I.
Die Klägerin macht urheberrechtliche Ansprüche auf Nachhonorierung von Textbeiträgen und Lichtbildern gem. § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG geltend, die im Zeitraum von Juli 2006 bis September 2018 von der Beklagten veröffentlicht wurden.
Die beklagte Verlagsgesellschaft gibt zahlreiche Tageszeitungen mit regionaler Ausrichtung, u.a. die „L… Zeitung“ heraus, die im Zeitraum 2016 bis 2018 eine Auflage in der Größenordnung von 7400-7800 Exemplaren aufwies; sie veröffentlicht die abgedruckten Beiträge auch auf dem Onlineportal www…de.
Die Klägerin war in der Zeit von Juli 2014 bis Mai 2016 in der Geschäftsstelle der Beklagten in O…(Ort) auf 450-Euro-Basis tätig, wo sie typische Sekretariats- und Assistenzaufgaben im Bereich der Redaktion und der Anzeigenverwaltung erledigte. Ab Mai 2017 ging sie im Umfang von 4,5 Stunden/220,00 €, später 10 Stunden/440,00 €, einer anderweitigen Bürotätigkeit auf Basis der Minijob-Regelungen nach. Im Jahr 2016 nahm sie ein Fernstudium zur Ausbildung als Journalistin auf; ab August 2016 erhielt sie deshalb einen Gründungszuschuss von der Bundesagentur für Arbeit für die Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit. Die Klägerin verfasste in diesen Zeiträumen ferner ein Buch mit Familiengeschichten, ein Kinderbuch sowie unter dem Pseudonym C…S…(Name) den Roman „G…(Titel des Romans)“.
Die Klägerin reichte seit dem Jahr 2004 Texte und Bilder bei der Beklagten zur Veröffentlichung ein; inwieweit neben ihr auch andere Personen für die Berichterstattung über das Geschehen im Bereich der Gemeinde W…(Ort) zuständig waren, ist streitig. Sie besitzt jedenfalls seit 2013 einen Presseausweis und ist jedenfalls seit 2014 Mitglied der Künstlersozialkasse. Für die von ihr verfassten Textberichte erhielt die Klägerin eine Vergütung i.H.v. 0,14 € netto je Zeile, für Lichtbilder eine Vergütung i.H.v. 5,00 € netto je Bild. Die Klägerin hat im Zeitraum Juli 2016 bis September 2018 jedenfalls 1.651 Artikel (noch 494 im Jahr 2016, 692 im Jahr 2017 und 465 im Jahr 2018; Anlage K 11) und 1.733 Lichtbilder (530 im Jahr 2016, 714 im Jahr 2017 und 489 im Jahr 2018; Anlage K 12) an die Beklagte geliefert, wobei sie diese „exklusiv zum Erstdruck“ angeboten hatte; die Texte und Bilder wurden in der L…(Ort) Zeitung, teils zusätzlich in anderen Lokalausgaben, veröffentlicht.
Die Klägerin vertritt den Standpunkt, ihr stehe für die 1.651 Artikel, die jeweils über bloße Terminankündigungen o.Ä. hinausgingen, und die 1.733 Lichtbilder aufgrund § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG eine angemessene Vergütung zu, die wegen § 36 UrhG auf Grundlage der Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen (i.F.: GVR Tageszeitungen) zu ermitteln sei. Die Tatsache, dass die zum 1. Februar 2010 in Kraft getretenen GVR Tageszeitungen verlegerseitig zum 28. Februar 2017 gekündigt wurden, stehe einer Heranziehung der dort genannten Vergütungssätze auch in der Zeit ab März 2017 nicht entgegen. Ausgehend von der Auflagenzahl „bis 10.000“ und einer Einordnung als „Nachricht/Bericht“ errechne sich bei Berücksichtigung der in der L…(Ort) Zeitung gebräuchlichen Zeilenlänge die angemessene Vergütung mit 0,36 € netto je Zeile, so dass sie noch 0,22 € verlangen könne. Für Texte, die weniger als 20 Zeilen aufweisen, dürfe die Klägerin - wie in § 3 der GVR Tageszeitungen vorgesehen - das Mindesthonorar von 20 Zeilen ansetzen. Wegen der Lichtbilder ergäbe sich eine Vergütung i.H.v. 19,50 bis 27,50 € netto, so dass ein Restanspruch i.H.v. 14,50 bis 22,50 € netto je nach Größe bestehe. Die Klägerin beziffert ihren Anspruch wegen der Textbeiträge mit 22.039,12 € netto, wobei sie wegen der Zeilenanzahl die von der Beklagten in ihren Abrechnungen angesetzten Werte zugrunde legt; für die Lichtbilder ergäben sich 45.416,50 €. Ferner schulde die Beklagte die gesetzliche Umsatzsteuer i.H.v. 7% sowie unter dem Gesichtspunkt des Verzugs Zinsen seit 17. November 2018.
Die Beklagte wendet sich zum einen gegen die Heranziehung der GVR Tageszeitungen. Die Klägerin sei nicht, wie dort vorausgesetzt, hauptberuflich freie Journalistin, sondern sei im relevanten Zeitraum auch einer Bürotätigkeit nachgegangen. Die GVR Tageszeitungen verstießen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, da sie die Beklagte z.B. hinderten, journalistische Leistungen von Personen aus Ö…(Land) einzukaufen, welches nur 50 km entfernt sei. Für die Zeit ab dem 1. März 2017 könnten die GVR Tageszeitungen nicht herangezogen werden, zumal die Zeitungsverlage die Kündigung gerade deshalb ausgesprochen hätten, weil sie aufgrund des Auflagenschwunds die dort niedergelegten Honorare nicht mehr leisten hätten können. Dementsprechend würden nunmehr branchenüblich erheblich niedrigere Honorare gezahlt. Überdies sei die Klägerin mit der gezahlten Vergütung einverstanden gewesen. Zum anderen wiesen zahlreiche Texte lediglich in marginalem Umfang journalistische Leistungen auf und hätten keine Recherche erfordert; sie erschöpften sich oftmals in der Weiterleitung von Mitteilungen von Vereinen. Kirchen usw., für welche die Klägerin überdies pauschal vergütet worden sei.
Das Landgericht hat die Beklagte vollumfänglich verurteilt.
Die Beklagte und Berufungsführerin rügt, dass die Kammer des Landgerichts im Zusammenhang mit der Anfrage, ob Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren besteht, nicht offengelegt hat, dass sie die Klage entgegen dem in der mündlichen Verhandlung erweckten Eindruck vollumfänglich für begründet hält. Sie wiederholt, vertieft und ergänzt ihre Argumentation zu den bereits in erster Instanz vorgebrachten Einwendungen. Sie hebt heraus, dass eine „hauptberufliche journalistische Tätigkeit“ i.S.d. GVR Tageszeitungen auch ein qualitatives Moment voraussetze, welches bei den Artikeln der Klägerin nicht durchgängig vorhanden sei. In zahlreichen Fällen lägen lediglich Bildunterschriften mit wenigen Zeilen Umfang vor, für welche die Klägerin keine Vergütung wie für einen Artikel von 20 Zeilen verlangen könne. Vielfach bestünden die Artikel zum erheblichen Teil aus der keinem urheberrechtlichen Schutz zugänglichen Mitteilung von Namen und Sportergebnissen. Ferner habe die Beklagte festgestellt, dass in mehreren Fällen ein identischer Text auf den Homepages der Reservistenkameradschaft bzw. des Sportvereins, über den berichtet wurde, am selben Tag wie in der „L…(Ort) Zeitung“ oder sogar einige Tage früher veröffentlicht wurde. Die Klägerin könne daher jedenfalls keine Vergütung für ein Erstdruckrecht geltend machen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung beantragt die Beklagte,
das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. Januar 2020, Az. 19 O 8247/18, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Sie hat ergänzend im Hinblick auf die geforderte Umsatzsteuer mitgeteilt, dass sie aufgrund der Höhe der zuerkannten Beträge nicht mehr die Kleinunternehmerklausel in Anspruch nehmen kann; ferner habe sie ab dem Jahr 2020 auf diese Option verzichtet.
Der Senat hat zunächst seine Einschätzung zur Sach- und Rechtslage mit Verfügung vom 26. Juni 2020 schriftlich dargelegt; die Klägerin hat daraufhin zum Nachweis der Schöpfungshöhe die Artikel, für die sie eine Nachvergütung fordert, vorgelegt. Der Senat hat zur Sache mündlich verhandelt und die Klägerin angehört. Die Klägerin hat sich nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 4. Dezember 2020 ergänzend geäußert, die Beklagte unter dem 17. Dezember 2020. Im Übrigen wird zur Darstellung des Sach- und Streitstands auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung sowie die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen, Bezug genommen.
II.
Die Berufung hat lediglich zu einem geringen Teil Erfolg.
1. Der Senat muss nicht aufklären, welche Äußerungen die Kammer des Landgerichts in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Klage getätigt hat, ob dies über die gebotenen Hinweise auf die Prozessrisiken im Instanzenzug hinausging und ob deshalb eine „Überraschungsentscheidung“ vorliegt. Auf eine „Überraschungsentscheidung“ könnte die Beklagte ihr Rechtsmittel nur dann erfolgreich stützen, wenn sie zugleich geltend machen würde, dass sie im Fall eines zutreffenden Hinweises zur tatsächlichen oder rechtlichen Einschätzung weitere Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorgebracht hätte und hiervon lediglich aufgrund der Äußerung des Gerichts abgesehen habe. Die Beklagte hat aber nicht in diesem Sinne aufgezeigt, von welchem Vortrag sie berechtigterweise abgesehen habe, und diesen nicht in der Berufungsschrift nachgeholt.
Dazu, dass bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren abweichend von § 309 ZPO diejenigen Richter zur Mitwirkung berufen sind, die im Moment der letzten entscheidenden Beratung nach dem Zeitpunkt, der dem Schluss der Verhandlung gleichsteht, nach dem Geschäftsverteilungsplan hierfür vorgesehen sind (siehe nur MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, ZPO § 128 Rn. 45) hat bereits die Klägerin ausführen lassen; im Übrigen wäre auch dies für sich genommen kein Umstand, der zur Abänderung nötigen würde, weil es wiederum allein darauf ankommt, ob sich die Entscheidung in der Sache als richtig erweist.
2. Die landgerichtliche Entscheidung leidet nicht daran, dass sie entgegen § 308 Abs. 1 ZPO der Klägerin mehr zugesprochen hätte, als sie in der mündlichen Verhandlung bzw. dem dieser gleichstehenden Zeitpunkt, bis zu dem gem. § 128 Abs. 2 ZPO Schriftsätze eingereicht werden konnten, beantragt hat.
Zwar hat die Klägerin zunächst Zahlung von „72.177,51 Euro (brutto inkl. 7% MWSt)“ verlangt und dann mit Schriftsatz vom 21. August 2019 beantragt, „67.455,62 Euro (ggf. zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer in Höhe von 7%)“ zu zahlen. Entgegen der Auffassung der Beklagten war darin jedoch nicht eine Teilrücknahme im Umfang des Differenzbetrags zu sehen. Durch die geänderte Antragsfassung wollte die Klägerin lediglich zum Ausdruck bringen, dass sich der ursprünglich geforderte Gesamtbetrag aus einem Nettobetrag i.H.v. 67.455,62 € und der darauf entfallenden Umsatzsteuer i.H.v. 7% zusammensetzt und sie letzteren nur dann beanspruchen kann und begehrt, wenn aufgrund der maßgeblichen steuerrechtlichen Bestimmungen eine Umsatzsteuerpflicht gegeben ist. Damit liegt lediglich eine Umformulierung des ursprünglichen Begehrens, welches ebenfalls bereits zum Ausdruck gebracht hat, dass darin Umsatzsteuer enthalten ist, vor, nicht jedoch eine Klageänderung und/oder teilweise Rücknahme der Klage. Auch aus den Ausführungen im Schriftsatz vom 21. August 2019, der zur Auslegung heranzuziehen wäre kann, ergibt sich nichts anderes.
Aus denselben Überlegungen ergibt sich auch, dass es dem Klageantrag nicht an der erforderlichen Bestimmtheit fehlt. Die Klägerin stellt nicht etwa die Verurteilung in bestimmten Umfang in das Belieben des Gerichts, sondern stellt klar, dass ein Teil des begehrten Betrags Umsatzsteuer darstellt und dessen Berechtigung deshalb auch davon abhängt, wie das Gericht die Frage der Umsatzsteuerpflicht in zeitlicher und sachlicher Hinsicht bewertet.
3. In rechtlicher Hinsicht geht das Landgericht, was auch die Parteien nicht grundsätzlich in Zweifel ziehen, zutreffend davon aus, dass die Klägerin, soweit ihre Leistungen Werke i.S.d. § 2 Abs. 1 UrhG darstellen, eine angemessene Vergütung i.S.v. § 32 UrhG fordern kann, auch wenn zwischen ihr und der Beklagten ausdrücklich oder konkludent anderes vereinbart war. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Vergütung gem. § 32 UrhG ist vorrangig zu fragen, ob sich Kriterien für eine angemessene Vergütung aus einem Tarifvertrag ergeben (§ 32 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 1 S. 3 UrhG); ist eine tarifvertragliche Regelung nicht anwendbar, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer gemeinsamen Vergütungsregel i.S.v. § 36 UrhG vorliegen, weil diese eine unwiderlegliche Vermutung der Angemessenheit gem. § 32 Abs. 2 S. 1 UrhG auslöst. Ist auch eine solche im Hinblick auf persönliche, sachliche oder zeitliche Voraussetzungen nicht anwendbar, kommt eine Vermutungswirkung gem. § 32 Abs. 2 S. 1 UrhG nicht in Betracht, so dass die angemessene Vergütung gem. § 32 Abs. 2 S. 2 UrhG nach einer Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen ist (vgl. BGH, Urteil. v. 21. Mai 2015 - I ZR 62/14, GRUR 2016, 62, Rn. 13 m.w.N.). Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob eine Vergütung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist, können allerdings wiederum gemeinsame Vergütungsregelungen relevant werden; gemeinsame Vergütungsregelungen können nämlich als Vergleichsmaßstab und Orientierungshilfe für das üblicher- und redlicherweise zu Leistende herangezogen werden, selbst wenn ihre Anwendungsvoraussetzungen nicht (vollständig) erfüllt sind und sie deshalb keine unwiderlegliche Vermutungswirkung i.S.v. § 32 Abs. 2 S. 1 UrhG entfalten (dazu noch eingehend unten).
Darauf, dass die Klägerin mit der gezahlten Vergütung damals einverstanden war, kommt es wegen § 32 Abs. 2 S. 3 UrhG nicht an.
4. Der vorliegende Sachverhalt erfüllt alle Voraussetzungen, damit die Klägerin in persönlicher und sachlicher Hinsicht eine Vergütung auf Grundlage der GVR Tageszeitungen verlangen kann.
a. Die Klägerin ist Urheberin der Beiträge, für die sie Vergütung beansprucht. Auch die Beklagte stellt die Autorenschaft der Klägerin nicht generell in Abrede.
aa. Soweit die Beklagte im Hinblick auf die Berichte, die zeitgleich auf Vereinshomepages erschienen sind, die Möglichkeit in den Raum gestellt hat, dass sie nicht von der Klägerin stammen, kann der Senat einen solchen Sachverhalt nicht zugrunde legen; daher kann offenbleiben, ob ein rechtswirksames Bestreiten gewollt war oder nicht
1) Die Klägerin hatte in erster Instanz jedenfalls schlüssig behauptet, Alleinurheberin der von ihr eingereichten Artikel zu sein, was von der Beklagten zunächst nicht bestritten wurde.
2) Das (mögliche) Bestreiten in der Berufungsinstanz stellt ein neues Verteidigungsmittel dar, welches grundsätzlich nicht zugelassen werden kann, wenn nicht ein Ausnahmetatbestand gegeben ist (§ 531 Abs. 2 ZPO).
Für welche Artikel die Klägerin eine Nachvergütung beansprucht und ihre Urheberschaft geltend macht, war bereits in erster Instanz klar, auch wenn die Texte nicht ausgedruckt bzw. auf dem USB-Stick dem Gericht vorlagen. Durch die entsprechenden Aufstellungen, die wiederum auf die vorangegangenen Abrechnungen der Beklagten Bezug nahmen und sowohl das Erscheinungsdatum als auch den Titel und den Zeilenumfang der Texte enthielten, war jedenfalls für die Beklagte erkennbar und bestimmbar, welche Artikel die Klägerin meint, da sie diese zuvor selbst in ihrer Zeitung veröffentlicht hatte. Es wäre der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, anhand ihres Archivs, von dessen Vorhandensein das Gericht ausgehen muss, die Beiträge im Volltext herauszusuchen und zu prüfen, ob es Anhaltspunkte für eine Urheberschaft Dritter oder andere anspruchsmindernde oder -ausschließende Umstände gibt. Die Beklagte hat in erster Instanz auch zu keinem Zeitpunkt gerügt, dass die Bezeichnungen nicht aussagekräftig gewesen seien, eine Vorlage verlangt oder geltend gemacht, sie könne auf die Texte nicht mehr zugreifen; auch nun macht sie solche Hindernisse nicht geltend. Ohnehin muss eine Prozesspartei Anlagen, die der Gegner bereits besitzt, diesem nicht in Abdruck, Ablichtung etc. zur Verfügung stellen (§ 131 Abs. 3 ZPO). Die Vorlage der ausgedruckten Artikel für das Gericht ist daher in dieser Hinsicht nicht als neues Angriffsmittel der Klägerin zu bewerten, sodass es sich beim Bestreiten der Beklagten nicht um eine hierdurch ausgelöste Reaktion handelt.
3) Die Klägerin hat auch nicht zugestanden, nicht Urheberin dieser sieben Artikel gewesen zu sein (was dann eine Berücksichtigung in der Berufungsinstanz geboten hätte). Sie hat sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend eingelassen, dass sie die Beiträge verfasst und dann an die betroffenen Vereine weitergegeben habe. Ungeachtet der noch zu diskutierenden übrigen Fragen bedeutet dies jedenfalls nicht, dass sie nicht als Urheberin anzusehen wäre.
4) Unbeachtlich ist daher auch das Vorbringen im Schriftsatz vom 17. Dezember 2020, der Artikel über das Blasmusikkonzert unterscheide sich von anderen Artikeln. Soweit damit ein entsprechendes Indiz vorgebracht wird, ist dieses als neues Angriffsmittel wegen § 296a ZPO nicht berücksichtigungsfähig. Überdies ist es unsubstantiiert, da nicht konkret aufgezeigt wird, worin dies behaupteten Unterschiede bestehen sollen.
bb. Im Hinblick auf den Beitrag „86 Kinder bei der Sichtungsmaßnahme“ vom 3. August 2016 wurde die Klage bereits in erster Instanz mit Einwilligung der Beklagten zurückgenommen.
cc. Im Übrigen hat die Klägerin wiederholt klargestellt, dass sich unter den Artikeln, wegen der sie eine Nachvergütung verlangt, nicht solche Texte befinden, die von Vereinen, Organisationen etc. übernommen worden sind, wie es insbesondere bei Terminankündigungen der Fall war. Der Beklagten ist es nicht gelungen, aufzuzeigen, dass diese Behauptung über einen Einzelfall hinaus nicht zutraf. Der Umstand, dass sich ein solcher Einzelfall fand, lässt nicht den Schluss zu, dass die Klägerin insgesamt bei der Auswahl und Bestimmung und sorgfältig vorgegangen ist und deshalb der von der Beklagten erkannte Fall symptomatisch sei.
b. Der Senat kommt nach intensiver Prüfung der Sach- und Rechtslage zum Ergebnis, dass den Artikeln der Klägerin (wie für die Anwendbarkeit des § 32 UrhG, der ein Werk i.S.v. § 2 Abs. 1 UrhG und damit eine persönliche geistige Schöpfung voraussetzt, erforderlich ist) - mit Ausnahme des Textes „Die Ergebnisse der Winterpower-Serie…“ vom 29. Januar 2018 - die notwendige Schöpfungshöhe zukommt.
aa. Der Senat hat in seinem Hinweis ausgeführt, dass die Klagepartei die (vom Landgericht als nicht bestritten angesehene und daher nicht weiter thematisierte) Schöpfungshöhe dartun muss. Dieser Last ist sie durch Vorlage der Artikel nachgekommen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 - I ZR 102/79, GRUR 1981, 820 (822); in juris Rn. 25).
bb. Soweit der Senat den Standpunkt vertreten hat, dass bei einfachen Berichten über lokale Ereignisse, die im entsprechenden Teil einer Tageszeitung veröffentlicht werden, die Schöpfungshöhe nicht selbstverständlich ist, hält er hieran uneingeschränkt fest. Der dort angesetzte Maßstab und die weitgehende Gleichsetzung mit kleinen Gebrauchstexten erscheint dem Senat allerdings jedenfalls im Lichte der neueren Rechtsprechung als zu streng.
1) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs liegt ein „Werk“ vor, wenn es sich um ein Original handelt, das eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers ist, und eine solche Schöpfung zum Ausdruck gebracht wird (vgl. EuGH, Urteil v. 11. Juni 2020 - C-833/18, GRUR 2020, 736, Rn. 22 - Brompton ./. Get2Get; EuGH, Urt. v. 12. September 2019 - C-683/17, GRUR 2019, 1185, Rn. 29 - Cofemel). Ein Gegenstand kann erst bzw. bereits dann als Original angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt (EuGH, Urteil v. 11. Juni 2020 - C-833/18, GRUR 2020, 736, Rn. 23 - Brompton ./. Get2Get; EuGH, Urt. v. 12. September 2019 - C-683/17, GRUR 2019, 1185, Rn. 30 - Cofemel). Wurde die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist und folglich urheberrechtlich geschützt werden kann (vgl. EuGH, Urteil v. 11. Juni 2020 - C-833/18, GRUR 2020, 736, Rn. 24 - Brompton ./. Get2Get; EuGH, Urt. v. 12. September 2019 - C-683/17, GRUR 2019, 1185, Rn. 31 - Cofemel).
Der Bundesgerichtshof hat bei Werken der angewandten Kunst für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung lediglich gefordert, dass eine Schöpfung individueller Prägung gegeben ist, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 143/12, BGHZ 199, 52 = GRUR 2014, 175 „Geburtstagszug“, Rn. 15). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Werkbegriffs auch bei gewissen Gebrauchszwecken dienenden Sprachwerken (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 1.18, GRUR 2020, 189, Rn. 19 ff.). Hieraus ergibt sich die Bedingung, dass ein Gestaltungsspielraum gegeben sein und genutzt worden sein muss, und dass die Frage, ob ein Schriftwerk einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzt, sich nach dem geistig-schöpferischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung, und zwar im Gesamtvergleich gegenüber vorbestehenden Gestaltungen, bemisst (vgl. KG, Beschluss vom 18.07.2016 - 24 W 57/16, GRUR-RR 2016, 20168)
2) Damit ist an dem aufgestellten Erfordernis zwar festzuhalten, doch sind die Anforderungen niedrig anzusetzen. Die vorgelegten Artikel gehen sämtliche über solche, in denen lediglich Veranstaltungen angekündigt oder ohne jede redaktionelle Aufbereitung Informationen weitergegeben werden, hinaus. Hiervon konnte sich der Senat nach Durchsicht der vorgelegten Texte überzeugen. Auch die Beklagte konnte nicht konkret aufzeigen, dass sich unter diesen Texten solche befinden, die - wie wohl die unstreitig vorhandenen weiteren Texte, für die die Klägerin aber keine Nachvergütung fordert - von Vereinen oder anderen Organisationen erhalten und ohne signifikante Bearbeitung weitergegeben worden sind.
3) Soweit die Beklagte geltend macht, die Klägerin habe in Berichten zu jährlich wiederkehrenden Anlässen frühere Texte vollständig oder zumindest weitgehend identisch übernommen, trifft dieser Vorwurf im Ergebnis nicht zu.
a) Bei den Berichten betreffend das sog. Entenrennen liegen keine relevanten Übernahmen vor. Sprachliche oder strukturelle Parallelen der drei Artikel sind nicht erkennbar. Der Text vom 16. März 2017 berichtet ausschließlich über Veranstalter, Teilnahmemöglichkeiten, Anfangszeit und Verlauf der „Rennstrecke“ des Wettbewerbs, enthält dabei aber - bereits durch die einleitende Wendung „gelbe Quietscheentchen“ Originalität und Individualität. Entsprechendes gilt für den Bericht vom 5. März 2018, der allerdings sowohl im Hinblick auf die Veranstaltung selbst umfangreicher ist als auch bereits einen Ausblick auf den ersten Marktsonntag enthält. Dagegen steht im Zentrum des Berichts vom 23. März 2018 der Marktsonntag mit seinen zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen. Das Entenrennen wird dort zwar beschrieben, wobei sich in der Tat weitgehend identische Passagen wie im Artikel vom 5. März 2018 finden. Aus diesem Grund kann bei der vom Senat als maßgeblich angesehenen Gesamtbetrachtung nicht dieser Artikel insgesamt als bloße Wiederholung und Doppelung angesehen werden.
b) Die Vorberichte zum Patronatsfest der Pfarrkirche „Hl. Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist“ in den Jahren 2016, 2017 und 2018 weisen zwar nicht wegzudiskutierende Parallelen und Übereinstimmungen auf. So berichtet die Klägerin nicht nur über den Ablauf der Feier mit Kirchenzug, Gottesdienst, Mittagstisch und Nachmittagsaktivitäten, sondern beschreibt auch die Baugeschichte des Gotteshauses. Teils wortwörtlich übereinstimmend wird berichtet, dass im Jahr 1849 die „wohl größte Feuersbrunst in W…(Ort)“ gewütet hat und dieser neuen Anwesen einschließlich der damaligen Barockkirche zum Opfer gefallen sind. Identisch heißt es auch jeweils: „Ein Orkan ließ im Sommer 1922 den Kirchturm einstürzen. Den W…(Ort) ern bot sich ein schauriger Anblick mit dem in den Boden gerammten Kirchturm. Heute erinnert eine Gedenktafel mit der Inschrift… an den Kircheneinsturz. Im Jahre 1960 wurde der Kirchturm mit einer Höhe von 45 m erneuert.“ Es finden sich aber jeweils Informationen zur Baugeschichte und zum Ablauf des Festes, die in den anderen Artikeln nicht enthalten sind. Auch die Struktur und Gedankenführung der Artikel variiert.
Die übereinstimmenden Passagen nehmen damit insgesamt den Texten nicht die Schöpfungshöhe. Alle Artikel sind für sich genommen von Individualität geprägt und rücken in einer für Journalismus typischen Weise ein aktuelles Geschehen in einen größeren Kontext.
Die weitgehende Identität der Texte macht den später veröffentlichten auch nicht in sonstiger Weise völlig wertlos, sodass es tatbestandlich ausgeschlossen oder treuwidrig wäre, hierfür eine Nachvergütung zu verlangen. Aufgrund des zeitlichen Zwischenraums von immerhin einem Jahr ist nicht zu erwarten, dass ein erheblicher Teil der Leserschaft sich noch im Detail an den vorangegangenen Artikel erinnert und daher die Vorgehensweise missbilligt. Der Funktion, auf das Fest und die Veranstaltungen aufmerksam zu machen und dabei die Hintergründe einzubinden, kann der Artikel in vollem Umfang erfüllen. Dass es der Beklagten frei gestanden hätte, eine derartige Veröffentlichung unter Hinweis auf die Doppelung abzulehnen, ist in diesem Kontext ohne Bedeutung.
4) Auch die (von der Beklagten als „Bildunterschriften“ charakterisierten) Texte, die lediglich in knapper Form ein Lichtbild beschreiben, einordnen und kommentieren, erreichen die zu verlangende Schöpfungshöhe.
Zum einen liegt eine individuelle Prägung vielfach bereits darin, dass die Klägerin Situationen und Eindrücke des Tagesgeschehens, die ein anderer vielleicht für unbedeutend empfinden mag, eingefangen hat; bereits die Stoffauswahl, d.h. die Idee, bestimmte Vorgänge zum Gegenstand eines Berichts zu machen, bedeuten ein Mindestmaß an Individualität. Zum anderen erschöpfen sich die Formulierungen nicht in einer nüchternen Beschreibung des Bildinhalts und der Szene, sondern greifen Empfindungen des abgebildeten Geschehens oder des Betrachters auf. Deutlich wird dies beim Text „stark Regen ließ den Wasserpegel…“ vom 27. Juni 2016 am Kontrast zwischen „klarem Wasser“ und „brauner Brühe“ beim Bild vom starkregenschwangeren Bach. Der Text „Das schöne Wetter“ vom 9. Juni 2016 erhält Originalität und Individualität durch die Wortkreation „Riesensand-Strandhaufen“ und die Erwähnung der Brotzeit unter freiem Himmel, die mit „schmeckte doppelt gut“ Emotionen mitteilte. Der Text vom 23. Juli 2016 „Zum 65. Geburtstag gratuliert“ stellt in kompakter Form die maßgeblichen Informationen dar und umschreibt das Geschenk mit „W…(Ort) Spezialität“, was wiederum beim Leser und Betrachter die Aufmerksamkeit auf das Foto lenkte.
Über bloße Bildunterschriften, wie sie etwa auch bei der Bebilderung von Artikeln oftmals anzutreffen sind, gehen die Texte jeweils umfangsmäßig und inhaltlich hinaus. Wie an anderer Stelle noch auszuführen sein wird, spricht die Regelung in § 3 der GVR Tageszeitungen, nach der mindestens 20 Zeilen zu vergüten sind, gerade gegen den Standpunkt der Beklagten, Kurztexte solcher Art stellten überhaupt keinen „Beitrag“ dar.
5) Dagegen fehlt dem Artikel „Die Ergebnisse der Winterpower-Serie…“ vom 29. Januar 2018 erkennbar jede Individualität und Originalität. Er erschöpft sich in der (wenn auch geordneten) Wiedergabe von Daten, ohne jegliche redaktionelle Aufbereitung. Eine journalistische Leistung beinhaltete vielmehr der am selben Tag erschienene Artikel „Rund 100 Nachwuchssportler sorgten für Spannung“. Der der Klägerin zustehende Betrag ist damit um 137 Zeilen x 0,22 €/Zeile = 30,14 € zu kürzen.
6) Bei den von der Beklagten im Schriftsatz vom 1. Oktober 2020 benannten Texten, die zu einem erheblichen Teil Sportergebnisse, Namen oder Termine wiedergeben, hält der Senat folgende Differenzierung für angebracht:
a) Die Mitteilung von Personennamen, Ergebnissen etc. lässt den Charakter als journalistische Leistung nicht entfallen, solange diese in den Bericht integriert sind und dieser insgesamt als redaktionelle Aufbereitung eines Geschehens verstanden werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Informationen zwar nicht unerheblichen Raum einnehmen, jedoch durch entsprechende einleitende und abschließende Passagen in ein Gesamtgefüge eingebunden sind und kommentiert/gewürdigt („Schlusslicht war…“) werden, weil dies den Texten insgesamt eine Schöpfungshöhe verleiht; sie heben sich dadurch gegenüber einer bloß neutralen Auflistung der Daten zu den einzelnen Ergebnissen etc. ab.
b) Der Senat sieht sich in solchen Fällen auch grundsätzlich nicht in der Lage, die für die Nachvergütung relevante Zeilenanzahl herabzusetzen. Es müsste ein „fiktiver Bericht“ entwickelt werden, der zwar auf die detaillierte Auflistung verzichtet, jedoch - was möglich und zum Verständnis vielfach sogar geboten gewesen wäre - einen Kernbestand an Informationen der Ergebnisse mitteilt. Anderes gilt allerdings dann, wenn die Auflistung der Ergebnisse zwar nicht (wie hinsichtlich der Winterpower-Serie) unter einer gesonderten Gesamtüberschrift gesetzt ist, jedoch einen auch äußerlich (z.B. durch eine entsprechende Zwischen-Überschrift) klar abgegrenzten Teil bildet. Ist der Artikel nicht so gestaltet, kann dagegen aus dem genannten Grund eine Reduzierung auf das fiktiv Erforderliche nicht erfolgen, und muss sich die Beklagte daran festhalten lassen, dass sie die Artikel so angenommen hat, wie sie von der Klägerin eingereicht wurden. Es hätte ihr freigestanden, darauf zu dringen, dass die Ergebnislisten der Fußballturniere gesondert gesetzt werden und damit keinen Teil des Berichts über die Veranstaltung bilden.
c) Uneingeschränkt Nachvergütung geltend machen kann die Klägerin daher im Hinblick auf die Artikel „Der Gastgeber setzt sich durch“ vom 12. Juli 2016, „Geburtstage wurden gefeiert“ vom 3. Oktober 2016, „Zahlreiche Vereinsmitglieder geehrt“ vom 21. Dezember 2016, „Christus mansionem bededicat“ vom 5. Januar 2017, „Fluthelfernadel erhalten“ vom 24. Januar 2017, „Zum Kränzchen geladen“ vom 5. Januar 2018, „AH des TV R…(Ort) verteidigt Titel“ vom 22. Januar 2018, „Torverhältnis entscheidet über Platz eins“ vom 23. Januar 2018, „Zweimal bejubeln Teams des Gastgebers.“ vom 19. Februar 2018, „Gesellige Stunden für Geburtstagskinder“ vom 27. März 2020, „Das 50-jährige wird groß gefeiert“ vom 27. März 2018, „Mit dem Esel nach Jerusalem“ vom 5. April 2018, „Sachausschüsse gebildet“ vom 4. Mai 2018 „Maiandacht für Bewohner des Heims“ vom 19. Mai 2018, „Gewinner der Verlosung ermittelt“ vom 5. Juni 2018, „Ein cooler Sommer für die Kinder“ vom 4. Juli 2018 und „Grundschule gibt sich sportlich“ vom 24. Juli 2018. Hier sind jeweils die Namen durch geeignete einleitende oder abschließende Formulierungen in den eigentlichen Bericht integriert, mag es sich auch über längere Strecken um bloße Aufzählungen handeln. Ein derartiges Vorgehen ist insbesondere beim Sportjournalismus in Lokalzeitungen verbreitet anzutreffen.
d) Dagegen ist die anzusetzende Zeilenzahl bei den Texten „Schimmern wie ein Regenbogen“ (um 15 Zeilen) „Mit dem Sakrament kommt die Aufgabe“ (um 30 Zeilen) vom 5. Juni 2018, „Wilder Westen mit dem Bürgermeister“ (um 89 Zeilen; der Ansatz der Beklagten beschwert die Klägerin jedenfalls nicht) vom 19. Juni 2018 zu kürzen, zumal die Auflistung der Erstkommunikanten, Gefirmten etc. bzw. der Veranstaltungen des Ferienprogramms bereits äußerlich durch eine Absatzbildung mit geeigneter Überschrift und Trennlinie abgesetzt ist. Gleiches musste der Senat für den Artikel „Erwachsene auf Rang 13, Jugend auf Platz 7“ (um 11 Zeilen) feststellen, in dem am Ende des Artikels unter dem Abschnitt „Die Mannschaften“ die Namen aufgeführt sind und sich lediglich einleitend triviale Beschreibung wie „Zur Jugendmannschaft gehören:“ finden.
e) In dem Interview-Artikel „Wichtig ist, eine klare Linie zu verfolgen“ vom 27. Januar 2017 sind auch die Zeilen zu berücksichtigen, die die Fragen der Klägerin wiedergeben. Zum einen besteht die Aufgabe des Journalisten bei Interviews gerade darin, Fragen so zu stellen, dass sie den Interviewpartner zu den gewünschten Äußerungen bringen. Zum anderen müsste, wenn die Antworten des Befragten in einen Fließtext gegossen werden, regelmäßig ebenfalls die Fragestellung umschrieben werden, was nicht weniger Platz in Anspruch nehmen würde.
f) Insgesamt verringert sich die Zahl der anzusetzenden Zeilen damit um weitere 145, was einem Betrag von 31,90 € entspricht. Der Senat sieht sich, auch bei Berücksichtigung der Möglichkeit einer Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO, nicht in der Lage, im Wege einer Hochrechnung weitere Zeilen bzw. Beträge abzuerkennen. Es ist nicht überschaubar, in welchem Verhältnis die als teilweise nicht der Nachvergütung zugänglichen Artikel zur Gesamtzahl der Artikel und innerhalb dieser Texte die auszublenden Teile im Verhältnis zur Gesamtlänge stehen. Derartige Artikel stellen auch erkennbar eine Ausnahmeerscheinung dar. Aufgrund der statistisch „kleinen Zahl“ und der strukturellen Verschiedenheit der genannten Verhältnisse selbst bei den von der Beklagten identifizierten Artikel bestünde daher für eine Hochrechnung auf Basis einer Stichprobe, die den Anspruch auf eine gewisse Richtigkeit erheben könnte, keine gesicherte Grundlage.
7) Im Hinblick auf den Beitrag „86 Kinder bei der Sichtungsmaßnahme“ vom 3. August 2016 wurde die Klage bereits in erster Instanz mit Einwilligung der Beklagten zurückgenommen.
8) Soweit die Beklagte schließlich generell darauf aufmerksam gemacht hat, sie habe Artikel der Klägerin zur Veröffentlichung angenommen, obwohl darin in einem an sich zu breitem Umfang berichtet wird, ist dies ohne rechtliche Bedeutung. Entschließt sich eine Person, eine urheberrechtlich geschütztes Werk eines anderen zu verwerten, schuldet sie nach § 32 UrhG die dafür vorgesehene Vergütung.
9) Im Übrigen muss der Senat anmerken, dass sich die Beklagte daran festhalten lassen muss, dass sie die Artikel der Klägerin für die Befüllung des Lokalteils in der L…(Ort) Zeitung verwendet hat. Offenbar war sie der Auffassung, dass sie damit die Leserschaft in geeigneter Weise anspricht und deren Bedürfnisse nach Information und Unterhaltung befriedigt. Es entspricht auch der Erfahrung des Senats, dessen Mitglieder regelmäßig eine Tageszeitung mit Lokalteil lesen, dass sich vergleichbare Artikel regelmäßig in entsprechenden Abschnitten einer Zeitung finden und ein großer Teil der Leser und Abonnenten Wert darauf legt, dass über Ereignisse wie Sportturniere, Vorstandswahlen, Ehrungen etc. in einfacher, aber umfassender Form berichtet wird, weil sie sich selbst oder Bekannte darin wiederfinden.
Der Senat kann ebenso wenig den allgemeinwie gerichtskundigen (§ 291 ZPO) Umstand ausblenden, dass Zeitungsverlage wie die Beklagte in Auseinandersetzungen mit öffentlichen Mitteilungsblättern von Kommunen ihren Vorwurf, es werde entgegen dem Grundsatz der Staatsfreiheit der Presse eine pressemäßige Berichterstattung über Aktivitäten und Ereignisse gerade dadurch betrieben, dass eine umfassende Darstellung der Geschehnisse in der Gemeinde (Kirchen, Verbände, Bürgerinitiativen, Vereine, Sport, lokale Wirtschaftsnachrichten) vorgenommen werde. Gerade derartige Berichte machten den Kauf einer Zeitung - jedenfalls subjektiv - entbehrlich, da die Themen besetzt würden, deretwegen Zeitungen gekauft werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - I ZR 112/17, NJW 2019, 763, Rn. 40, 43 - Crailsheimer Stadtblatt II; OLG Nürnberg, Urteil vom 25. Juni 2019 - 3 U 821/18 -, GRUR-RR 2019, 473 Rn. 44). Die Verlage sehen somit in derartigen Berichten, selbst wenn sie nur eine geringe redaktionelle Höhe besitzen, eine ihnen vorbehaltene und daher bei Ausübung durch andere zu bekämpfende Tätigkeit, was im Umkehrschluss bedeuten muss, dass hier ein für die Lokalpresse essentielles Betätigungsfeld gegeben ist.
b) Die Klägerin erfüllt auch die persönlichen Voraussetzungen der GVR Tageszeitungen.
aa. Die GVR Tageszeitungen führen nicht weiter aus, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit eine hauptberufliche Tätigkeit gegeben ist. Sie begnügen sich mit den eher formalen Merkmalen der Erteilung eines Presseausweises und der Anmeldung bei der Künstlersozialversicherung. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch liegt eine hauptberufliche Tätigkeit dann vor, wenn andere Tätigkeiten beruflicher oder unternehmerischer Art nicht oder nur in einem Umfang stattfinden, der ebenso gewichtig ist oder nur unerheblich dahinter zurückbleibt. Bei letzterem ist auch zu berücksichtigen, durch welche Tätigkeit die Einkünfte zum überwiegenden Teil erzielt werden.
bb. Das Landgericht hat die Tätigkeit der Klägerin für die Beklagte daher zutreffend für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum Juli 2016 bis September 2018 als Hauptberuf qualifiziert.
1) Die Ausstellung eines Presseausweises und die Mitgliedschaft in der Künstlersozialversicherung sind nach den GVR und auch der Rechtsprechung ausdrücklich ein Indiz für die hauptberufliche Tätigkeit eines Journalisten.
2) Die Klägerin hat, ausgehend von 20 Arbeitstagen im Monat, im Durchschnitt täglich rund drei Textartikel zu je 61,17 Zeilen und 3 Lichtbilder bei der Beklagten zur Veröffentlichung eingereicht. Die Tätigkeit ist daher jedenfalls nicht untergeordneter Art. Die Tätigkeit in der Geschäftsstelle O…(Ort) der Beklagten endete bereits im Mai 2016. Der in der Folgezeit angenommene Minijob hatte einen Umfang von 4,5 bzw. 10 Wochenstunden, entsprechend 200,00 € bzw. 440,00 €. Dafür, dass diese Tätigkeit die Klägerin öfter als in einem Ausnahmefall gehindert hätte, ihrer Tätigkeit für die Beklagte nachzugehen und z.B. Veranstaltungen aufzusuchen, über die sie berichten sollte, hat die Beklagte nichts vorgetragen; mangels Substantiierung der Behauptungen war daher dem Beweisangebot der Beklagten nicht nachzugehen. Im Übrigen würde selbst eine wiederholte Verhinderung an der Wahrnehmung von Terminen nicht bedeuten, dass die andere Tätigkeit über eine Nebentätigkeit hinausgeht. Soweit die Klägerin schließlich insgesamt drei Bücher veröffentlicht hat, prägte dies die berufliche Tätigkeit der Klägerin bereits deshalb nicht, weil sich das Honoraraufkommen mit 2.480,73 € in zwei Jahren sowohl absolut als auch relativ im Verhältnis zu den Vergütungen durch die Beklagte (ca. 33.000,00 €) geringen Umfang bewegte. Zum zeitlichen Umfang, den die Herstellung dieser Bücher erfordert hat, liegt ohnehin kein Vortrag vor.
3) Der Umstand, dass die Klägerin neben den Artikeln, für die sie vorliegend eine Nachvergütung beansprucht, eine Vielzahl von Texten (2.567) eingereicht hat, die lediglich Ankündigungen und Terminhinweise von Vereinen, Kirchen, Schulen oder Kindergärten darstellten, schadet der Einordnung als hauptberuflich ebenso wenig. Der Tatsache, dass eine Person neben der Erstellung von Texten mit einem journalistischen Charakter und Lichtbildern für dieselbe Zeitung auch einfachere Dienstleistungen erbringt, schließt den hauptberuflichen Charakter der journalistischen Tätigkeit nicht aus, solange diese nicht hinter die anderen Betätigungen zurücktritt. Dies mag zwar bei isolierter Betrachtung der Zahlenverhältnisse erwogen werden, kann aber bei Berücksichtigung des mit der redaktionellen Fertigung von Berichten und Lichtbildern verbundenen Zeitaufwands und der angefallenen pauschalen Vergütung nicht bejaht werden.
4) Unerheblich ist, ob die Beklagte realisiert hat, dass die Tätigkeit der Klägerin für sie einen hauptberuflichen Charakter angenommen hatte, und welche Entwicklung dem vorangegangen ist. Entscheidend ist allein, ob zu dem Zeitpunkt, in dem die jeweiligen Rechte Übertragungsverträge durch Einreichung und Annahme/Veröffentlichung konkludent geschlossen wurden, die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben waren.
cc. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten ist das Merkmal der Hauptberuflichkeit nicht auch in einem qualitativen Sinn zu verstehen.
1) Gegen ein derartiges, von nicht unerheblichen materiellen Aspekten abhängiges, Verständnis von diesem Kriterium spricht bereits der Umstand, dass § 1 Abs. 1 S. 1 GVR Tageszeitungen als Indiz für die Hauptberuflichkeit die Vorlage eines Presseausweises genügen lässt. Die Regelung stellt damit eine eher niedrige, rein formale Nachweisanforderung auf, was auch dafür spricht, dass den vielgestaltigen Daseinsformen eines Journalisten entsprochen werden sollte und tiefgreifender Streit über die Frage der Hauptberuflichkeit vermieden werden sollte. Es wäre daher nicht konsistent, wenn eine weitere - inhaltlich unklare - Voraussetzung zur Eröffnung des Anwendungsbereichs aufgestellt würde, über deren Nachweismöglichkeit in den Vergütungsregelungen keine Aussage getroffen werde (vgl. BGH, Urteil. v. 21. Mai 2015 - I ZR 62/14, GRUR 2016, 62, Rn. 19).
2) Der Senat konnte, wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt und mit den Parteivertretern diskutiert, dem Wortlaut der GVR Tageszeitungen an keiner Stelle einen Hinweis darauf entnehmen, dass diese nur für Personen gelten sollen, die eine journalistische Ausbildung in Form eines entsprechenden Hochschulstudiums oder eines Volontariats absolviert haben. Derartige Voraussetzungen werden weder explizit aufgestellt noch indirekt verlangt. Anknüpfungspunkt für die Vergütung ist lediglich, dass Textbeiträge bzw. Lichtbilder für eine Tageszeitung eingereicht und veröffentlicht wurden.
3) Die GVR Tageszeitungen stellen nicht einmal Mindestanforderungen an die Qualität der Beiträge, was (wäre dies der Fall) einen entsprechenden Schluss erlauben könnte.
§ 3 unterscheidet vielmehr im Hinblick auf die Vergütung drei Kategorien, von denen die niedrigste für „Nachrichten, Berichte“ gilt, die mittlere u.a. für Gerichtsreportagen und Glossen und die höchste u.a für Leitartikel, fachliche und wissenschaftliche Aufsätze und Essays. Der Senat muss diese Differenzierung, die an das journalistische und sprachliche Niveau der jeweiligen Art von Beiträgen anknüpft, dahin verstehen, dass der unterschiedlichen Leistung, die mit der Produktion eines Textes und den vorbereitenden Recherchen verbunden ist, nach dem Willen der beteiligten Verbände durch die entsprechende Einstufung Rechnung getragen werden sollte. Die Tatsache, dass die Anfertigung eines gewöhnlichen Berichts über lokale Geschehnisse i.d.R. keine gesteigerte Qualifikation verlangt, wird bereits dadurch berücksichtigt, dass hierfür nur ein geringeres Entgelt als angemessen erachtet wird. Dies schließt es aus, auch für diese niedrigste Kategorie eine Qualität zu verlangen, wie sie nur oder jedenfalls typischerweise von ausgebildeten Journalisten geleistet werden könnte.
4) Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Personen, die als Selbstständige Berichte für Tageszeitungen fertigen, ganz oder zum überwiegenden Teil eine journalistische Ausbildung durchlaufen haben; ebenso wenig kann er nicht erkennen, dass die von den Vertragsparteien der GVR Tageszeitungen vertretenen Journalisten ganz oder zum überwiegenden Teil diese Eigenschaft aufweisen.
5) Auch in anderen Bereichen ist es nicht unüblich, dass Vergütungsordnungen nur an die entsprechende Leistung, nicht an die Qualifikation anknüpfen (vgl. z.B. für die HOAI Beck HOAI/Langjahr, 2. Aufl. 2020, HOAI § 1 Rn. 37; Wirth/Galda, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 9. Auflage 2016, § 1 Rn. 50 ff.).
6) Daraus, dass - wie der Beklagtenvertreter zuletzt in der mündlichen Behandlung ausgeführt hat - die GVR Tageszeitungen im Kontext z.B. mit den Regelungen zum Volontariat und den dafür geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen stehen, kann der Senat nichts zugunsten der Beklagten ableiten. Auch wenn dieselben Verbände auf beiden Seiten für bestimmte Bereiche Regelungen erlassen, die eine formelle Qualifikation voraussetzen oder solche schaffen wollen, bedeutet dies nicht, dass rein tarifliche Regelwerke, die selbst einen Bezug zur Qualifikation nicht herstellen, ebenfalls entsprechende Voraussetzungen aufweisen müssten. Ebenso lässt das Vorhandensein entsprechender Ausbildungsprogramme als solches nicht den Schluss darauf zu, dass nur Personen, die ein Volontariat oder ein Studium absolviert haben, überhaupt in der Lage wären, journalistische Leistungen, die diese Bezeichnung verdienen, zu erbringen. Aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin seit 2004 in nicht unerheblichem Umfang Beiträge lieferte und diese bei der Beklagten publiziert wurden, kann der Senat jedenfalls ausschließen, dass ein Mindestmaß an journalistischem Niveau fehlte.
7) Gemeinsame Vergütungsrichtlinien haben demgegenüber die Funktion, für Personenkreise, deren Vergütungsfragen nicht durch Tarifverträge o.Ä. geregelt werden können, Mindeststandards herzustellen (vgl. die damalige Bundesministerin der Justiz Däubler-Gmelin, GRUR 2000, 764 f.; ferner Wandtke/Leid, ZUM 2017, 609 (609)). Dies impliziert, dass sämtliche Personen, die in den entsprechenden Bereichen tätig sind, erfasst sein sollen, ungeachtet ihrer Fähigkeiten und Qualifikationen.
Dementsprechend stellen auch § 32 und § 36 UrhG, die gewissermaßen die Basis und den Hintergrund für Gemeinsame Vergütungsrichtlinien bilden, weder direkt noch indirekt auf die Qualifikation der Urheber ab. Sie werden nach der Vorstellung des § 36 UrhG von Vereinigungen von Urhebern abgeschlossen, was impliziert, dass es nur auf die Urhebereigenschaft für bestimmte Werkarten und -gruppen als solche ankommen soll; das Erfordernis einer ausreichenden Repräsentation (§ 36 Abs. 2 UrhG) spricht sogar tendenziell dagegen, weiter nach Qualifikationen zu differenzieren.
8) Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der GVR Tageszeitungen ist damit eröffnet.
dd. Zutreffend hat das Landgericht auch ausgeführt, dass die Zeilenvergütung anhand der in den GVR Tageszeitungen vorgesehenen Vergütungssätze für Auflagen bis zu 10.000 Stück ermittelt werden konnte. Eine Auflage von durchschnittlich 7.500 liegt innerhalb der niedrigsten Staffel im oberen Bereich, so dass ein Fall gegeben ist, der bei der Erarbeitung der Richtlinien so vorhergesehen und bedacht wurde. Ob ein Abschlag vorzunehmen wäre, wenn die Auflagenzahl regelmäßig im untersten Quartil der Staffelung, d.h. unter 2.500 läge, kann dahinstehen, weil ein solcher Sachverhalt nicht vorliegt.
5. Für den Zeitraum bis einschließlich 28. Februar 2017 sind daher für die Bestimmung, welche Vergütung wegen der Texte und Lichtbilder angemessen ist, die entsprechenden Regelungen des § 3 und § 4 der GVR Tageszeitungen i.V.m. mit dem anschließenden Briefwechsel heranzuziehen, da diese Sätze aufgrund der Fiktion in § 32 Abs. 2 S. 1 UrhG als angemessene Vergütung gelten.
Der Heranziehung der GVR Tageszeitungen scheitert nicht daran, dass sie wegen Verstoßes gegen das europarechtliche Kartellverbot (Art. 101 Abs. 1 AUEV) nichtig wären.
a) Wie bereits das Landgericht, kann der Senat nicht davon ausgehen, dass die GVR Tageszeitungen den Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AUEV erfüllen, insbesondere, dass sie geeignet sind, den Austausch von Waren oder - wie hier - Dienstleistungen zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
aa. Der BGH hat in der Vergangenheit in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass nicht von vornherein auszuschließen ist, dass die GVR Tageszeitungen geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten in spürbarer Weise zu beeinflussen. Er hat insoweit zum einen darauf hingewiesen, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht zur Anwendung kommen würde, wenn die davon erfassten hauptberuflichen Journalisten „Scheinselbstständige“ i.S.d. Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs wären (vgl. BGH, Urteil v. 15. September 2016 - I ZR 20/15, NJW 2017, 819, Rn. 34; EuGH, Urteil vom 4. Dezember 2014, C-413/13, EuZW 2015, 313 Rn. 30 ff. - FNV Künsten Informatie en Media), und zum anderen entsprechenden Vortrag der Parteien verlangt, damit das Gericht dieses Merkmal prüfen kann (BGH, Urteil v. 15. September 2016 - I ZR 20/15, NJW 2017, 819, Rn. 34; OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2017 - 20 U 105/16, BeckRS 2017, 150218, Rn. 18). Insoweit gilt auch in diesem Zusammenhang, dass nach allgemeinen Grundsätzen zur Beweislast diejenige Partei die Voraussetzungen einer Rechtsnorm - und zwar substantiiert (siehe nur Jan Bernd Nordemann, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 4. Auflage 2020, 3. Teil Rn. 88) - darlegen und beweisen muss, die aus ihr etwas Günstiges für sich ableitet; vorliegend trifft die Darlegungs- und Beweislast somit die Beklagte, die günstige Rechtsfolgen aus einer Nichtigkeit der GVR Tageszeitungen wegen Verletzung des Art. 101 Abs. 1 AEUV geltend macht.
bb. Eine Relevanz der GVR Tageszeitungen für den innereuropäischen Handel kann sich daraus ergeben, dass sie die Möglichkeit ausschalten, dass Journalisten den nachfragenden Verlegern ihre Leistungen zu günstigeren Preisen anbieten und so mit Ihnen „ins Geschäft kommen“ können. Gerade für Personen, die nicht vor Ort ansässig sind, ist der Preis häufig das einzige Kriterium, mit dem sie sich im Wettbewerb von anderen abheben können. Starre Preisregelungen bewirken daher vielfach eine Abschottung des entsprechenden Marktes und können deshalb europarechtlich relevant sein (siehe nur Jan Bernd Nordemann, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 4. Auflage 2020, 3. Teil Rn. 88; Tolkmitt, GRUR 2016, 564 (568)).
cc. Die Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels ist auf prognostischem Wege festzustellen: Zu fragen ist, ob sich der zwischenstaatliche Handel in einem System unverfälschten Wettbewerbs anders als bei Präsenz der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung, des Beschlusses bzw. der abgestimmten Verhaltensweise entwickeln hätte (Immenga/Mestmäcker/Zimmer, 6. Aufl. 2019, AEUV Art. 101 Abs. 1 Rn. 178). Nicht erforderlich ist damit ein Nachweis tatsächlicher Auswirkungen; die geforderte Eignung muss aber in einem objektiven Sinne gegeben sein, d.h., dass eine Beeinträchtigung unter Inrechnungstellung aller objektiven tatsächlichen und rechtlichen Umstände vorhersehbar ist. Ausreichend ist es, wenn die Maßnahme nach der Lebenserfahrung eine Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben kann. Wirkungen, die lediglich als entfernte Möglichkeit erscheinen, genügen hierfür nicht. (Immenga/Mestmäcker/Zimmer, 6. Aufl. 2019, AEUV Art. 101 Abs. 1 Rn. 180). Die zu erwartenden Auswirkungen müssen auch „spürbar“ sein. Dem Spürbarkeitserfordernis kommt die Funktion zu, die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln des AEUV auf diejenigen Maßnahmen zu beschränken, die unter dem Gesichtspunkt des Zusammenwachsens der Märkte und der Anforderungen eines funktionsfähigen Wettbewerbs von erheblicher Bedeutung sind: Geringfügige Beeinträchtigungen des zwischenstaatlichen Handels ohne nennenswerten Einfluss auf die Verwirklichung des Ziels der Errichtung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt erfordern keine rechtliche Verfolgung (Immenga/Mestmäcker/Zimmer, 6. Aufl. 2019, AEUV Art. 101 Abs. 1 Rn. 180).
dd. Die mögliche Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels ergibt sich regelmäßig aus dem Zusammenwirken mehrerer Umstände. Daher ist die Wettbewerbsbeschränkung in ihrem wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhang zu untersuchen. Zu den relevanten Umständen gehören insbesondere die Art der Vereinbarung oder des Verhaltens, die davon betroffenen Handelsgüter, Marktstellung und Umsatz der beteiligten Unternehmen, das rechtliche und tatsächliche (insbesondere Handelsströme) Umfeld, in dem die Vereinbarung oder Verhaltensweise durchgeführt wird, und ihre Dauer (MüKoWettbR/Kirchhoff, 3. Aufl. 2020, AEUV Art. 101 Rn. 746 m.w.N.; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, 6. Aufl. 2019, AEUV Art. 101 Abs. 1 Rn. 183). Die Art der von einer Vereinbarung betroffenen Handelsgüter spricht etwa für eine Handelsbeeinflussung, wenn die Güter leicht in den innergemeinschaftlichen Handel gelangen oder für Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten wichtig sind. Eher fernliegend ist eine solche Wirkung beispielsweise, wenn Waren aufgrund von Eigenschaften oder Charakteristika der Nachfrage nur beschränkt aus anderen Mitgliedstaaten nachgefragt werden. (MüKoWettbR/Kirchhoff, 3. Aufl. 2020, AEUV Art. 101 Rn. 749; ganz ähnlich Immenga/Mestmäcker/Zimmer, 6. Aufl. 2019, AEUV Art. 101 Abs. 1 Rn. 180).
ee. Die in Art. 101 Abs. 2 AEUV angeordnete Nichtigkeit kann in gegenständlicher Hinsicht nicht weiter reichen als das in Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgesprochene Verbot der abgestimmten Wettbewerbsbeschränkung. Die gemeinschaftsrechtliche Nichtigkeit erfasst daher zunächst nur diejenigen Teile einer Vereinbarung bzw. eines Beschlusses, die gegen Art. 101 Abs. 1 verstoßen (Teilnichtigkeit). Insbesondere muss die Nichtigkeit einer Bestimmung nicht aus generalpräventiven Erwägungen auch zur Nichtigkeit der gesamten Vereinbarung führen (MüKo WettbR/Säcker, 3. Aufl. 2020, AEUV Art. 101 Rn. 867).
ff. Bei Zugrundelegung der wiedergegebenen Kriterien kann der Senat auch bei Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten nicht die Prognose anstellen, dass die GVR Tageszeitungen negative Auswirkungen auf den innereuropäischen Handel haben.
1) Um Artikel für Zeitungen zu verfassen, bedarf es regelmäßig einer Vorbereitung und Recherche. Berichte über Veranstaltungen und Ereignisse, wie sie vorliegend inmitten stehen, können typischerweise nur geschrieben und Lichtbilder nur gefertigt werden, wenn der Journalist vor Ort anwesend ist; vielfach muss er der Veranstaltung über einen erheblichen Zeitraum beiwohnen. Dem hierdurch anfallenden Zeitaufwand steht ein nur relativ geringes Honorar gegenüber. Müsste ein Journalist erhebliche Strecken zurücklegen und so weitere Zeit und Fahrtkosten aufwenden, wäre die Tätigkeit keinesfalls mehr auskömmlich. Berichte, die lediglich Verwendung in Lokalteilen finden können (d.h. mangels überörtlichen Interesses auch nicht anderweitig verwertet werden können), werden daher quasi ausschließlich von Redakteuren verfasst, die vor Ort wohnen und daher die Orte und Ereignisse, über die berichtet werden soll, ohne erheblichen Aufwand aufsuchen können. Es kann nahezu ausgeschlossen werden, dass sich Personen, die ihren Wohn- oder Geschäftssitz in größerer Entfernung von dem Gebiet, das den Einzugsbereich eines Lokalteils bildet, haben, um entsprechende Aufträge bemühen würden, weil dies wirtschaftlich keinen Sinn macht. Eine solche Situation ist jedoch dann, wenn die Journalisten in einem anderen Staat leben, regelmäßig gegeben.
2) Zu berücksichtigen ist weiter die „Sprachbarriere“. Das Verfassen von Artikeln für Zeitungen erfordert eine aktive Beherrschung der Sprache, die mindestens dem Niveau eines Muttersprachlers entspricht. Auch aus diesem Grund kommt nur für einen kleinen Teil der Journalisten, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat leben, in Betracht, derartige Berichte zu verfassen.
Anderes mag lediglich - wie vorliegend im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich - dort gelten, wo diesseits und jenseits der Grenze dieselbe Sprache gesprochen wird. Dies ist jedoch, europaweit betrachtet, eher die Ausnahme als die Regel. Im Übrigen würde selbst ein Anfahrtsweg von 50 km, wie er für einen in Österreich wohnenden Journalisten zum Verbreitungsgebiet der L…(Ort) Zeitung zurückzulegen werde, dazu führen, dass das verdienbare Honorar nur dann einigermaßen attraktiv wäre, wenn ein entsprechend langer und mit zahlreichen Lichtbildern ausgestatteter Artikel erstellt werden kann. Dies ist aber bei Berichten des Lokalteils eher die Ausnahme, so dass sich auswärtige Journalisten nur vereinzelt um Aufträge bemühen würden. Überdies wäre zu erwarten, dass die Lokalredaktionen auch dann, wenn ein Ereignis einen entsprechend umfangreichen Artikel rechtfertigt, die Journalisten vor Ort beauftragen würden und nicht ortsfremde Personen, weil diese verständlicherweise ungehalten wären, wenn sie in solchen auch für sie attraktiven Fällen nicht bedacht wurden.
3) Diese Aspekte führen dazu, dass zur Überzeugung des Senats auch ohne die GVR Tageszeitungen es nur ganz vereinzelt dazu käme, dass sich Journalisten aus einem anderen EU-Mitgliedstaat um Aufträge bemühen, wie sie typischerweise von hauptberuflich selbstständigen Journalisten übernommen werden. Ein entsprechender Markt ist daher von vornherein und ungeachtet der infrage stehenden Regelung nicht vorhanden. Die Regelung in § 3 und § 4 führt daher nicht zu einer Beeinträchtigung des Handels; vielmehr ist ein solcher von vornherein nicht in relevantem Umfang vorhanden. Die vorliegende Konstellation ist daher den Fällen zuzurechnen, in denen Waren oder Dienstleistungen aufgrund ihrer Eigenschaften oder der Charakteristika der Nachfrage nur beschränkt aus anderen Mitgliedstaaten nachgefragt werden (s.o.).
4) Die Beklagte verweist zwar darauf, dass sie - was auch für andere Zeitungen gilt - nicht nur über Ereignisse von örtlicher Bedeutung berichtet, sondern auch über Vorgänge auf nationaler und internationaler Ebene. Derartige Meldungen werden aber typischerweise nicht von selbstständigen Redakteuren verfasst, sondern von Nachrichtenagenturen eingekauft und/oder von der aus angestellten Journalisten bestehenden Redaktion erstellt oder bearbeitet. Insoweit besteht auch für solche Berichte kein Markt, auf den sich die GVR Tageszeitungen negativ auswirken könnten, weil die Zeitungen die gegebene Nachfrage in diesem Bereich mit anderen Mitteln decken.
gg. Zeitungsartikel und Bildberichte stellen daher Handelsgüter/Dienstleistungen dar, bei denen aufgrund ihrer Art und der an sie zu stellenden Anforderungen ein innergemeinschaftlicher Markt und Wettbewerb bereits weitgehend fehlt. Dafür, dass es für Tageszeitungsbeiträge einen nennenswerten Binnenmarkthandel geben würde, ist auch im vorliegenden Fall nichts vorgetragen oder ersichtlich (ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2017 - 20 U 105/16, BeckRS 2017, 150218, Rn. 18). Selbst wenn in einzelnen sachlichen und örtlichen Bereichen ein solcher denkbar sein mag, resultieren aus den abstoßenden Effekten keine Wirkungen, die insgesamt betrachtet für das Ziel der Schaffung eines europäischen Marktes und eines unverfälschten Wettbewerbs von Bedeutung wären. Insoweit liegt der Fall entscheidend anders als z.B. bei Zollspediteuren, für die der EuGH eine abschottende Wirkung einer verbindlichen Gebührenordnung bejaht hat (EuGH, Urteil vom 18. Juni 1998 - Rs. C-35/96, „CNSD“, Rn. 48 ff.; auf sie stützt sich der beklagtenseits vorgelegte Entwurf eines Rechtsgutachtens), überdies war dort die Wirkung umso spürbarer, als gerade Vorgänge der Warenein- oder -ausfuhr innerhalb der Gemeinschaft betroffen waren. Mit Besonderheiten der hier gegebenen Art musste sich der EuGH nicht befassen.
hh. Diese Überlegungen des Senat würden jedenfalls für die Situationen wie der vorliegenden gelten, in denen rein lokalbezogene Berichte zu verfassen sind. Sollte es einen signifikanten Markt für bestimmte Arten von Presseberichten geben, die überörtliche Bedeutung haben und die beschriebenen Merkmale nicht aufweisen, müsste sich die Nichtigkeitsfolge des Art. 101 Abs. 2 AEUV auf diese beschränken.
b) Wie die Klägerin anmerkt, würden die GVR Tageszeitungen überdies auch dann, wenn der Kartellverbotsverstoß gegeben werde, das Ergebnis eines Aushandelns zwischen den beiden Seiten (Verleger bzw. Journalisten) abbilden, so dass sie als angemessene Regelung der Vergütungshöhe begriffen werden müssten und deshalb - wie für die Zeit nach ihrer Kündigung - als Orientierungshilfe heranzuziehen wären.
6. Für den Zeitraum ab März 2017 können die GVR Tageszeitungen als Orientierungshilfe für das nach § 32 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 UrhG Angemessene herangezogen werden.
a) Der Senat geht mangels Relevanz zugunsten der Beklagten davon aus, dass die ausgesprochene Kündigung der GVR Tageszeitungen überhaupt rechtliche Wirkungen zeitigte. Auf die gewichtigen Erwägungen, die mangels rechtsgeschäftlichen Charakters von gemeinsamen Vergütungsrichtlinien eine einseitige Kündigungsmöglichkeit einer Vertragsseite verneinen, wenn ein ordentliches Kündigungsrecht nicht explizit vorgesehen ist (Wandtke/Leid, ZUM 2017, 609 (611 ff.)) geht daher der Senat nicht mehr ein. Der Senat könnte allerdings nicht annehmen, dass die beklagtenseits vorgetragenen Umstände zur Entwicklung der Auflagenzahlen und Werbeeinnahmen in den Jahren von 2010 bis 2017 so erheblich sind, dass sie eine Vertragsanpassung entsprechend § 313 BGB oder gar eine außerordentliche Kündigung nach § 314 BGB gestatten würden (vgl. Wandtke/Leid, ZUM 2017, 609 (614)).
b) Angemessen i.S.v. § 32 Abs. 2 S. 2 UrhG a.F./n.F. ist eine Vergütung, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer (…) und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist. Die angemessene Vergütung ist erforderlichenfalls gem. § 287 Abs. 2 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach freier Überzeugung und billigem Ermessen zu bestimmen (BGH, Urt. v. 23. Juli 2020 - I ZR 114/19, GRUR 2020, 1191, Rn. 34; BGHZ 182, 337 = GRUR 2009, 1148 Rn. 31 - Talking to Addison; BGH, Urteil v. 21. Mai 2015, I ZR 39/14, GRUR 2016, 67 Rn. 23 - GVR Tageszeitungen II; BGH, Urteil v. 20. Februar 2020 - I ZR 176/18, GRUR 2020, 611 Rn. 121 - Das Boot II). Zur Ermittlung der angemessenen Vergütung i.S.v. § 32 Abs. 2 UrhG können auch solche gemeinsamen Vergütungsregeln i.S.v. § 36 UrhG als Vergleichsmaßstab und Orientierungshilfe herangezogen werden, deren Anwendungsvoraussetzungen nicht (vollständig) erfüllt sind und die deshalb keine unwiderlegliche Vermutungswirkung i.S.v. § 32 Abs. 3 S. 1 UrhG entfalten. Eine solche Heranziehung als Indiz im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallabwägung erfordert dabei nicht, dass sämtliche Voraussetzungen für die Anwendung der Vergütungsregel erfüllt sind. Ausreichend ist vielmehr eine vergleichbare Interessenlage; so dass auch Vergütungsrichtlinien herangezogen werden können, die vergleichbare Werknutzungen einer anderen Branche betreffen. Soweit mit Blick auf die Bemessung der angemessenen Vergütung erhebliche Unterschiede in der Interessenlage bestehen, ist diesen im Einzelfall ggf. durch eine modifizierte Anwendung der Vergütungsregel Rechnung zu tragen (siehe zum Ganzen BGH, Urteil v. 23. Juli 2020 - I ZR 114/19, GRUR 2020, 1191, Rn. 36; BGH, Urt. v. 23. Juli 2020 - I ZR 114/19, GRUR 2020, 1191, Rn. 45 m.w.N.; BGH, Urteil v. 20. Februar 2020 - I ZR 176/18, GRUR 2020, 611 Rn. 57 - Das Boot II; BGH, Urteil. v. 21. Mai 2015 - I ZR 62/14, GRUR 2016, 62, Rn. 16 u.ö.; BGH, Urteil v. 7. Oktober 2009, I ZR 38/07, BGH, Urteil v. 7. Oktober 2009, I ZR 38/07, BGHZ 182, 337 = GRUR 2009, 1148, Rn. 32 ff. - Talking to Addison; (Wandtke/Leid, ZUM 2017, 609 (613)).
c) Vortrag dazu, wie sich die Vergütungssituation im Zeitraum 2017/2018 tatsächlich darstellte, was also üblich war und von den Beteiligten möglicherweise (gegen einen zwingenden Zusammenhang BGH, Urteil v. 7. Oktober 2009, I ZR 38/07, BGHZ 182, 337 = GRUR 2009, 1148, Rn. 22 m.w.N. - Talking to Addison) als redliche Vergütung empfunden wurde, hat keine der Parteien gehalten. Allein die Behauptung der Beklagten, die Beträge könnten nicht mehr gezahlt werden, stellt keinen Vortrag dar, mit der sie den Substantiierungsanforderungen genügen könnte.
d) Vorliegend sind die GVR Tageszeitungen, wie dargelegt, in sachlicher und persönlicher Hinsicht uneingeschränkt anwendbar. Die fehlende zeitliche Anwendbarkeit, die sich daraus ergibt, dass die Verlegerseite eine Kündigung ausgesprochen hat und daher die rechtliche Wirkung gem. § 36 UrhG entfallen ist, steht einer Heranziehung als Orientierungshilfe bei Berücksichtigung der Einzelfallumstände, insbesondere auch der strukturellen Veränderungen auf dem Markt der Tageszeitungen, nicht entgegen. Vielmehr deckt die Interessenlage die Anwendung und sind im maßgeblichen Zeitraum der ersten 1 1/2 Jahre nach Wirksamwerden der Kündigung keine Entwicklungen eingetreten, die einer Anwendung entgegenstünden oder eine Modifikation z.B. in Form gewisser Abschläge gebieten würden.
aa. Die Beklagte hat zwar aufgezeigt, dass die Auflagenzahlen und die Einnahmen aus Werbetätigkeit im Bereich der Tageszeitungen seit Inkrafttreten der GVR Tageszeitungen im Jahr 2010 kontinuierlich zurückgegangen sind, was auch allgemeinkundig i.S.v. § 291 ZPO ist. Dafür, dass sich in dieser Zeit und im Zeitraum 2017/2018 die wirtschaftlichen Verhältnisse auf Verlegerseite in einer Weise verändert hätten, dass sie trotz der beschriebenen Umstände eine signifikante Reduzierung der Vergütungen vornehmen und durchsetzen hätten können, ist nichts erkennbar. Auch die beklagtenseits vorgelegten Berichte des BDZV ergeben ein solches Bild nicht:
1) Der Bericht vom 21. November 2017 gibt den Rückgang des Gesamtumsatzes im Jahr 2016 mit 1,1% an, wobei die Werbeumsätze um 4,6% zurückgegangen sind. Die Zahl der verkauften Exemplare reduzierte sich zwar in allen Bereichen, doch ist der Rückgang bei den lokalen und regionalen Zeitungen mit 3,2% niedriger als bei überregionalen Titeln, Kaufzeitungen und Sonntagszeitungen. Für die Jahre 2018/2019 zeigt der Bericht vom 1. August 2019 kein entscheidend anderes Bild. Der Umsatzrückgang wird dort mit 3,2% angegeben, was vor allem auf sinkende Werbeeinnahmen zurückgeführt wird, doch erfolgte im Bereich der Regionalzeitungen eine Erhöhung der Abopreise um durchschnittlich 5%. Insgesamt wurden die Abonnements im Zeitraum 2013-2018 um 30% teurer. Die Auflagenstärke und die Zahl der Abonnements reduzierte sich bei den Regionalzeitungen um weitere 3% bzw. 4%, wobei die Situation in der Mitte und im Süden Deutschlands als am günstigsten bezeichnet wird. Auch im Bereich der Regionalzeitungen gewannen zudem die ePaper an Bedeutung. Mitgeteilt wird ferner, dass die Redakteurinnen und Redakteure an Zeitungen eine Gehaltssteigerung um 1,9% durchsetzen konnten.
2) Mit diesen Zahlen steht der Vortrag der Klägerin in Einklang, dass sich die Auflage der Landauer Zeitung in der Zeit zwischen 2010 und 2017 um rund 9%, zwischen März 2017 und September 2017 um 1,96% verringerte.
bb. Diese Umstände lassen keinen belastbaren Schluss darauf zu, dass der Geschäftsverkehr in der Zeit nach Februar 2017 entsprechende journalistische Leistungen in geringerem Umfang bewertet und vergütetet als zuvor. Zwar muss ein Verlag wie jedes Unternehmen Rückgänge auf der Einnahmenseite durch Einsparungen auf der Ausgabenseite zu kompensieren versuchen. Es besteht aber kein Erfahrungssatz, dass dies über alle Kostenpositionen hinweg in gleichem Umfang versucht wird und gelingt. Insbesondere erfolgen Einsparungen im Bereich der Personalkosten regelmäßig durch Verringerung des Personalbestands oder Zusammenlegung von Abteilungen und Aufgaben, während es nicht gelingt, die Gehälter, Vergütungssätze o.Ä. selbst zu reduzieren. Nachdem die angestellten Redakteure eine Gehaltserhöhung erzielt haben, liegt fern, dass die externen Kräfte Abschläge hinzunehmen bereit waren.
cc. Für Tageszeitungen haben Berichte über lokale und regionale Ereignisse insoweit einen besonderen Wert, als sie sich gerade durch eine Berichterstattung zu diesen Themen von anderen Medien wie insbesondere dem Internet, abgrenzen und abheben können, wobei nochmals auf die Thematik öffentlicher Amtsblätter zu hinweisen ist. Der Mehrwert einer Tageszeitung mit Lokalteil wird vielfach gerade darin gesehen, dass auch über das politische und gesellschaftliche Geschehen auf Orts- und Kreisebene berichtet wird. Die Verleger sind daher auf Berichte, wie sie die Klägerin geliefert hat und typischerweise von selbstständigen hauptberuflichen Journalisten erstellt werden, in gesteigertem Maße angewiesen. Dies führt dazu, dass es ihnen besonders schwer fällt, Reduzierungen der Vergütung durchzusetzen; typischerweise können die aufgezeigten Umstände lediglich als Argument verwendet werden, um Verlangen nach einer Erhöhung abzuwehren.
dd. Die Verwerfungen auf dem Zeitungsmarkt generell wie im Bereich der Regionalzeitungen rechtfertigen daher nicht den Schluss, dass die Verlage sich gezwungen sahen, im Zeitraum 2017/2018 die Vergütungen für selbstständige hauptberufliche Journalisten zu reduzieren, und dies erfolgreich umsetzen konnten. Auch wenn man zugunsten der Beklagten allgemein unterstellt, dass die Umsatzrückgänge auch die Ertragslage beeinflusst haben (wobei dazu, wie sich die Gewinne oder Verluste der Zeitungsverlage entwickelt haben, nichts vorgetragen wurde), hatte dies nicht zur Überzeugung des Senats Auswirkungen auf die Vergütungspraxis im Verhältnis zu selbstständigen Journalisten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Vergütungen weiter in den Bereichen, die in den GVR Tageszeitungen jeweils als Spanne angegeben werden, bewegten.
e) Der Senat sieht daher die GVR Tageszeitungen zumindest auch im Zeitraum bis Herbst 2018 als geeignete Grundlage für die Bestimmung an, welche Vergütung für die Leistungen von Journalisten wie der Klägerin angemessen ist.
f) Auch eine Modifikation, insbesondere durch Ansatz gewisser Abschläge, hält der Senat für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht für geboten. Hierbei berücksichtigt er, dass die Klägerin bereits bei ihrer Berechnung den jeweils niedrigsten Wert aus den angegebenen Bereichen gewählt hat. Selbst wenn es daher zu einer gewissen Abwärtsbewegung gekommen sein sollte, ist die der Klägerin gewährte Vergütung noch weit von dem entfernt, was als angemessen i.S.v. § 32 Abs. 2 S. 2 UrhG anzusehen wäre, und müsste der von ihr geforderte Betrag als angemessen bewertet werden.
g) Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass der hier vertretene Standpunkt die Beklagte in ihrer Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) verletzt. Zwar kann diese auch dann berührt sein, wenn durch staatliche Entscheidungen die Rahmenbedingungen für die Herausgeber so verändert oder gestaltet werden, dass eine pressemäßige Betätigung an wirtschaftlichen Aspekten scheitert. Eine solche Situation ist aber noch nicht gegeben, wenn sich die finanziellen Bedingungen durch staatliche Entscheidungen ungünstig verändern und so betriebswirtschaftlicher Handlungsbedarf ausgelöst wird. Dafür, dass die Folgen einer weitgehenden faktischen Fortgeltung der GVR Tageszeitungen über den Kündigungszeitpunkt hinaus derart gravierende Konsequenzen hätten, wie es die Beklagte befürchtet, ist nichts erkennbar. Im Übrigen werden die Vergütungssätze der GVR Tageszeitungen keineswegs auf ewig zementiert, da sie auch ihre Bedeutung als Orientierungshilfe verlieren, wenn sich die Verhältnisse tatsächlich in relevanter Weise verändert haben. Wie ausgeführt, wurde aber zur Entwicklung der Vergütungssätze nichts vorgetragen; der Schluss von den Umsatzrückgängen auf eine Reduzierung der Vergütungen lässt sich nicht ziehen. Zu bedenken ist schließlich, dass der Gesetzgeber durch die Regelungen in den §§ 32 ff. UrhG einen legitimen Zweck, nämlich den Schutz der Interessen der Urheber, deren Werke selbst Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG darstellen und die sich beruflich betätigen i.S.v. Art. 12 Abs. 1 GG, verfolgt und dies in geeigneter, erforderlicher und nicht für die Verleger als Gegenseite unzumutbarer Weise umgesetzt hat.
h) Darauf, ob sich eine Nachwirkung gekündigter Gemeinsamer Vergütungsregeln unter dem Gesichtspunkt nachvertraglicher Schuldverhältnisse (dazu, dass nachvertragliche Pflichten grundsätzlich bestehen, vgl. Regenfus, JURA 2018, 214 ff.) ergeben kann, muss der Senat nicht weiter eingehen. Vorliegend geht auch der Senat nicht von einer Geltung als Rechtsverhältnis aus, sondern zieht diese als tatsächlichen Anhaltspunkt im Rahmen der Bestimmung des Angemessenen heran.
7. Die Klägerin kann allerdings nicht in dem Umfang Nachvergütung verlangen, wie sie sie begehrt, weil die maßgebliche Zeilenzahl geringer ist als von ihr zugrunde gelegt.
a) Die GVR Tageszeitungen gehen von einer Länge der Druckzeile von 34 bis 40 Buchstaben aus. Die in der Tabelle zu § 3 angegebenen Beträge sind daher entsprechend der tatsächlichen Zeilenlänge des Veröffentlichungsmediums mit der dort angegebenen Formel umzurechnen. § 3 legt ferner fest, dass mindestens 20 Zeilen zu vergüten sind.
b) Anhaltspunkte dafür, dass als „Zeilenzahl“ etwas anderes zugrundezulegen sein soll als die tatsächliche Zahl der Zeilen, die der jeweilige Artikel aufweist, finden sich in § 3 der GVR Tageszeitungen nicht, sodass der Senat davon ausgehen muss, dass sich die Vergütung - abgesehen von der Mindestlänge von 20 Zeilen - auf die tatsächliche Länge der Artikel bezieht.
c) Der Senat muss aus prozessualen Gründen davon ausgehen, dass die von der Klägerin - auf Basis der Abrechnung der Beklagten - zugrundegelegten Zahlen nicht der Wirklichkeit entsprechen, sondern aufgrund der Besonderheiten im elektronischen Abrechnungssystem der Beklagten strukturell höher sind als die tatsächlichen Zahlen, weil z.B. auch Leerzeilen erfasst werden.
aa. Das Vorbringen der Beklagten erfolgte zwar erst in dem Schriftsatz vom 16. Januar 2020, der am letzten Tag der Frist einging, die gem. § 128 Abs. 2 ZPO dem Schluss der mündlichen Verhandlung gleichsteht; es war daher an sich präkludiert, weil der Vortrag auch als verspätet angesehen hätte werden müssen, wenn er erst in einer abschließenden mündlichen Verhandlung erfolgt wäre. Die Klägerin hat sich hierzu jedoch lediglich mit Schriftsatz vom 30. Januar 2020 geäußert und ist im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens auf diesen Aspekt nicht mehr eingegangen. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist daher die Frage, ob das neue Vorbringen als unstreitig zu behandeln ist und deshalb ungeachtet einer möglichen Präklusion zugrundezulegen ist, anhand der Erklärung vom 30. Januar 2020 zu beurteilen, weil dies die letzte Äußerung der Klägerin darstellt.
bb. Im Schriftsatz vom 30. Januar 2020 hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt, dass die angesetzte Zeilenanzahl in geringem Umfang von der tatsächlichen Zeilenanzahl abweichen kann. Sie hat sich lediglich in tatsächlicher Hinsicht dagegen gewandt, dass sich erhebliche Abweichungen finden würden, und in rechtlicher Hinsicht eingewandt, die Beklagte müsse sich an ihrer eigenen Abrechnung festhalten lassen.
Darlegungs- und beweisbelastet für den Umfang der Zeilenanzahl ist die Klägerin, weil sie hieraus die Höhe ihres Anspruchs ableitet. Indem die Klägerin mittelbar zugestehen ließ, dass die von ihr angesetzten Zahlen höher (wenn auch nicht erheblich höher) sind als die tatsächlichen, hat sie ihren ursprünglichen Vortrag teilweise fallen gelassen. Unstreitig ist nunmehr lediglich, dass sich die Klägerin an den Abrechnungen der Beklagten orientiert hat; da deren Vortrag dahin geht, dass die angesetzten Zahlen im Durchschnitt um vier zu hoch sind, lautet der Vortrag der Klägerin im Ergebnis nunmehr, dass die Artikel eine jeweils um vier Zeilen geringere Länge aufweisen als in ihrer Berechnung zugrunde gelegt. Dadurch, dass die darlegungsbelastete Klägerin den Einwand der Beklagten nach Ablauf der Schriftsatzfrist als möglicherweise zutreffend eingeräumt hat und sich im Laufe des Berufungsverfahrens nicht weiter dazu geäußert hat, besteht letztlich dieselbe Situation, wie wenn neuer Vortrag in der Berufungsinstanz unstreitig bleibt. In einem solchen Fall ist der unstreitige Sachverhalt aber ungeachtet der Präklusionsregelungen der § 531 ZPO der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2008 - GSZ 1/08, BGHZ 177, 212 = NJW 2008, 3434; MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 531 Rn. 30).
cc. Den rechtlichen Argumenten der Klägerin, die Beklagte müsse sich an ihrer eigenen Abrechnung festhalten lassen, und es sei ihr nicht zuzumuten, die Zeilenanzahl zu überprüfen oder diese vorzutragen, kann der Senat nicht beitreten. Wie ausgeführt, trifft die Klägerin als Anspruchstellerin die Last, darzulegen, in welchem Umfang sie vergütungspflichtige Leistungen erbracht hat; dies gilt sowohl im Hinblick auf die Werke als solche als auch deren Länge, weil dies nach der auch von ihr für maßgeblich gehaltenen Vergütungsregel einen relevanten Umstand bildet. Die Klägerin durfte sich zwar im Prozess zunächst auf die Wiedergabe der Zahlen der Beklagten beschränken. Nachdem die Beklagte einen entsprechenden Fehler plausibel aufgezeigt hatte, war hierfür aber die Grundlage entfallen. Sie hätte nun ihrerseits eigenen Vortrag leisten müssen. Auch materiellrechtlich ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte im vorliegenden Verfahren an ihre damalige Bezifferung gebunden wäre. Zwar könnte die Klägerin wohl einem Begehren nach Rückerstattung überzahlter Beträge den Treuwidrigkeitseinwand entgegenhalten; so weit, dass die als fehlerhaft erkannten Zahlen der Rechtsbeziehungen der Parteien umfassend und insbesondere auch bei einem Nachvergütungsbegehren der Klägerin als verbindlich zugrunde zu legen wären, reicht jedoch das Verbot treuwidrigen Verhaltens nicht.
dd. Welche Bedeutung der Einschränkung der Klägerin zukommt, sie bestreite, dass es sich um erhebliche Abweichungen handle, kann offenbleiben. Die Beklagte selbst geht von Beträgen zwischen 2 und 8 Zeilen (letzteres bei vielgestaltigen Beiträgen), durchschnittlich 4 Zeilen, aus. Sowohl in Anbetracht der insgesamt abgerechneten Zeilen als auch bei Betrachtung der einzelnen Artikel ist dies nicht „erheblich“.
ee. Gegen den Ansatz von mindestens 20 Zeilen bestehen demgegenüber keine rechtlichen Bedenken, weil die Klägerin hierbei lediglich die entsprechende Regelung in § 3 der GVR Tageszeitungen anwendet. Da im unmittelbar darüber stehenden Abschnitt zwischen Normalzeilen und Druckzeilen differenziert wird und zudem bei der Mindestvergütung stets die Sätze für das Erstdruckrecht zugrunde gelegt werden, kann die Klägerin je Artikel mindestens das 20-fache des Betrags, der sich bei einer Normalzeile von 27 Zeichen (soweit auf Seite 7 der Klageschrift von 47 Zeichen im Text die Rede ist, liegt ein offensichtlicher Fehler vor; die Angabe von 27 in der darunter stehenden Formel ist zutreffend) nach entsprechender Quotelung ergibt, verlangen.
ff. Der Senat kürzt daher im Rahmen der gebotenen und zulässigen Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO den Forderungsbetrag. Da sich unter den Artikeln auch solche finden, in denen sich der Fehler nicht entscheidend auswirkt, weil mindestens 20 Zeilen vergütet werden, ist die Zahl der Artikel, für die ein Abzug vorzunehmen ist, geringer. Die Beklagte gibt an, dass die Differenz bei kurzen Texten mindestens 2 Zeilen beträgt, weshalb es auf die Artikel ankommt, für die 22 oder weniger abgerechnet wurden; hiervon finden sich, wie der Senat bei Durchsicht der Liste festgestellt hat, etwa 10 je Seite, also insgesamt 310.
gg. Der auf Grundlage der Annahmen der Klägerin mit 67.427,54 € bezifferte Anspruch reduziert sich damit zunächst um 30,14 € und 31,90 € (s.o.) auf 67.365,50 €. Ferner sind für (1651 - 1 - 310) Artikel noch die Vergütung für je 4 Zeilen abzuziehen, also weitere 1340 Artikel x 4 Zeilen/Artikel x 0,22 €/Zeile = 1.179,20 €. Damit reduziert sich die Forderung der Klägerin auf 66.186,30 €.
8. Die Klägerin kann den für ein Erstdruckrecht in den GVR Tageszeitungen vorgesehenen Betrag fordern. Dies gilt auch, soweit die Beklagte vorgetragen hat, dass Texte und Lichtbilder bereits zuvor oder zeitgleich auf Vereinshomepages erschienen sind.
a) Die GVR Tageszeitungen differenzieren in § 3 generell zwischen dem Erstdruckrecht und dem Zweitdruckrecht; ferner wird in § 3 lit c) ein „Alleinveröffentlichungsrecht“ behandelt. Erläuterungen zum Inhalt des Erstund des Zweitdruckrechts finden sich in § 9. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte an dem Text bzw. Lichtbild Verwertungsrechte im Hinblick auf gedruckte Exemplare des Mediums (§ 9 Nr. 1 u. 2), die korrespondierende Onlineausgabe (§ 9 Nr. 3) und das zugehörige Online-Archiv (§ 9 Nr. 4) erwirbt, ferner, dass die Ausschließlichkeit mit Ablauf des Tages der Erstveröffentlichung endet (§ 9 Nr. 5 S. 2).
b) Die Klägerin hat - unwidersprochen und für die Beklagte günstig - vorgetragen, dass sie die Texte und Berichte der Beklagten „exklusiv zum Erstdruck“ zur Verfügung gestellt habe.
aa. Soweit dieser Vortrag der Klägerin zum Ausdruck bringen sollte, dass sie der Beklagten ein Allein-/Exklusivdruckrecht einräumen wollte, hätte sie zwar für jegliche anderweitige Verwertung einer Gestattung bedurft. Gleichwohl ist die Klägerin nicht gehindert, die für ein Erstdruckrecht vorgesehenen Beträge zu verlangen:
Die Klägerin hätte durch die Einräumung eines entsprechenden Exklusivdruckrechts ihre Verpflichtung aus einem so lautenden Rechtskaufvertrag (§ 453 i.V.m. § 433 BGB) grundsätzlich unabhängig davon erfüllt, ob sie selbst in der Folgezeit Handlungen vornahm, die dem Exklusivrecht der Beklagten als Rechtskäuferin zuwiderliefen. Die Beklagte wäre grundsätzlich auf Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche verwiesen gewesen.
Es wäre zwar ernsthaft zu überlegen, ob es gegen § 242 BGB verstieße, wenn ein Urheber eine Vergütung für die Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte verlangt, obwohl bereits feststeht, dass er selbst zwischenzeitlich unbefugte Verwertungshandlungen unternommen hat und so das eingeräumte Exklusivrecht unterlaufen hat. Dies gilt jedoch wiederum dann nicht, wenn die für das Exklusivrecht vereinbarte Vergütung für ein solches nicht angemessen ist und lediglich eine einfache Lizenz wie z.B. ein Erstdruckrecht abgilt. So läge der Fall aber hier. Die Klägerin kann selbst dann, wenn sie ein Exklusivdruckrecht schuldete, und selbst Verwertungshandlungen unternahm, die mit einem solchen nicht zu vereinbaren wären, jedenfalls als angemessene Vergütung den Betrag verlangen, der für ein Erstdruckrecht angemessen ist. Für ein Alleinveröffentlichungsrecht hätten der Klägerin nämlich die durchwegs höheren Sätze nach § 3 lit c) zugestanden.
bb. Ist das Vorbringen der Klägerin dahin zu verstehen, dass sie die Texte und Bilder der Beklagten als einziger zum Erstdruck angeboten habe, hat die Beklagte lediglich ein Erstdruckrecht nach Maßgabe des § 38 Abs. 3 S. 2 UrhG und des § 9 GVR Tageszeitungen erworben. Eine anderweitige Verwertung wäre der Klägerin daher mit Ablauf des Veröffentlichungstags des Artikels in einem Medium der Beklagten gestattet gewesen.
1) Räumt ein Autor einem Zeitungsverlag ein ausschließliches Nutzungsrecht wie ein Erstdruckrecht ein, ist auch er gehindert, bis zum Ablauf der Ausschließlichkeitsfrist zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen (§ 38 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 31 Abs. 3 UrhG). Das Verbot einer anderweitigen Verwertung - auch durch den Urheber selbst - reicht insoweit weiter als das positive Nutzungsrecht (vgl. OLG München, Beschluss vom 15. Januar 2013, 6 W 86/13, ZUM-RD 2013, 183 (184); BeckOK UrhR/Soppe, 29. Ed. 15.6.2020, UrhG § 31 Rn. 67; Wandtke/Grunert/König, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 5. Aufl. 2019, § 38 Rn. 13).
2) Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass sich die Beklagte unter den Umständen des vorliegenden Falles einem Wunsch der Klägerin, die von ihr verfassten Beiträge den Vereinen, über die berichtet wird, sogleich zur Verwendung auf ihrer Homepage zur Verfügung stellen zu dürfen, nicht verschlossen hätte.
Zum einen wären die Interessen der Beklagten auch insoweit, als sie gerade durch die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz verfolgt werden sollten, hierdurch nicht spürbar beeinträchtigt worden. Die Einräumung von Erstdruckrechten erfolgt typischerweise dann, wenn unter mehreren Zeitungen Wettbewerb besteht; dies ist häufig bei Lokalzeitungen der Fall (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2017 - 20 U 105/16, BeckRS 2017, 150218, Rn. 22) und offensichtlich auch vorliegend gegeben, worauf insbesondere die Beteuerung der Klägerin im Schreiben vom 24. Januar 2017, nicht für die Landauer neue Presse tätig zu werden, hindeutet. Durch die Veröffentlichung auf einer Vereinshomepage wird die Wettbewerbssituation jedoch weder unter den konkurrierenden Lokalzeitungen noch im Verhältnis zu anderen Medien verschoben, weil Veröffentlichungen einzelner Artikel einen umfassenden Überblick über das Geschehen, wie sie eine Zeitung vermittelt, nicht ansatzweise bieten können. Die Veröffentlichung auf einer Homepage eines Vereins, der lediglich seine Aktivitäten darstellt, stellt kein Verbreiten in einer Zeitung, einer Online-Ausgabe einer solchen oder einem entsprechenden Online-Archiv dar. Eine Vereinshomepage hat keinen zeitungs- oder presseähnlichen Charakter, weil nicht umfassend über das Geschehen in bestimmten Regionen oder auf bestimmten thematischen Gebieten berichtet wird, sondern lediglich das eigene Handeln für Mitglieder oder interessierte Außenstehende dargestellt werden soll. Derartige Homepages sind dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit für eigene Zwecke zuzuordnen.
Die Artikel haben auch nicht Vorgänge zum Gegenstand, die ein brisantes und der Öffentlichkeit unbekanntes Geschehen darstellen. Sind einer Berichterstattung umfassende Recherchen über bislang unbekannte Sachverhalte, insbesondere „Skandale“ oder andere Missstände, vorangegangen, hat eine Zeitung typischerweise das Interesse, auf das die Möglichkeit der Einräumung von Erstdruckrechten Bezug nimmt, als diejenige zu gelten, die „die Bombe platzen lassen“, und so zum einen ihr Ansehen zu steigern und zum anderen die Verkaufszahlen für die Ausgabe mit dem entsprechenden Artikel zu erhöhen. Eine derartige Situation ist aber nicht ansatzweise gegeben, wenn über eine Vereinsveranstaltung berichtet wird. Das Interesse einer Zeitung wie der der Beklagten beschränkt sich in solchen Fällen allenfalls darauf, zu verhindern, dass auch die „Konkurrenz“ in gleicher Weise und zeitlich vor ihr über das der lokalen Öffentlichkeit als solches bekannte Geschehen berichtet; bei einer PR-Maßnahme des Vereins ist dieses aber nicht signifikant berührt.
Zum anderen hätte die Beklagte bei ihrer Entscheidung berücksichtigt, dass Lokalzeitungen auf ein gutes Verhältnis mit den Vereinen, Gruppierungen etc. angewiesen sind, damit sie von Veranstaltungen und anderen Aktivitäten, die berichtenswert erscheinen, rechtzeitig informiert werden, was wiederum Voraussetzung dafür ist, dass sie Reporter dorthin senden können. Dort wäre das Verständnis für eine Auflage, den Tag der Erstveröffentlichung abzuwarten, nur gering gewesen. Die Veröffentlichung betraf auch lediglich den Text, während die Lichtbilder - mögen sie auch ähnlich sein - andere sind.
Der Senat hat daher keinen Zweifel, dass die Beklagte bei einer entsprechenden Anfrage ihr Einverständnis geäußert hätte, dass der Artikel der Klägerin auch noch am Veröffentlichungstag oder vorher auf der Vereinshomepage publiziert werden darf. Betroffen war lediglich ein geringer Teil der insgesamt von der Klägerin eingereichten Texte, und zwar ausnahmslos solche ohne gesteigerte Brisanz. Der denkbare „Schaden“, der mit der teilweisen Entwertung ihres Erstdruckrechts einher gegangen wäre, wäre geringer gewesen als der, der sich aus dem entsprechenden Unverständnis der Vereinsmitglieder ergeben hätte.
cc. Darauf, ob die Klägerin, wie in der mündlichen Verhandlung behauptet und im Schriftsatz vom 4. Dezember 2020 ausgeführt, eine Erlaubnis der Beklagten erbeten hat und diese von einer hierfür zuständigen Person im Hause der Beklagten erteilt wurde, kommt es damit nicht entscheidend an. Ebenso ist nicht relevant, ob die Klägerin - wie sie im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 4. Dezember 2020 ausführen hat lassen - in die Veröffentlichung einzelner Artikel überhaupt nicht eingebunden war, sondern diese aus der Zeitung eingescannt worden sind. Einer Würdigung dahingehend, ob sich (unter Zugrundelegung der Wochentage) aus den Datumsangaben auf der Homepage etwas für den Tag der Veröffentlichung ableiten lässt, und ggf. einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zum Zweck einer Verhandlung und Beweisaufnahme über das neue Vorbringen bedarf es damit nicht.
9. Der Klägerin steht die gesetzliche Umsatzsteuer auf den zu entrichtenden Betrag zu.
Die Klägerin hat auf den Hinweis des Senats hin nachvollziehbar erläutert, dass sie zwar in der Vergangenheit aufgrund der geringen Höhe ihrer Umsätze die Kleinunternehmerklausel des § 19 UStG in Anspruch genommen hat, dies zum einen mit dem tatsächlichen Zufluss eines Betrags in der Größenordnung von 67.000,00 € netto nicht mehr möglich ist und sie zudem ab dem Jahr 2020 auf die Privilegierung als Kleinunternehmerin verzichtet hat. Damit steht fest, dass die Klägerin auf den Forderungsbetrag Umsatzsteuer zu entrichten hat.
Aufgrund der Tatsache, dass zur Stärkung der Konjunktur in der sog. Coronakrise der vergünstigte Umsatzsteuersatz von 7% auf 5% gesenkt wurde, und dies zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung und der Urteilsverkündung gilt, setzt das Gericht den Umsatzsteuersatz in Abhängigkeit vom Zahlungszeitpunkt fest.
10. Die Klägerin kann auf den Hauptsachebetrag auch Zinsen unter dem Gesichtspunkt des Verzugs verlangen.
Für den Umsatzsteueranteil gilt dies allerdings nur für die Zeit ab dem 1. Januar 2020, weil die Umsatzsteuerpflicht erst ab diesem Zeitpunkt bestand. Grundsätzlich ist zwar die Verzinsung einer Klageforderung auch in Hinblick auf einen Umsatzsteueranteil geschuldet, selbst wenn insoweit kein Verzugsschaden eintreten kann (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 - IV ZR 187/89, NJW-RR 1991, 483 (484) sub 5.; Staudinger/Feldmann (2019), § 288 Rn. 31; NK-BGB/Hans Schulte-Nölke, 3. Aufl. 2016, BGB § 288 Rn. 4). Voraussetzung ist aber, dass die Umsatzsteuerpflicht als solche entstanden war, weil Zinsen als Nebenansprüche aufgrund ihres akzessorischen Charakters eine Hauptverbindlichkeit voraussetzen. Auch wenn ein Zufluss in Höhe des Forderungsbetrags die Umsatzsteuerpflicht der Klägerin begründet hätte, war dies lediglich hypothetisch der Fall, so lange sie die Kleinunternehmerklausel in Anspruch nehmen konnte und darauf nicht verzichtet hatte. Eine Umsatzsteuerpflicht entstand daher erstmals mit Beginn des Steuerjahres 2020; dass sie früher entstehen hätte können, wenn die Beklagte früher geleistet hätte, muss im vorliegenden Kontext unbeachtlich bleiben. Verzinsung des auf die Umsatzsteuer entfallenden Betrags ist daher erst ab dem 1. Januar 2020 zuzusprechen.
11. Auszugehen war von Streitwerten in Höhe von 72.177,51 € für die erste Instanz und 72.147,47 € für den Berufungsrechtszug; die jeweils geforderte Umsatzsteuer wirkt sich streitwerterhöhend aus.
Die Klägerin ist insoweit unterlegen bzw. als unterlegen zu behandeln, als sie ihre Klage in erster Instanz zurückgenommen hat, ihre Klage wegen der Zeilenzahl und des einen Artikels teilweise unbegründet war und sie nur für einen Teil des begehrten Zeitraums Verzugszinsen auf die Umsatzsteuer fordern konnte. All diese Faktoren, die in der Summe einen Gesamtbetrag von weniger als 2.000,00 € ausmachen, bedeuten jedoch nicht ein mehr als unerhebliches Unterliegen i.S.v. § 92 Abs. 2 ZPO, und die Zuvielforderung hat auch keinen Gebührensprung und damit Mehrkosten ausgelöst. Der Senat macht daher von § 92 Abs. 2 ZPO Gebrauch.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision war nicht geboten, da die Entscheidung maßgeblich auf einer Subsumtion und Bewertung des konkreten Sachverhalts beruht. Es werden auch keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufgeworfen: Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist oder wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist (Musielak/Voit/Ball, 17. Aufl. 2020, ZPO § 543 Rn. 5 a). Einzelne Fragen können zwar über den vorliegenden Fall hinaus relevant werden, doch ist weder eine kontroverse Diskussion in Literatur oder Rechtsprechung dazu vorhanden noch sieht der Senat aufgrund der jeweiligen Deutlichkeit der Argumente deren Beantwortung aus anderen Gründen als zweifelhaft an, so dass die Herbeiführung einer höchstrichterlichen Entscheidung geboten wäre.