Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (1. Senat für Familiensachen) - 8 WF 75/14

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Reinbek vom 13. Mai 2014 geändert und wie folgt gefasst:

Der von der Antragstellerin beschrittene Rechtsweg zu den Familiengerichten ist zulässig.

II. Die Kosten der Beschwerde hat der Antragsgegner zu tragen.

III. Der Verfahrenswert der Beschwerde beträgt 20.000 Euro.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

Die Beschwerde richtet sich gegen die Annahme des Familiengerichts, das Verfahren betreffe das Wohnungseigentumsrecht.

2

I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner waren vom 13. Mai 2000 bis 16. September 2010 in Gütertrennung verheiratet. Der Antragsgegner war Alleineigentümer des Grundstücks R. in E.. Am 8. Juni 2000 teilte er das Eigentum an diesem Grundstück in hälftige Miteigentumsanteile, die eine Hälfte verbunden mit Sondereigentum an der Praxis, die andere Hälfte verbunden mit Sondereigentum an den Wohnräumen. Durch den Kaufvertrag über Wohnungseigentum von diesem Tag verkaufte der Antragsgegner den hälftigen Miteigentumsanteil verbunden mit Sondereigentum an der Praxis an die Antragstellerin für 115.000 DM.

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Die Antragstellerin macht zur Begründung ihres rechtshängigen Antrags geltend, sie habe in das auf dem Grundstück gemeinsam errichtete Gebäude rund 300.000 Euro investiert. Ihr Miteigentumsanteil habe jedoch nur einen Verkehrswert von 240.000 Euro. In Höhe von 60.000 Euro handele es sich um eine ehebedingte Zuwendung an den Antragsgegner, deren Geschäftsgrundlage mit dem Scheitern der Ehe entfallen sei. Der erhobene Anspruch auf Zahlung dieses Betrages ergebe sich auch aus den Grundsätzen der Ehegatteninnengesellschaft und des Gesamtschuldnerausgleichs.

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Der Antragsgegner tritt dem erhobenen Anspruch entgegen. Das angerufene Familiengericht sei örtlich nicht zuständig, da das Grundstück nicht in seinem Bezirk liege. Mögliche Ausgleichspflichten seien nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) abzuwickeln. Die Aufwendungen hätten nicht der Erfüllung und Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern allein der Eigentümergemeinschaft gedient, die Anspruchsgegnerin sei. Das Scheitern der Ehe habe keinen Einfluss auf diese Gemeinschaft. Die behaupteten Mehraufwendungen der Antragstellerin seien keine Zuwendung an den Antragsgegner. Der behauptete Wert des Miteigentumsanteils der Antragstellerin von 240.000 Euro werde bestritten. Die Antragstellerin habe die Errichtungskosten nicht überproportional getragen. Er habe an die Antragstellerin 230.500 DM gezahlt, die in deren Aufstellung nicht berücksichtigt seien.

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Das Familiengericht hat sich durch den angefochtenen Beschluss für funktionell unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Schwarzenbek verwiesen, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Soweit die Antragstellerin einen Ausgleich für Baukosten verlange, handele es sich um einen Streit zwischen Wohnungseigentümern über die Verteilung von Baukosten und damit unabhängig von der Anspruchsgrundlage um eine Wohnungseigentumssache, nicht um eine Familiensache.

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Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie bringt vor, die maßgeblichen Rechtsfragen seien solche des Familienrechts, die das Wohnungseigentumsrecht nur am Rande berührten. Zuständig sei das sachnähere Familiengericht. Der Antragsgegner hält den angefochtenen Beschluss dagegen für richtig.

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II. Die nach §§ 17a Abs. 6 und 4 Satz 3 GVG, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Zuständig für das Verfahren ist das Familiengericht. Das ist nach § 17a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 2 GVG auszusprechen, da der Antragsgegner dessen Zuständigkeit rügt.

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1. Sonstige Familiensachen sind nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG Verfahren, die Ansprüche zwischen ehemals miteinander verheirateten Personen im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung der Ehe betreffen. Diese - weit auszulegenden (vgl. BGH FamRZ 13, 281 juris Rn. 29) - Voraussetzungen liegen vor. Das Verfahren betrifft Ansprüche der ehemals mit dem Antragsgegner verheirateten Antragstellerin im Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe.

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2. Eine sonstige Familiensache liegt nach § 266 Abs. 1 FamFG nicht vor, wenn das Verfahren das Wohnungseigentumsrecht betrifft. Das vorliegende Verfahren betrifft nicht das Wohnungseigentumsrecht.

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a. Das Verfahren betrifft das Wohnungseigentumsrecht, wenn sich ehemals miteinander verheiratete Personen als Beteiligte einer Streitigkeit im Sinne des § 43 WEG gegenüberstehen (vgl. Zöller/Lorenz ZPO 30. Aufl. § 266 FamFG Rn. 24; Keidel/Giers FamFG 18. Aufl. § 266 Rn. 22; Burger, in: Bork/Jacoby/Schwab FamFG 2. Aufl. § 266 Rn. 11; weiter gehend bereits bei jeder Vorfrage aus dem WEG: Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 35. Aufl. § 266 FamFG Rn. 2; Erbarth, in: Münchener Kommentar zum FamFG 2. Aufl. § 266 Rn. 31). Wenn ein solches Verfahren jedoch nur einen geringen Bezug zu dem Sachgebiet des Wohnungseigentumsrechts hat und der Schwerpunkt bei den familienrechtlichen Bezügen liegt, soll eine dem Familiengericht vorgehende Sonderzuständigkeit nicht angenommen werden. Das gilt auch in Zweifelsfällen (so überzeugend Keidel/Giers a.a.O. Rn. 23 m. w. Nachw.; Zöller/Lorenz a.a.O. § 266 Rn. 23 beim Ausgleich ehebedingter Zuwendungen; Burger a.a.O. Rn. 10 und FamRZ 2009, 1017, 1020). Immer, wenn das Verfahren durch familienrechtliche Verhältnisse nicht unwesentlich mitgeprägt ist, soll das Familiengericht zuständig sein (vgl. Rehme, in: Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 3. Aufl. § 266 Rn. 1; vgl. weiter Erbarth a.a.O. § 266 Rn. 31: Familiensache bei Streit über eine Eigentumswohnung im Rahmen der Rückabwicklung einer ehebedingten Zuwendung; Musielak/Borth FamFG 3. Aufl. § 266 Rn. 11: Familiensache bei der Rückabwicklung unbenannter Zuwendungen zwischen Ehegatten).

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b. Nicht unwesentlich mitgeprägt ist ein Verfahren durch familienrechtliche Verhältnisse, wenn ehemals miteinander verheiratete Personen über die Rückgewähr einer behaupteten ehebedingten Zuwendung oder über Rechte und Pflichten aus einer behaupteten Ehegatteninnengesellschaft streiten. Maßgeblich für diese Zuordnung ist nicht der Gegenstand der Zuwendung oder der Gegenstand der Gesellschaft, sondern der Grund der Zuwendung oder das Vorhandensein einer Ehegatteninnengesellschaft. Denn die für eine Beurteilung maßgeblichen Rechtsfragen liegen dann grundsätzlich und in erster Linie im Familienrecht und nicht etwa in anderen Rechtsgebieten. Deshalb ist vor allem spezifisch familienrechtlicher Sachverstand für ein solches Verfahren notwendig, nicht besonderer Sachverstand in anderen Rechtsgebieten, etwa aus dem Bereich des Wohnungseigentumsrechts bei der Rückforderung von ehebedingt zugewendetem Wohnungseigentum oder des Gesellschaftsrechts bei Rückforderung eines ehebedingt zugewendeten Gesellschaftsanteils.

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c. Ausgehend von diesen Maßstäben ist der von der Antragstellerin beschrittene Rechtsweg zu den Familiengerichten zulässig. Das Verfahren hat allenfalls einen geringen Bezug zu dem Sachgebiet des Wohnungseigentumsrechts. Der Schwerpunkt des Verfahrens liegt bei den familienrechtlichen Bezügen, die das Verfahren prägen. Dessen Kern ist das Vorbringen der Antragstellerin, für eine ehebedingte Zuwendung an den Antragsgegner sei die Grundlage mit dem Scheitern der Ehe entfallen. Die Zuwendung sei erfolgt zur finanziellen Absicherung der Familie im Alter und in der Annahme, sie bleibe mit dem Antragsgegner ein Leben lang verheiratet und zusammen. Nur deshalb sei es ihr bei Errichtung des Gebäudes nicht auf die genaue Verteilung der Kosten angekommen. Zur Beurteilung der Richtigkeit dieser Ansicht der Antragstellerin bedarf es spezifisch familienrechtlicher Kenntnisse, nicht besonderer Kenntnisse des Wohnungseigentumsrechts. Die Frage, ob es die von der Antragstellerin behauptete Zuwendung überhaupt und in dem von ihr behaupteten Umfang gegeben hat, liegt im Tatsächlichen und kann von dem angerufenen Familiengericht ebenso gut beantwortet werden, wie von einem anderen Gericht.

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d. Offen bleiben kann, ob die Antragstellerin und der Antragsgegner sich als Beteiligte einer Streitigkeit im Sinne des § 43 WEG gegenüberstehen. Denn in den Anwendungsbereich des § 43 Nr. 1 WEG fallen alle gemeinschaftsbezogenen Streitigkeiten im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, wenn Gegenstand des Verfahrens ihre Rechte und Pflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis sind (vgl. Suilmann, in: Jennißen WEG 3. Aufl. § 43 Rn. 11). Die Streitigkeit der Antragstellerin mit dem Antragsgegner erscheint aber nicht als gemeinschaftsbezogen, sondern als ehebezogen. Sie betrifft nicht das Wohnungseigentumsrecht, sondern lediglich das Wohnungseigentum als Gegenstand einer behaupteten ehebedingten Zuwendung.

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III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 91 Abs. 1, 3 ZPO (vgl. zum Verfahrenswert: Zöller/Herget a.a.O. § 3 Rn. 16 „Rechtswegverweisung“). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus den §§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 574 ff. ZPO und der grundsätzlichen Bedeutung der zu beantwortenden Rechtsfrage. In einer unbestimmten Vielzahl von Fällen ist die Abgrenzung der sonstigen Familiensachen von Bedeutung.


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