Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 4 U 449/09 - 129

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. August 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Homburg – Az. 16 C 233/88 –  wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last .

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des (jeweils) zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen .

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.596,68 EUR festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine in Spanien ansässige Versicherungsgesellschaft, aufgrund eines Verkehrsunfalls auf Schadensersatz in Anspruch, der sich am 9.4.2008 gegen 11.00 Uhr auf der A 85 bei Orly in Frankreich ereignet hat.

Die Beklagte hat die Versicherung AG im Inland mit der Schadensregulierung beauftragt.

Zum Unfallhergang hat die Klägerin vorgetragen, der Fahrer des bei der Beklagten haftplichtversicherten LKW´s Marke DAF, amtliches Kennzeichen, sei infolge Unaufmerksamkeit gegen das Heck des LKW´s mit dem amtlichen Kennzeichen gestoßen, der wegen eines Verkehrsstaus habe anhalten müssen und dessen Eigentümerin und Halterin die Klägerin sei.

Neben Reparaturkosten von 1.208,68 EUR netto macht die Klägerin Sachverständigenkosten von 362 EUR netto sowie eine Unkostenpauschale von 26 EUR geltend. Außerdem begehrt sie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Die Klägerin ist der Auffassung, die vom Amtsgericht Homburg/Saar bewirkte Zustellung der Klage an die Versicherung AG als inländische Schadensregulierungsbeauftragte der Beklagten sei wirksam. Nach Art. 4 und den Erwägungen 15 und 16 der amtlichen Begründung zur 4. KH-Richtlinie (Richtlinie 2006/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung) seien die Regulierungsbeauftragten ausländischer Versicherungsgesellschaften für Kfz. - Haftpflichtschäden aufgrund der ihnen erteilten Vollmacht auch für die Zustellung von Klagen als bevollmächtigte Vertreter der Versicherungsunternehmen anzusehen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.596,68 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit sowie 192,90 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Unwirksamkeit der an ihre inländische Schadensregulierungsbeauftragte bewirkten Klagezustellung gerügt, der sie keine entsprechende rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt habe und deren Zustellungsbevollmächtigung für Klagen sich auch nicht aus der 4. KH-Richtlinie ergebe.

In der Sache hat die Beklagte bestritten, dass die im Haftpflichtgutachten dokumentierten Schäden am LKW der Klägerin aus dem streitgegenständlichen Anstoß herrühren. Außergerichtlich hat die Schadensregulierungsbeauftragte der Beklagten geltend gemacht, der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs habe den Unfall beim Zurückrollen selbst verschuldet (Bl. 16 d.A.).

Da im Streitfall das Recht des Unfallortes Anwendung finde, sei es im Rahmen schlüssigen Klagevorbringens darüber hinaus Aufgabe der Klägerin gewesen, die Ersatzfähigkeit aller den Gegenstand der Klage bildenden Schäden sowie den Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach französischem Recht darzulegen, was nicht geschehen sei.

Das Amtsgericht Homburg hat die Klage durch das zur Berufung angefallene Urteil als unbegründet abgewiesen. Das Amtsgericht hat die Ansicht vertreten, die „auftragsgemäß“ an die inländische Schadensregulierungsbeauftragte der Beklagten bewirkte Klagezustellung sei unwirksam. Da es an einer ordnungsgemäßen Zustellung der Klage fehle, sei die Klage als unbegründet abzuweisen.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe gemäß § 540 Abs.1 S.1 Nr.1 ZPO Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin hält die Klagezustellung an die inländische Schadensregulierungsbeauftragte der Beklagten weiterhin für wirksam. Das Amtsgericht habe die Klage daher zu Unrecht ohne Sachprüfung abgewiesen.

Die Klägerin beantragt ( Bl.55, 57,72 d.A.),

das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass auf ihren bereits dargestellten erstinstanzlichen Sachantrag erkannt wird;

hilfsweise,

die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt (Bl. 52, 72 d.A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Zu Recht gehe das Amtsgericht davon aus, dass die an die Schadensregulierungsbeauftragte der Beklagten bewirkte Klagezustellung unwirksam sei.

Nachdem der Senat die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2010 darauf hingewiesen hat, dass das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, die Klägerin hätte sich auch bei einem Hinweis des Amtsgerichts auf die nach dessen Rechtsauffassung unwirksame Klagezustellung an die inländische Schadensregulierungsbeauftragte der Beklagten unter Inkaufnahme der Klageabweisung als unzulässig geweigert, eine Übersetzung der Klageschrift nebst Anlagen in die spanische Sprache zwecks Auslandszustellung an die Beklagte selbst zu überreichen. Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin erklärte weiter, da ihm und der Partei an einer Klärung der Frage der Zustellungsbevollmächtigung der Schadensregulierungsbeauftragten gelegen sei, werde die Klägerin auch dann keine Übersetzung der Klageschrift vorlegen, wenn der Senat eine Auslandszustellung an die Beklagte beabsichtige und sie hierzu auffordern sollte (Bl. 73 d.A.).

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten erklärte, er habe die Problematik mit der Beklagten besprochen. Diese werde eine ihr ohne spanische Übersetzung zugestellte Klage nicht annehmen (Bl. 73 d.A.).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12.1.2010 Bezug genommen (Bl. 72 bis 74 d.A.).

B.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (I.). Das Rechtsmittel bleibt in der Sache im Endergebnis erfolglos. Allerdings war die Klage als unzulässig abzuweisen (II.).

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel ist statthaft, form – und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden. Die Zuständigkeit des Saarländischen Oberlandesgerichts folgt aus der Sonderzuweisung in § 119 Abs.1 Nr.1 GVG in der Fassung vom 1.1.2002 für Sachen mit Auslandsberührung. Nach Nr.1 lit. c der Vorschrift sind die Oberlandesgerichte für die Entscheidungen über Berufungen gegen Urteile der Amtsgerichte zuständig, in denen ausländisches materielles Recht zur Anwendung gelangt und das Amtsgericht dies in den Entscheidungsgründen ausdrücklich feststellt. Im Streitfall findet nach dem IPR und dem Schadensersatzstatut materielles französisches Recht Anwendung. Da eine Sachprüfung nicht stattgefunden hat, enthält das angefochtene Urteil keine Feststellungen zu der Frage, welches materielle Recht Anwendung findet. Die Oberlandesgerichte sind nach lit b. ferner zuständig, wenn eine der Parteien ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb Deutschlands hat. Nach h.M. kommt es im Geltungsbereich der ZPO bei juristischen Personen auf deren Sitz an (§ 17 ZPO; Zöller-Lückemann, ZPO, 27. Aufl. Rn. 14 zu § 119 GVG a.F. mwNw.). Die Beklagte ist in Spanien geschäftsansässig.

§ 119 GVG wurde zwar durch Art.22 Nr.14 FGG-RG vom 17.12.2008 mit Wirkung vom 1.9.2009 geändert. Nach der Überleitungsvorschrift des § 40 EGGVG richtet sich die Berufung gegen vor dem 31.8.2009 ergangene Urteile jedoch weiter nach der alten Rechtslage. Da das angefochtene Urteil am 17.8.2009 verkündet worden ist, gilt für die vorliegende Berufung altes Recht.

II.

Das Rechtsmittel bleibt im Endergebnis ohne Erfolg.

Das Amtsgericht geht zu Recht davon aus, dass die an die inländische Schadensregulierungsbeauftragte der Beklagten bewirkte Klagezustellung unwirksam ist. Jedoch durfte es die Klage nicht abweisen, ohne die Parteien zuvor auf die nach seiner Rechtsauffassung nicht wirksame Klagezustellung hinzuweisen (§ 139 ZPO). Dass ein solcher Hinweis vor Erlass des angefochtenen Urteils erfolgt ist, lässt sich der Gerichtsakte nicht entnehmen. Im Übrigen hätte das Amtsgericht die Klage nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abweisen müssen.

Allerdings beruht das klageabweisende Urteil – sieht man von der rechtsfehlerhaften Abweisung als unbegründet ab - nach den Erklärungen der Prozessbevollmächtigten der Parteien in der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz im Endergebnis nicht auf der fehlerhaften Sachbehandlung. Hiernach wäre eine wirksame Klagezustellung nicht möglich gewesen und sie ist es weiter nicht, da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt hat, die Klägerin werde sich auch für den Fall, dass der Senat eine Auslandszustellung beabsichtigen sollte, weigern, eine spanische Übersetzung der Klageschrift zu überreichen. Im Einzelnen:

III.

Zunächst ergeben sich keine Bedenken gegen die im Berufungsrechtszug von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Homburg. Für den Geltungsbereich des EuGVVO ist bei Klagen aufgrund eines Direktanspruches gegen einen ausländischen Versicherer mit Geschäftssitz in der EU nach der Rechtsprechung des EuGH ein besonderer Gerichtsstand am Wohn - bzw. Geschäftssitz des Geschädigten begründet. Der Gerichtsstand wird durch eine Rechtsfolgenverweisung in Art. 11 Abs.2 in Verbindung mit Art 9 Abs.1 Nr.2 EuGVVO eröffnet (EuGH 13.12.2007 C-463/06 – Odenbreit DAR 2008, 17).

IV.

Die Abweisung der Klage als unbegründet war rechtsfehlerhaft. Eine nicht wirksam zugestellte Klage ist unzulässig. Nur die wirksame Zustellung der Klage begründet die Rechtshängigkeit der Sache (§ 262 ZPO) mit deren prozessualen (§ 270 Abs.3 ZPO) und materiell-rechtlichen Wirkungen (§ 262 ZPO). Nachdem sich ein Rechtsanwalt für die Beklagte bestellt hatte, bestand zwischen den Streitparteien zwar ein Prozessrechtsverhältnis, das auch durch eine wegen Zustellungsmängeln unzulässige Klage begründet wird (BGH NJW 1992, 2575; Zöller-Vollkommer a.a.O. Einleitung Rn.58 mwNw.). Fehlt es an einer wirksamen Klagezustellung, ist dennoch keine Rechtshängigkeit gegeben.

V.

Das Amtsgericht geht zu Recht davon aus, dass es an einer wirksamen Klagezustellung fehlt. Die Zustellung hat grundsätzlich an denjenigen zu erfolgen, der nach der Klageschrift Beklagter sein soll; hier also die in Spanien ansässige beklagte Versicherung. Ob inländische Schadensregulierungsbeauftragte im EU-Ausland geschäftsansässiger Kfz.-Haftpflichtversicherer für Klagen von Unfallgeschädigten, die einen Direktanspruch geltend machen, auch ohne ausdrücklich erteilte Zustellungsvollmacht aufgrund der „Regulierungsvollmacht“ als zustellungsbevollmächtigt anzusehen sind, ist streitig. Die Klägerin behauptet nicht, dass die Beklagte ihrer inländischen Schadensregulierungsbeauftragten entgegen deren Darstellung eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht nach § 171 ZPO erteilt hat.

1. Die Rechtsfrage kann im Streitfall nicht deshalb offen bleiben, weil mögliche Zustellungsmängel geheilt wären:

a. Ein Zustellungsmangel wird nach § 189 ZPO durch tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks beim Zustellungsadressaten geheilt. Es kann unterstellt werden, dass die Beklagte die Klageschrift erhalten hat. Eine Heilung in Anwendung der Vorschrift setzt voraus, dass derjenige, der die Zustellung zu bewirken hat, den Willen zur Zustellung an den Adressaten hatte, dem mangelhaft zugestellt worden ist (Zöller-Stöber, ZPO, 27. Aufl. Rn. 2 zu § 189 mwNw.). Das Amtsgericht Homburg hat die Klageschrift „wie von der Klägerin beantragt“ an die inländische Schadensregulierungsbeauftragte zugestellt. Da die Beklagte selbst nicht Zustellungsadressantin war und ein Wille des Amtsgerichts, die Klage an die Beklagte zuzustellen, nicht vorgelegen hat, scheidet eine Heilung durch tatsächliche Zugangsbewirkung aus.

b. Eine Heilung infolge Rügeverzicht oder rügelose Einlassung nach § 295 ZPO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat zwar in den mündlichen Verhandlungen erster Instanz vom 6.4. und 27.7.2009 zur Sache verhandelt. Er hat aber bereits in der Klageerwiderung die mangels Zustellungsbevollmächtigung der Schadensregulierungsbeauftragten fehlende wirksame Klagezustellung gerügt (Bl. 8 d.A.). Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 26.4.2009 und 27.7.2009 ergibt sich, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten an der Rüge festgehalten hat (Bl. 23, 36 d.A.).

2. Ob inländische Schadensregulierungsbeauftragte ausländischer Kfz.-Haftpflichtversicherungen auch ohne rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung für Klagen als zustellungsbevollmächtigt anzusehen sind, wird kontrovers beurteilt:

a. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass sich aus der Wortfassung des Art. 4 der 4. KH-Richtlinie (Richtlinie 2000/26/EG) ergebe, dass Schadensregulierungsbeauftragte auch für gerichtliche Zustellungen als Vertreter des ausländischen Versicherungsunternehmens anzusehen sind. Begründet wird dies damit, dass der Schadensregulierungsbeauftragte nach den Erwägungen 15 und 16 der amtlichen Begründung zur 4.KH-Richtlinie die Befugnis haben soll, den ausländischen Versicherer vor den Gerichten zu vertreten. Der in der Erwägung 16. erfolgten Klarstellung, dass alleine durch die Tätigkeit des Schadensregulierungsbeauftragten kein Gerichtsstand begründet werden soll, hatte es - so die Vertreter dieser Auffassung – nicht bedurft, wenn der Schadensregulierungsbeauftragte in einem Gerichtsverfahren ohne jede Bedeutung wäre (Riedmeyer, zfs2008, 602, 605; wohl auch Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 2249, 2253).

b. In der Rechtsprechung wird die gegenteilige Ansicht vertreten. Das Kammergericht geht in einer Beschlussentscheidung vom 5.3.2008 (veröffentlicht in NJW-RR 2008, 1023) davon aus, dass die 4. KH-Richtlinie nach ihrem Wortlaut und ihrer Intention nur die vorgerichtliche Geltendmachung von Schäden betreffe. Dem stehe die Erwägung 15, die in Art. 4 Abs.5 in die Richtlinie selbst Eingang gefunden habe, nicht entgegen. Weder aus der Wortfassung noch aus dem Umstand, dass Schadensregulierungsbeauftragte über ausreichende Befugnisse verfügen müssen, um das Versicherungsunternehmen gegenüber Geschädigten zu vertreten und um deren Schadensersatzansprüche in vollem Umfang zu befriedigen, folge eine Zustellungsvollmacht im Falle gerichtlicher Inanspruchnahme. Dass der Schadensregulierungsbeauftragte nach Art 4 Abs.8 der Richtlinie nicht als Niederlassung im Sinne von Art 2 lit. c. der Richtlinie 88/357/EWG oder als Niederlassung im Sinne des Brüsseler Übereinkommens vom 27.September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil - und Handelssache gelte, belege, dass eine Änderung des nationalen Prozessrechts und der Vorschriften über die Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke weder bezweckt noch bewirkt werden solle. In Rechtsprechung und Schrifttum bestehe für den Geltungsbereich der ZPO - was zutrifft – Einigkeit, dass verfahrenseinleitende Schriftstücke nicht nach § 184 ZPO zugestellt werden können. Die Anordnungsschrift kann mit dem verfahrenseinleitenden Schriftstück zugestellt werden (Zöller-Stöber a.a.O. Rn. 3 zu § 184).

c. Der Senat schließt sich der Auffassung des Kammergerichts an: Aus der Wortfassung der 4. KH-Richtlinie ergibt sich nicht, dass der Schadensregulierungsbeauftragte für die Zustellung von Klagen als bevollmächtigt gilt. Die Erwägung 15 und die Erwägung 16 der 4. KH-Richtlinie geben keine belastbaren Hinweise darauf, dass eine Zustellungsbevollmächtigung von Schadensregulierungsbeauftragten für gerichtliche Klagen gewollt war. Dies ergibt sich nicht aus der Erwägung 15 zur 4 KH-Richtlinie, in der es u.a. heißt :

„Schadensregulierungsbeauftragte sollen über ausreichende Befugnisse verfügen, um das Versicherungsunternehmen gegenüber den Geschädigten zu vertreten und es auch gegenüber den einzelstaatlichen Behörden und gegebenenfalls, soweit dies mit den Regelungen des internationalen Privat- und Zivilprozessrechts über die Festlegung gerichtlicher Zuständigkeiten vereinbar ist, gegenüber den Gerichten zu vertreten“.

Art. 4 Abs.5 der Richtlinie, der die Erwägung 15 umsetzt, lautet wie folgt:

„Schadensregulierungsbeauftragte müssen über ausreichende Befugnisse verfügen, um das Versicherungsunternehmen gegenüber Geschädigten in den in Artikel 1 genannten Fällen zu vertreten und deren Schadensersatzansprüche in vollem Umfang zu befriedigen. Sie müssen in der Lage sein, den Fall in der Amtssprache bzw. den Amtssprachen des Wohnsitzmitgliedstaates zu bearbeiten“.

Der Umstand, dass Art.4 Abs.5 die Befugnis zur Vertretung des Versicherungsunternehmens vor Gerichten nicht regelt, weist in Verbindung mit der in der Erwägung 15 gemachten Einschränkung „soweit dies mit den Regeln des internationalen Privat- und Zivilprozessrechts vereinbar ist“, in Übereinstimmung mit dem Kammergericht klar in die Richtung, dass eine Änderung des nationalen Prozessrechts nicht beabsichtigt war.

Nach deutschem Prozessrecht sind gerichtliche Anordnungen, in denen der ausländischen beklagten Partei aufgegeben wird, schon für verfahrenseinleitende Schriftstücke einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, nicht zulässig.

Auch aus der Erwägung 16 folgt keine Zustellungsvollmacht für Klagen. Soweit es dort heißt, „die Tätigkeiten der Schadensregulierungsbeauftragten reichen nicht aus, um einen Gerichtsstand im Wohnsitzmitgliedstaat des Geschädigten zu begründen, wenn dies nach den Regelungen des internationalen Privat- und Zivilprozessrechts über die Festlegung gerichtlicher Vorschriften nicht vorgesehen ist“, kann hieraus und aus Art 4 Abs.8 der Richtlinie, der die Erwägung 16 umsetzt, ebenfalls keine Zustellungsvollmacht hergeleitet werden. Die Regelung wäre entgegen den zitierten Literaturstimmen nicht überflüssig, wenn dem Schadensregulierungsbeauftragten im gerichtlichen Verfahren keine Bedeutung zukäme. Ebenso gut lässt sich argumentieren, dass Art. 4 Abs.8 der Klarstellung dient, dass den Schadensregulierungsbeauftragten in gerichtlichen Verfahren keine eigenständige zuständigkeitsbegründende oder sonstige im nationalen Prozessrecht nicht vorgesehene Bedeutung zukommen soll. Wäre eine Zustellungsbevollmächtigung der Schadensregulierungsbeauftragten für Klagen gewollt gewesen, hätte nichts näher gelegen, als dies in Art 4. der 4. KH-Richtlinie, die nach der Erwägung 8 „der Beseitigung von Lücken hinsichtlich der Schadensregulierung bei Unfällen dient, die sich in einem anderen Staat als dem Wohnsitz des Geschädigten ereignen“, klar zu regeln.

Auch der von Staudinger/Czaplinski (a.a.O.) zur Stützung der Gegenansicht angeführte Erwägungsgrund 12 der Harmonisierungsrichtlinie, wonach der Schaden in einer dem Unfallopfer vertrauten Weise reguliert werden soll, liefert keinen brauchbaren Anhalt für eine Klagen betreffende Zustellungsvollmacht des Schadensregulierungsbeauftragten.

Mit Blick auf die zeitparallel erlassene Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 vom 29.5.2000, mit der die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im EU-Ausland erleichtert wurde, bestand auch kein Handlungsbedarf, den Schadensregulierungsbeauftragten eine Zustellungsvollmacht in gerichtlichen Verfahren zuzuweisen.

Weder aus der 4 KH-Richtlinie noch aus den Regelungen, durch die diese in nationales Recht umgesetzt wurde (BGBl. 2002, 2586 f.), ergeben sich somit valide Hinweise darauf, dass die den Schadensregulierungsbeauftragten nach der 4. KH-Richtlinie zu erteilende Vollmacht auch für die Zustellung von Klagen gegen das Versicherungsunternehmen gelten soll.

VI.

Auch wenn das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Klage mangels Zustellungsbevollmächtigung der inländischen Schadensregulierungsbeauftragten nicht wirksam zugestellt war, durfte es - solange eine wirksame Zustellung an die Beklagte möglich war - die Klage nicht (als unzulässig) abweisen (Thomas / Putzo, ZPO, 30. Aufl. Rn.23 § 166 Vorbem.).

Klagen sind nach §§ 166 ff. ZPO von Amts wegen zuzustellen. Das Gericht hat die Klage an die in der Klageschrift bezeichnete Beklagte wirksam zuzustellen. Zwar begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, dass das Amtsgericht die Klage an die in der Klageschrift als Zustellungsbevollmächtigte bezeichnete inländische Schadensregulierungsbeauftragte der Beklagten zugestellt hat. Nachdem sich für die Beklagte ein Rechtsanwalt bestellt und der Prozessbevollmächtigte der Beklagten unter Hinweis auf eine fehlende rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Zustellungsbevollmächtigung der Schadensregulierungsbeauftragten die Wirksamkeit der Klagezustellung gerügt hat, musste das Amtsgericht die Parteien gemäß § 139 ZPO auf die nach seiner Ansicht fehlende wirksame Klagezustellung hinweisen.

Gerichte sind im Rahmen von Klagezustellungen nicht an Weisungen gebundene Erfüllungsgehilfen der klagenden Partei. Sie haben von Amts wegen darauf zu achten und darauf hinzuwirken, dass Klagen ordnungsgemäß zugestellt werden. Folglich hätte das Amtsgericht ausgehend von seiner eigenen Rechtsauffassung die Zustellung der Klage an die in der Klageschrift bezeichnete Beklagte bewirken und die Klägerin auffordern müssen, eine spanische Übersetzung der Klageschrift nebst Anlagen vorzulegen. Dies ist unter Verkennung der dem Gericht im Rahmen der Zustellung von Klagen zugewiesenen Aufgaben nicht geschehen.

VII.

Jedoch beruht das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht auf der fehlerhaften Sachbehandlung. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz erklärt, die Klägerin würde auch bei einem Hinweis des Erstrichters auf die nicht wirksam erfolgte Klagezustellung eine gerichtliche Aufforderung, eine spanische Übersetzung der Klageschrift (nebst Anlagen) zwecks Zustellung an die Beklagte vorzulegen, aus den im Termin erläuterten Gründen unter Inkaufnahme der Abweisung der Klage als unzulässig ignoriert haben. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat weiter erklärt, man werde im Berufungsrechtszug im Falle einer Aufforderung durch den Senat ebenfalls keine spanische Übersetzung der Klageschrift zum Zwecke der Klagezustellung an die Beklagte vorlegen. Die Beklagte hat durch ihren Prozessbevollmächtigten mitteilen lassen, dass sie die Annahme einer Klageschrift, der eine spanische Übersetzung nicht beigefügt ist, verweigern wird. Da kein Grund zu Zweifeln an der Richtigkeit und Verbindlichkeit der von den Prozessbevollmächtigten der Parteien im Termin abgegebenen Erklärungen besteht, erweist sich eine wirksame Auslandszustellung der Klage an die Beklagte selbst als nicht möglich:

Zwar schreibt Art. 5 der ab dem 13.11.2008 geltenden ZustellungsVO(EG) 1393/2007 eine Übersetzung gerichtlich zuzustellender Schriftstücke in die Amtssprache des Empfängerstaates nicht mehr zwingend vor. Der Empfänger kann nach Art. 8 der ZustellungsVO die Annahme jedoch verweigern oder das Dokument binnen Wochenfrist zurücksenden, wenn er die Sprache, in der die Schriftstücke abgefasst sind, nicht versteht. Auf dieses Recht ist der Adressat bei der Zustellung hinzuweisen. Dass die beklagte spanische Versicherung über Mitarbeiter verfügt, die der deutschen Gerichtssprache in Wort und Schrift mächtig und die in der Lage sind, eine Klageschrift (nebst Anlagen) authentisch zu übersetzen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Verweigert der Empfänger die Annahme, bedarf es einer Übersetzung; wobei nach der Rechtsprechung des EuGH auch die Anlagen zur Klageschrift zu übersetzen sind, soweit diese zum Verständnis des Schriftsatzes erforderlich sind (EuGH 8.5.2008 NJW 2008, 1721).

Erweist sich eine wirksame Auslandszustellung der Klage aufgrund beharrlicher Weigerung der Klägerin, die erforderliche spanische Übersetzung der Klageschrift vorzulegen und berechtigter Weigerung der Beklagten, gerichtliche Schriftstücke ohne Übersetzung als zugestellt anzunehmen, als unmöglich, unterliegt die Klage der Abweisung als unzulässig.

Die Berufung der Klägerin war daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

VIII.

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs.1 Nr.1 ZPO). Die kontrovers beurteilte Rechtsfrage, ob inländische Schadensregulierungsbeauftragte ausländischer Kfz.-Haftpflichtversicherungen zur Zustellung von Klagen als bevollmächtigt gelten, hat erhebliche praktische Relevanz. Sie stellt sich in einer Vielzahl von Auslandsunfällen, weshalb das Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt wird.

Eine Rechtspflicht, die Frage der Zustellungsbevollmächtigung des Schadensregulierungsbeauftragen nach dem Gemeinschaftsrecht gemäß Art. 234 III EGV dem EuGH zur Beantwortung vorzulegen, besteht nicht. Nach Revisionszulassung, an die das Revisionsgericht gebunden ist (§ 543 Abs.2 S.2 ZPO), ist der Senat nicht letztinstanzliches Gericht (Zöller-Greger, a.a.O. Rn. 3 b zu § 148 mwNw.).

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