Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (Vergabesenat) - 54 Verg 2/20

Tenor

Die Entscheidung der Vergabekammer vom 17.04.2020 wird auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin mit Ausnahme der Festsetzung der Kostenhöhe aufgehoben. Die Antragsgegner werden verpflichtet, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats fortzusetzen.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer tragen die Antragsgegner als Gesamtschuldner. Von den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in dem Nachprüfungsverfahren notwendigen Auslagen der Antragstellerin tragen die Antragsgegner jeweils 1/3.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 S. 3 GWB und den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in dem Beschwerdeverfahren notwendigen Auslagen der Antragstellerin tragen die Antragsgegner und die Beigeladene jeweils 1/4.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Die Antragsgegner und die Beigeladene tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Streitwert wird auf bis zu 6.050.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegner schrieben mit Bekanntmachung vom 21.11.2019 (Anlage Ast 1 zum Nachprüfungsantrag) gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen mit Linienbussen und Anruf-Sammel-Taxen aus. Unter Ziff. III.1.3 wurde als Eignungskriterium zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit die Beschreibung von maximal zehn bisher erbrachten Busverkehrsleistungen sowie Angaben zu Erfahrungen im Verbundverkehr und in der Verbundintegration gefordert. Angebote waren (nach einer Änderung der Bekanntmachung) bis zum 25.02.2020 einzureichen.

2

Die Auftragsunterlagen umfassten die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Anlage Ast 3) sowie die Vergabeunterlagen (Anlage Ast 4). In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots wurde von den Bietern der Nachweis der Fachkunde gefordert. Durch Verweise auf Ziff. 32 und Ziff. 11 Abs. 4 und 5 der Vergabeunterlagen wurden die Angaben, welche Leistungen im Linienverkehr erbracht wurden und welche Erfahrungen mit Verbundverkehr und Verbundintegration bestehen, gefordert. Ergänzend wurden für Bieter, die noch keine Linienverkehre durchgeführt haben, Angaben über die Fachkunde der Betriebsleiter gefordert.

3

Unter Ziff. 20 der Vergabeunterlagen wurden die Grundlagen der Angebotskalkulation beschrieben. Die Bieter hatten in einem Kalkulationsschema (Anlage 20.1), das aus Excel-Tabellen bestand, bestimmte Kosten einzutragen. Aus diesen Angaben wurden mit Hilfe der in der Tabelle hinterlegten Formeln Verrechnungssätze errechnet.

4

In Ziff. 20 Abs. 10 der Vergabeunterlagen war eine Preisgleitklausel vorgesehen, um die Preisentwicklung von Kraftstoff und Löhnen aufzufangen. Die Preise sollten sich nach einem bestimmten Berechnungsschema auf der Grundlage von Indizes ändern. Die Antragstellerin sah darin wegen der stetig steigenden Entwicklung des Tarifniveaus mit unbekanntem Ausgang ein Risiko und fragte an, ob die tatsächliche Steigerung der Personalkosten als Index herangezogen werden könne. In der Bieterinformation Nr. 4 vom 20.12.2019 (Anlage Ast 9) teilten die Antragsgegner mit, dass das nicht in Betracht komme, da die Vorgaben so gewählt seien, dass die Unternehmen in den Tarifverhandlungen weiterhin ein Eigeninteresse an maßvollen Tarifabschlüssen hätten. Sie wiesen darauf hin, dass im Fall absolut ungewöhnlicher und unvorhersehbarer Entwicklungen es möglich sein werde, diese und ihre Auswirkungen auf die Kalkulationsgrundlagen im Rahmen der vertraglich vereinbarten ständigen Zusammenarbeit zu diskutieren und auch zu lösen.

5

Die Antragstellerin stellte eine falsche Verlinkung von zwei Zellen in dem Kalkulationsschema Anlage 20.1 fest. In ihrer Bieterinformation Nr. 16 vom 20.02.2020 (Anlage Ast 7) wiesen die Antragsgegner darauf hin, dass das Arbeitsblatt „Nachrichtliche Information“ vereinzelt Formel- und Bezugsfehler aufweise und es daher für ungültig erklärt werde. Es habe für die Angebotswertung und die spätere Vertragsabrechnung keine Bedeutung. Die Ungültigerklärung habe keine Auswirkung auf die übrigen Arbeitsblätter.

6

Unter anderem die Antragstellerin und die Beigeladene gaben Angebote sowohl für jedes der drei Lose als auch Gesamt-Angebote ab. Durch eine Mitteilung im Vergabeportal, auf die sie die Antragstellerin mit E-Mail vom 09.03.2020 hinwiesen, gaben die Antragsgegner bekannt, dass sie der Beigeladenen den Zuschlag auf das Gesamt-Angebot zu erteilen beabsichtigten.

7

Mit Anwaltsschreiben vom 12.03.2020 (Anlage Ast 11) rügte die Antragstellerin verschiedene Verstöße gegen das Vergaberecht, unter anderem die Intransparenz der Angebotswertung, die Gefahr, dass Bieter die Mitteilung in der Bieterinformation Nr. 4 zu der Abgabe spekulativer Angebote nutzen könnten und die unvollständige Aufführung der Eignungskriterien in der Bekanntmachung. Zudem teilte sie mit, dass die Erbringung der Verkehrsleistungen in den ausgeschriebenen drei Losen rund 90 Busse erfordere und sie aufgrund ihrer Marktkenntnisse Zweifel daran habe, dass die Beigeladene über diese Kapazitäten verfüge, auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, zu 30 % Nachunternehmer heranzuziehen. Mit Schreiben vom 19.03.2020 (Anlage Ast 14) wiesen die Antragsgegner die Rügen zurück.

8

Am 20.03.2020 stellte die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die Angebotswertung sei intransparent und diskriminierend gewesen. Es werde nicht erläutert, wie der Wertungspreis ermittelt werde. Zwar werde die Angabe bestimmter Mengensätze und Kosten gefordert, es fehle jedoch eine Erklärung, wie sich aus den Kosten der Angebotspreis errechne. Aus der auszufüllenden Excel-Tabelle seien die Preisformeln nicht zu ersehen. Es sei auch nicht zu ersehen, ob diese Formeln zutreffend programmiert gewesen seien. Die Bieter hätten so die eigenständige Berechnung in der Tabelle nicht selbst überprüfen können.

9

Es komme hinzu, dass das Kalkulationsschema fehlerhaft sei. Excel-Dateien seien fehleranfällig. Dass konkret bei dem Kalkulationsschema Fehler vorlägen, habe sie im Rahmen der Angebotserstellung festgestellt und zum Gegenstand einer Bieteranfrage gemacht. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Tabelle ergebe, dass bei der Eingabe bestimmter Werte unplausible Ergebnisse ausgewiesen würden. Es gebe Rundungsdifferenzen von -0,5 % bis +0,5 %. Diese würden zwar in den Kostenarbeitsblättern ausgewiesen, nicht aber im Deckblatt, aus dem sich der wertungserhebliche Gesamtpreis ergebe.

10

Die Bieterinformation Nr. 4 eröffne Interpretationsspielräume und lade zu einer spekulativen Preisgestaltung ein. Bieter könnten sie zum Anlass genommen haben, das Risiko von Tariferhöhungen nicht in der Kalkulation zu berücksichtigen und einzupreisen, sondern darauf zu spekulieren, die Tariferhöhung über eine Anpassung des Leistungsentgelts während der Vertragsausführung abzufedern.

11

Es sei zu besorgen, dass die Beigeladene die Leistungsanforderungen nicht erfülle und die Antragsgegnerin deren Angebot insoweit nicht hinreichend geprüft habe. Sie sei der Auffassung, dass für die Leistungserbringung mindestens 79 Fahrzeuge zzgl. einer Fahrzeugreserve erforderlich seien, was sich aus einem Umlaufplan für die zwischen 6:00 Uhr und 8:00 Uhr vorgesehen Verbindungen ergebe (Anlage Ast 15). Aus einer Mitarbeiterinformation der Beigeladenen (Anlage Ast 16) ergebe sich aber, dass diese lediglich 75 Fahrzeuge vorgesehen habe.

12

Die Eignungskriterien seien nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden. Nach § 122 Abs. 4 S. 2 GWB seien die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Hier enthalte jedoch Ziff. 11 Abs. 4 der Vergabeunterlagen eine deutlich umfangreichere Beschreibung als die Bekanntmachung. Sie ergänze und konkretisiere die Anforderungen an die Eignung, indem sie differenziere, ob die Leistungen selbst oder durch Nachunternehmer erbracht würden, und Eignungsnachweise auch für Newcomer vorsehe.

13

Die Antragstellerin hat beantragt,

14

die Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzuführen;

15

den Antragsgegnern die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen aufzuerlegen;

16

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch sie für notwendig zu erklären.

17

Die Antragsgegner haben beantragt,

18

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

19

die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch sie für notwendig zu erklären;

20

der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

21

Die Antragsgegner haben im Wesentlichen ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Eine etwa intransparente Angebotswertung habe die Antragstellerin bereits vor Ablauf der Angebotsfrist rügen müssen. Es sei erkennbar gewesen, wenn für die Ermittlung des Preises unzureichende Vorgaben gemacht worden und Excel-Kalkulationsschemata fehleranfällig gewesen wären, die Bieterinformation Nr. 4 nicht für alle Bieter gleich verständlich gewesen und die Veröffentlichung der Eignungskriterien unvollständig gewesen wäre. Denn dies betreffe die jedem Bieter obliegende Angebotserstellung nebst Preiskalkulation bzw. die für jeden Bieter relevante Thematik der Eignungsnachweiserbringung in grundlegender Weise.
Eine Rüge hinsichtlich der fehlenden Überprüfung der von der Beigeladenen vorgehaltenen Fahrzeugkapazität sei vor Stellung des Nachprüfungsantrags nicht erhoben worden. In dem Rügeschreiben vom 12.03.2020 sei allenfalls die grundsätzliche Eignung der Beigeladenen angezweifelt worden.

22

Das Vorbringen der Antragstellerin sei unsubstantiiert. So sei die behauptete Fehleranfälligkeit von komplexen Excel-Dateien haltlos. Konkrete Fehler der wertungsrelevanten Bestandteile trage die Antragstellerin nicht vor. Dass Bieter die Bieterinformation Nr. 4 zur Abgabe spekulativer Angebote genutzt hätten, sei nicht stichhaltig. Es sei nicht ersichtlich, dass Bieter tatsächlich eine solche Strategie verfolgt hätten. Das Vorbringen, die Überprüfung des Angebots der Beigeladenen sei unterlassen worden, sei haltlos.

23

Der Antragstellerin fehle die Antragsbefugnis, weil sie keinen Schaden dargelegt habe. Selbst wenn die gerügten Vergaberechtsverstöße vorlägen, läge darin keine Verletzung von vergaberechtlich geschützten Rechten der Antragstellerin und drohe dadurch kein Schaden. Etwaige Fehler bei der Berechnung der Wertungspreissumme träfen alle Bieter gleichermaßen. Eine etwa unzureichende Bekanntmachung der Eignungskriterien habe sich auf die Rechtsstellung der Antragstellerin nicht ausgewirkt, weil weder für sie noch für die Beigeladene die Eignung ernsthaft infrage stehe.

24

Der Antrag sei jedenfalls unbegründet. Die Angebotswertung sei nicht vergaberechtswidrig. Es sei jedem Bieter ersichtlich gewesen, wonach sich der für die Wertung maßgebliche Preis bestimme und wie sich dieser mittels seiner Kalkulation ergebe. Fehler der Berechnung lägen nicht vor. Rundungsdifferenzen ergäben sich daraus, dass Verrechnungssätze teils auf zwei, teils auf fünf Nachkommastellen gerundet seien. Dies sei nicht völlig vermeidbar. Der Effekt sei bei dem Ausfüllen des Kalkulationsblattes transparent und nachvollziehbar. Die Auswirkungen aller Rundungen hätten bei der Antragstellerin 0,00008 % und bei der Beigeladenen 0,00010 % betragen, was keine Auswirkung auf die Wertungsreihenfolge hätte haben können.
Ihre Bieterinformation Nr. 4 habe nicht zu einer Spekulation geführt, weil sie sich nicht auf die aktuellen Tarifverhandlungen, sondern auf extreme Ausnahmefälle bezogen habe. Eine solche Selbstverständlichkeit könne die Annahme einer unzulässigen Preisspekulation nicht begründen.

25

Sie hätten das Angebot der Beigeladenen geprüft und nicht zu beanstanden gefunden. Diese habe eine Fahrzeugmenge angeboten, die die ordnungsgemäße Verkehrsdurchführung sicherstelle und die von der Antragstellerin angegebene Zahl nicht unterschreite.
Die Bekanntmachung der Eignungskriterien sei vergaberechtskonform. Aufgrund der Bekanntmachung sei jedem Bieter klar gewesen, welche Nachweise er zu erbringen habe. Die Angaben stünden nicht im Widerspruch zu den Angaben in den Vergabeunterlagen.

26

Die Beigeladene hat sich zu dem Nachprüfungsantrag nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

27

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag verworfen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich der gerügten fehlerhaften Bekanntmachung der Eignungskriterien sei die Antragstellerin nicht antragsbefugt. Sie habe keinen eigenen entstandenen oder drohenden Schaden dargelegt. Weder sei ihre Eignung angezweifelt worden, noch bestreite sie die Eignung der Beigeladenen. Es sei keine nachteilige Wirkung etwa fehlender Angebote weiterer potenzieller Interessenten dargelegt. Im Übrigen sei der Vortrag der Antragstellerin auch präkludiert. Der gerügte Vergabeverstoß sei aus der Bekanntmachung bzw. den Vergabeunterlagen sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht erkennbar gewesen. Dazu habe der Abgleich des Wortlautes der §§ 122 GWB und 48 VgV mit dem Wortlaut der Bekanntmachung und den Ausführungen in den Vergabeunterlagen genügt.
Bezüglich der etwa ermöglichten spekulativen Preisbildung sei die Antragstellerin präkludiert. Sie habe bis zum Ablauf der Angebotsfrist keine Rüge erhoben, obwohl der etwaige Vergabeverstoß aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen sei. Zu den Vergabeunterlagen hätten auch die Antworten auf Bieteranfragen gehört. Der etwaige Vergabeverstoß sei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erkennbar gewesen. Seien Vergabeunterlagen interpretierbar, werde das dem Bieter im Zusammenhang mit der Angebotserstellung deutlich, vor allem wenn es um kalkulationsrelevante Teile gehe. Hinsichtlich der rechtlichen Erkennbarkeit gebe es keinen durchschnittlichen Bieter, sondern komme es auf die konkrete Vergabe und den Bieterkreis an. Wenn nach dem Vorbringen der Antragstellerin erkennbar gewesen sei, dass die Bieterantwort zur spekulativen Preisbildung einlade, so gelte das für alle Bieter und auch für die Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes.

28

Soweit die Antragstellerin die Angebotswertung als intransparent und gleichheitswidrig beanstande, sei sie präkludiert. Der etwaige Vergabeverstoß sei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen und hätte so bis Ablauf der Angebotsfrist gerügt werden müssen. Dass Erläuterungen der Zusammensetzung des Wertungspreises, insbesondere Erläuterungen der automatischen Berechnung in den Vergabeunterlagen fehlten, sei diesen unmittelbar zu entnehmen. Auf diese Problematik habe ein sorgfältiger Bieter bei der Erstellung der Kalkulation zwangsläufig stoßen müssen. Auch seien in den Kalkulationsschemata Rundungsdifferenzen ausgewiesen worden. Seien Berechnungen und Rundungsdifferenzen nicht nachvollziehbar, fehle es an der notwendigen Transparenz. Bei dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Transparenzgrundsatz handele es sich um vergaberechtliche Grundprinzipien, die bei sorgfältigen Bietern vorausgesetzt werden könnten und müssten. Auch etwaige Formelfehler seien erkennbar gewesen, was sich zumindest aus der Bieterantwort vom 20.02.2020 ergebe. Die Antragstellerin selbst trage vor, es liege auf der Hand, dass sich auch in wertungsrelevanten Teilen des Kalkulationsschemas Fehler hätten befinden können.

29

Hinsichtlich der Rüge, die Antragsgegner hätten nicht hinreichend geprüft, ob die Beigeladene die gestellten Leistungsanforderungen erfülle, sei die Antragstellerin präkludiert, weil die Rüge nicht alle notwendigen Angaben enthalten habe. Fehle dem Bieter mangels Kenntnis der Angebote anderer Bieter die Möglichkeit, Verstöße sicher darzulegen, dürften zwar die Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsverletzung nicht überzogen werden. Die Darlegung müsse jedoch über eine vage und pauschale Behauptung einer Rechtsverletzung hinausgehen. Dies erfülle die Antragstellerin in dem Nachprüfungsantrag, indem sie darlege, für die Erfüllung der Leistungsanforderungen seien nach ihrem Umlaufplan mindestens 79 Fahrzeuge zuzüglich Reserve erforderlich, die Beigeladene plane jedoch nach ihrer Mitarbeiterinformation nur den Einsatz von 75 Fahrzeugen zuzüglich Leistungsreserve. Das sei jedoch nicht in der gebotenen Deutlichkeit gerügt worden. Schon bei der Prüfung, ob ein Vergaberechtsverstoß zu rügen sei, habe der Bieter Erkenntnisquellen auszuschöpfen, die ihm ohne großen Aufwand zur Verfügung stünden. Er müsse, um eine Überprüfung zu ermöglichen, angeben, woher seine Erkenntnisse stammten. Nur auf diese Weise könne eine substantiierte Rüge von einem bloßen Vortrag ins Blaue hinein abgegrenzt werden. Im Rügeschreiben habe sich die Antragstellerin nur auf ihre Marktkenntnisse bezogen, ohne darzulegen, woraus sich diese Marktkenntnisse ergäben. Das sei aber notwendig gewesen, um eine Überprüfung zu ermöglichen.

30

Gegen diesen Beschluss richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und begründete sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der Nachprüfungsantrag sei zulässig gewesen. Sie sei auch hinsichtlich der fehlerhaften Bekanntmachung der Eignungskriterien und Eignungsnachweise antragsbefugt gewesen. An die Darlegung eines möglichen Schadens dürften keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur transparenten Veröffentlichung der Eignungskriterien und Eignungsnachweise sei ein schwerwiegender Verfahrensfehler. Die Folge sei, dass Eignungsanforderungen nicht wirksam aufgestellt und Nachweise nicht wirksam gefordert worden seien. Ohne Eignungskriterien könne keine Bieterauswahl erfolgen, sodass das Verfahren an einem irreparablen Fehler leide, der nur durch eine Zurückversetzung korrigiert werden könne. Das gelte auch, wenn die Eignung der Bieter nicht konkret im Zweifel stehe. Es liege auf der Hand, dass sie bei einer Zurückversetzung bessere Chancen auf den Zuschlag haben könne.

31

Die Rügen seien nicht präkludiert. Die Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes setze die vollständige Kenntnis der Tatsachen und eine zumindest laienhafte rechtliche Bewertung, dass sie zu einer Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren führten, voraus. Das sei erst der Fall, wenn der Verstoß einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots auffallen müsse. Maßstab sei der durchschnittlich fachkundige Bieter. Auf individuelle Kenntnisse des jeweiligen Bieters komme es nicht an. Die vergaberechtswidrige Gestaltung der Vorgaben zur Angebotswertung sei für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter nicht erkennbar gewesen. Der rechtliche Schluss, dass ein Verstoß gegen das Transparenzgebot und den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliege, dränge sich nicht auf. Denn es seien zumindest einige Ausführungen zu den Parametern der Angebotskalkulation in den Vergabeunterlagen enthalten gewesen. Es gehe im Kern darum, ob diese Angaben ausreichend gewesen seien, was der gerichtlichen Klärung bedürfe. Hinsichtlich der Rundungsdifferenzen hätten die Antragsgegner zwar Formel- und Bezugsfehler eingeräumt, dabei jedoch betont, dass diese auf die wertungsrelevanten Blätter der Tabelle keine Auswirkung hätten. Darauf habe sich ein Bieter verlassen dürfen. Aus dem Erkennen von Rundungsdifferenzen allein ergebe sich noch kein Erkennen eines Vergaberechtsverstoßes. Denn dieser liege erst darin, dass die in die Tabelle eingebetteten Formeln zu unerklärlichen Verzerrungen führten und die Rundungsdifferenzen erheblich seien, was nicht ohne Weiteres ersichtlich sei. Hinsichtlich der spekulativen Preisbildung bei den Lohnkosten gehe es um den durch die Bieterantwort eröffneten Interpretationsspielraum. Künftige Lohnsteigerungen nicht in das Angebot einzupreisen, sondern auf Nachträge zu spekulieren, stehe einer Mischkalkulation gleich, was sich rechtlich nicht aufdränge. Hinsichtlich der intransparenten Bekanntmachung der Eignungskriterien genüge der Vergleich mit dem Wortlaut der Vorschriften noch nicht, damit sich für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei der Durchsicht der Bekanntmachung und der Vergabeunterlagen der rechtliche Schluss aufdränge, dass die Formulierungen hinter den gesetzlichen Anforderungen zurückblieben. Davon könne in Anbetracht der noch uneinheitlichen Rechtsprechung zu der erst im Zuge der Vergaberechtsreform 2016 eingeführten Vorschrift des § 122 Abs. 4 S. 2 GWB keine Rede sein.

32

Sie habe ihre Rügen ordnungsgemäß erhoben. Ein Bieter habe naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens, sodass er im Nachprüfungsverfahren behaupten dürfe, was er auf der Grundlage seines Informationsstandes redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten dürfe. Insoweit könne ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie sich auf ihre Marktkenntnisse berufen habe. Im Zeitpunkt der Rüge hätten ihre Erkenntnisse auf der langjährigen Tätigkeit im ÖPNV-Markt in Schleswig-Holstein beruht. Sie habe die Entwicklung dieses Marktes und die geschäftliche Entwicklung der Beigeladenen genau verfolgt. Sie habe dadurch einen Überblick gewonnen, über wie viele Fahrzeuge die Beigeladene etwa verfüge. Die mit dem Nachprüfungsantrag vorgelegte Mitarbeiterinformation vom 11.03.2020 habe ihr bei der Rügeerhebung am 12.03.2020 noch nicht vorgelegen.

33

Der Nachprüfungsantrag sei, wie bereits im Verfahren vor der Vergabekammer dargelegt, begründet.

34

Die Antragstellerin beantragt,

35

die Entscheidung der Vergabekammer Schleswig-Holstein vom 17.04.2020, VK-SH 04/20, aufzuheben;

36

die Beschwerdegegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts fortzuführen;

37

die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch sie für notwendig zu erklären;
den Beschwerdegegnern die Kosten des Verfahrens sowie ihre notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

38

Die Antragsgegner beantragen,

39

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen;

40

der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Antragsgegner aufzuerlegen.

41

Die Antragsgegner verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres Vortrags vor der Vergabekammer.

42

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

43

Der Antragstellerin ist auszugsweise Akteneinsicht in das von der Beigeladenen ausgefüllte Kalkulationsschema und den Vermerk der Antragsgegner zur Angebotsaufklärung mit der Beigeladenen gewährt worden. Daraus ergibt sich, dass die Beigeladene im Kalkulationsschema in der Zeile „Fahrzeugreserve in %“ „0,00 %“ eingetragen hat. Auf die Fragen der Antragsgegner, wo die Fahrzeugreserve kalkuliert und wie hoch sie bemessen sei, antwortete die Beigeladene zunächst, dass eine auf langjährigen Erfahrungen basierende Fahrzeugreserve in der Position „€ je Fahrzeug und Jahr“ einkalkuliert sei und gab auf weitere Nachfrage einen bestimmten Prozentsatz an.

44

Nachdem sie ergänzende Akteneinsicht erhalten hat, rügt die Antragstellerin weiter, das Angebot der Beigeladenen enthalte entgegen § 53 Abs. 7 S. 2 VgV nicht die geforderten Preise. Da die Beigeladene die Kosten der Fahrzeugreserve mit 0 % angesetzt habe, sei ihre Preisangabe nicht vollständig. Zudem enthalte das Angebot so entgegen § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV nicht alle geforderten Angaben. Eine Fahrzeugreserve sei nicht angeboten worden. Schließlich habe die Beigeladene eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen i. S. d. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV vorgenommen, indem sie die Kosten der Fahrzeugreserve angeblich in die Kosten je Fahrzeug eingerechnet habe.

45

Die Beschwerdegegner vertreten die Auffassung, die Beigeladene sei nicht von zwingenden Kalkulationsvorgaben abgewichen. Ihnen sei es ersichtlich um die Summe der Kosten in Zeile 27 gegangen, um die Beinhaltung einer ausreichenden Fahrzeugreserve zu prüfen. Diese sei durch die Eintragungsweise der Beigeladenen nicht verändert worden, sodass sie keine falschen Preisangaben gemacht habe. Im Übrigen scheide ein Ausschluss eines Angebots allein nach dem Gedanken formaler Ordnung aus.

46

Die Beigeladene trägt vor, sie habe das Kalkulationsschema zutreffend ausgefüllt. Sie werde für die Erfüllung des Auftrags 79 Neufahrzeuge anschaffen. Der Rahmenvertrag mit dem Hersteller sehe eine Verfügbarkeitsgarantie vor. Der Hersteller habe dafür eine bestimmte Anzahl Fahrzeuge - i. d. R. Schulungs- oder Vorführfahrzeuge - vorgesehen, die er innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zur Verfügung stellen könne. Ferner habe der Hersteller angeboten, eine verlängerte Gewährleistung zu vereinbaren und unter der Gewährleistung ein Fahrzeug z. B. bei technischem Defekt, kurzfristig zu reparieren. Die Verfügbarkeitszusage sei mit dem Kaufpreis abgegolten. Daneben verfüge sie über ausreichend eigene Fahrzeuge, die als Ersatzfahrzeuge für andere Verkehrsverträge angeschafft worden seien und kurzfristig verfügbar gemacht werden könnten. Die fahrzeugbezogenen Kosten für diese Fahrzeuge seien über die anderen Verkehrsverträge abgegolten.

47

Es fielen so lediglich Kapitalkosten, Wartungs- und Instandhaltungskosten, Betriebshofkosten und Versicherungskosten für 79 Neufahrzeuge an. Nach den Vorgaben in Ziff. 20 Abs. 3 der Vergabeunterlagen seien diese Kosten in Zeile 25 einzutragen gewesen. Solche gesonderten Kosten fielen für die Fahrzeugreserve nicht an. Selbst wenn man aus dem Kaufpreis einen Anteil für die Verfügbarkeitszusage herausrechnen könnte, handelte es sich aus ihrer Sicht dennoch insgesamt um Kapitalkosten für die Neufahrzeuge. Im Übrigen sei ihr nicht bekannt, wie sich der Kaufpreis zusammensetze.

48

Sie habe die Aufklärungsfragen vollständig und zutreffend beantwortet. Sie habe nicht über die konkreten Fragen hinausgehend den Auftraggebern gegenüber ihr Fahrzeugkonzept als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis offenbaren müssen. Die Beschwerdegegner hätten zunächst nur gefragt, wo die Fahrzeugreserve kalkuliert sei, nicht warum das Feld mit „0,00 %“ ausgefüllt sei. Ihre Antwort, dass die Fahrzeugreserve in der Position „€ je Fahrzeug und Jahr“ kalkuliert worden sei, habe ihrer Kalkulation entsprochen. Auf die Frage wie hoch die Reserve bemessen sei, habe sie knapp geantwortet, dass eine auf langjähriger Erfahrung beruhende Fahrzeugreserve einkalkuliert sei. Auf die weitere Nachfrage habe sie zutreffend einen Prozentsatz angegeben, der gerundet der Anzahl der vorm Hersteller vorgesehenen Fahrzeuge entsprochen habe. Eine Begründung für ihre Angaben sei nicht gefordert worden.

49

Die Antragstellerin trägt nach Kenntnisnahme des Vortrags der Beigeladenen vor, diese habe nicht mit der ausreichenden Anzahl von Fahrzeugen kalkuliert und die Beschwerdegegner hätten die Leistungsfähigkeit nicht hinreichend geprüft. Sie verfüge nicht über eigene Ersatzfahrzeuge. Sie halte damit keine Reserven bereit, wie es in Ziff. B.1.3.2 der Anlage 18.1 zu den Vergabeunterlagen gefordert werde. Damit sei ein Vorhalten zur freien Verfügung gemeint. Nach Ziff. 18.2 Abs. 3 der Vergabeunterlagen müssten Ersatzfahrzeuge innerhalb von 30 Minuten jeden Teil des Netzes erreichen können. Dem könne ein Auftragnehmer, der über Reservefahrzeuge nicht einschränkungslos verfügen könne, nicht gerecht werden. Es sei unwahrscheinlich, dass der Hersteller im Vertragsgebiet Fahrzeuge bereithalte. Die auf Gewährleistung beruhende Verfügbarkeitsgarantie greife nicht ein, wenn ein Fahrzeug aus anderen Gründen ausfalle, etwa wegen Unfalls oder Verspätungen wegen Staus. Sie sei zudem zeitlich beschränkt auf den Gewährleistungszeitraum. Sie fange auch nicht den Ausfall auf, der aufgrund der begrenzten Laufzeit der Neufahrzeuge während des Vertragszeitraums zu erwarten sei. Nach Ziff. 17.3 der Vergabeunterlagen sei eine Fahrzeugliste einzureichen gewesen, die alle Fahrzeuge habe umfassen müssen, damit auch die Reservefahrzeuge. Das sei der Beigeladenen nicht möglich gewesen. Alle Fahrzeuge, also auch die Reservefahrzeuge, müssten die nach Anlagen 18.1 und 18.2 und Ziff. 17.2.2.5, 18.1 Abs. 5 der Vergabeunterlagen vorgesehenen Qualitätsvorgaben erfüllen, etwa was das Funk- und Betriebsleitsystem, die Möglichkeit des eTicketing mittels kontaktloser Chipkarten, Monitore, WLAN und Videoüberwachung angehe, und ein bestimmtes Design nach Ziff. 3.1.1, B 3 der Anlage 18.2 aufweisen. Das sei bei den Schulungs- und Vorführfahrzeugen des Herstellers nicht eingehalten. Es sei auch zweifelhaft, ob die jeweils notwendige Fahrzeugklasse zur Verfügung gestellt werden könne. Sie bestreite, dass der Beigeladenen in anderen Verkehrsgebieten in ausreichender Anzahl Fahrzeuge zur Verfügung stünden, die sie im Vertragsgebiet einsetzen könne. So grenze keines der von ihr bedienten Netze an das Vertragsgebiet an, sodass die Fahrzeuge nicht innerhalb von 30 Minuten am Einsatzort sein könnten. Die anderen Netze lägen nicht im Gebiet des HVV, sodass die Fahrzeuge dessen Qualitäts- und Designanforderungen nicht erfüllten. Es sei zu erwarten, dass die anderen Fahrzeuge die vorgeschriebene Altersgrenze von 12 Jahren überschritten. Es sei zu erwarten, dass die Laufzeit der Verträge für die anderen Netze vor der Laufzeit des Vertrages mit den Beschwerdegegnern ende.

50

Die Angaben der Beigeladenen im Kalkulationsschema seien falsch gewesen. Den Beschwerdegegnern sei es ersichtlich darauf angekommen, dass die Kosten für die Fahrzeugreserve separat angegeben würden. Auch für die Verfügbarkeitsreserve entstünden Kosten, die von der Beigeladenen auszuweisen gewesen wären. Für in anderen Netzen vorgesehene Busse entstünden ebenfalls nicht nur Fixkosten, sondern auch variable Instandhaltungskosten, die nach den gefahrenen Kilometern zu kalkulieren und in dem Kalkulationsschema für diesen Auftrag anzugeben gewesen seien.

51

Die Antragsgegner haben aufgrund der Erklärung der Beigeladenen zu ihrem Fahrzeugkonzept eine weitere Aufklärungsfrage dahingehend gestellt, wie die Beigeladene die Vorgabe erfüllen wolle, dass ein Ersatzfahrzeug innerhalb von 30 Minuten jeden Teil des Netzes erreichen können müsse. Die Beigeladene hat darauf geantwortet, dass diese Anforderung bereits mit den Fahrzeugen aus dem Regelbetrieb erfüllt werden könne, deren Einsatz umdisponiert werden könne. Daneben stünden die dezentral stationierten Fahrzeuge des Herstellers zur Verfügung. Mit einer gewissen Zeitverzögerung könne sie aus anderen Netzgebieten Ersatzfahrzeuge beschaffen. Wenn Schwächen ihres Konzepts erkennbar würden, könne sie auf Reservefahrzeuge aus anderen Netzen zugreifen und diese ggf. anderweitig platzieren. Die Antragsgegner hätten das als ausreichend gewertet, weil nur während bestimmter Einsatzspitzen alle Fahrzeuge gleichzeitig benötigt würden. Diese weitere Aufklärung ist im Termin vom 22.10.2020 erörtert worden.

II.

52

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Antragsgegner haben das Vergabeverfahren fortzusetzen und dabei zu prüfen, ob das Angebot der Beigeladenen von dem Verfahren auszuschließen ist.

53

1. Die sofortige Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 bis 3 GWB zulässig. Sie ist innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses der Vergabekammer erhoben, gleichzeitig begründet und durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet worden.

54

2. Die sofortige Beschwerde ist zum Teil begründet. Sie ist begründet, soweit der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet ist.

55

a) Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig.

56

aa) Der Nachprüfungsantrag ist nicht deswegen unzulässig, weil die Antragstellerin zwingend von dem Verfahren auszuschließen wäre und sie so entgegen § 160 Abs. 2 S. 2 GWB keinen drohenden Schaden darlegen könnte. Dass sie mit ihrem Nachprüfungsantrag die Mitarbeiterinformation der Beigeladenen vorgelegt hat, führt nicht zu ihrem Ausschluss.

57

Nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB kann der Auftraggeber ein Unternehmen von dem Vergabeverfahren ausschließen, wenn er hinreichende Anhaltspunkte dafür hat, dass es mit einem anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Danach hätten die Antragsgegner Ermessen, ob sie den Ausschluss erklären wollen. Dieses Ermessen müssen sie ausüben. Eine Verpflichtung zum Ausschluss käme nur infrage, wenn das Ermessen auf null reduziert wäre. Dazu ist nichts ersichtlich.

58

Es liegen bereits die Voraussetzungen eines Ausschlusses nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB nicht vor, weil die Beigeladene der Antragstellerin keine wettbewerbsbeschränkende Absprache mit einem anderen Unternehmen vorwirft. Eine extensive Auslegung auf andere wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, wie sie für § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. d VOB/A a. F. vertreten wurde, kommt nach der Neufassung des Gesetzes im Jahr 2016 nicht mehr in Betracht, weil dabei bestimmte wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen konkretisiert und EU-weit harmonisiert wurden (Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 124 GWB, Rn. 52).

59

Zudem ist die Vorlage der Mitarbeiterinformation nicht vergleichbar mit der Verwendung des einem Wettbewerber zugespielten Angebots eines anderen Wettbewerbers, die nach der alten Rechtslage zum Ausschluss führen konnte (OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.08.2005, Verg W 7/05). Denn das Angebot eines Wettbewerbers kann nur durch den Bruch des vergaberechtlichen Geheimhaltungsverbots einem anderen Wettbewerber bekannt werden. Dagegen wird eine Mitarbeiterinformation außerhalb des Vergabeverfahrens freiwillig einem größeren Kreis von Personen zugänglich gemacht, auch wenn die Beigeladene geltend macht, dass der Aushang nichtöffentlich in einem nichtöffentlichen Bereich erfolgt sei und die Mitarbeiter Verschwiegenheitserklärungen unterschrieben hätten.

60

Im Übrigen ist der Behauptung der Beigeladenen, die Information habe nur auf unredlichem Wege nach außen gelangen können, nicht mehr nachzugehen, weil sie gegen ihre Verfahrensförderungspflicht nach § 167 Abs. 2 S. 1 GWB verstoßen hat, indem sie die Behauptung erst im Schriftsatz vom 16.10.2020 aufgestellt hat. Die Verfahrensbeteiligten hatten so nicht mehr ausreichend Gelegenheit, bis zum Verhandlungstermin am 22.10.2020 darauf zu reagieren.

61

bb) Der Nachprüfungsantrag ist mit der Rüge der unzureichenden Prüfung des Angebots der Beigeladenen zulässig. Zulässig sind zudem die neu erhobenen Rügen. Im Übrigen fehlt der Antragstellerin teilweise die Antragsbefugnis und sind die Rügen präkludiert.

62

(1) Der Antragstellerin fehlt hinsichtlich der Rüge der fehlerhaften Bekanntmachung der Eignungskriterien die Antragsbefugnis. Nach § 160 Abs. 2 GWB hat der Antragsteller bei der Stellung des Nachprüfungsantrages darzulegen, dass er in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften verletzt ist und ihm dadurch ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

63

Die Antragstellerin rügt, dass die Eignungskriterien und die dazu einzureichenden Nachweise nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden seien. Nach § 122 Abs. 4 S. 2 GWB müssen die Eignungskriterien bereits in der Auftragsbekanntmachung aufgeführt werden. Ferner ist nach § 48 Abs. 1 VgV bereits in der Auftragsbekanntmachung anzugeben, mit welchen Unterlagen Bieter ihre Eignung zu belegen haben.

64

Zutreffend ist jedenfalls, dass die Eignungskriterien nicht deckungsgleich angegeben worden sind. In der Auftragsbekanntmachung ist unter Ziffer III 1.3 zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit die Beschreibung von maximal zehn bisher erbrachten Busverkehrsleistungen sowie die Angaben zu Erfahrungen im Verbundverkehr und in der Verbundintegration gefordert. Welche Nachweise vorzulegen sind, wird nicht aufgeführt. In Ziff. 11. Abs. 4 und 5 der Vergabeunterlagen werden die Eignungskriterien erweitert. Insbesondere wird dort zugelassen, dass auch Newcomer ein Angebot abgeben und statt Angaben zu bisher geleisteten Verkehren Angaben über die Fachkunde ihrer Betriebsleiter machen.

65

Auch wenn die Antragstellerin keine Newcomerin ist, ist sie durch eine etwa fehlerhafte Bekanntmachung der Eignungskriterien in ihren Rechten verletzt. Denn nach § 97 Abs. 6 GWB haben die Bieter ein subjektives Recht auf ein vergaberechtskonformes Verfahren. Damit sind grundsätzlich alle vergaberechtlichen Vorschriften bieterschützend und ist in der Regel die Verletzung eines subjektiven Rechts denkbar (Gabriel/Mertens in: BeckOK Vergaberecht, 14. Ed., § 160 GWB, Rn. 79).

66

Allerdings droht der Antragstellerin wegen einer solchen Rechtsverletzung kein Schaden, weil deren Beachtung ihre Chancen auf den Zuschlag nicht erhöhen könnte. Es ist zwar richtig, dass ein Verstoß gegen die Vorschriften zur ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Eignungskriterien in der Regel zu einer Aufhebung des Verfahrens führen muss (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018, Verg 24/18, Rn. 58 bei juris). Auch ist ein Schaden ausreichend dargelegt, wenn der Vortrag des Antragstellers ergibt, dass er im Fall eines erneuten Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten Verfahren. Der Schaden droht bereits dann, wenn die Aussichten des Bieters auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden sein können (BGH, Beschluss vom 10.11.2009, X ZB 8/09, Rn. 32 bei juris).

67

Solche Darlegung fehlt indes in dem Nachprüfungsantrag. Es ist nicht erkennbar, weswegen die Antragstellerin bei einem erneuten Vergabeverfahren eine bessere Chance auf den Zuschlag haben soll. Denn sowohl sie als auch die Beigeladene sind zweifelsfrei als geeignet eingestuft worden. Sie haben die von den Antragsgegnern in den Vergabeunterlagen geforderten Nachweise erbracht. Die Antragstellerin ist durch die fehlerhafte Bekanntmachung der Eignungskriterien nicht daran gehindert worden, ein wirtschaftliches Angebot abzugeben. Sie ist insbesondere nicht von dem Verfahren ausgeschlossen worden. Zuschlagskriterium ist allein der Preis. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin bei einem erneuten Vergabeverfahren in der Lage sein wird, den Preis der Beigeladenen zu unterbieten.

68

(2) Mit der Rüge, dass die Eignungskriterien fehlerhaft bekannt gemacht worden sind, ist die Antragstellerin jedenfalls nach § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB präkludiert. Danach sind Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung bzw. der Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist zu rügen.

69

Erkennbar ist ein Vergaberechtsverstoß, der von einem durchschnittlichen Bieter bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden kann. Die dem Verstoß zugrundeliegenden Tatsachen müssen erkennbar sein und bei zumindest laienhafter rechtlicher Bewertung als Vergaberechtsverstöße erkannt werden können (Gabriel/Mertens in: BeckOK Vergaberecht, 14. Ed., § 160 GWB, Rn. 159). Eine Rügepräklusion kommt in der Regel nur bei auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht. Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots bzw. seiner Bewerbung auffallen muss (OLG Düsseldorf, NZBau 2014, 371, 372). Zu erwarten ist, dass ein Bieter einen Vergaberechtsverstoß erkennt, der sich durch bloßes Lesen der einschlägigen Normen und einen Vergleich mit dem Text der Vergabeunterlagen ohne weiteres feststellen lässt, wobei allerdings eine umfassende Kenntnis der dem Verfahren zugrundeliegenden Vorschriften nicht zu erwarten ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.06.2016, Verg 6/16, Rn. 36 bei juris). Der Bieter muss dabei die mit der Rüge verbundenen Rechtsfragen nicht vollständig durchdringen. Er ist nur gehalten, die auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutenden Tatsachen zu benennen (OLG Schleswig, Beschluss vom 22.01.2019, 54 Verg 3/18, Rn. 74 bei juris). Der Maßstab kann insoweit kein anderer sein als für das positive Erkennen eines Verstoßes, für das keine Kenntnis eines völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung nachweisbaren Verstoßes gegen das Vergaberecht erforderlich ist (OLG Schleswig, ZfBR 2005, 616, 617; OLG Celle, Beschluss vom 05.07.2007, 13 Verg 8/07, Rn. 11 bei juris; Jäger in: MK Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., § 160 GWB, Rn. 56; Summa in: juris PK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 GWB, Rn. 226).

70

Es ist zumindest ein objektiver Maßstab anzulegen, wonach es darauf ankommt, ob ein sorgfältig handelnder Unternehmer, der mit den wichtigsten Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe vertraut ist, den Wettbewerbsverstoß ohne besonderen Rechtsrat erkennen kann (OLG Schleswig, Beschluss vom 22.01.2019, 54 Verg 3/18, Rn. 90 bei juris). Auf die Frage, ob auf subjektiv dahinter zurückbleibende Erkenntnismöglichkeiten abzustellen ist (so etwa OLG München, Beschluss vom 02.06.2016, Verg 15/15, Rn. 49 ff. bei juris) kommt es nicht an, weil sich die Antragstellerin nicht darauf beruft, ihr hätten nicht die einem durchschnittlichen Bieter zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob individuelle Kenntnisse eines Bieters im Einzelfall zu seinen Lasten zu berücksichtigen sind, weil auch das nicht streitentscheidend ist.

71

Nach diesen Maßstäben war es für einen durchschnittlichen, mit Vergabeverfahren vertrauten Bieter erkennbar, dass die Eignungskriterien und die für den Nachweis der Eignung geforderten Unterlagen nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sind. Die Frage der Eignung der Bieter und der Möglichkeiten des Nachweises der Eignung sind für jedes Vergabeverfahren zentral. Jeder Interessent, der sich an einem Verfahren beteiligen möchte, muss sich mit der Frage beschäftigen, ob er zu dem Kreis potenzieller Bieter gehört und wie er dies nachweisen kann, ob er also mit Aussicht auf Erfolg ein Angebot abgeben kann. Daher ist von einem durchschnittlichen Bieter zu erwarten, dass er jedenfalls dem Wortlaut nach die Vorschriften im Vergaberecht kennt, die diese Fragen betreffen, nämlich § 122 GWB und § 48 VgV. Hier reichte es bereits, diese Vorschriften zu lesen und sodann die Bekanntmachung im Vergleich mit den Vergabeunterlagen zur Kenntnis zu nehmen, um zu erkennen, dass die Eignungskriterien und die Möglichkeiten des Nachweises der Eignung gerade nicht erschöpfend in der Bekanntmachung enthalten waren.

72

Da es sich bei der Frage der Eignung um eine zentrale Frage jedes Vergabeverfahrens handelt, ist es ohne Bedeutung, dass die Vorschriften dazu relativ neu sind, weil sie erst mit der Vergaberechtsreform 2016 eingeführt worden sind. Es kommt nicht darauf an, dass dazu noch nicht alle Streitfragen in der Rechtsprechung gelöst sind. Das gilt insbesondere für die Fragen, ob eine Verlinkung der Bekanntmachung mit den Vergabeunterlagen oder aber ein Hinweis auf die Vergabeunterlagen für nähere Einzelheiten ausreichend sind. Denn eine solche Verlinkung oder ein solcher Hinweis waren in der Bekanntmachung vom 21.11.2019 nicht enthalten. Daher hätte bereits der Wortlautvergleich hinreichende Anhaltspunkte für einen Vergaberechtsverstoß geliefert, die es als zumutbar hätten erscheinen lassen, eine Rüge auszusprechen.

73

(3) Nach den oben dargestellten Maßstäben ist die Antragstellerin auch mit ihrer Rüge der intransparenten und diskriminierenden Angebotswertung nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert. Denn auch diese waren danach für einen durchschnittlichen Bieter erkennbar.

74

Jeder Bieter, der ein erfolgversprechendes Angebot abgeben will, muss sich mit der Kalkulation seines Angebotspreises auseinandersetzen. Denn der Angebotspreis fließt in der Regel in die Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebots zumindest ein. Umso größer ist die Bedeutung, wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist.

75

Ein Bieter, der sich mit den Vergabeunterlagen und dabei mit der Anlage 20.1 beschäftigte, musste sich zur Kalkulation seines Angebotspreises mit der Frage auseinandersetzen, wie sich der Angebotspreis aus den dort geforderten Angaben von Einzelkosten zusammensetzte. Ihm musste dabei auffallen, dass sich weder aus der Anlage 20.1 noch aus Ziff. 20 der Vergabeunterlagen ergab, nach welchen Formeln die Tabelle die auf dem Deckblatt erscheinenden Verrechnungspreise errechnete. Er musste sogar erkennen, dass nicht sicher feststellbar war, nach welchen Kriterien er die Höhe der Verrechnungspreise hätte beeinflussen können.

76

Um zu erkennen, dass in dieser Tatsache ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegen kann, sind keine vertieften Kenntnisse des Vergaberechts erforderlich. Das Transparenzgebot ist eine zentrale Vorschrift des Vergaberechts, von dessen Kenntnis bei einem durchschnittlichen Bieter auszugehen ist. Es drängt sich auf, dass eine Unklarheit darüber, wie sich der für die Wertung des Angebots entscheidende Preis ergibt, zu einer vergaberechtsrelevanten Intransparenz führt.

77

Ebenfalls erkennbar war, dass Rundungsdifferenzen auftraten, die sich auf die Wertung der Angebote auswirken konnten. Dass Rundungsdifferenzen auftraten, wurde im Berechnungsschema ausgewiesen (S. 4, 5, 8 der Anlage 20.1). Die Antragstellerin hatte zudem Bezugsfehler in der Tabelle gefunden und eine entsprechende Anfrage an die Antragsgegner gestellt. Diese hatten die Fehler eingeräumt. Gerade weil Excel-Tabellen erfahrungsgemäß Fehler enthalten können und die der Berechnung des Angebotspreises zugrundeliegenden Formeln nicht erkennbar waren, hätte das Anlass für einen durchschnittlichen Bieter sein müssen, sich mit der Tabelle näher zu beschäftigen. Dass die in der Tabelle hinterlegten Formeln möglicherweise zu nicht plausiblen Ergebnissen führen, haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin durch einfache Versuche festgestellt, indem sie in verschiedene Felder verschiedene Zahlen eingegeben haben und die sich daraus ergebenden Berechnungsergebnisse zur Kenntnis genommen haben. Vertiefter rechtlicher Kenntnisse bedarf es dazu nicht. Weswegen diese Versuche mit der zur Verfügung gestellten Tabelle der Antragstellerin nicht möglich gewesen sein sollen, ist nicht erkennbar.

78

Es bedarf auch keiner vertieften rechtlichen Kenntnisse, um zu erkennen, dass Rundungsdifferenzen in der von der Antragstellerin geltend gemachten Größe sich auf den Vergleich der verschiedenen Angebote der Bieter auswirken können. Hier sind wiederum die dem Vergaberecht zugrundeliegenden Prinzipien der transparenten und diskriminierungsfreien Wertung von Angeboten berührt, die jedem Bieter bekannt sein müssen.

79

(4) Die Rüge, dass die Bieterinformation Nr. 4 zu spekulativen Angeboten eingeladen hätte, ist bereits nicht nachvollziehbar. Jedenfalls wäre die Antragstellerin auch damit nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert.

80

Bei der Bieterinformation handelte es sich um eine Vergabeunterlage. Die Vergabeunterlagen umfassen nach § 29 VgV alle Angaben, die erforderlich sind, um dem Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Die Vergabeunterlagen können während des Verfahrens geändert werden, was häufig aus Anlass von Bieterfragen geschieht (Thiele in: BeckOK Vergaberecht, 14. Ed., § 29 VgV, Rn. 24). Daher gehören Antworten auf Bieterfragen ebenfalls zu den Vergabeunterlagen.

81

Die Antragstellerin rügt, die Erklärung der Antragsgegner in der Bieterinformation Nr. 4, dass es im Fall absolut ungewöhnlicher und unvorhersehbarer Entwicklungen möglich sei, diese und ihre Auswirkungen auf die Kalkulationsgrundlagen im Rahmen der ständigen Zusammenarbeit zu diskutieren und zu lösen, habe Bieter dazu animieren können, absehbare Tarifsteigerungen nicht in ihre Kalkulation aufzunehmen und auf zukünftige Nachträge zu hoffen. Das ist nicht nachvollziehbar. Zu Recht hatte die Antragstellerin in ihrer Anfrage darauf hingewiesen, dass mit einem ständig steigenden Lohnniveau aufgrund höherer Tarifabschlüsse zu rechnen sei und dies die Kalkulation der Kosten erschwere. Wenn die Antragsgegner daraufhin auf der vorgesehenen Preisgleitklausel beharrten, gleichzeitig aber darauf hinwiesen, dass bei absolut unvorhersehbaren Entwicklungen eine Anpassung möglich sein könnte, so wird daraus deutlich, dass eine solche außerordentliche Anpassung außerhalb der Preisgleitklausel gerade nicht für die üblichen und zu erwartenden Tarifsteigerungen ins Auge gefasst wurde. Zwar mag es sein, wie die Vergabekammer es für entscheidend gehalten hat, dass ein solcher Hinweis auf eine mögliche Vertragsänderung wegen der Änderung der Geschäftsgrundlage nicht notwendig gewesen wäre. Gleichzeitig wird aber hinreichend deutlich, dass die erwartbaren Entwicklungen nicht zu Nachträgen führen sollen.

82

Jedenfalls war eine durch die Bieterinformation etwa hervorgerufene Möglichkeit der Abgabe spekulativer Angebote für durchschnittliche Bieter erkennbar. Zu Recht weist die Vergabekammer darauf hin, dass die Rüge sonst widersprüchlich wäre. Wenn es an der Erkennbarkeit für durchschnittliche Bieter fehlte, war bereits nicht zu erwarten, dass wettbewerbsverzerrende Angebote abgegeben würden.

83

Bei der Gefahr der Abgabe spekulativer Angebote dreht es sich wiederum um die zentrale Frage der Kalkulation des Angebotspreises. Dieser hing, wenn auch unklar aufgrund welcher Berechnung, von den von den Bietern zu kalkulierenden Kosten, unter anderem für Löhne, ab. Es war für jeden Bieter erkennbar, dass die Höhe der Einkalkulierung künftiger Lohnsteigerungen sich unmittelbar auf die anzugebenden Kosten und damit auf den Angebotspreis auswirken würde. Die Antragstellerin hat dies auch erkannt und deswegen in der Bieteranfrage auf die Schwierigkeit der Prognose künftiger Tariferhöhungen hingewiesen. Wenn die Information der Antragsgegner dahin zu verstehen sein sollte, dass Nachträge außerhalb der Preisgleitklausel aufgrund von Tariferhöhungen infrage kommen, so drängte sich das jedem Bieter aufgrund der zentralen Bedeutung für die Kalkulation auf. Jeder Bieter musste dann erkennen, dass nicht mehr versucht werden musste, die Stundenverrechnungssätze unter Prognose künftiger Tarifsteigerungen möglichst auskömmlich zu kalkulieren und dass der Bieter, der entsprechend kalkulierte, einen Kostenvorteil gegenüber einem Bieter haben würde, der künftig zu erwartende Tarifsteigerungen in seine Überlegung einbezog. Vertiefte rechtliche Kenntnisse waren für diese Überlegung nicht notwendig. Es handelt sich um eine normale Frage der Kalkulation, die jedem durchschnittlichen Bieter bekannt sein muss.

84

Mit einer Mischkalkulation, bei der für eine Position nicht kostendeckend kalkuliert wird und die Kosten stattdessen bei einer anderen Position, bei der etwa eine starke Steigerung der Vordersätze zu erwarten ist, einbezogen werden, hat diese Frage nichts zu tun. Es kommt daher nicht darauf an, ob von einem durchschnittlichen Bieter erwartet werden kann, dass ihm die Unzulässigkeit einer solchen Mischkalkulation bewusst ist.

85

(5) Die Rüge, dass die Antragsgegnerin das Angebot der Beigeladenen nicht hinreichend darauf geprüft habe, ob diese die Leistung erbringen könne, hat die Antragstellerin allerdings hinreichend substantiiert erhoben. Dem Erfordernis, dass vor der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens dem Auftraggeber durch eine Rüge Gelegenheit zur Abhilfe zu geben ist, ist dadurch Genüge getan.

86

An die Bestimmtheit von Rügen ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Gerade wenn der Bieter nur begrenzten Einblick in die Vorgänge haben kann, etwa weil es um die Sphäre eines Mitbewerbers geht, darf er im Nachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf. Er muss dann allerdings zumindest tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Er muss den Auftraggeber in die Lage versetzen, die Rüge zu überprüfen, da dies der Sinn der Rüge ist. Er muss daher schon vor der Rüge zumutbare Erkenntnisquellen ausschöpfen und muss, um eine Überprüfung zu ermöglichen, angeben, woher seine Erkenntnisse stammen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020, Verg 20/19, Rn. 56 bei juris). Beruft sich ein Bieter auf seine Branchen- oder Marktkenntnisse, liegt keine bloße Behauptung ins Blaue hinein vor (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2011, Verg 58/10, Rn. 53 f. bei juris).

87

Bei der Berufung der Antragstellerin auf ihre Marktkenntnis hinsichtlich der der Beigeladenen zur Verfügung stehenden Busse handelte es sich um mehr als ein bloßes Berufen auf eine Kenntnis ohne Bezug auf deren Quelle. Denn mit dem Berufen auf eine Marktkenntnis wird gleichzeitig die Grundlage dieser Kenntnis angegeben. Die Antragstellerin ist Teilnehmerin des Marktes für Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs in Schleswig-Holstein, wie es auch die Beigeladene ist. Beide nehmen an öffentlichen Ausschreibungen für Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs teil. Es liegt auf der Hand, dass Marktteilnehmer im Rahmen des Wettbewerbes die Informationen einholen, die ihnen über Wettbewerber zur Verfügung stehen. Dazu gehört es auch, den Markt zu verfolgen, indem etwa Erkenntnisse darüber gesammelt werden, welche Verkehre der Wettbewerber durchführt oder welche er durchgeführt hat, welche Mittel zur Erbringung dieser Leistungen notwendig sind und welche Mittel z. B. durch die Beendigung eines Auftrages frei werden, um andere Leistungen zu erbringen.

88

Die Antragstellerin hat sich bei ihrer Rüge erkennbar auf solche Überlegungen berufen, indem sie sich auf ihre Marktkenntnis berufen hat. Mit den Angaben in ihrem Nachprüfungsantrag über die nach ihrer Berechnung maximal notwendige Anzahl von Bussen und die von der Beigeladenen kalkulierten Anzahl von Bussen hat sie ihr Vorbringen lediglich ergänzt. Ebenso wenig war es notwendig, bereits in der Rüge den Begriff der Marktkenntnis zu erläutern, wie es die Antragstellerin in ihrer sofortigen Beschwerde getan hat, weil auch die Antragsgegner und der sie vertretene HVV Marktteilnehmer sind und daher abschätzen können, was mit Marktkenntnissen gemeint sein kann.

89

(6) Die nach ergänzender Akteneinsicht neu erhobenen Rügen sind zulässig. Insbesondere gilt für sie nicht die Rügeobliegenheit des § 160 GWB.

90

Die Antragstellerin hatte vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens keine Kenntnis von dem Angebot der Beigeladenen. Sie konnte daher die Verstöße gegen das Vergaberecht, die aus der Angabe der Kosten der Fahrzeugreserve mit 0 % oder dem Fahrzeugkonzept der Beigeladenen hinsichtlich der Ersatzfahrzeuge folgen, nicht rügen.

91

Nach Stellung des Nachprüfungsantrags müssen neu erkannte Verstöße gegen das Vergaberecht nicht mehr gerügt werden. Die Rügeobliegenheit des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB bezieht sich ausdrücklich nur auf vor Einreichung des Nachprüfungsantrags erkannte Verstöße. Zudem kann dann der Zweck der Rügeobliegenheit, ein Nachprüfungsverfahren zu vermeiden, nicht mehr erreicht werden (Gabriel/Mertens in: BeckOK Vergaberecht, 16. Ed., § 160 GWB, Rn. 211).

92

b) Der Nachprüfungsantrag ist, soweit er zulässig ist, begründet. Die Antragsgegner müssen das Vergabeverfahren fortsetzen und dabei prüfen, ob das Angebot der Beigeladenen auszuschließen ist.

93

Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene mit dem von ihr verfolgten Fahrzeugkonzept die ausgeschriebenen Leistungen nicht erbringen kann. Darin würde eine Änderung der Vergabeunterlagen liegen, die nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zum Ausschluss des Angebots von der Wertung führen müsste.

94

aa) Eine Änderung der Vergabeunterlagen i. S. d. §§ 53 Abs. 7 S. 1, 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV liegt vor, wenn der Bieter manipulativ in die Vergabeunterlagen eingreift, indem er ein von den Vorgaben abweichendes Angebot macht, das bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibt (BGH NZBau 2019, 661, 663, Rn. 26). Dazu ist keine körperliche Veränderung i. S. e. Änderung der vorgegebenen Leistungsmengen oder -beschreibungen notwendig. Es reicht, dass der Bieter bei der Ausfüllung von Berechnungsschemata von den Vorgaben abweicht (OLG Schleswig, Beschluss vom 21.12.2018, 54 Verg 1/18, Rn. 108 bei juris). Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt auch vor, wenn das Angebot von den Leistungsvorgaben in der Ausschreibung abweicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.11.2000, Verg 21/00, Rn. 3 bei juris; Koch in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 53 VgV, Rn. 45).

95

Ein Ausschluss eines Angebots unter rein formalen Gesichtspunkten kommt indes nicht in Betracht. Vielmehr sind etwaige Unklarheiten im Wege der Aufklärung zu beseitigen (BGH, Urteil vom 18.06.2019, X ZR 86/17, Rn. 23 bei juris; BGH, Urteil vom 19.06.2018, X ZR 100/16, Rn. 11 bei juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.04.2020, Verg 30/19, Rn. 67 bei juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.08.2017, Verg 17/17, Rn. 41 bei juris). Sanktioniert werden soll nur ein manipulativer Eingriff in die Vergabeunterlagen.

96

bb) Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene die ausgeschriebene Leistung mit den angebotenen Regelfahrzeugen nicht erbringen kann, bestehen nicht mehr. Es ist im Lauf des Verfahrens auch für die Antragstellerin offenkundig geworden, dass die Beigeladene genau wie sie den Einsatz von 79 Regelfahrzeugen angeboten hat. Aus welchem Grund die Beigeladene in ihrer Mitarbeiterinformation eine andere Anzahl genannt hat, kann offen bleiben.

97

cc) Aufgrund der Erläuterungen der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren ist nicht mehr davon auszugehen, dass eine Änderung der Vergabeunterlagen darin liegt, dass sie in der Zeile „Fahrzeugreserve in %“ „0,00“ eingetragen hat.

98

(1) Allerdings wäre das Angebot der Beigeladenen nach dem zunächst vorliegenden Ergebnis der Angebotsaufklärung wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen auszuschließen gewesen.

99

(a) Es ist dabei nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegner eine Aufklärung des Angebots versucht haben. Nach § 15 Abs. 5 VgV darf die Vergabestelle die Aufklärung über Angebote verlangen, wenn sie Zweifel an dem Inhalt des Angebots hat, die durch Auslegung nicht ausgeräumt werden können (Zeise in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 15, Rn. 32 f.; Schneevogl/Müller in: BeckOK Vergaberecht, 16. Ed., § 15 VgV, Rn. 21; Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, VgV, § 15, Rn. 73 f.). Die Aufklärung darf nur nicht zu einer Änderung des Angebots führen, weil darin eine unzulässige Nachverhandlung läge.

100

Dass die Beigeladene die Kosten für die Reservefahrzeuge mit 0 % angegeben hat, schloss eine Aufklärung nicht aus. Diese Angabe war noch kein zwingender Grund für einen Ausschluss von der Wertung nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV, weil das Angebot durch sie nicht unvollständig wurde. Auch die Angabe 0,00 ist eine zulässige Preisangabe, wenn sie denn zutreffend ist (OLG München, Beschluss vom 12.11.2010, Verg 21/10, Rn. 32 bei juris). Aufklärung kann auch in einem solchen Fall gefordert werden. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass der Bieter für diese Position keine Vergütung fordern will (Dicks in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 56, Rn. 57). Die Gründe wären im Rahmen der Aufklärung herauszufinden (Haak/Hogeweg in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, § 56 VgV, Rn. 45; Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, VgV, § 15, Rn. 104).

101

(b) Führt die Aufklärung zu dem Ergebnis, dass die Vergabeunterlagen geändert worden sind, so ist das Angebot zwingend nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV von der Wertung auszuschließen (Haak/Hogeweg in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, § 56 VgV, Rn. 44). So lag es hier, weil die Beigeladene angegeben hat, sie habe die Kosten für die Reservefahrzeuge mit einem bestimmten Prozentsatz bereits in die Kosten für die regulär einzusetzenden Busse einbezogen.

102

Die Beigeladene wäre damit von den Vorgaben in dem Berechnungsschema Anlage 20.1 abgewichen. Dadurch wäre ihr Angebot intransparent geworden. Es wäre nicht auf einen Blick zu erkennen gewesen, ob und ggf. welche Kosten für die Fahrzeugreserve vorgesehen waren und wie sich das auf die Gesamtkosten auswirkte. Die Angebote wären so nicht mehr vergleichbar gewesen.

103

Damit lag jedenfalls scheinbar ein manipulativer Eingriff in die Vergabeunterlagen vor, der zum Ausschluss hätte führen müssen. Denn die Eintragung widersprach dem Konzept der Antragsgegner.

104

Richtig ist zwar, dass es zum einen auf die Gesamtkosten ankam, die sich als Summe aus den Kosten für die regulären Fahrzeuge und die Reservefahrzeuge ergab. Diese Summe floss in den Angebotspreis ein. Sie wurde durch die Einbeziehung der Kosten für die Fahrzeugreserve in Zeile 26 des Kalkulationsschemas nicht geändert.

105

Zum anderen kam es den Antragsgegnern aber ersichtlich auch darauf an, dass die Kosten für die Fahrzeugreserve gesondert ausgewiesen wurden. Es hätte sonst der Zeile 27 nicht bedurft. Nach ihrem eigenen Vortrag ging es um die Prüfung, ob die Gesamtkosten eine angemessene Fahrzeugreserve enthielten. Das aber hätte sich aus dem Angebot der Beigeladenen nicht auf einen Blick feststellen lassen, da sie die Kosten nicht ausgewiesen hatte.

106

Zudem hätte eine solche Vorgehensweise der Beigeladenen eine nachträgliche Änderung der Kalkulation ermöglicht. Denn dass angeblich ein bestimmter Prozentsatz für die Fahrzeugreserve einkalkuliert war, ergibt sich lediglich aus der Antwort auf die Aufklärungsfrage. Ob das der ursprünglichen Kalkulation entsprochen hat, stand nicht fest. Der Beklagten hätte es offen gestanden, in einer glaubhaften Spanne irgendeinen Wert anzugeben, um ihre Kostenstruktur möglichst vorteilhaft aussehen zu lassen, etwa um eine ausreichende Fahrzeugreserve vorzuspiegeln.

107

(2) Die Angaben der Beigeladenen in der Aufklärung waren falsch. Sie stehen jedenfalls in Widerspruch zu ihren jetzigen Angaben. Den Antragsgegnern ging es auch nach dem laienhaften Verständnis des Angebotsteams der Beigeladenen um die Frage, wo und in welcher Höhe Kosten für die Fahrzeugreserve einkalkuliert waren.

108

Es mag zutreffend gewesen sein anzugeben, dass die Kosten für die Fahrzeugreserve in den Kosten je Fahrzeug und Jahr enthalten waren. Denn die Kosten für die Verfügbarkeitsgarantie sind in den Kosten für die Busse enthalten. Die einzig richtige Antwort auf die Frage, wie hoch die Kosten für die Reserve sind, wäre allerdings gewesen, dass gesonderte Kosten nicht ausgewiesen werden können, weil sie nicht anfallen. Die Angabe, dass Kosten in bestimmter Höhe anhand der Erfahrungen der Beigeladenen einkalkuliert sind, ist falsch und irreführend.

109

Die Erklärung dazu, wie der angegebene Prozentsatz ermittelt worden ist, ist zudem widersprüchlich. Die Beigeladene will die Anzahl der vom Hersteller vorgesehenen Fahrzeuge zugrunde gelegt haben. Sie geht aber selbst zutreffend davon aus, dass in Zeile 27 des Kalkulationsschemas Kosten anzugeben waren, nicht die Anzahl vorgehaltener Fahrzeuge.

110

(3) Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene seit der Beantwortung der Aufklärungsfragen ihre Kalkulation geändert haben könnte, liegen nicht vor. Die Auskunft des Herstellers über die Fahrzeugpreise (Anlage OK 2, Bl. 197 d. A.), die u. a. die Verfügbarkeitsgarantie enthält, stammt von Januar 2020, sodass angenommen werden kann, dass sie die Grundlage für das Angebot der Beigeladenen war. Dass die Anzahl der zur Verfügung stehenden Ersatzfahrzeuge erst mit E-Mail vom 18.08.2020 (Anlage OK 1, Bl. 194 d. A.) bestätigt worden ist, steht dem nicht entgegen. Dabei ging es wohl mehr darum, die Zusage schriftlich zu dokumentieren.

111

(4) Nach der jetzigen Erklärung der Kalkulation kommt ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV wegen der Eintragungen in Zeilen 26 und 27 des Kalkulationsschemas nicht mehr infrage. Wenn keine ausscheidbaren Kosten für das Vorhalten der Fahrzeugreserve anfallen, konnte die Beigeladene diese auch nicht angeben.

112

Jedenfalls für die Verfügbarkeitsgarantie fallen keine ausscheidbaren Kosten an. Die Kosten sind für die Beigeladene in den Kosten für die Beschaffung der Fahrzeuge enthalten. Es ist richtig, dass der Hersteller die Garantieleistung in den Preis einkalkuliert haben muss. Diese Kalkulation muss der Beigeladenen aber nicht bekannt sein. Da es für das Kalkulationsschema um die Kalkulation der Beigeladenen geht, muss sie sich nach der Kalkulation des Herstellers nicht erkundigen, abgesehen von der Frage, ob dieser seine Kalkulation offenlegen würde.

113

Auch für die Fahrzeuge, die für andere Netze bereitgehalten werden, dürften keine ausscheidbaren Kosten entstehen. Kosten für die Anschaffung der Fahrzeuge, die Versicherung und die Standplätze sind in den anderen Verkehrsverträgen berücksichtigt. Grundsätzlich dasselbe gilt für Wartungskosten. Es mag sein, dass sich die zu kalkulierenden Wartungskosten erhöhen, weil bei einem Einsatz in einem weiteren Netzgebiet die zu fahrenden Kilometer wachsen und damit auch die davon abhängigen zu erwartenden Wartungskosten. Indes ist fraglich, ob dieser Zuwachs sich ermitteln lässt und ob er ins Gewicht fällt. Jedenfalls könnte man der Beigeladenen allenfalls einen Kalkulationsfehler vorwerfen, wenn sie die Wartungskosten nach wie vor von anderen Verträgen gedeckt sieht, nicht eine Änderung der Vergabeunterlagen.

114

(5) Die Beigeladene ist nicht an ihren falschen Angaben in der Angebotsaufklärung festzuhalten mit der Folge, dass sie trotz ihrer jetzigen Erklärung zu ihrem Fahrzeugkonzept auszuschließen wäre.

115

Man könnte zwar die Auffassung vertreten, dass die Beigeladene nicht davon profitieren darf, dass die Antragsgegnerin ihrer Pflicht zur Ausschließung von der Wertung nicht nachgekommen ist. Das berücksichtigt jedoch nicht ausreichend, dass es eben nicht zu einem Ausschluss gekommen ist, sodass das Verfahren nach wie vor offen ist und neue Entwicklungen berücksichtigt werden können.

116

Zudem wäre ein Ausschluss trotz des Bekanntwerdens von Tatsachen, die zumindest Zweifel daran wecken, dass ein Ausschlussgrund vorliegt, nur dann zu vertreten, wenn der Bieter nach einem Ausschluss im Nachprüfungsverfahren tatsächlich an seinen Erklärungen im Rahmen der Angebotsaufklärung festzuhalten wäre. Das kann nicht angenommen werden. Denn im Nachprüfungsverfahren gilt nach § 163 GWB der Untersuchungsgrundsatz. Die Vergabekammer hat den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Sie darf sich dabei zwar auf das beschränken, was die Beteiligten vortragen. Der Untersuchungsgrundsatz schließt es aber aus, einen Sachverhalt nicht zu berücksichtigen, der der Vergabekammer im Verfahren bekannt wird. Nach §§ 175, 70 GWB gilt der Untersuchungsgrundsatz auch für den Senat.

117

Nicht zuletzt würde durch eine Nichtberücksichtigung des neuen Vortrags das rechtliche Gehör der Beigeladenen beschnitten. Die Antragsgegner haben sich mit ihren Antworten in der Angebotsaufklärung zufrieden gegeben. Erst mit den neuen Rügen der Antragstellerin nach der ergänzenden Akteneinsicht ist eine neue Lage entstanden. Die Beigeladene muss die Möglichkeit haben, darauf zu reagieren, um ihre Chance auf einen Zuschlag zu wahren.

118

Einem Missbrauch der Möglichkeit, im Nachprüfungs- oder Beschwerdeverfahren den Vortrag zu ändern, kann dadurch vorgebeugt werden, dass geprüft wird, ob eine Änderung des Angebots vorliegt. Zudem wäre ein Bieter, dessen Angebot auf der Grundlage seiner Angaben in der Angebotsaufklärung ausgeschlossen worden ist, im Nachprüfungsverfahren mit geändertem Vortrag, der einem Ausschluss entgegenstünde, präkludiert.

119

(6) Der Vortrag der Beigeladenen ist auch nicht wegen einer Verletzung der Verfahrensförderungspflicht nach §§ 167 Abs. 2, 175 Abs. 2 GWB zurückzuweisen, auch wenn sich die Beigeladene erst im Termin vom 20.08.2020 und im Schriftsatz vom 04.09.2020 geäußert hat. Die Beigeladene musste nicht eher zu ihrem Fahrzeugkonzept vortragen.

120

Die konkreten Rügen im Zusammenhang mit der Eintragung in Zeile 26 des Kalkulationsschemas aus dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 27.07.2020 kannte die Beigeladene erst seit der Übermittlung an ihren Bevollmächtigten am 18.08.2020. Es mag sein, dass aufgrund der Beschlüsse vom 03.06.2020 und 24.06.2020, mit denen die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde verlängert und Akteneinsicht gewährt wurde, erkennbar war, welche Rügen nach einer ergänzenden Akteneinsicht erhoben werden könnten. Aus den Beschlüssen geht hervor, dass die sofortige Beschwerde nicht aussichtslos ist. Die Anordnung zur ergänzenden Akteneinsicht deutet darauf hin, dass in der Art der Ausfüllung des Kalkulationsschemas ein Problem liegen könnte.

121

Gleichwohl war die Beigeladene nicht gehalten, Rügen der Antragstellerin durch eigenen Vortrag vorwegzunehmen und dadurch die Antragstellerin womöglich erst auf den Gedanken zu bringen, welche Rüge erhoben werden könnte. Die Beigeladene durfte vielmehr abwarten, ob und in welchem Umfang die Antragstellerin nach der ergänzenden Akteneinsicht ihre Rügen ergänzen würde.

122

dd) Es ist nach dem Fahrzeugkonzept der Beigeladenen fraglich, ob sie die Vorgaben der Antragsgegner zu dem Vorhalten einer Reserve und dem Einsatz von Ersatzfahrzeugen erfüllt. Das ist bisher von den Antragsgegnern nicht hinreichend geprüft worden.

123

(1) Ziff. 18 der Vergabeunterlagen enthält verschiedene Qualitätsvorgaben, denen der Anbieter gerecht werden muss. Ziff. 18.1 Abs. 2 verweist auf die Anlagen 18.1 und 18.2 (Anlage Bf 4). Nach der Anlage 18.1, Ziff. G11 soll das Unternehmen Reserven bereithalten, um bei außerordentlichen Betriebsbeeinträchtigungen flexibel reagieren zu können.

124

Wenn sich die Beigeladene auf Fahrzeuge stützt, die vom Hersteller bereitgestellt werden, mag das noch als Bereithalten einer Reserve verstanden werden können. Es ist jedoch fraglich, ob sie flexibel reagieren kann, da sie auf die Mitwirkung des Herstellers angewiesen ist, dessen Reservefahrzeug zu ihr gelangen muss. Sie kann auch nicht auf jede Betriebsbeeinträchtigung reagieren, da die Verfügbarkeitsgarantie des Herstellers nur technische Mängel an den Fahrzeugen erfasst. Weitere mögliche Beeinträchtigungen wie Unfälle oder Verspätungen durch Staus führen nicht zu der Bereitstellung eines Ersatzfahrzeuges durch den Hersteller. Außerdem ist die Verfügbarkeitsgarantie des Herstellers auf den Gewährleistungszeitraum beschränkt, der jedenfalls kürzer ist als die Laufzeit des ausgeschriebenen Vertrages von zehn Jahren. Danach hält die Beigeladene nur noch Reservefahrzeuge aus anderen Netzen bereit, die ggf. auch in den anderen Netzen eingesetzt werden müssen.

125

Nach Ziff. 18.2 Abs. 3 der Vergabeunterlagen organisiert der Auftragnehmer seinen Betrieb so, dass Ersatzfahrzeuge innerhalb von 30 Minuten jeden Teil des ausgeschriebenen Netzes erreichen können. Die Beigeladene trägt vor, dass der Hersteller die Ersatzfahrzeuge jeweils zeitnah zur Verfügung stellen kann. Ob das innerhalb von 30 Minuten der Fall sei kann, hängt u. a. davon ab, wo die Fahrzeuge stationiert sind. Der Hersteller sagt in der E-Mail vom 18.08.2020 (Anlage OK 1, Bl. 194 d. A.) jedenfalls nur zu, die Ersatzfahrzeuge innerhalb eines deutlich längeren Zeitraums zur Verfügung zu stellen. Das bleibt hinter den Anforderungen der Antragsgegner zurück. Als ausgeschlossen erscheint es, dass die Beigeladene Fahrzeuge aus anderen Netzbereichen rechtzeitig im Vertragsbereich zur Verfügung stellen kann. Keiner der von ihr genannten Bereiche grenzt an das neu zu vergebende Netz an. Z. T. wären erhebliche Entfernungen zurückzulegen. Auch die Beigeladene geht davon aus, dass diese Fahrzeuge nicht innerhalb von 30 Minuten das ausgeschriebene Netz erreichen können.

126

Diesen Zweifeln will die Beigeladene dadurch begegnen, dass sie Ersatzfahrten in erster Linie mit den für den Regelverkehr angebotenen Fahrzeugen bestreiten will. Nach ihrer Erklärung im Termin vom 22.10.2020 soll es möglich sein, etwa ein kurzzeitig ausgefallenes Fahrzeug durch ein anderes zu ersetzen und das ausgefallene Fahrzeug, nachdem es wieder in Gang gesetzt worden ist, auf einer anderen Strecke einzusetzen.

127

Dieses Konzept mag mit dem Wortlaut der Ausschreibung noch übereinstimmen. Es mag sein, dass die vorzuhaltende Reserve nicht identisch mit den einzusetzenden Ersatzfahrzeugen sein muss. Indes hat der Senat erhebliche Zweifel daran, ob das Konzept der Beigeladenen in der Praxis funktionieren kann.

128

So sind nach der Ausschreibung verschiedene Fahrzeugtypen für verschiedene Strecken vorgesehen, die sich v. a. nach ihrer Größe unterscheiden. Es kann nicht jedes Fahrzeug durch jedes andere Fahrzeug ersetzt werden, weil etwa das Platzangebot nicht ausreicht oder die zu befahrenden Straßen nur eine bestimmte Größe zulassen. Nach Ziff. 17.2.2.5 der Vergabeunterlagen (S. 19 f.) darf ein Fahrzeug einer anderen Fahrzeugklasse auf einer Strecke nur eingesetzt werden, wenn es über eine ausreichende Kapazität zur Beförderung aller Fahrgäste verfügt. Es ist fraglich und bisher nicht aufgeklärt worden, ob die Beigeladene aus dem Regelverkehr eine hinreichende Anzahl von gleichwertigen Fahrzeugen bereitstellen kann, wenn ein Fahrzeug ausfällt.

129

Es ist bisher auch nicht geklärt worden, wie sich der gleichzeitige Ausfall mehrerer Fahrzeuge auswirkt. Je größer die Anzahl der ausgefallenen Fahrzeuge ist, desto schwerer wird es werden, sie aus dem Regelbetrieb zu ersetzen. Der zu schließende Vertrag soll eine Laufzeit von zehn Jahren haben. Auch wenn die Beigeladene zur Erfüllung des Vertrages Neufahrzeuge anschaffen will, ist mit zunehmendem Alter der Fahrzeugflotte vermehrt mit technischen Ausfällen zu rechnen.

130

Außerdem spielt es eine Rolle, an welcher Stelle des Netzes ein Fahrzeug ausfällt und was für einen Schaden es erleidet. Nicht jeder Schaden wird sich schnell beheben lassen, z. B. wenn ein Fahrzeug einen Unfall erleidet. Ein Ausfall kann sich auch ereignen, wenn ein Fahrzeug im Einsatz ist. Das ausgefallene Fahrzeug kann dann zwar durch ein anderes Regelfahrzeug ersetzt werden, es erscheint aber fraglich, ob es in jedem Fall dazu herangezogen werden kann, um wiederum das Ersatzfahrzeug auf dessen eigentlich vorgesehener Strecke zu ersetzen.

131

Schließlich werden für bestimmte Belastungsspitzen sämtliche Regelfahrzeuge benötigt. Kommt es gut 30 Minuten vor einer Belastungsspitze zu einem Totalausfall eines Fahrzeugs, wird die Beigeladene voraussichtlich nicht alle Strecken bedienen können, weil ihr dann ein Fahrzeug fehlt. Die Möglichkeit, ein Fahrzeug, nachdem es wieder in Gang gesetzt worden ist, auf einer anderen Strecke einzusetzen als zunächst vorgesehen, besteht dann nicht. Die vom Hersteller gestellten - nach dessen Zusage - oder in anderen Netzen vorgehaltenen Reservefahrzeuge werden nicht innerhalb von 30 Minuten einsatzbereit sein. Hinsichtlich der vom Hersteller gestellten Fahrzeuge stellt sich das Problem jedenfalls nach Ablauf der Gewährleistungsfrist.

132

Nach der Vorgabe in der Ausschreibung müsste in diesem Fall ein Reservefahrzeug innerhalb von 30 Minuten einsatzbereit sein. Die Belastungsspitze könnte dann mit der geplanten Maximalanzahl von Fahrzeugen bedient werden. Das mag zwar nur kurze Zeiträume betreffen, die Antragsgegner dürfen aber insoweit keine Abstriche an den Anforderungen in der Ausschreibung zulassen. Dasselbe gilt für die Frage, wie wahrscheinlich etwa der Ausfall mehrerer Fahrzeuge gleichzeitig oder ein Totalausfall ist.

133

Die Anforderungen in der Ausschreibung sind ersichtlich darauf zugeschnitten, Verspätungen und Fahrtausfälle zu vermeiden. Die Vorgabe, dass innerhalb von 30 Minuten ein Ersatzfahrzeug bereitzustellen ist, darf nicht so verstanden werden, dass überhaupt nur ein Ersatzfahrzeug vorzuhalten ist. Gemeint ist vielmehr, dass für ein ausgefallenes Fahrzeug ein Ersatzfahrzeug bereitzustellen ist. Danach dürfen auch kurzzeitige oder - in praktikablen Grenzen - nicht sehr wahrscheinliche Ausfälle nicht hingenommen werden, wenn sie vermeidbar sind. Die Antragsgegner würden sonst wettbewerbswidrig eine Benachteiligung von Bietern zulassen, die sich zur Erfüllung der Vorgaben über die Vorhaltung einer Fahrzeugreserve dazu entschlossen haben, neben den Regelfahrzeugen Reservefahrzeuge zu beschaffen oder sonst bereit zu halten. Diese Bieter müssen zwangsläufig höhere Gesamtkosten für die Regel- und Reservefahrzeuge ausweisen. Die Beigeladene, die keine Kosten für Reservefahrzeuge vorgesehen hat, erzielt dadurch einen Kostenvorteil. Dieser Kostenvorteil darf aber nicht zu Abstrichen bei der Leistung führen.

134

Die Aufklärung, ob die Vorgaben aus der Ausschreibung mit dem Fahrzeugkonzept der Beigeladenen erfüllt werden können, und die Dokumentation dieser Aufklärung ist Aufgabe der Vergabestelle. Da dazu verkehrswirtschaftliche Kenntnisse erforderlich sind, kann die Aufklärung in diesem Verfahren nicht erfolgen.

135

Bei der Aufklärung werden die Antragsgegner die Möglichkeit, dass die Beigeladene Reservefahrzeuge aus anderen Netzen abzieht und im Bereich des hier zu vergebenden Netzes stationiert, außer Acht lassen müssen. Denn eine solche Maßnahme würde eine Änderung des Angebots der Beigeladenen bedeuten, die im Rahmen der Aufklärung ausgeschlossen ist. Ihr Fahrzeugkonzept sieht mit einer gewissen Zeitverzögerung einsetzbare Reservefahrzeuge vom Hersteller und aus anderen Netzen und kurzfristige Ersatzfahrten mit Regelfahrzeugen vor. Die Bereitstellung von Reservefahrzeugen im jetzt zu vergebenden Netzgebiet würde dieses Konzept ändern. Nicht zuletzt wären dann die Kosten für die Reservefahrzeuge dem hiesigen Vertrag zuzurechnen, sodass die Angabe der Kosten für die Reserve mit 0 % unrichtig wäre.

136

(2) Die Antragsgegner müssen ferner aufklären, ob die von der Beigeladenen als Reservefahrzeuge vorgesehenen Fahrzeuge den Anforderungen aus der Ausschreibung gerecht werden.

137

Nach Ziff. 17.2.2.5 der Vergabeunterlagen müssen die Fahrzeuge bestimmten Standards genügen. Eine Einschränkung für Reservefahrzeuge wird dabei nicht gemacht. In Ziff. 18.1 Abs. 5 werden bestimmte Ausstattungsmerkmale vorgegeben, etwa im Hinblick auf Monitore, WLAN, Videoüberwachung oder das Funksystem. Ziff. B2 der Anlage 18.2 gibt ein bestimmtes Design der Fahrzeuge vor. In Ziff. 24 Abs. 3 u. 4 der Vergabeunterlagen werden Vorgaben für den Fahrscheindrucker, insbesondere einer Schreib-/Leseeinheit für kontaktlose Chipkarten, gemacht. Es erscheint nicht ohne weiteres gesichert, dass die Fahrzeuge des Herstellers, die nicht regelmäßig im Bereich des HVV eingesetzt werden, diesen Vorgaben gerecht werden. Dasselbe gilt für Fahrzeuge aus anderen, von der Beigeladenen bedienten Verkehrsbereichen, die ebenfalls nicht zum Bereich des HVV gehören. Für die Vorgaben aus Ziff. 18.1 Abs. 5 ist zwar in Ziff. 18.1 Abs. 8 nur vorgesehen, dass bei Verstößen Strafzahlungen fällig werden. Allerdings heißt das nicht, dass die Beschwerdegegner von Anfang an Vertragsverstöße hinnehmen müssen.

138

Zur Aufklärung, ob die Reservefahrzeuge die Anforderungen erfüllen, müssen die Antragsgegner eine Fahrzeugliste anfordern, die diese Fahrzeuge umfasst. Nach Ziff. 17.3 der Vergabeunterlagen hatten die Bieter eine Fahrzeugliste einzureichen. Die Liste soll u. a. während der Vertragslaufzeit die Kontrolle erleichtern, ob die Fahrzeugvorgaben eingehalten werden (Ziff. 17.2.2.5). Die Liste sollte die einzusetzenden Fahrzeuge enthalten. Das erfasst auch Reservefahrzeuge, da auch diese einzusetzen sind, wenn Regelfahrzeuge ausfallen. Zudem spricht der Sinn der Fahrzeugliste für diese Auslegung, weil sie dann auch die Kontrolle ermöglicht, ob die Reservefahrzeuge den Anforderungen gerecht werden.

139

Nach § 56 Abs. 2, 4 VgV können die Antragsgegner die vollständige Liste unter Fristsetzung nachfordern. Die Nachforderung ist nicht nach § 56 Abs. 3 VgV ausgeschlossen, weil das einzige Zuschlagskriterium der Preis ist, die Fahrzeugliste keine Preise enthält und sie so zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Angebots nicht erforderlich ist.

140

Sollte die Beigeladene die Liste nicht fristgerecht nachreichen, ist ihr Angebot nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV von der Wertung auszuschließen.

141

3. Die Kosten des Vergabeverfahrens sind nach § 182 Abs. 4 S. 1 GWB nach dem Unterliegensprinzip zu verteilen. Nach § 182 Abs. 3 S. 2 GWB haben die unterlegenen Antragsgegner die Kosten der Vergabekammer als Gesamtschuldner zu tragen. Die Beigeladene war an der Kostentragung nicht zu beteiligen, da sie sich an dem Nachprüfungsverfahren nicht beteiligt hat.

142

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigen durch die Antragstellerin war notwendig. Es ist nicht zu erwarten, dass auch erfahrene Bieter ein Nachprüfungsverfahren ohne rechtlichen Beistand durchführen, da es sich bei dem Vergaberecht um eine Spezialmaterie handelt.

143

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Eilantrags sind nach §§ 175 Abs. 2, 78 GWB nach der Billigkeit zu verteilen. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten den unterlegenen Antragsgegnern und der Beigeladenen aufzuerlegen. Beigeladene können an den Kosten beteiligt werden, wenn sie unterliegen, soweit sie durch Anträge oder Sachvortrag versucht haben, das Verfahrensergebnis zu beeinflussen (Krohn in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 182 GWB, Rn. 66). Die Beigeladene hat im Beschwerdeverfahren Sachvortrag geleistet, um die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde zu erreichen.

144

Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 50 Abs. 2 GKG.


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