Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (3. Zivilsenat) - 3 U 24/17

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten tragen die Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.

1

Die Parteien sind Nachbarn. Auf der Grenze der Grundstücke, überwiegend auf dem klägerischen Grundstück, standen zwei rund 8 m hohe Eschen. Während einer Urlaubsabwesenheit der Kläger ließen die Beklagten die Bäume im Februar 2016 fällen. Die Kläger haben behauptet, dies sei ohne ihr Einvernehmen geschehen. Ihnen sei dadurch ein Schaden in Höhe von 25.600,00 € entstanden, der sich aus Kosten für Neuerwerb und Neuanpflanzung vergleichbarer Bäume in Höhe von 22.000,00 € und einem Minderwert ihres Grundstücks, der sich - auf ein Jahr bezogen - auf 3.600,00 € belaufe, ergebe. Der Klage auf Schadensersatz in entsprechender Höhe sind die Beklagten entgegengetreten. Sie haben sich auf ein mit den Klägern erzieltes Einvernehmen zum Fällen der Bäume und auf eine sich aus dem Grünordnungsplan der Gemeinde ohnehin ergebende Pflicht zum Entfernen der Bäume berufen. Sie haben ferner die Höhe des Schadens bestritten.

2

Wegen des weiteren Parteivortrags im ersten Rechtszug und der zuletzt gestellten Anträge wird nach § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

3

Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung der Parteien abgewiesen. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 1 oder 2 BGB lägen nicht vor. Unstreitig zwar hätten die Beklagten eine Eigentumsverletzung zu Lasten der Kläger begangen. Bei den gefällten Bäumen habe es sich um Grenzbäume im Sinne des § 923 BGB gehandelt, die mit dem auf dem Grundstück der Kläger stehenden Teil deren Eigentum gewesen seien. Dieses hätten die Beklagten durch das Fällen und Beseitigen der Bäume verletzt, ohne dabei ein Handeln im Einvernehmen mit den Klägern nachweisen zu können. Gleichwohl stünde den Klägern kein Schadensersatzanspruch zu. Dies folge aus § 923 Abs. 2 BGB, wonach jeder Nachbar die Beseitigung des Grenzbaumes verlangen könne. Es seien keine Umstände erkennbar, aus denen die Kläger die Zustimmung zur Beseitigung der Bäume hätten verweigern können. Die Beklagten hätten die Bäume zwar nicht ohne Zustimmung der Kläger fällen dürfen, aber doch einen Anspruch auf Zustimmung gegen sie zur Beseitigung der Bäume gehabt. Damit wäre den Klägern auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Beklagten kein Schaden entstanden.

4

Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihren Schadensersatzanspruch in vollem Umfang weiter. Das Landgericht stütze die Abweisung des Schadensersatzanspruchs rechtsirrig auf § 923 Abs. 2 BGB. Dort heiße es zwar in Satz 1, dass jeder Nachbar die Beseitigung des Grenzbaumes verlangen könne, weiter aber in Satz 4, dass der Anspruch auf Beseitigung ausgeschlossen sei, wenn der Baum als Grenzzeichen diene. Dies sei hier bei beiden Bäumen der Fall gewesen. Ein anderes Grenzzeichen gebe es an dieser Stelle nicht und könne wegen der extrem großen Wurzelbildung auch nicht gesetzt werden. Der weitere Grenzverlauf zwischen den Nachbargrundstücken werde auch nicht durch Grenzsteine oder andere Markierungen sichtbar hervorgehoben. Durch nichts belegt sei auch die rechtsirrige Annahme des Landgerichts, dass keine Umstände erkennbar seien, nach denen sie die Zustimmung zur Beseitigung der Bäume hätten verweigern können. Vielmehr sei nach § 40 NachbGSchlH bereits der Anspruch auf Zurückschneiden von Anpflanzungen ausgeschlossen, wenn dies nicht innerhalb bestimmter Frist geltend gemacht werde. Analog gelte § 40 NachbGSchlH erst recht für das Fällen von Bäumen. Das Landgericht habe sich damit ebenso wenig auseinandergesetzt, wie mit § 39 BNatSchG, wonach die beiden Eschen aufgrund ihrer Größe, ihres Stammumfanges und ihrer Stellung nicht hätten gefällt werden dürfen. Nicht aufgeklärt und fehlerhaft zugunsten der Beklagten unterstellt, meine das Landgericht weiterhin, dass die zuständige Naturschutzbehörde das Fällen der Bäume genehmigt hätte. Eine Genehmigung hätte jedoch eine vorherige Untersuchung der Bäume darauf, ob sie als Brut- und Nistplätze geschützter Arten dienten, erfordert. Hierzu fehle es an jedem Vortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten.

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Die Kläger beantragen,

6

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 25.600,00 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 1. Mai 2016 zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen,

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die Berufung zurückzuweisen.

9

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Sie stellen in Abrede, dass die Bäume die Bedeutung eines Grenzzeichens gehabt hätten. Sie hätten sich rein zufällig teilweise auf der Seite der Kläger und teilweise auf ihrer Seite befunden. Gegen eine Widmung als Grenzzeichen spreche auch, dass sie mitten auf der Grenze gestanden hätten und nicht, wie sonst bei Grenzzeichen üblich, an deren Endpunkten. Das Grundstück sei vermessen und durch Grenzsteine markiert. Im Übrigen werde der Grenzverlauf durch eine Hecke und auf der Grenze stehende Bäume markiert. Das NachbGSchlH finde auf den Fall keine Anwendung, denn nach Art. 124 EG BGB könnten landesrechtliche Vorschriften bürgerlich rechtliche Vorschriften nur überlagern, soweit sie über die im BGB geregelten Tatbestände hinausgehende Regelungen enthielten. Solche Regelungen im Hinblick auf einen Grenzbaum enthalte das NachbGSchl.-H. nicht. Aus dem BNatSchG könnten die Kläger keine Ansprüche herleiten, weil die dortigen Regelungen keinen drittschützenden Charakter hätten. Im Übrigen werde die Höhe des Schadensersatzanspruchs weiterhin als rechnerisch nicht nachvollziehbar gerügt.

II.

10

Die Berufung hat keinen Erfolg.

11

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1.

12

Die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 823 Abs. 1 BGB oder nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 303 StGB (Sachbeschädigung) sind dem Grunde nach gegeben.

13

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung liegen vor. Die gefällten Bäume waren Grenzbäume im Sinne des § 923 Abs. 1 BGB. Grenzbäume in diesem Sinne sind solche, deren Stamm dort, wo er aus dem Boden heraustritt, von der Grundstücksgrenze durchschnitten wird. Jedem Grundstückseigentümer gehört der Teil des Baumes, der sich auf seinem Grundstück befindet (BGH NJW 2004, 3328 Leitsätze 1 und 2; Brückner in MükoBGB, 7. Aufl. 2017, § 923 Rn. 2 f.; Roth in Staudinger, Bearb. 2016, § 923 Rn. 1, 4).

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Das Fällen der Bäume war rechtswidrig. Nach § 923 Abs. 2 S. 1 BGB kann jeder Nachbar die Beseitigung des Baumes verlangen. Aus der Vorschrift folgt aber nur ein Anspruch gegen den anderen auf Zustimmung zum Fällen des Baumes; sie gewährt kein Selbsthilferecht. Eine Zustimmung der Kläger lag nicht vor. Ihrem Schreiben vom 7. Dezember 2015 (Anlage B 2) lässt sich im Gegenteil ihre unmissverständliche Ablehnung entnehmen. Auf ein vormals etwa signalisiertes Einverständnis, das es nach dem Vortrag der Beklagten gegeben haben soll, kommt es nicht an, weil die Zustimmung bis zur Vornahme des zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäfts widerruflich ist (§ 183 BGB). Die Beklagten handelten schließlich auch schuldhaft. Sie wussten um die fehlende Zustimmung der Kläger. Sie selbst haben das erwähnte Schreiben vom 7. Dezember 2015 zur Akte gereicht.

2.

15

Dennoch besteht kein Schadensersatzanspruch, weil die Kläger dem Fällen der Bäume hätten zustimmen müssen.

a)

16

Eine rechtswidrig und schuldhaft begangene unerlaubte Handlung führt an sich zu einem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz des dadurch hervorgerufenen Schadens. Auf der Grundlage wertender Betrachtung im Rahmen des normativen Schadensersatzbegriffs ist jedoch anerkannt, dass ein Schadensersatzanspruch ausnahmsweise dann nicht besteht, wenn der Schaden auch bei rechtmäßigem Verlauf der Dinge entstanden wäre. Diese Einschränkung ist letztlich darin begründet, dass ein Schadensersatzanspruch nicht der Bestrafung des Schädigers für begangenes Unrecht dient, sondern dazu, unrechtmäßig verursachten Schaden wieder gut zu machen. Wäre der Schaden jedoch auch bei rechtmäßigem Handeln eingetreten, rechtfertigt es allein das fehlerhafte Vorgehen des Schädigers nicht, dem Geschädigten Ersatz für einen Schaden zuzusprechen, den er ohnehin hätte hinnehmen müssen.

17

Tatsächlich kommt die Berücksichtigung rechtmäßigen Alternativverhaltens kaum je zum Tragen (vgl. Oetker in MüKoBGB, 7. Aufl. 2016, § 249 Rn. 219; Schiemann in Staudinger, Bearb. 2017, § 249 Rn. 104 jew. mit Nachweisen aus der Rspr.). Das verwundert nicht, weil die volle Beweislast bei dem Schädiger liegt (MüKoBGB/Oetker § 249 Rn. 224; Staudinger/Schiemann § 249 Rn. 106), worauf der Prozessbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Recht hingewiesen hat. Jede Ungewissheit über die Schadensentstehung bei rechtmäßigem Verlauf geht zu Lasten des Schädigers. Es muss feststehen, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Verhalten eingetreten wäre (MüKoBGB/Oetker § 249 Rn. 221). Das ist etwa dann nicht der Fall, wenn die Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften in Rede steht, bei denen der Behörde ein Ermessensspielraum verblieben wäre (Staudinger/Schiemann § 249 Rn. 106).

b)

18

Im vorliegenden Fall greift der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens durch. Nach § 923 Abs. 2 S. 1 BGB ist ein Grundstückseigentümer verpflichtet, auf Verlangen des Nachbarn dem Fällen eines Grenzbaumes zuzustimmen. Infolge dessen kann sich der ohne Zustimmung handelnde Nachbar auf rechtmäßiges Alternativverhalten berufen (OLG Oldenburg, OLGR 2002, 98, 98 f; MükoBGB/Brückner § 923 Rn. 5; Staudinger/Roth § 923 Rn. 7). Das gilt freilich nur, wenn dem Zustimmungsanspruch nicht ausnahmsweise Einwendungen entgegenstanden, was hier nicht der Fall ist. Die Kläger wären nach § 923 Abs. 2 S. 1 BGB zur Zustimmung verpflichtet gewesen. Ihrer Zustimmungspflicht standen weder die in S. 4 genannten zivilrechtlichen Ausnahmen (nachfolgend aa) noch öffentlich-rechtliche Vorschriften (bb) entgegen. Dass die Kläger das Fällen der Bäume hätten hinauszögern können, ist nicht berücksichtigungsfähig (cc).

aa)

19

Ein Anspruch auf Zustimmung zur Beseitigung eines Grenzbaumes besteht nicht, wenn der Baum als Grenzzeichen dient und den Umständen nach nicht durch ein anderes zweckmäßiges Grenzzeichen ersetzt werden kann (§ 923 Abs. 2 Satz 4 BGB). Darauf berufen sich die Kläger ohne Erfolg. Der Ausschluss betrifft „unersetzliche“ Grenzzeichen (MüKoBGB/Brückner § 923 Rn. 5; Staudinger/Roth § 923 Rn. 8), was für die Grenzbäume jedoch nicht zutraf. Der Verlauf der Grenze ist nach dem eigenen Vortrag der Kläger mit Grenzsteinen markiert (Schriftsatz vom 15.11.2016) und außerdem durch den mit Hecken bepflanzten Erdwall sowie durch Holzpflöcke mit dazwischen gespannten Drähten gekennzeichnet, wie aus den zur Akte gereichten Lichtbildern ersehen werden kann.

bb)

20

Öffentlich-rechtliche Vorschriften hinderten das Fällen der Bäume nicht.

21

aaa)

22

Der Senat geht zugunsten der Kläger davon aus, dass jegliche öffentlich-rechtlichen Verbote beachtlich wären. Auf eine drittschützende Wirkung der Vorschriften kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Zwar kann ein Verstoß gegen nicht drittschützende Vorschriften keinen Schadensersatzanspruch begründen (vgl. Staudinger/Roth § 910 Rn. 22), doch geht es geht hier auch nicht darum, aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften einen Schadensersatzanspruch herzuleiten. Der grundsätzliche schadensersatzauslösende Rechtsverstoß steht bereits fest. Er liegt in dem eigenmächtigen Fällen der Bäume ohne Einverständnis der Kläger. Es ist nun nur noch danach zu fragen, ob den Klägern bei wertender Betrachtung gleichwohl ein Anspruch zu versagen ist, weil derselbe Schaden auch bei rechtmäßigem Verhalten der Beklagten entstanden wäre. Das ist der Fall, wenn die Kläger dem Fällen der Bäume hätten zustimmen müssen. Jegliche Vorschrift, die dem Fällen entgegenstünde, ließe die Zustimmungspflicht entfallen. Wohl deshalb wird in der Kommentierung ohne Weiteres ausgeführt, dass öffentlichrechtliche Vorschriften wie insbesondere eine Baumschutzsatzung eine anspruchsausschließende Einwendung nach § 923 Abs. 2 S. 4 BGB begründen könnten (A. Lorenz in Erman, 14. Aufl. 2014, § 923 Rn. 3; Fritzsche in BeckOK-BGB, Stand 15.06.2017, § 923 Rn. 7; MüKoBGB/Brückner, 7. Aufl. 2017, § 923 Rn. 7; Herder in Palandt, 76. Aufl. 2017, § 932 Rn. 1; wohl auch Staudinger/Roth § 923 Rn. 7). Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass, was nach öffentlichem Recht verboten sei, auch zivilrechtlich nicht verlangt werden könne (MüKoBGB/Brückner § 923 Rn. 7; differenzierend Lemke in Prütting/Wegen/Weinreich, 12. Aufl. 2017, § 923 Rn. 5: Einwand aus öffentlichem Recht nur, wenn dieses keine Ausnahmen zulässt).

23

bbb)

24

Es sind jedoch keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften erkennbar, die die Kläger dem Anspruch hätten entgegenhalten können.

25

Sie können sich zunächst nicht auf den Grünordnungsplan der Gemeinde - auszugsweise zur Akte gereicht als Anlage B 3 - berufen. Er enthält „Soll-Vorgaben“ für die Art der Grundstücksabgrenzung. Die Grenzen sollten mit geschnittenen Hecken begrünt werden, als Gehölze empfohlen werden Feldahorn, Weißbuche und Rotbuche. Der Grünordnungsplan sieht damit weder zwingende Vorschriften vor, noch enthält er eine Empfehlung zur Anpflanzung von Eschen. Sonstige Vorschriften auf Kreis- oder Ortsebene, die dem Fällen hätten entgegengehalten werden können, hat das Gericht nicht ermitteln können.

26

Das Fällen verstieß ferner nicht gegen Knickschutzvorschriften. Nach dem Vortrag der Beklagten sollen die Bäume Teil einer Knickbepflanzung gewesen sein. Ihr Fällen sei im Rahmen der Knickpflege zulässig gewesen. Im ersten Rechtszug haben die Kläger bestritten, dass die Bäume auf einem Knick gestanden hätten. Nach ihrem eigenen Vortrag hätten die Schutzvorschriften für Knicks damit nicht gegolten (§ 30 BNatSchG i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 LNatSchG). In der Berufungsverhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger vorgebracht, dass der Erdwall doch einen Knick dargestellt habe. Dies führt jedoch zu keinem für die Kläger günstigeren Ergebnis. Die Voraussetzungen für einen Knick sind nicht dargetan, auch von den Beklagten nicht, die sich darauf berufen hatten. Knicks sind nach der Legaldefinition in § 1 Nr. 10 der BiotopVO (GVOBl. Schl.-H. 2009, 48) bepflanzte Wälle, die entweder an gegenwärtigen oder ehemaligen Grenzen landwirtschaftlicher Nutzflächen verlaufen oder als Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft angelegt wurden. Es ist nicht vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus dem Auszug des Grünordnungsplans für das Baugebiet (Anlage B 3), dass der Erdwall aus einem dieser Gründe aufgeschüttet und bepflanzt worden sei.

27

Ein Verbot ergibt sich nicht aus bundes- oder landesnaturschutzrechtlichen Artenschutzvorschriften. Der von den Klägern herangezogene § 39 BNatSchG enthält aus Artenschutzgründen ein Verbot des Fällens von Bäumen im Winterhalbjahr, das sich indes nur auf Bäume außerhalb von Gärten bezieht. Nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist die erhebliche Störung bestimmter Vogelarten in bestimmten Zeiträumen verboten. § 28b LNatSchG enthält einen Horstschutz; die Nistplätze bestimmter Vogelarten dürfen nicht gefährdet werden. Es ist jedoch nicht ansatzweise ersichtlich, dass einer der Verbotstatbestände vorgelegen haben könnte. Auch sieht keines der Gesetze vor, dass vor dem Fällen eines Baumes eine Genehmigung eingeholt werden müsse, in der das Nichtvorliegen eines Verbotstatbestandes bestätigt wird.

28

Letztendlich waren die Bäume nicht als Naturdenkmäler unter Schutz gestellt (§ 28 BNatSchG, § 17 LNatSchG).

29

In allen oben aufgeführten Fällen darf es nicht zu Lasten der Beklagten gewertet werden, dass zu den Umständen, die einen Verbotstatbestand begründen könnten, nichts aktenkundig ist. Aufgrund ihrer Darlegungslast für alle Voraussetzungen rechtmäßigen Alternativverhaltens obläge es bei einem Streit über das Vorliegen solcher Umstände zwar ihnen, näher vorzutragen, weshalb ein Verbot nicht eingegriffen hätte. Voraussetzung ist aber, dass zunächst einmal die Kläger Anhaltspunkte dafür dartun, weshalb das Fällen verbotswidrig gewesen sein könnte. Daran fehlt es. Die Kläger haben nur auf etwa einschlägige naturschutzrechtliche Verbote verwiesen, ohne aber greifbar zu machen, weshalb diese hier hätten zur Geltung kommen sollen. Damit lag noch kein Streit über das Vorliegen eines verbotsbegründenden Sachverhalts vor. Es hieße, die Darlegungslast der Beklagten zu überspannen, wenn ihnen abverlangt würde, vorsorglich zu nicht vorgetragenen Umständen Stellung zu nehmen.

30

§ 40 NachbGSchlH kann nicht analog auf den Fall angewandt werden. Zum Einen enthält Art. 124 EGBGB nur einen Vorbehalt für Landesrecht, soweit keine bundesrechtliche Regelung besteht. Dabei ist insoweit an Abstandsregelungen gedacht (Art. 124 S. 2 EGBGB). Für das Beseitigen von Anpflanzungen, die auf verschiedenen Grundstücken stehen, gibt es jedoch in § 923 BGB eine Bundesregelung. Schon dies schließt die analoge Anwendung der Landesvorschrift auf den bundesrechtlich geregelten Fall aus. Abgesehen davon sind der vorliegende Fall und der in § 40 NachbGSchlH geregelte nicht vergleichbar. § 40 NachbGSchlH unterfällt dem "Abschnitt XII Grenzabstände bei Anpflanzungen". Dort wird geregelt, welchen Abstand Anpflanzungen einhalten müssen. Es wird ein Anspruch auf Rückschnitt auf die zulässige Höhe der grenznahen Anpflanzungen geregelt (§ 37 Abs. 2 NachbGSchlH) und geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch ausgeschlossen ist. Hier aber geht es um Anpflanzungen, die auf der Grenze stehen und damit von vornherein erlaubtermaßen keinen Grenzabstand einhalten können. Dass für Anpflanzungen auf der Grenze § 40 nicht gelten soll, ergibt sich auch aus § 39 Nr. 5 NachbGSchlH, der bestimmt, dass § 37 NachbGSchlH nicht für Hecken auf der Grenze gelte. Da für solche Hecken damit weder eine Abstandsregelung noch ein Anspruch auf Rückschnitt gilt, kommt bei ihnen auch die Vorschrift zum Anspruchsausschluss nach § 40 nicht zur Anwendung.

cc)

31

Die rein faktische Rechtsmacht der Kläger, bei einem Streit um ihre Zustimmungspflicht das Fällen der Bäume für gewisse Zeit hinauszögern zu können, ist nicht berücksichtigungsfähig.

32

Ihrem Prozessbevollmächtigten, der in der Berufungsverhandlung hierzu näher vorgetragen hat, ist zuzugestehen, dass den Klägern diese Möglichkeit sicher offengestanden hätte, wenn die Beklagten den gesetzlich vorgeschriebenen Weg eingehalten und vor dem Fällen der Bäume die Zustimmung der Kläger eingeholt hätten. Die Zustimmung hätte in einem ggf. längerwierigen Rechtsstreit eingeklagt werden müssen. Weitere Möglichkeiten der Verzögerung durch verwaltungsverfahrensrechtlich und verwaltungsgerichtlich verfolgte Anträge der Kläger auf behördliche Untersagung des Fällens der Bäume verbunden mit einer Untersagungsverfügung bis zum Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung sind darüberhinaus zumindest denkbar. Zuzugeben ist weiter, dass allein schon das Hinauszögern einer Zustandsveränderung einen wirtschaftlich messbaren Wert haben kann. Er bestünde im vorliegenden Fall darin, dass die Kläger in dieser Zeit noch den Vorteil hätten genießen können, den die Bäume aus ihrer Sicht als Blickfang und als Sichtschutz boten.

33

Die Beklagten haben den Klägern diese Möglichkeit genommen, indem sie sie vor vollendete Tatsachen gestellt haben. Das gereicht ihnen jedoch nicht zum Nachteil, weil die bloße Rechtsmacht, die Erfüllung eines Anspruchs hinauszögern zu können, nicht schutzwürdig ist. Wie ausgeführt, waren die Kläger zur Zustimmung verpflichtet. Dies kann auf der Grundlage des beiderseitigen Parteivortrags bereits jetzt abschließend beurteilt werden. Es steht deshalb fest, dass jedweder Versuch der Kläger, das Fällen der Bäume zu verhindern, unberechtigt gewesen wäre. Die formal gegebene Rechtsmacht, die Erfüllung einer Verpflichtung durch Ausschöpfen von Rechtsbehelfen hinauszögern zu können, ist für sich betrachtet rechtlich nicht schutzwürdig. Deshalb kann ein Schaden durch Vereitelung der rechtlichen Möglichkeiten, die Erfüllung einer Verpflichtung unberechtigt hinauszuzögern, nicht erstattungsfähig sein. Der Fall ist in dieser Hinsicht anders als der des Landgerichts München, das einem eigenmächtig handelnden Grundstückseigentümer den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Nachbarn versagt hat (LG München NJW 1976, 973). Im dortigen Fall stand nicht fest, dass der Nachbar zur Zustimmung verpflichtet gewesen wäre. So ist es aus den oben dargelegten Gründen jedoch hier. Hier ließe sich der Schadensersatzanspruch nur mit dem schuldhaft rechtswidrigen Vorgehen der Beklagten als solchem begründen. Wie erwähnt, dient der Schadensersatzanspruch jedoch nicht der Bestrafung des Schädigers, sondern dem Ausgleich des Schadens, den der Geschädigte bei rechtmäßigem Verhalten nicht erlitten hätte. Ein solcher Schaden besteht nicht, denn rechtmäßigerweise hätten die Kläger dem Fällen zustimmen müssen

34

Die Berufung war nach allem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf die §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

35

Für eine Rückübertragung des Rechtsstreits an den Senat nach § 526 Abs. 2 ZPO zur Vorbereitung einer Revisionszulassung nach § 543 Abs. 2 ZPO bestand kein Anlass.


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