Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (2. Strafsenat) - 2 WS 69/19

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss dahin abgeändert, dass die Vollstreckung der Einziehung unterbleibt, soweit sie einen Betrag von 515,00 € Bargeld und das Guthaben des Betroffenen bei der Aachener Bausparkasse gemäß Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel vom 10. September 2018 übersteigt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

1

Der Betroffene ist durch die 10. große Strafkammer des Landgerichts Kiel mit Urteil vom 19. April 2018 – 10 KLs 6/16 - wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in drei Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt worden. Zudem hat das Landgericht die Einziehung von 60.000 € angeordnet. Der Wert der erlangten und schon veräußerten Betäubungsmittel beläuft sich abzüglich selbst konsumierter Betäubungsmittel auf 60.000 €. Bei der Einfuhr im Rahmen der letzten angeklagten Tat sind die zum Weiterverkauf vorgesehenen Betäubungsmittel sichergestellt worden. Diese Ware hatte der Betroffene bei ihrem Erwerb allerdings bereits vorab bezahlt.

2

Der Betroffene verfügte über Bargeld in Höhe von 515,00 €, sowie über einen Bausparvertrag mit einem sich im September 2018 auf 7.056,50 € belaufenden Guthaben. Das Bargeld war sichergestellt worden, hinsichtlich des Guthabens des Bausparvertrages hatte die Staatsanwaltschaft am 10. September 2018 zu 593 Js 32610/15 V einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen. Ausweislich der im Erkenntnisverfahren getroffenen Feststellungen war der Betroffene bei Verfahrensende Student im Rahmen eines sogenannten dualen Studiums.

3

Der Betroffene beantragte über seinen Verteidiger eine gerichtliche Entscheidung gem. § 459o StPO dahin, dass die Vollstreckung der Einziehung unterbleibe, da er i.S.v. § 459g Abs. 5 S. 1 StPO entreichert sei. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag abgelehnt. Zur Begründung beruft sich die Strafvollstreckungskammer auf eine entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens aus §§ 818 Abs. 4, 819 BGB im Rahmen von § 459g Abs. 5 S. 1 StPO. So sei von der Vollstreckung der Einziehung trotz Entreicherung nicht abzusehen, wenn der Betroffene den Mangel des rechtlichen Grundes zum Behaltendürfen des Vermögenszuwachses zum Zeitpunkt des Empfangs kannte. Dies ergebe sich aus der quasi-bereicherungsrechtlichen Rechtsnatur der Einziehung.

4

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft verteidigt den angefochtenen Beschluss.

II.

5

Die gem. §§ 459o, 462 Abs. 3 S. 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache überwiegend Erfolg.

6

Die Vollstreckung der Einziehung aus dem Urteil vom 19. April 2018 kann lediglich hinsichtlich der sichergestellten 515,00 € Bargeld und hinsichtlich des Bausparguthabens, im September 2018 in Höhe von 7.056,50 €, erfolgen. Hinsichtlich des diesen – seinerzeit sich insgesamt auf 7.571,560 € belaufenden - Betrag übersteigenden weiteren Betrages hat die Vollstreckung gem. § 459g Abs. 5 S. 1 StPO zu unterbleiben. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Betroffene – würden mit dem Landgericht die für das zivilrechtliche Bereicherungsrecht geltenden Wertungen der §§ 818 Abs. 4, 819 BGB entsprechend angewandt – seine mangelnde Berechtigung grundsätzlich kannte.

7

Denn zum einen war der Betroffene bereits zum Zeitpunkt der Sicherstellung der Betäubungsmittel und damit vor Anklageerhebung insoweit entreichert, wie er die beschafften Betäubungsmittel in Folge der Sicherstellung nicht weiterveräußern konnte. Der Betroffene hat insoweit das Erlangte damit nicht in Kenntnis der erhobenen oder drohenden Anklage noch weiter ausgegeben. Allenfalls hierauf, nicht aber auf den früheren Zeitpunkt der Verwendung des Erlangten im deliktischen Kontext vermag es aber überhaupt anzukommen, weil anderenfalls Tatbeteiligte stets im Sinne der §§ 818 Abs. 4 BGB, 819 BGB verschärft haften würden.

8

Zum anderen sieht der Senat nicht, dass im Anschluss an Köhler (zuletzt Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, 62. Aufl., Rn. 13 zu § 459 g StPO) der Rechtsgedanke der §§ 818 Abs. 4, 819 BGB zur Interpretation des § 459g StPO überhaupt zulässigerweise herangezogen werden kann. Der dem ersten Anschein nach vorhandenen Parallelität zur im Zivilrecht in §§ 818 Abs. 4, 819 BGB geregelten Interessenlage zum Trotz geht es dort allein um die Bewältigung eines Konflikts bei der Vermögenszuordnung, während im Kontext der Vermögensabschöpfung sowohl Belange der Vermögensabschöpfung und Rückgewinnungshilfe als auch die Auswirkungen auf die Strafzwecke und Vollstreckungsziele zu beachten sind. Erkennbar hat sich der Gesetzgeber für eigenständige Wertungen des Vollstreckungsrechts entschieden, um zwar einerseits die Vermögensabschöpfung zu effektivieren, andererseits aber die „Tatbeteiligten vor der Gefahr der „erdrosselnden“ Wirkung der Wertersatzanordnung trotz möglicher Entreicherung zu schützen“ (so die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zur Neufassung des § 459g StPO, BT-Drs. 18/9525, S. 94).

9

Insoweit verdeutlicht aber bereits die in § 495g Abs. 5 Satz 1 StPO enthaltene Gesetzesformulierung - heißt es dort doch: „… soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist oder die Vollstreckung sonst unverhältnismäßig ist“ –, dass stets die Grenze der Unverhältnismäßigkeit zwingend zu beachten ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. März 2019 – 4 StR 45/19 -, NStZ-RR 2019, 252 f.) und dass die Entreicherung den vertypten Regelfall der Unverhältnismäßigkeit darstellt. Bei der Bestimmung der Entreicherung – welche durchaus der Anwendung von Wertungskriterien zugänglich ist - läuft aber eine schlichte Anwendung des Rechtsgedankens aus §§ 818 Abs. 4, 819 BGB dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit deutlich zuwider. Vielmehr wird es darauf ankommen müssen, zu welchem Zeitpunkt, aufgrund welcher Dispositionen und mit welchen Folgen für ihn selbst der Betroffene den Wert des Erlangten verloren hat und ob die weitere Vollstreckung mit dem nicht-repressiven Charakter der Einziehung noch in Einklang steht.

10

Auch insoweit darf aber vorliegend nicht übersehen werden, dass der Betroffene den in der neu angeschafften Ware liegenden Wert nach deren Sicherstellung im Wesentlichen nicht mehr realisieren konnte und auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er über die noch vorhandenen Vermögenswerte hinaus andere Vorteile in einer zu mißbilligenden Weise hatte ziehen können. So hätte es etwa liegen können, wenn er die eingenommenen Verkaufserlöse „verprasst“ hätte und damit letztlich Aufwendungen für Luxusausgaben erspart hätte (vgl. – wenn auch noch zu § 73c StGB a.F. - BGH, Urteil vom 2. Dezember 2014 – 3 StR 246/04 --, NStZ-RR 2005, 104). Auch steht der Betroffene noch am Anfang seiner beruflichen Entwicklung, für die eine eklatante Verschuldung ohne Zweifel einen gehörigen Hemmschuh darstellen würde. Dann würde aber die Einziehung über das gebilligte Volumen hinaus letztlich eine weitere repressive Maßnahme darstellen und die Resozialisierung des Betroffenen unverhältnismäßig belasten.

11

Anders liegt es hingegen bei den noch vorhandenen Vermögenswerten, also dem Bargeld und dem Bausparguthaben. Ob und inwieweit exakt die Erlöse aus den Abverkäufen von Drogen in diese Positionen geflossen sind, ist hierbei angesichts der in jedem Vermögen stattfindenden Umschichtungen ohne Belang.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 S. 1 StPO.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen