Fermenter könne Schwankungen im Gülleinput ausgleichen. Soweit die Clearingstelle in ihrer Stellungnahme empfohlen hat, auf die Ermittlung des Gülleanteils über Inputmengen zurückzugreifen, da dies in der Regel einfacher, weniger fehleranfällig sowie in der Dokumentation für Dritte leichter nachvollziehbar sei als die Ermittlung des Gülleanteils über den Fermenterinhalt, hat sie damit lediglich die Methoden der Nachweisführung einer eigenen Wertung unterzogen. Den Nachweis über die Inputmengen hält sie dabei aus Praktikabilitätsgesichtspunkten für vorzugswürdig. Dies enthält indessen keineswegs eine wertende Aussage, wie das Tatbestandsmerkmal "jederzeit" der Bonusregelung auszulegen sei.

38

cc) Dass für den Anspruch auf den Güllebonus auf den Fermenterinhalt und insoweit auf die Zusammensetzung des Substratgemischs nach Massenanteilen abzustellen ist, lässt sich überdies mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Bonusregelung in Einklang bringen. Denn danach ist allein der Anteil an Gülle am Gärungsprozess entscheidend. Der Strom wird aus den Einsatzstoffen gewonnen, die im Fermenter zu Biogas vergoren werden, also den Einsatzstoffen, die im Fermenter zur Biogaserzeugung verwendet werden. Zur Erschließung des Güllepotenzials zum Zwecke der Biogaserzeugung und Stromgewinnung im Wege der Vergärung kommt es danach allein auf den Anteil der Substrate an, die sich im Fermenter befinden. Ausreichend ist dementsprechend der Nachweis des Masseanteils von Gülle am Fermenterinhalt, da dieser allein für die Stromerzeugung maßgeblich ist (vgl. Klewar/Vaßen in Loibl, Maslaton, von Bredow, Walter, Biogasanlagen im EEG, 3. Aufl., § 17 Rdn. 11). Wenn dieser nur kurzzeitig im Fermenter unterhalb der Mindestgrenze fällt, wäre die Anspruchsvoraussetzung "jederzeit" nicht mehr erfüllt. Die Stromerzeugung mit einem Masseanteil von 30 % Gülle ist indessen auch noch dann gewährleistet, wenn eine zeitweise Mindermenge an Gülle im täglichen Input durch eine zeitlich vorangegangene Zufuhr einer Mehrmenge im Fermenter ausgeglichen wird. Schwankungen beim Gülleinput können danach ohne weiteres durch Mehrmengen an Gülle im Substratgemisch des Fermenters kompensiert werden. Der Sinn und Zweck des Gesetzes wird auch in diesem Fall erfüllt.

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Wenn an einzelnen Tagen der Gülleanteil am Input unter 30 Masseprozent sinkt, ist für diesen Fall zu prüfen, ob die Mindermenge durch vorangegangene Mehrmengen ausgeglichen werden kann, wobei die durchschnittliche Verweildauer der Substrate zu berücksichtigen ist. Dass der Anspruch auf den Bonus bei einer Biogasanlage, die beständig deutlich über 30 Masseprozent Gülle einsetzt, aber an einzelnen Tagen der Anteil der zugeführten Substrate unter 30 % fällt, endgültig entfallen sollte, obwohl der Fermenterinhalt nach wie vor deutlich über diesen Grenzwert aus Gülle besteht und somit die Biogaserzeugung aus mindestens 30 Masseprozent Gülle erfolgt, erscheint dem Senat dagegen weder sachgerecht noch geboten (vgl. ebenso: Klewar/Vaßen in Loibl, Maslaton, von Bredow, Walter in Biogasanlagen im EEG, 3. Aufl., § 17, Rdn. 12).

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Den Anteil der Gülle am Gesamtsubstrat des Fermenter (Fermenterinhalt) in Form eines Güllekontos zu flexibilisieren (vgl. Klewar/Vaßen in Loibl, Maslaton, von Bredow, Walter in Biogasanlagen im EEG, 3. Aufl., § 17 Rdn. 14), trägt im Übrigen auch den Gegebenheiten der Praxis Rechnung. Denn es werden hierdurch betrieblich nicht sinnvolle Aufwendungen für Anlagenbetreiber vermieden und damit auch gesamtwirtschaftlich unnötige Kosten erspart. Denn anderenfalls müssten Anlagenbetreiber zusätzliche Lagerkapazitäten für Gülle schaffen und organisatorisch sicherstellen, dass Schwankungen nicht eintreten können. Alternativ müsste bei einer geringeren Tageszufuhr an Gülle auch die Zufuhr an nachwachsenden Rohstoffen reduziert werden. Dies aber würde letztlich dazu führen, die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien insgesamt abzusenken, was den Zielen des EEG zuwider laufen würde (vgl. Klewar/Vaßen in Loibl, Maslaton, von Bredow, Walter, Biogasanlagen im EEG, 3. Aufl., § 17 Rdn. 13).

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dd) Diesem Auslegungsergebnis des Senats stehen schließlich auch die Aufgabenleitlinien EEG des Umweltgutachterausschusses (Stand: Februar 2013, - Anlage B 3, Blatt 39 ff d. A.) keineswegs entgegen. Soweit darin zu dem sog. "Jederzeit-Kriterium" ausgeführt wird, dass es nötig sei, die verfahrenstechnische Eignung der Anlage zur Sicherstellung des täglichen Einsatzes der Mindestgüllemenge zu prüfen und das Beschickungsminimum an Gülle (der Tag des geringsten Gülleanteils in %) sowie die betriebliche Kontinuität anhand einer Vollkontrolle des Einsatzstofftagebuches im Gutachten auszuweisen und zu bewerten, vermag dies – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht etwa als Beleg dafür zu dienen, dass der Anspruch nur bestehen kann, wenn der tägliche Input an Einsatzstoffen einen Gülleanteil von zumindest 30 % aufweist. Hierzu verhalten sich die Leitlinien gerade nicht, zumal dies auch nicht zur Aufgabenstellung einer Handreichung für Umweltgutachter gehört. Aus dem hier vorliegenden Umweltgutachten geht im Übrigen hervor, dass der Umweltgutachter Dr. S. das Beschickungsminimum und die betriebliche Kontinuität zur Erfassung etwaiger Mehrmengen anhand des Einsatzstofftagebuches geprüft und bewertet hat. Der Klägerin ist insoweit darin beizupflichten, dass ein Widerspruch zu den Leitlinien des Umweltgutachterausschusses nicht feststellbar ist.

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b) Soweit die Beklagte erstmals im Termin der mündlichen Verhandlung vom 09. September 2016 vor dem Senat das vorgelegte Umweltgutachten des Umweltgutachters Dr. S. vom 09. Februar 2015 inhaltlich angegriffen hat und dessen Feststellungen als wenig aussagekräftig zurückweist, kann sie mit diesem Einwand in der Berufungsinstanz indessen nicht mehr durchdringen.

43

Nach Abschnitt VI Ziffer 2 lit. b) Satz 2 der Anlage 2 zu § 27 Abs. 4 Nr. 2 EEG 2009 stellt die Vorlage eines Umweltgutachtens mit einer Zulassung für den Bereich der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energien zum Zwecke der Nachweisführung ein tatbestandliches Erfordernis für die Inanspruchnahme des Güllebonus dar. Diese materielle Anspruchsvoraussetzung hat der Kläger mit Überreichung des Gutachtens des zertifizierten Umweltgutachters Dr. S. vom 09. Februar 2015 auch erfüllt. Denn darin hat der Umweltgutachter Dr. S. ausdrücklich bescheinigt, dass zu jeder Zeit gewährleistet gewesen sei, dass der Gülleanteil im System jederzeit deutlich über 30 % betragen habe.

44

Der Beklagten ist zwar darin beizupflichten, dass sich das Gutachten im Wesentlichen in einer zusammenfassenden Darstellung und Ergebnismitteilung erschöpft, ohne die einzelnen Berechnungsschritte darzustellen. Aus dem Gutachten geht zur Vorgehensweise des Umweltgutachters aber zumindest hervor, dass er seine Feststellungen nach Überprüfung und Auswertung der Unterlagen der Anlagen mit allen begutachtungsrelevanten Daten und einer Bewertung der Situation vor Ort getroffen hat. Anhand des Einsatzstofftagebuches hat er den durchschnittlichen Anteil Gülle an den Input-Stoffen der Biogasanlage mit 48,4 % ermittelt und zugleich festgestellt, dass haltungstechnisch bedingt an acht Tagen im Jahr 2014 die Dosiermenge 30 % des täglichen Inputs unterschritten hatte. Ebenfalls anhand des Einsatzstofftagebuches hat er berechnet, dass dieses Input-Defizit durch den Einsatz von Mehrmengen an Gülle an den Vor- und Folgetagen habe ausgeglichen werden können, wobei er allerdings seine Berechnungsschritte nicht nachvollziehbar dargestellt hat.

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Ob für die Geltendmachung des Anspruchs auf den Güllebonus erforderlich ist, dass das vorzulegende Gutachten bestimmten inhaltlichen Anforderungen entspricht, insbesondere die einzelnen Prüfungsschritte, die zugrunde liegende Datenbasis und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen konkret nachvollzogen werden können oder ob eine formularmäßige Darstellung des Ergebnisses der Untersuchung für den Regelfall auszureichen vermag, lässt das Gesetz in Anlage 2 Abschnitt VI Ziffer 2 lit. b) zu § 27 Abs. 4 Nr. 2 EEG 2009 nicht erkennen. Es verlangt zwar eine besondere Qualifikation des zu beauftragenden Umweltgutachters (Zulassung für den Bereich der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energien), die hier unstreitig erfüllt ist. Inhaltliche Vorgaben an das Gutachten und die Nachweisführung werden indessen nicht aufgestellt. Die Klägerin hat sich deshalb zunächst darauf verlassen dürfen, dass das vorgelegte Umweltgutachten eines qualifizierten Gutachters den Anforderungen an eine Nachweisführung genügt und für die Durchsetzung ihres Bonusanspruches insoweit verwertbar ist.

46

Davon ist ersichtlich zunächst auch die Beklagte ausgegangen, denn sie hat die Verwertbarkeit des Umweltgutachtens weder in erster Instanz noch in ihrer Berufungserwiderung in Frage gestellt und die Feststellungen des Sachverständigen als solches nicht inhaltlich angegriffen. Sie hat vielmehr einen anderen methodischen Ansatz als der Sachverständige vertreten, weil sie die Erfassung des Masseanteils an Gülle über den Fermenterinhalt für unzulässig hält. In ihrem Schreiben vom 13. März 2015 hat sie die Ausführungen des Gutachters Dr. S. dementsprechend sachlich aufgegriffen, soweit dieser festgestellt hat, dass haltungstechnisch bedingt an acht Tagen im Jahr 2014 die Dosiermenge 30 % des täglichen Inputs unterschritten habe. Soweit der Sachverständige gleichwohl zu dem Ergebnis gelangt ist und der Klägerin bescheinigt hat, dass aufgrund von Mehrmengen an den Vor- und Folgetagen diese Schwankungen hätten ausgeglichen werden können, hat sie diese Folgerung als vom methodischen Ansatz her unzutreffend zurückgewiesen, nicht jedoch die Richtigkeit der zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellung in Zweifel gezogen.

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Erstmals im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie nun auch den Aussagegehalt des Gutachtens bestritten, weil dieses zu pauschal gefasst sei und die vorgenommene Berechnung nicht hinreichend dokumentiert habe. Mit diesem neuen Verteidigungsvorbringen ist die Beklagte in der Berufungsinstanz indessen jedenfalls ausgeschlossen. Ein Novenrecht steht ihr nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Verbindung mit § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu. Denn zu den engen Voraussetzungen, unter denen neue Angriffs- und Verteidigungsmittel ausnahmsweise in der Berufung nach § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden können, hat sie weder schlüssig vorgetragen, noch ergibt sich ein Zulassungsgrund nach Lage der Akten.

48

4. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist schließlich auch der Höhe nach begründet. Die Forderungshöhe hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt in Abrede genommen. Es ist vielmehr unstreitig, dass sich der Güllebonus für das Jahr 2014 auf 82.287,17 Euro belaufen würde.

II.

49

Der Zinsanspruch ist seit Rechtshängigkeit der Klage aus §§ 291 S. 1, S. 2, 288 Abs. 1 BGB bzw. unter Verzugsgesichtspunkten aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

III.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

51

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird nicht nach § 543 Abs. 1 ZPO zugelassen, da der Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.


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