Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 4 U 525/05 - 208

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10.8.2005 – 3 O 435/04 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger den beklagten Architekten sowohl unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher Pflichten aus dem Architektenvertrag als auch aus deliktischer Rechtsgrundlage wegen der ausgefallenen Nutzungsmöglichkeit eines nicht mehr vorhandenen Außenbalkons in Anspruch.

Der Kläger ist Eigentümer des Anwesens in S. und schloss - zusammen mit seiner Ehefrau - mit dem Beklagten über den Umbau seines Hauses einen Architektenvertrag. Soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Relevanz umfasste der Umbau die Sanierung eines gartenseitig vorhandenen Balkons. Dieser Balkon war aufgrund einer Baugenehmigung aus dem Jahr 1966 errichtet worden. Den Parteien war bewusst, dass für die Neuerrichtung des Balkons ebenfalls die Erteilung einer Baugenehmigung erforderlich werden würde, die wiederum die Zustimmung des Nachbarn voraussetzen würde.

Mit der Datumsangabe 8.11.2001 erteilte die Firma L. GmbH ein Angebot über die auszuführenden Arbeiten. Hinsichtlich des Balkons enthielt das Angebot unter Position 19 folgende Bestimmung: „Stahlbetonbalkonplatte mit Kompressor abbrechen, Massen verladen und entsorgen, Baustahl mit Flex abtrennen".

Am 5.12.2001 erteilte der Beklagte im Namen und auf Rechnung der Bauherren der Bauunternehmung den Auftrag zur Ausführung der angebotenen Arbeiten. Am 17.12.2001 brach die Bauunternehmung den Balkon wie vorgesehen ab. Erst am 31.12.2001 stellte der Beklagte den Bauantrag. Hierbei wurde das Vorhaben hinsichtlich des Balkons mit „Sanierung eines Balkons" beschrieben. Dem Bauantrag lag eine Zeichnung des neuen Stahlskelettbalkons bei. Am 8.4.2002 wurde die Baugenehmigung erteilt. Nachdem der Beklagte die Baubeginnsanzeige an die Untere Bauaufsichtsbehörde am 19.4.2002 übersandt hatte, erklärten die Nachbarn des Klägers, sie seien mit der Neuerrichtung des Balkons nicht einverstanden. Hierauf untersagte die Baubehörde den Weiterbau.

Der Kläger hat behauptet, weder er selbst noch seine Ehefrau hätten den Abriss des alten Balkons gewünscht. Der Beklagte habe hierzu aber geraten und eine Stahlskelettkonstruktion vorgeschlagen. Die Hinweise des Klägers auf vorhandene Probleme mit den Nachbarn habe der Beklagte beschwichtigt. Er habe den Kläger Anfang Dezember 2001 zur Auftragserteilung an die Bauunternehmung und zum unverzüglichen Beginn der Arbeiten überredet.

Der Kläger hat behauptet, durch den Verlust des Balkons eine Minderung seiner Wohnqualität erlitten zu haben. Der hierdurch entstandene immaterielle Schaden belaufe sich auf 5.000 EUR. Durch den Verlust des Balkons sei weiterhin eine Wertminderung des Hauses entstanden, die sich ebenfalls auf 5.000 EUR belaufe. Der Kläger hat weiterhin die Auffassung vertreten, er könne seinen Schaden derzeit nicht abschließend beziffern, da nicht abzusehen sei, wie sich die Immobilienpreise entwickeln und wie lange der Kläger das Haus noch bewohnen werde.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 10.000 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die dieser aufgrund des Abbruchs des Balkons im Anwesen in erlitten habe oder noch erleiden werde.

Dem ist der Beklagte entgegengetreten. Der Beklagte hat behauptet, der Kläger und seine Ehefrau hätten den Abriss des vorhandenen Balkons ausdrücklich gefordert. Der Kläger selbst habe am 11.12.2001 den Zeugen T. telefonisch angewiesen, den Balkon am 17.12.2001 abreißen zu lassen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiter. Er vertritt die Auffassung, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft eine Erstattungsfähigkeit der nicht mehr vorhandenen Nutzungsmöglichkeit des Balkons verneint. Insbesondere müsse der dauerhafte Verlust, den Balkon zu nutzen, ersatzfähig sein. Darüber hinaus habe der Verlust des Balkons auch die Nutzung der an den Balkon angrenzenden Räumlichkeiten nicht unerheblich eingeschränkt. Schon allein deswegen, weil die aus den Zimmern heraus führenden Balkontüren infolge der nunmehr vorhandenen Absturzgefahr nicht einmal mehr zum Lüften geöffnet werden könnten.

Dieser Umstand habe im übrigen unmittelbar zu wirtschaftlichen Folgeschäden beim Kläger geführt, da dieser entweder die Türen durch Fenster ersetzen oder in die Öffnungen Brüstungsmauern einmauern, zumindest aber ein Absturzgeländer vor die Balkontüren montieren lassen müsse. Ferner habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Beklagte nicht nur gegen seine Pflichten aus dem Architektenvertrag verstoßen, sondern auch einen deliktischen Eingriff in das Eigentum des Klägers vorgenommen habe.

Weiterhin vertritt die Berufung die Auffassung, der Kläger habe die merkantile Wertminderung schlüssig vorgetragen. Sein Sachvortrag, dass sich die Herstellungskosten für einen Balkon an einem Betrag von 5.000 EUR orientierten, bedeute nichts anderes, als dass ein Haus mit entsprechendem Balkon beim Bau rund 5.000 EUR mehr koste. Mithin schlügen sich die Bau- bzw. Herstellungskosten eines Balkons im Wert eines Hauses unmittelbar nieder. Der Kläger sei im Rahmen seiner Substantiierungspflicht nicht gehalten, ein kostenintensives Parteigutachten darüber einzuholen, welchen Wert sein Haus vor und nach dem Abriss des Balkons gehabt habe. Schließlich mangele es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht an einem Feststellungsinteresse. Er sei weder in der Lage anzugeben, wie sich die Immobilienpreise in der Zukunft entwickeln, noch wie lange er das Haus bis zu einem möglichen Verkauf noch bewohnen werde.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 10.8.2005 – 3 O 435/04 – nach Maßgabe der erstinstanzlichen Anträge zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Beklagte vertritt die Auffassung, der Kläger könne keinen Nutzungsausfall beanspruchen, da der Balkon keine zentrale Bedeutung für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung des Klägers besitze und mithin keine gleichsam notwendige und unverzichtbare Voraussetzung für eine eigenwirtschaftliche Lebenshaltung des Klägers sei. Es handele sich nicht um ein Wirtschaftsgut von zentraler Bedeutung. Weiterhin sei in die Betrachtung einzubeziehen, dass das Anwesen des Klägers über einen eigenen Gartenbereich und über eine weitere Außenterrasse im Erdgeschoss verfüge. Schließlich sei der abgerissene Balkon stark sanierungsbedürftig gewesen sei. Auf keinen Fall könne diesem Balkon eine Restnutzungsdauer von 99 Jahren beigemessen werden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 20.11.2005 (Bl. 111 ff. d. A.) sowie auf die Berufungserwiderung vom 6.1.2006 (Bl. 131 ff. d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 137 f. d. A.) verwiesen.

II.

A.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, da die angefochtene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung beruht, noch nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO). Dem Kläger steht aus Rechtsgründen kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung zu (1.). Soweit der Kläger Wertminderung begehrt, hat das Landgericht die hierauf gerichtete Klage mit zutreffenden Erwägungen deshalb abgewiesen, weil es dem Kläger nicht gelungen ist, die eingeklagte Forderung hinreichend substantiiert darzulegen (2.). Auch der korrespondierende Feststellungsantrag bleibt ohne Erfolg (3.).

1. Zur Nutzungsentschädigung:

a) Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob das Verhalten des Beklagten die Voraussetzungen eines deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der zumindest fahrlässigen Eigentumsverletzung erfüllt. Daran mag man zweifeln, da der Abbruch des Balkons auf Veranlassung des klagenden Eigentümers nicht vom Beklagten, sondern von der Baufirma vorgenommen wurde. Das Handeln der Baufirma ist deliktsrechtlich dem Kläger zuzurechnen. Denn unstreitig hat der Beklagte bei der Beauftragung der Baufirma im Namen und – anderes wird nicht vorgetragen – mit Vertretungsmacht des Klägers gehandelt. Letztlich steht auch nicht im Streit, dass die Baumaßnahme im Einvernehmen mit dem Kläger durchgeführt wurde. Zwar mag der Beklagte das Risiko eines negativen Ausgangs des Baugenehmigungsverfahrens falsch eingeschätzt haben und mit einer beschwichtigenden Auskunft im Sinne der Adäquanztheorie einen kausalen Beitrag zum Verlust des Balkons geleistet haben. Fraglich erscheint jedoch, ob der Verstoß gegen die spezifische Ausprägung des vertraglichen Pflichtenprogramms zugleich den deliktischen Vorwurf rechtfertigt: Das Deliktsrecht will allgemeine, gegenüber jedermann bestehende Rechtspflichten sanktionieren, die jeder Rechtsgenosse beachten muss (vgl. Staudinger/Hager, BGB, 13. Aufl., vor § 823 Rdnr. 24; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., Einf. v. § 823 Rdnr. 2). Diese von der Vertragshaftung grundverschiedene Zielsetzung des deliktischen Haftungsregimes darf nicht leichthin mit der Wertung relativiert werden, dass auch das Vertragsrecht die allgemeine Handlungsmaxime kennt, fremdes Eigentum nicht zu schädigen. Letztlich kann die Frage nach dem richtigen Haftungsgrund offen bleiben: Zumindest zwei weitere, den haftungsausfüllenden Tatbestand betreffende Erwägungen stehen dem geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung entgegen.

b) Mit dem ersten Teil seiner Leistungsklage begehrt der Kläger die Zahlung von 5.000 EUR Nutzungsentschädigung für den dauerhaften Verlust der Nutzungsmöglichkeit. Einen solch umfassenden Anspruch erkennt die Rechtsordnung nicht an. Der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit einer eigenwirtschaftlich genutzten Sache kann nur für den Zeitraum der Wiederherstellung durch die Gewährung von Schadensersatz ausgeglichen werden:

Die Rechtsgrundsätze zur Erstattungsfähigkeit ausgefallener Gebrauchsmöglichkeiten beruhen auf der Wertung, dass die am Vermögensbestand ausgerichtete Differenzrechnung das Interesse des Geschädigten deshalb nicht vollständig kompensiert, weil es den zeitweiligen Verlust des Eigengebrauchs der Sache nicht ausweisen kann. Darum geht es dem Kläger nicht: Bei Licht besehen stützt sich das Klagebegehren darauf, die ausgefallenen Gebrauchsmöglichkeiten für die gesamte Zeit der potentiellen Nutzbarkeit des abgerissenen Balkon zu beanspruchen.

Die Eignung der Sache zum Gebrauch ist als Preisfaktor im Regelfall im Verkehrswert jeder Sache bereits enthalten. Sie kann von ihrem Substanzwert nicht abgespalten werden. Allerdings wird die verlorene Gebrauchsmöglichkeit durch den nach der Beeinträchtigung des Substanzwertes berechneten Schadensersatz nur dann vollständig entschädigt, wenn der Verlust sofort restituiert wird. Demgemäß wird in dem für die Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Differenzhypothese anzustellenden rechnerischen Vergleich derjenige Nachteil nicht erfasst, der darin besteht, dass in der Karenzzeit im Vermögen des Geschädigten eine entwertete Sache ist (BGHZ 98, 212, 220; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 12 Rdnr. 41). Mit anderen Worten: Nur in der Karenzzeit kann der Verlust der Gebrauchsfähigkeit einer eigenwirtschaftlich genutzten Sache bei normativer Betrachtung einen Vermögensschaden darstellen, der selbst dann, wenn die Sache nur eigenwirtschaftlich eingesetzt wird, schadensrechtlich durch die Zuerkennung von Nutzungsentschädigung auszugleichen ist.

Dieses Rechtsverständnis wird vor allem in der Kasuistik zum Nutzungsausfall bei der Beschädigung von Kraftfahrzeugen deutlich: Ebenso wie die Erstattungsfähigkeit von konkreten Mietwagenkosten ist die abstrakte Nutzungsentschädigung im Fall des Totalschadens auf die Zeit der angemessenen Ersatzbeschaffung beschränkt (Palandt/Heinrichs, aaO., vor § 249 Rdnr. 22, 33; Hentschel, aaO., § 12 Rdnr. 38; Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, § 249 Rdnr. 55, 63). Kann der Geschädigte - etwa deshalb, weil er kein Geld hat - an Stelle des beschädigten Fahrzeugs kein neues Fahrzeug erwerben, so steht ihm Nutzungsausfall für die entgangene Nutzungsmöglichkeit nur für die Zeit zu, innerhalb derer üblicherweise mit einer Ersatzbeschaffung gerechnet werden kann. Demgegenüber kann der Geschädigte mit Blick auf die ihm nicht mehr zur Verfügung stehende Nutzung der Sache nicht zusätzlich zum Sachwert für die gesamte Dauer der potentiellen Nutzungserwartung gesonderten Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt des Nutzungsausfalls verlangen.

c) Letztlich kann der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung selbst im eingeschränkten zeitlichen Umfang der für die bauliche Wiederherstellung erforderlichen Zeitspanne nicht beanspruchen. Die abstrakte Nutzungsausfallentschädigung ist nämlich auf solche Sachen beschränkt, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist (BGHZ 98, 223; MünchKomm(BGB)/Oetker, aaO., § 249 Rdnr. 71 f.; Hentschel, aaO., § 12 Rdnr. 41). Dies ist nur bei Wirtschaftsgütern von allgemeiner, zentraler Bedeutung für die eigene Lebenshaltung nachgewiesen. Nur dort wird sich die Funktionsstörung typischerweise auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirken. Zu diesen Gütern gehört die Wohnung als solche, nicht hingegen Wohnungsteile von untergeordneter Bedeutung, die nur gelegentlich genutzt werden (Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, § 249 Rdnr. 65). Es kann offen bleiben, ob es Fälle geben kann, in denen die Gebrauchsmöglichkeit eines Balkons, die Grundlage der Lebenshaltung in ihrem Kern berührt. Dies erscheint deshalb fraglich, weil Balkone allein schon witterungsbedingt üblicherweise nicht ständig benutzt werden. Jedenfalls dann, wenn der Hauseigentümer – wie im vorliegenden Fall – über einen grundstückszugehörigen Garten und über eine Terrasse verfügt, kann der Verlust des Balkons die Lebenshaltung des Eigentümers nicht signifikant beeinflussen (vgl. OLGR Schleswig 2002, 1, 2).

2. Zum „merkantilen Minderwert“:

a) Auch dem Anspruch auf Erstattung eines „merkantilen Minderwerts“ (zweiter Teil des Leistungsanspruchs) begegnen – unabhängig davon, ob dem Beklagten eine vertragliche Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann – durchgreifende Bedenken.

Bereits der Rechtsbegriff ist falsch gewählt: Unter merkantilem Minderwert versteht man einen solchen Schaden, der trotz der durchgeführten Naturalrestitution deshalb verbleibt, weil der Verkehr selbst eine ordnungsgemäß reparierte Sache geringer bewertet als eine von vornherein schadensfreie Sache (vgl. nur Palandt/Heinrichs, aaO., § 251 Rdnr. 12). Darum geht es dem Kläger nicht. Vielmehr begehrt der Kläger Ausgleich dafür, dass sein Grundstück durch den Verlust des Balkons eine Wertminderung erfahren habe, die einer Naturalrestitution nicht zugänglich sei: Die Wiederherstellung des Balkons ist wegen der fehlenden Zustimmung des Nachbarn aus Rechtsgründen unmöglich. Mithin erstrebt der Kläger mit dem zweiten Teil seines Leistungsantrags Schadensersatz für die Beeinträchtigung der Sachsubstanz, der – was den haftungsausfüllenden Tatbestand anbelangt – seine rechtliche Grundlage in § 251 Abs. 1 BGB findet.

Nach dieser Vorschrift ist in Fällen der nicht möglichen Wiederherstellung das Wertinteresse, nicht das § 249 BGB maßgebliche Herstellungsinteresse zu ersetzen. Der Schaden besteht in der Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie es sich ohne schädigendes Ereignis darstellen würde, und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert (BGHZ 27, 181, 187). Da der Balkon gemäß § 93 BGB nicht Gegenstand eines besonderen Rechts sein kann, kommt es darauf an, welchen Wertverlust das Grundstück des Klägers durch die Beseitigung des Balkons erlitten hat.

b) Diese Wertverhältnisse werden im ersten Rechtszug nur unsubstantiiert dargelegt. Der Kläger hat zu den Grundstückswerten vor und nach dem Abriss des Balkons nicht vorgetragen und sich in der Klageschrift auf die schlichte Behauptung beschränkt, dass sich der merkantile Minderwert auf 5.000 EUR belaufe. Auch im Schriftsatz vom 20.6.2005 werden die maßgeblichen Bezugsgrößen nicht genannt (Bl. 59 d. A.). Da das Landgericht den Kläger sowohl im Beschluss vom 7.4.2005 (Bl. 50 d. A.) als auch im Termin vom 6.7.2005 (Bl. 66 d. A.) auf die fehlende Substantiierung hingewiesen hat, erscheint fraglich, ob der in der Berufungsbegründung vorgetragene Sachvortrag nicht bereits nach § 531 Abs. 1 ZPO präkludiert ist.

c) Letztlich kann die Frage, ob der neue Sachvortrag im zweiten Rechtszug deshalb Berücksichtigung finden kann, weil er kein neuer Vortrag i. S. des § 531 ZPO ist, sondern sich lediglich als Ergänzung des erstinstanzlichen Vortrags darstellt (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 18.10.2005 – VI ZR 270/04, NJW 2006, 152, 153), im Ergebnis offen bleiben: Auch die Berufungsbegründung wählt nicht den richtigen Ansatzpunkt: Es mag sein, dass der Verkehr bereit ist, für ein neues Haus mit Balkon einen Preis zu zahlen, der den Preis eines Hauses ohne Balkon exakt um die Herstellungskosten des Balkons übersteigt. Allerdings betrifft diese Konstellation nicht den vorliegenden Fall. Bei der Betrachtung darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der den Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bestimmende Balkon sanierungsbedürftig war; eine sinnvolle „Reparatur“ konnte nur in einem kompletten Abriss bestehen. Mithin ist bei der Bestimmung der nach § 251 Abs. 1 BGB maßgeblichen Wertverhältnisse danach zu fragen, welches Interesse der Verkehr an der Nutzung eines baufälligen Balkons besitzen mag. Vernünftigerweise kann sich dieses Interesse nicht an den Kosten der Wiederherstellung orientieren. Eher wird der Erwerber den baufälligen Balkon bei der Wertbetrachtung als Abzugsposten berücksichtigen, da er Sanierungskosten aufwenden muss, um den Balkon bestimmungsgemäß zu nutzen. Dass der Kläger mithin durch den Abriss des sanierungsbedürftigen Balkons einen relevanten Wertverlust erlitten hat, ist nicht ersichtlich.

d) Aber auch dann, wenn man den Wertverlust danach berechnet, welchen Wert der Grundstücksverkehr der rechtlichen Option beimisst, einen Balkon baurechtskonform errichten zu können, hat der Kläger die unmittelbaren Anknüpfungstatsachen für die Rechtsanwendung nicht benannt.

Hierbei kann das Substantiierungsdefizit insbesondere nicht mit der Erwägung überwunden werden, dass es einer Partei nicht zugemutet werden könne, zur Untermauerung ihres Sachvortrags ein kostenintensives Parteigutachten einzuholen. Der Klägervertreter verkennt, dass es ihm nicht zum prozessualen Nachteil gereicht, gewissermaßen zur Plausibilitätskontrolle seines Vortrags kein Parteigutachten vorgelegt zu haben. Vielmehr hat der Kläger die für die Rechtsanwendung maßgeblichen unmittelbaren Vergleichswerte nicht angeben:

Der Kläger beziffert den Wert der Option, einen Balkon zu errichten, nicht explizit, sondern trägt vor, dass sich der Sachwert des weggefallenen Balkons wertgleich mit den Herstellungskosten unmittelbar im Sachwert des Grundstücks niederschlage. Da der Kläger die von ihm in Anspruch genommene Wertminderung ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Zustand des entfernten Balkons berechnet, verfehlt der vom Kläger behauptete Wert den rechtlichen Ansatzpunkt des § 251 Abs. 1 BGB.

Dessen ungeachtet leuchtet es nicht ein, dass der Verkehr die bloße rechtliche Möglichkeit, einen Balkon zu bauen, als Wertsteigerung begreift, die den Herstellungskosten entspricht. Diese Betrachtungsweise verkennt, dass der Erwerber, um in den Genuss des Balkons zu gelangen, die Herstellungskosten ohnehin selbst tragen muss. In dieser Situation erscheint es nicht einsichtig, dass ein Erwerber allein um der Option willen, einen Balkon errichten zu können, bereit sein würde, schon beim Kauf des Anwesens einen um die Herstellungskosten des Balkons erhöhten Kaufpreis zu zahlen. Dies berücksichtigend ist die in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Erwägung, dass sich der Wertverlust für die dauerhafte Unmöglichkeit einen genehmigungsfähigen Balkon zu errichten, an den Herstellungskosten von 5.000 EUR orientiere, ersichtlich ins Blaue hinein vorgetragen. Ein solcher Vortrag kann die Beweisaufnahme nicht eröffnen, da die Beweiserhebung der Verifizierung eines schlüssigen Sachvortrags dient und nicht dazu missbraucht werden darf, die zur Rechtsanwendung erforderlichen Anknüpfungstatsachen erst zur erforschen.

e) Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung auf weitere Vermögensnachteile verweist, die ihm deshalb entstünden, weil er nunmehr Baumaßnahmen vornehmen müsse, um einer Unfallgefahr entgegenzuwirken, handelt es sich um einen neuen Sachvortrag, dessen Zulassung an § 531 Abs. 1 ZPO scheitert. Zudem werden auch diese Vermögensnachteile nicht hinreichend genau beziffert.

3. Zum Feststellungsantrag:

Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Feststellungsantrag ist nicht gegeben, da der Kläger den für eine Schadensberechnung nach § 251 Abs. 1 BGB maßgeblichen Wertverlust schon jetzt beziffern könnte. Zur richtigen Bestimmung der maßgeblichen Wertverhältnisse ist der Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht, nicht der unbestimmte Zeitpunkt einer möglichen Veräußerung des Grundstücks, maßgeblich (vgl. MünchKomm(BGB)/Oetker, aaO., § 251 Rdnr. 14; BGHZ 5, 138, 142).

Nach alldem war der Berufung des Klägers kein Erfolg zu bescheiden.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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