Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (3. Senat für Familiensachen) - 12 UF 65/05

Tenor

Auf die Berufungen des Beklagten und der Klägerin wird das am 16. März 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig unter Zurückweisung der Rechtsmittel im übrigen teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an die Klägerin folgenden monatlichen Unterhalt zu zahlen:

- für Juni 2004 für C.-P. 97 €, P.-J. 83 € und die Klägerin selbst 100 €,

- für Juli 2004 für C.-P.110 €, P.—J. 92 € und die Klägerin selbst 127 €,

- für August 2004 für C.-P. 123 €, P.-J. 101 € und die Klägerin selbst 157 €,

- für September bis Dezember 2004 für C.-P. 137 €, P.—J. 111 € und die Klägerin selbst 185 €,

- für Januar bis Juni 2005 für C.-P. 161 €, P.-J. 128 € und die Klägerin selbst 238 €,

- für Juli bis Oktober 2005 für C.-P. 135 €, P.-J. 110 € und die Klägerin selbst 194 €,

- für November und Dezember 2005 für C.-P. 106 €, P.-J. 84 € und die Klägerin selbst 164 €,

- ab Januar 2006 für C.-P. 145 € und P.-J. 102 €.

Die Kosten des Rechtsstreites werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

1

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Die gemeinsamen Kinder C.-P. (12-14 Jahre alt) und P.-J. (2-4 Jahre alt) leben seit der Trennung der Parteien Mitte Dezember 2003 (Beklagtenvortrag) oder Mitte April 2004 (Klägervortrag) bei der Klägerin. Die Klägerin begehrt für sich und die Kinder Unterhalt für die Zeit ab dem 01.06.2004. Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrages der Parteien sowie der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichtes wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Zu ergänzen ist, dass der Beklagte in der Zeit vom 23.05.2005 bis zum 18.11.2005 bei der Firma Pö. Transporte GmbH als Lkw-Fahrer beschäftigt war und ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 1890 € bezog. Das Nettogehalt betrug im Juni 2005 1245,45 € und danach 1228,44 €. Dieses Arbeitsverhältnis ist wegen Arbeitsmangel durch den Arbeitgeber beendet worden. Der Beklagte bezieht seit dem 19. 11. 2005 wieder Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 27,06 € bzw. monatlich 811,80 €. Der Beklagte ist außerdem am 15. 11. 2005 Vater eines weiteren Kindes geworden, das aus der Beziehung mit seiner neuen Lebensgefährtin K. Pa. stammt. Die Klägerin leistet seit Februar 2006 keine Zahlungen mehr auf die Hauslasten.

2

Das Amtsgericht hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, Kindesunterhalt für C.-P. für die Zeit vom 01.06. bis 15.08.2004 in Höhe von monatlich 124 €, für die Zeit vom 16.08. bis 31.12.2004 in Höhe von monatlich 164 € und ab 01.01.2005 in Höhe von monatlich 165 € und für P.-J. für die Zeit vom 01.06. bis 15.08.2004 in Höhe von 102 €, für die Zeit vom 16.08. bis 31.12.2004 in Höhe von 130 € und ab dem 01.01.2005 in Höhe von monatlich 131 € sowie Trennungsunterhalt für die Klägerin selbst für die Zeit vom 01.06. bis 15.08.2004 in Höhe von monatlich 148 €, für die Zeit vom 16.08. bis 31.12.2004 in Höhe von 243 € und ab 01.04.2005 (muss heißen: 01.01.2005) in Höhe von monatlich 246 € zu zahlen. Der rückständige Kindesunterhalt für P.-J. ist nach dem Urteil des Amtsgerichtes bis zur Höhe von 122 € monatlich an die Unterhaltsvorschusskasse des Kreises Schleswig-Flensburg zu zahlen, der weitergehende rückständige Unterhalt für P.-J. ebenso wie der rückständige Kindesunterhalt für C.-P. bis zum 31.12.2004 und rückständiger Trennungsunterhalt für die Klägerin für die Monate Oktober bis Dezember 2004 von monatlich 52,56 € an das Sozialamt Silberstedt. Der zukünftige Kindes- und Trennungsunterhalt ab 01.04.2005 sowie der weitergehende Trennungsunterhalt bis zum 31.12.2004 für die Klägerin selbst ist an die Klägerin zu zahlen.

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Das Amtsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dem Beklagten sei ab dem 15. 5. 2004 fiktiv das Einkommen anzurechnen, das er bei der Firma S. Viehtransporte in B. erhalten hätte, da die Beweisaufnahme ergeben habe, dass der Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses dort selbst verschuldet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung sowie der Unterhaltsberechnung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

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Der Beklagte macht mit seiner Berufung geltend:

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Das Amtsgericht habe zu Unrecht zu seinen Lasten ein fiktives Einkommen berücksichtigt. Bei einem unfreiwilligen Arbeitsplatzverlust komme eine Einkommensfiktion nur dann in Betracht, wenn ein vorwerfbares Verhalten, das sich auf die Unterhaltspflicht beziehe, festgestellt werden könne. Das sei hier nicht der Fall. Da er, der Beklagte, sich noch in der Probezeit befunden habe, habe das Arbeitsverhältnis ohne Kündigungsgrund gekündigt werden können. Ein Kündigungsgrund habe auch nicht vorgelegen. Der Zeuge S. habe eine Sonntagsarbeit nicht verlangen können, da er keinen freien Tag angeboten habe. Er, der Beklagte, habe zu Recht auf einen an diesem Wochenende anstehenden Besuch seiner Kinder verwiesen. Es habe ein reguläres Umgangswochenende angestanden. Im Übrigen habe der Zeuge S. kurz darauf einen anderen Fahrer gefunden gehabt. Damit sei die Anfrage wegen der Sonntagstour erledigt gewesen.

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Auch die am darauffolgenden Montag um 11.00 Uhr erfolgte Krankmeldung stelle keinen Kündigungsgrund dar, da eine frühere Krankmeldung nicht möglich gewesen sei. Er, der Beklagte, habe zunächst einmal einen Arzt aufsuchen müssen.

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Der vom Amtsgericht angenommenen Einkommensfiktion stehe entgegen, dass er, der Beklagte, keine Berufsausbildung habe. Er sei vorher nur in der Firma seiner Ehefrau teilschichtig Taxi gefahren.

8

Die Klägerin habe höhere Einkünfte als angegeben. Wie sich aus dem zur Akte gereichten Observationsbericht der Zeugen P. St., H. Pa. und G. St. vom 03.12.2005 ergebe, arbeite die Klägerin ständig als Taxifahrerin bei der Firma Taxi M. und verdiene dort mehr als 1200 € pro Monat. Da die Klägerin diese Einkünfte verschwiegen habe, habe sie ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt verwirkt.

9

Die von der Klägerin behaupteten Schuldabträge würden bestritten. Soweit die Klägerin ALG II beziehe, habe er, der Beklagte, bisher keine Überleitungsanzeige erhalten. Daraus ergebe sich, dass ein Anspruchsübergang nicht erfolgt sei und die Leistungen als bedarfsdeckend anzusehen seien.

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Er, der Beklagte, habe den im Steuerbescheid vom 19.04.2005 für das Jahr 2004 aufgeführten Guthabensbetrag in Höhe von 1192,87 € (siehe Blt. 235 d. A.) bisher nicht ausgezahlt erhalten, da die Unterhaltsvorschusskasse Ansprüche geltend gemacht habe und das Finanzamt eine Verrechnung angekündigt habe. Die Unterhaltsvorschusskasse habe 1.089,27 € erhalten und diesen Betrag mit Unterhaltsansprüchen für 2004 verrechnet.

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Für die Zeit seiner Tätigkeit bei der Firma Pö. Transporte GmbH seien Fahrtkosten in Höhe von monatlich 88 € einkommensmindernd zu berücksichtigen, da die einfache Entfernung zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstelle in Sch. 8 km betrage. Die einfache Entfernung zwischen seiner Wohnung und der Firma S. betrage 25 km. Während der Beschäftigungszeit bei der Fa. S. seien 2-3 Heimfahren pro Woche angefallen, da er längere Touren gefahren sei. Die entsprechenden Fahrtkosten müssten im Falle einer Fiktion der bei dieser Firma vereinbarten Einkünfte fortgeschrieben werden.

12

Der Wohnvorteil auf Seiten der Klägerin betrage jedenfalls 600 € monatlich. Hinzu kämen Mieteinnahmen in Höhe von mtl. 224,52 €. Abzuziehen seien lediglich die Hauslasten in Höhe von 536,86 €. Bei den weiteren von der Klägerin angeführten Verbindlichkeiten handele es sich nicht um Hauslasten sondern um Konsumausgaben der Klägerin, die nicht abzugsfähig seien.

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Der Beklagte beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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1. das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zur Zahlung folgender monatlicher Unterhaltsbeträge an die Klägerin zu verurteilen:

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Für Juni und Juli 2004  
für C. 145,00 €
und für P. 115,00 €.
Für August 2004 bis Juni 2005  
für C. 170,00 €,
P. 135,00 €
und die Klägerin 260,00 €.
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2. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

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Die Klägerin macht im Berufungsverfahren geltend:

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Bei fiktiven Einkünften finde ein Anspruchsübergang auf öffentlich-rechtliche Leistungsträger nicht statt. Die Sozialhilfeleistungen seien dennoch nicht bedarfsdeckend, da es nicht Zweck dieser Leistungen sei, den Unterhaltsschuldner zu entlasten. Die Unterhaltsansprüche stünden daher nach wie vor ihr, der Klägerin, zu. Einer Teilanrechnung nach § 242 BGB stehe entgegen, dass ein Mangelfall vorliege.

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Die vom Amtsgericht angenommene Einkommensfiktion sei zu niedrig. Aus der Aussage des Zeugen S. ergebe sich, dass für Wochen mit einer Sonntagstour Spesen nicht nur in Höhe von 120 € sondern in Höhe von 144 € gezahlt worden wären. Außerdem habe der Zeuge ausgesagt, dass das Gehalt des Beklagten ab dem 01.07. um 100 € erhöht worden wäre.

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Die vom Zeugen S. angegebenen Kündigungsgründe seien unterhaltsrechtlich vorwerfbar. Am Kündigungswochenende habe ein Besuchstermin für die Kinder nicht angestanden. Der erste Besuch der Kinder nach der Trennung sei erst am 21.08.2004 erfolgt. Eine Krankmeldung sei auch nach dem Vortrag des Beklagten bereits am Sonntag telefonisch möglich gewesen. Im Übrigen widerspreche der Inhalt der vom Beklagten vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 21.06.2004 (Bl. 254 d. A.) dem eigenen Vortrag des Beklagten.

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Die Erwerbsbemühungen des Beklagten seien nicht ausreichend. Sie, die Klägerin, habe zwar in der Zeit ab dem 01.12.2004 aushilfsweise bei der Firma Taxi M. gearbeitet. Sie habe dort jedoch lediglich monatlich netto 40 bzw. 45 € erhalten. Dieses Arbeitsverhältnis sei zum 31.05.2005 gekündigt worden.

II.

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Die zulässige Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg, da der Beklagte nur zur Zahlung der im Urteilstenor aufgeführten Unterhaltsbeträge verpflichtet ist. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nur insoweit begründet, als das Amtsgericht hinsichtlich eines Teils der Unterhaltsansprüche zu Unrecht eine Verpflichtung zur Zahlung an die Klägerin selbst verneint und den Beklagten zur Zahlung an die Unterhaltsvorschusskasse bzw. das Sozialamt verurteilt hat.

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Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Kindesunterhalt folgt aus §§ 1601 ff BGB, der Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt ergibt sich aus § 1361 BGB. Nach § 1601 i.V.m. § 1603 Abs.1 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren, es sei denn sie sind bei Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen außerstande, den Unterhalt ohne Gefährdung ihres eigenen Unterhaltes zu gewähren. Minderjährige sind, soweit sie wie hier vorliegend nur den Regelunterhalt oder einen geringeren Betrag verlangen, von der Darlegungs- und Beweislast für ihren Bedarf sowie für die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen befreit. Da die Leistungsunfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach § 1603 Abs.1 BGB als Einwendung ausgestaltet ist, liegt die Darlegungs- und Beweislast für alle die Leistungsfähigkeit mindernden Umstände, mithin sowohl für sein tatsächliches Einkommen als auch für Art und Berechtigung der behaupteten Erwerbsminderung sowie seine Bemühungen zu deren Behebung, beim Unterhaltspflichtigen (siehe Palandt-Diederichsen, BGB, 64. Aufl., Vor § 1601 Rn.67 m.w.Nw.; Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 6 Rn.712 m.w.Nw.), hier mithin beim Beklagten. Nach § 1361 BGB kann ein getrennt lebender Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen.

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1. Einkommen des Beklagten

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1.1) Das Amtsgericht hat auf Seiten des Beklagten zu Recht fiktiv das Einkommen berücksichtigt, das dieser bei der Fa. S. Viehtransporte in B. erhalten hätte. Der Senat folgt den diesbezüglichen Ausführungen des Amtsgericht, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Der Einwand des Beklagten, es fehle an einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten des Beklagten, ist nicht begründet. Der Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass ein selbstverschuldeter aber doch ungewollter Verlust des Arbeitsplatzes nicht der freiwilligen Aufgabe eines Arbeitsplatzes gleichgestellt werden kann. In solchen Fällen ist dem Unterhaltspflichtigen eine Berufung auf seine Leistungsunfähigkeit nur dann aus Treu und Glauben verwehrt, wenn sich das für den Verlust des Arbeitsplatzes ursächliche Verhalten seinerseits als Verletzung seiner Unterhaltspflicht darstellt. Erforderlich ist insoweit ein schuldhaftes Fehlverhalten, das einen objektiven Unterhaltsbezug aufweist. Das schuldhafte Verhalten muss jedoch nicht vorsätzlich sein, es genügt vielmehr ein zumindest leichtfertiges Verhalten (BGH FamRZ 2002, 813, 814; Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 1 Rn.494). Erforderlich ist, dass der Unterhaltsschuldner die Möglichkeit des Eintritts der Leistungsunfähigkeit als Folge seines Verhaltens erkennt und im Bewusstsein dieser Möglichkeit, wenn auch im Vertrauen auf den Nichteintritt jener Folge handelt, wobei er sich unter grober Missachtung dessen, was jedem einleuchten muss, oder in Verantwortungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen den Unterhaltsgläubiger über die erkannte Möglichkeit nachteiliger Folgen für seine Leistungsfähigkeit hinwegsetzt (BGH FamRZ 2002, 813, 814).

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Das bedeutet jedoch nicht, dass die Anforderungen an den gemäß § 1603 Abs.2 BGB gesteigert Unterhaltspflichtigen, der einen Arbeitsplatz hat, sich wesentlich von den Anforderungen an denjenigen gesteigert Unterhaltspflichtigen unterscheiden, der keinen Arbeitsplatz hat. Der eine muss alles Zumutbare tun, um seinen Arbeitsplatz zu behalten, der andere, um einen solchen zu bekommen.

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Im vorliegenden Fall ergibt sich der objektiven Unterhaltsbezug des vom Amtsgericht festgestellten Fehlverhaltens des Beklagten bereits daraus, dass sowohl die Weigerung des Beklagten, eine Sonntagstour zu übernehmen, als auch die am Montag Morgen unterlassene Mitteilung von dem beabsichtigten Arztbesuch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Beklagten standen, aus dem sich die damalige Leistungsfähigkeit des Beklagten zur Erfüllung der streitgegenständlichen Unterhaltspflichten ergab. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, dass dem damals in der Probezeit befindlichen Beklagten bewusst war, dass das oben genannte Verhalten gegenüber seinem Arbeitgeber den Bestand dieses Probearbeitsverhältnisses - und damit seine Leistungsfähigkeit - gefährden könnte. Auch wenn nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte diese Folge billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz), so hat er jedoch zumindest leichtfertig gehandelt, weil es bei einem Probearbeitsverhältnis auf der Hand liegt, dass ein Arbeitgeber solch ein Verhalten zum Anlass nimmt, das Arbeitsverhältnis durch eine fristlose Kündigung, die nicht einmal begründet werden muss, zu beenden.

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Ob an dem besagten Wochenende tatsächlich ein vereinbarter Besuch der Kinder im Rahmen des Umgangsrechtes anstand oder nicht, kann in diesem Zusammenhang ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme dieser Sonntagstour bereits vorher mit dem Arbeitgeber vereinbart war, weil ein Arbeitnehmer während der Probezeit in besonderem Maße Arbeitseinsatz und Flexibilität zeigen muss. Das gilt erst Recht für einen gesteigert Unterhaltspflichtigen gemäß § 1603 Abs.2 BGB.

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Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob der Beklagte aufgrund seiner Berufsausbildung Aussichten gehabt hätte, eine Arbeitsstelle mit dem fingierten Einkommen noch einmal zu finden. Entscheidend ist, dass er bereits eine solche Arbeitsstelle hatte und die Aussicht einer endgültigen Übernahme bei diesem Arbeitgeber gut war.

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Das fingierte Einkommen ist für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblich, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Beklagte bei pflichtgemäßen Verhalten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung wieder entlassen worden wäre. Der Viehtransport ist kein Saisongeschäft. Viehtransporte fallen bekanntermaßen das ganze Jahr über an. Deshalb werden die Arbeitnehmer in diesem Gewerbe - anders als z.B. im Baugewerbe, in der Landwirtschaft oder im Gastronomiebereich - in der Regel durchgehend beschäftigt. Es spricht auch nichts für einen betriebsbedingten Personalabbau bei der Firma S.. Der Beklagte trägt selbst vor, immer wieder Stellenanzeigen dieser Firma gelesen zu haben. Da der Zeuge S. den Beklagten bei seiner Aussage im Termin am 21.02.2005 vor dem Amtsgericht als guten Fahrer bezeichnet hat, stand eine Entlassung aus anderen Gründen nicht zu befürchten. Die vom Beklagten ohne hinreichende Substantiierung behauptete große Personalfluktuation lässt sich nachvollziehbar mit den nur schwer kalkulierbaren und daher „familienunfreundlichen“ Arbeitszeiten und der hohen körperlichen Beanspruchung erklären.

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Der Fortdauer der Einkommensfiktion steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte vom 01.10.2004 bis zum 07.12.2004 bei der Fa. G. Land- und Bautechnik und vom 23.05.2005 bis zum 18.11.2005 bei der Firma Pö. Transporte GmbH beschäftigt war. Der Beklagte hätte seine aus § 1603 Abs.2 folgende gesteigerte Erwerbsobliegenheit schuldhaft verletzt, wenn er das Arbeitsverhältnis bei der Firma S. gekündigt hätte, um zu den oben genannten Arbeitgebern zu wechseln. Beide Tätigkeiten wurden schlechter bezahlt als die Tätigkeit bei der Fa. S.. Außerdem hat es sich in beiden Fällen um eine Saisonbeschäftigung gehandelt, bei der eine Kündigung im Winterhalbjahr vorhersehbar war.

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Da die Einkommensfiktion für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum gilt, kann dahinstehen, ob der Beklagte sich in der Folgezeit hinreichend intensiv um eine andere Arbeitsstelle beworben und ob er in den Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges geringfügige Nebeneinkünfte erzielt hat.

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1.2) Hinsichtlich der Höhe des fingierten Einkommens weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass der Zeuge Schultz bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht bekundet hat, dem Beklagten für die Zeit ab dem 01.07.2004 eine Gehaltserhöhung um mtl.100 € zugesagt zu haben. Das fingierte Gehalt beträgt mithin

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- ab dem 01.06.2004 - 1.500 €,

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- ab dem 01.07.2004 - 1.600 € und

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- ab dem 15.08.2004 - 1.800 €.

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1.3) Die Klägerin weist auch zu Recht darauf hin, dass die zugesagten Spesenzahlungen nicht wie vom Amtsgericht angenommen immer 120 € pro Woche betrugen, sondern in Wochen mit Sonntagstouren 144 €. Der Durchschnittsbetrag beläuft sich auf 132 € pro Woche, das sind bei 44 Arbeitswochen 5.808 € pro Jahr und 484 € pro Monat. Davon 1/3 sind 161,33 €.

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1.4) Der Beklagte hatte während seiner Tätigkeit bei der Fa. S. Fahrtkosten in Höhe von mtl. 119,17 € (= 25 km x 2 x 0,26 €/km x 110 /12). Der Beklagte hat zur Überzeugung des Senates glaubhaft dargelegt, dass er nicht nur einmal pro Woche, wie die Klägerin behauptet, sondern durchschnittlich jeden zweiten Arbeitstag von Schl. nach B. und zurück gefahren ist. Die einfache Strecke beträgt 25 km. Diese Fahrtkosten müssen auch für die Folgezeit fortgeschrieben werden, in der dem Beklagten das bei der Fa. Schultz erzielte Einkommen fiktiv zugerechnet wird, allerdings mit der Maßgabe, dass sich die Fahrtkosten ab dem 01.07.2005 entsprechend den neuen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes auf 137,50 € (= 25 km x 2 x 0,30 €/km x 110 /12) erhöhen.

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1.5) Das im Steuerbescheid vom 19.04.2005 (Blt.235 d.A.) betreffend das Jahr 2004 ausgewiesene Guthaben in Höhe von 1.192,87 € kann nicht als Einkommen auf Seiten des Beklagten berücksichtigt werden, weil es unstreitig bisher nicht an den Beklagten ausgezahlt worden ist. Der Beklagte hat hinsichtlich eines Teilbetrages von 1.089,27 € eine Überweisung an die Unterhaltsvorschusskasse des Kreises Schleswig-Flensburg und im übrigen eine Verrechnung mit Gegenansprüchen des Finanzamtes behauptet. Die Weiterleitung eines Teilbetrages in Höhe von 1.089,27 € an die Unterhaltsvorschusskasse des Kreises Schleswig-Flensburg wird durch die mit Schriftsatz vom 05.04.2006 eingereichten Bestätigung der Unterhaltsvorschusskasse vom 20.03.2006 bestätigt. Die in dieser Bestätigung erwähnte Rücküberweisung in Höhe von 907 € an das Finanzamt steht der Behauptung des Beklagten nicht entgegen, da der Bestätigung der Unterhaltsvorschusskasse zu entnehmen ist, dass das Finanzamt den Betrag mit der Begründung zurückgefordert hat, dieser stehe nicht dem Kindesvater sondern der Kindesmutter - mithin der hiesigen Klägerin - zu. Soweit der Beklagte eine Verrechnung durch das Finanzamt behauptet, ergibt sich

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bereits aus dem Steuerbescheid vom 19.04.2005, dass eine Verrechnung mit Gegenansprüchen beabsichtigt ist. Da sich aus dem Steuerbescheid vom 29.04.2005 betreffend das Jahr 2003 (Blt.231 d.A.) eine Nachzahlungspflicht in Höhe von 5.061,88 € ergibt, ist davon auszugehen, dass eine Verrechnung zumindest vorbehalten bleibt. Es kann auf jeden Fall nicht angenommen werden, dass das Finanzamt das Guthaben aus dem Steuerbescheid vom 19.04.2005 an den Beklagten ausgezahlt hat.

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Soweit der Beklagte im Zusammenhang mit der Überweisung des Teilbetrages in Höhe von 1.089,27 € an die Unterhaltsvorschusskasse die Ansicht vertritt, dass damit ein Teil des streitgegenständlichen Anspruchs auf Kindesunterhalt für das Jahr 2004 erloschen sei, kann dem nicht gefolgt werden, da die Überweisung durch das Finanzamt nur im Wege einer Zwangsvollstreckung oder zur Abwendung einer solchen erfolgt sein kann. Eine solche Zahlung führt nicht zum Erlöschen des Anspruchs nach § 362 BGB.

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1.6) Das Zusammenleben des Beklagten mit seiner neuen Lebensgefährtin führt weder zu einer Einkommenserhöhung noch zu einer Reduzierung des Selbstbehaltes. Beim Ehegattenunterhalt ist ein Zusammenlebensvorteil grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, da der nach § 1361 Abs.1 BGB geschuldete Unterhalt an das Zusammenleben während der Ehe und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Vorteile anknüpft und demgemäß in der Regel bereits unter Einschluss dieser Vorteile bemessen ist (BGH NJW 1995, 962, 963). Beim Kindesunterhalt kann ein Zusammenlebensvorteil zwar berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall steht der Annahme eines solchen jedoch entgegen dass die neue Lebenspartnerin über kein wesentliches eigenes Erwerbseinkommen verfügt.

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2. Einkommen der Klägerin

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1.1 Die Klägerin hat nach den zur Akte gereichten Verträgen und Gehaltsabrechnungen in dem streitgegenständlichen Zeitraum folgendes Erwerbseinkommen erzielt:

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Zeitraum Anmerkung / Fundstelle Nettobetrag mtl.
06/04 - 09/04 Entgelt gem. § 6 Unternehmenskaufvertrag (Blt.58 d.A.) 150,00 €
12/04 - 05/05 Aushilfstätigkeit bei Fa. Taxi M. (Blt.129f,267ff,266,271) 42,50 €
08/05 - 12/05 Aushilfstätigkeit bei Fa. Taxi M. (Blt.357 d.A.) 101,60 €
01/06 Aushilfstätigkeit bei Fa. Taxi M. (Blt.359 d.A.) 24,00 €
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Soweit der Beklagte unter Bezugnahme auf die Aussage des Zeugen W.(Blt.177f d.A.) sowie den Observationsbericht der Zeugen G. St. und H. Pa. (Blt.343ff d.A.) weitere Erwerbseinkünfte der Klägerin behauptet, muss dem nicht nachgegangen werden. Zum einen enthält der Observationsbericht zahlreiche Lücken und Widersprüche. Die genannten Wochentage lassen sich nicht mit den Daten in Übereinstimmung bringen. Im übrigen ist nicht ersichtlich, dass und gegebenenfalls in welchem Umfang die dokumentierten Tätigkeiten nicht mit den von der Klägerin vorgelegten Gehaltsbescheinigungen in Einklang stehen sollen. Die Klägerin bestreitet darüber hinausgehende Erwerbstätigkeiten.

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Selbst wenn man zugunsten des Beklagten Einkünfte der Klägerin in Höhe von bis zu 250 € monatlich unterstellen würde, müssten diese Erwerbseinkünfte sowieso bei der Unterhaltsberechnung außer Betracht bleiben, weil die Klägerin ein erst 4 Jahre altes Kind betreut und deshalb nicht verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Unter den gegebenen Umständen erscheint eine Berücksichtigung überobligationsmäßiger Einkünfte im Umfang von bis zu 250 € gemäß § 1577 Abs.2 BGB analog nicht angemessen, zumal das Einkommen der Klägerin unter dem großen Selbstbehalt bleibt.

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Das Unterlassen einer sofortigen Mitteilung der Einkommenserzielung durch die Klägerin rechtfertigt entgegen der Ansicht des Beklagten eine Verwirkung nicht. In Betracht kommt allenfalls § 1579 Nr.6 BGB. Danach ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt. Hier kann schon ein offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten der Klägerin nicht festgestellt werden. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Unter diesen Umständen kann das Verschweigen von Einkünften aus dem Geringverdienerbereich nicht als offensichtliches schwerwiegendes Fehlverhalten angesehen werden. Außerdem stehen die Belange der beiden von der Klägerin betreuten Kinder einer Versagung, Herabsetzung oder zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruches für die Klägerin entgegen.

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2.2) Wohnvorteil / Mieteinnahmen

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Das Amtsgericht hat den Wohnvorteil für den von der Klägerin genutzten Hausteil zutreffend mit mtl. 390 € bewertet. Der Beklagte vertritt ohne nähere Begründung die Ansicht, der Wohnvorteil müsse mindestens 600 € betragen. Der Senat sieht keine Veranlassung, von der Feststellung des Amtsgerichtes abzuweichen, § 529 Abs.1 ZPO. Da es hier um Trennungsunterhalt geht, ist grundsätzlich nur die ersparte Miete anzusetzen, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre (Ziff.5 unserer Leitlinien). Da eine Mutter mit zwei Kindern mit einem niedrigen Einkommen kein Einfamilienhaus mit 120 qm Wohnfläche benötigt, sondern sich mit einer 4-Zimmer-Wohnung mit 70-80 qm begnügen würde, erscheint eine Nettokaltmiete zwischen 350 € und 400 € (5 €/qm) üblich und angemessen.

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Die Mieteinnahmen für die Einliegerwohnung betragen unstreitig mtl. 224,52 €. Von der Summe Wohnvorteil plus Mieteinnahme (= 614,52 €) sind die Abträge in Höhe von monatlich 536,86 € abzuziehen, die die Klägerin unstreitig bis Ende Januar 2006 auf das bei der DG HYP bestehende Hypothekendarlehen gezahlt hat. Diese Darlehensbelastung ist unstreitig eheprägend. Die Klägerin hat allerdings ihre Zahlung ausweislich des Kontoauszuges vom 27.02.2006 im Januar 2006 auf 50 € reduziert und ab Februar 2006 ganz eingestellt.

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Weitere Unkosten können vom Wohnvorteil nicht abgesetzt werden. Die vom Amtsgericht zusätzlich abgezogenen Unkosten für Gebäudeversicherung, Grundsteuer, Abwasser und Müll i.H.v. mtl. 86,47 € können nicht berücksichtigt werden, da es sich um Betriebskosten handelt, die gemäß § 556 Abs.1 BGB i.V.m. Anlage 3 zu § 27 I der II BV auf einen Mieter umgelegt werden können (Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 1 Rn.336, 337). Für den vermieteten Teil des Hauses gilt nichts anderes, da § 3 Nr.2 des Mietvertrages vom eine entsprechende Umlage vorsieht (siehe Blt.44 d.A.).

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Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 07.03.2006 bzw. dem beigefügten Schriftsatz vom 03.11.2005 betreffend das Scheidungsverfahren einen weiteren Darlehensvertrag sowie darauf gezahlte Abträge in Höhe von mtl. 150 € behauptet (siehe Blt.354 d.A.), fehlt hinreichend substantiierter Vortrag zum Zustandekommen dieses Darlehensvertrages. Ein Zusammenhang zwischen dieser Darlehensschuld und der Finanzierung des Grundstückes ist nicht ersichtlich, zumal im bisherigen Vortrag der Klägerin von einem solchen Darlehen und entsprechenden Abträgen nicht die Rede war. Eine Berücksichtigung als Hausunkosten kann unter diesen Umständen nicht erfolgen.

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Der Wohnvorteil der Klägerin beträgt mithin für die Zeit bis Ende Dezember 2005 mtl. 77,66 €, für den Monat Januar 2006 mtl. 564,52 € und für die Zeit ab Februar 2006 614,52 €.

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2.3) Sonstige Belastungen

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Es verbleibt dennoch auf Seiten der Klägerin für den Zeitraum bis Ende Dezember 2005 kein berücksichtigungsfähiges Einkommen, da die Klägerin mit Schriftsatz vom 03.11.2005 unter Beifügung von Zahlungsbelegen monatliche Ratenzahlungen auf sonstige ehebedingte Schulden vorgetragen hat, die den Betrag von 77,66 € deutlich übersteigen. Dazu gehören u.a. die oben erwähnte Zahlung in Höhe von monatlich 150 € auf ein Darlehen der VR Bank Flensburg-Schleswig eG, ein Abtrag in Höhe von mtl. 50 € zur Rückführung des ehemaligen Betriebskontos bei der VR Bank und eine Zahlung in Höhe von mtl. 10 € an die Minijobzentrale der Bundesknappschaft. Diese Zahlungen sind vom Beklagten nicht bestritten worden.

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Für den Monat Januar 2006 hat die Klägerin nur noch die im Zusammenhang mit dem Wohnvorteil erörterte Zahlung von 50 € belegt, die sich aus dem Kontoauszug der DGHYP vom 26.02.2006 ergibt. Danach hat die Klägerin ihre Zahlungen auf Schulden unstreitig eingestellt. Ihr muss daher für Januar 2006 ein Einkommen in Höhe von 564,52 € und für die Zeit ab Februar 2006 ein Einkommen in Höhe von monatlich 614,52 € zugerechnet werden.

62

2.4) Leistungen des Sozialamtes

63

Die Leistungen des Sozialamtes sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, da sie subsidiär sind. Das gilt sowohl für die bis zum 31.12.2005 gezahlte Sozialhilfe nach dem BSHG (§ 2 I BSHG) als auch für die ab dem 01.01.2005 gewährten Leistungen nach dem SGBII und zwar unabhängig von der Frage, ob ein Forderungsübergang auf den Leistungsträger erfolgt ist oder nicht (siehe Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 6 Rn.501; BGH FamRZ 2000, 1358, 1359).

64

Dem Unterhaltsbegehren der Klägerin steht entgegen der Ansicht des Beklagten der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegenstehen. Soweit für den Fall, dass ein Forderungsübergang bei fiktiven Einkünften ausgeschlossen ist, eine Korrektur nach § 242 BGB in Erwägung gezogen wird, geschieht das nur, wenn in Mangelfällen die Gefahr besteht, dass der Unterhaltsschuldner mit derartig hohen Unterhaltsforderungen aus der Vergangenheit belastet wird, dass es voraussichtlich auf Dauer unmöglich ist, diese Schulden nebst seinen laufenden Verpflichtungen zu tilgen. Eine Korrektur nach § 242 BGB kommt nur in Einzelfällen und nur bezogen auf Unterhaltsrückstände aus der Vergangenheit in Betracht, weil andernfalls die gesetzlich gewollte Subsidiarität der Sozialhilfe außer Kraft gesetzt würde (siehe Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 1 Rn.484, 486; § 6 Rn.567ff; BGH FamRZ 1999, 843, 847; BGH FamRZ 2000, 1358, 1359). Hier ist ein Verstoß gegen Treu und Glauben nicht gegeben, weil die Klägerin auch unter Berücksichtigung der Sozialleistungen und des Unterhalts immer noch nicht das Existenzminimum von 820 € bzw. ab Juli 2005 von 890 € erreicht.

65

3. Unterhaltsberechnung

66

a) Aus den obigen Ausführungen ergibt sich für den Zeitraum Juni bis Dezember 2004 folgende Unterhaltsberechnung in €:

67
ab 06/04 ab 07/04 ab 08/04 ab 09/04
Nettogehalt des Beklagten 1.056,92 1.106,42 1.159,17 1.210,23
1/3 der Spesen 161,33 161,33 161,33 161,33
Fahrtkosten -119,17 -119,17 -119,17 -119,17
Steuererstattung
anrechenbares Einkommen 1.099,08 1.148,58 1.201,33 1.252,39
großer Selbstbehalt 920 920 920 920
Verteilungsmasse 179,08 228,58 281,33 332,39
Bedarf C.-P. nach DT 284 284 284 284
Bedarf P._J. nach DT 192 192 192 192
Bedarf A. nach DT 0 0 0 0
Bedarf Klägerin (3/7 Eink. - KU) 267,03 288,25 310,86 332,74
Gesamtbedarf 743,03 764,25 786,86 808,74
Mangelfallberechnung
Einsatzbetrag C.-P. 384 384 384 384
Einsatzbetrag P.-J. 269 269 269 269
Einsatzbetrag A. 0 0 0 0
Einsatzbetrag Klägerin 820 820 820 820
Summe der Einsatzbeträge 1473 1473 1473 1473
Kürzungsquote in % 12,16 15,52 19,10 22,57
gekürzter Unterhalt C.-P. 97 110 123 137
gekürzter Unterhalt P.-J. 83 92 101 111
gekürzter Unterhalt A. 0 0 0 0
gekürzter Unterhalt Klägerin 100 127 157 185
68

b) Für das Jahr 2005 ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung in €:

69
ab 01/05 ab 07/05 ab 11/05
Nettogehalt des Beklagten 1.214,43 1.214,43 1.214,43
1/3 der Spesen 161,33 161,33 161,33
Fahrtkosten -119,17 -137,5 -137,5
Steuererstattung 90,75 90,75 90,75
anrechenbares Einkommen 1.347,34 1.329,01 1.329,01
großer Selbstbehalt 920 990 990
Verteilungsmasse 427,34 339,01 339,01
Bedarf C.-P. nach DT 284 291 291
Bedarf P.-J. nach DT 192 204 204
Bedarf A. nach DT 0 0 204
Bedarf Klägerin (3/7 Eink. - KU) 373,43 357,43 270,00
Gesamtbedarf 849,43 852,433 969,00
Mangelfallberechnung
Einsatzbetrag C.-P. 384 393 393
Einsatzbetrag P.-J. 269 276 276
Einsatzbetrag A. 0 0 276
Einsatzbetrag Klägerin 820 890 890
Summe der Einsatzbeträge 1473 1559 1835
Kürzungsquote in % 29,01 21,75 18,47
gekürzter Unterhalt C.-P. 161 135 106
gekürzter Unterhalt P.-J. 128 110 84
gekürzter Unterhalt Annika 0 0 84
gekürzter Unterhalt Klägerin 238 194 164
70

c) Für das Jahr 2006 stellt sich die Unterhaltsberechnung in € wie folgt dar:

71
ab 01/06 ab 02/06
Nettogehalt des Beklagten 1.214,43 1.214,43
1/3 der Spesen 161,33 161,33
Fahrtkosten -137,5 -137,5
Steuererstattung 0 0
anrechenbares Einkommen 1.238,26 1.238,26
Bedarf C.-P. nach DT 291 291
Bedarf P.-J. nach DT 204 204
Bedarf A. nach DT 204 204
bereinigtes Einkommen des Beklagten nach Abzug des Kindesunterhalts 539,26 539,26
Einkommen der Klägerin 564,52 614,52
Unterhaltsanspruch der Klägerin 0,00 0,00
kleiner Selbstbehalt 890 890
Verteilungsmasse 348,26 348,26
Gesamtbedarf 699,00 699,00
Kürzungsquote in % 49,82 49,82
gekürzter Unterhalt C.-P. 145 145
gekürzter Unterhalt P.-J. 102 102
gekürzter Unterhalt A. 102 102
gekürzter Unterhalt Klägerin 0 0
72

4. Aktivlegitimation

73

Die Klägerin ist für die obigen Unterhaltsansprüche aktivlegitimiert und kann deshalb Zahlung an sich verlangen.

74

Soweit die Klägerin Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse für das Kind P.-J. in Höhe von mtl. 122 € erhalten hat, sind die Unterhaltsansprüche gegen den Beklagten zwar gemäß § 7 I UVG auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen. Diese hat die Ansprüche jedoch unter dem 30.06.2004 an die Klägerin zurückübertragen (Blt.7 d.A.).

75

Soweit die Klägerin für sich und die beiden Kinder Sozialhilfeleistungen erhalten hat, muss zwischen den Leistungen nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden BSHG und den Leistungen nach dem ab dem 10.01.2006 geltenden SGBII unterschieden werden. Soweit Leistungen nach dem BSHG erbracht worden sind, gehen die Unterhaltsansprüche gegen den Unterhaltspflichtigen grundsätzlich gemäß § 91 Abs.1 BSHG auf das Sozialamt über. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allerdings nicht, wenn und soweit der Unterhaltsanspruch auf fiktiven Einkünften beruht (siehe BGH FamRZ 1999, 843, 847; BGH FamRZ 2000, 1358, 1359). In welchem Umfang hier ein Übergang stattgefunden hat, kann dahingestellt bleiben, da das Sozialamt des Amtes Silberstedt die übergegangenen Ansprüche mit Vertrag vom 13.10.2004 (Blt.60 d.A.) auf die Klägerin zurückübertragen hat. Damit ist die Klägerin auch insoweit aktivlegitimiert.

76

Hinsichtlich der nach dem SGBII gewährten Leistungen ist ein automatischer Forderungsübergang im Gesetz nicht mehr vorgesehen. Nach dem SGB II ist Voraussetzung für einen Forderungsübergang eine Überleitungsanzeige an den Unterhaltsschuldner. Eine solche ist hier unstreitig nicht erfolgt.

77

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Ziff.10, 713, 543 Abs.2 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung gemäß 543 Abs.2 ZPO sind nicht gegeben, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert.


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