Beschluss vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 9 UF 90/10

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen Ziffer II des am 2. Juni 2010 verkündeten Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – in St. Wendel in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15. Juni 2010 – 16a F 25/09 S – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am … Januar 1970 geborene Antragstellerin (Ehefrau) und der am ... Dezember 1962 geborene Antragsgegner (Ehemann) haben am 11. September 1992 die Ehe geschlossen, aus der ein am 20. Januar 1993 geborener Sohn hervorgegangen ist. Der Scheidungsantrag der Ehefrau wurde dem Ehemann am 31. Oktober 2009 zugestellt.

Während der Ehezeit (1. September 1992 bis 30. September 2009, § 3 Abs. 1 VersAusglG) haben beide Eheleute Versorgungsanrechte erworben. Die Ehefrau hat ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der DRV (DRV Bund, weitere Beteiligte zu 3) sowie ein Anrecht der privaten Altersversorgung aus einem staatlich geförderten Altersvorsorgevertrag nach dem Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorgeverträgen (AltZertG) bei der U.I. AG (U.I., weitere Beteiligte zu 4) erworben. Der Ehemann, der mit Ablauf des 30. September 2009 in den Ruhestand versetzt wurde, hat einen Anspruch auf Versorgung aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und zwar auf Ruhegehalt nach dem Beamtenversorgungsgesetz beim Bundeseisenbahnvermögen (weitere Beteiligte zu 1) erlangt. Hinsichtlich eines Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der D.R. (DRV KBS, weitere Beteiligte zu 2) ergibt sich kein Ehezeitanteil.

Die Ehegatten haben im Scheidungsverfahren am 2. Juni 2010 vor dem Familiengericht einen Vergleich geschlossen, worin sie wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt (Ziffer 1) und Zugewinnausgleichsansprüche (Ziffer 2) verzichtet sowie Einigkeit erzielt haben, dass der Hausrat auseinander gesetzt ist (Ziffer 3).

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den ergänzend Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Ehe geschieden (Ziffer I; insoweit rechtskräftig seit 2. Juni 2010). Den Versorgungsausgleich hat es in der durch Beschluss vom 15. Juni 2010 – 16a F 25/09 S - berichtigten Fassung der Beschlussformel dahin geregelt, dass es – jeweils bezogen auf den 30. September 2009 - im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei der DRV Bund zu Gunsten des Ehemannes ein Anrecht in Höhe von 4,1669 Entgeltpunkten auf dessen vorhandenes Konto bei der DRV KBS (Ziffer II.1.) übertragen und ausgesprochen hat, dass der Ausgleich des Anrechts der Ehefrau bei U.I. in Höhe von 1.365,12 EUR unterbleibt (Ziffer II.2.). Im Wege der internen Teilung hat es zu Lasten des Anrechts des Ehemannes beim B.V. zu Gunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von monatlich 471,91 EUR übertragen (Ziffer II.3.).

Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich richtet sich die Beschwerde des Ehemannes. Mit dem Rechtsmittel erstrebt er die Abänderung von Ziffer II. 1.-3. des angefochtenen Beschlusses.

Die Ehefrau bittet um Zurückweisung der Beschwerde. Sie verteidigt – ebenso wie die weitere Beteiligte zu 1) - die angefochtene Entscheidung.

Die weiteren Beteiligten zu 2), 3) und 4) haben sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.

Der Senat hat die beteiligten Ehegatten persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 1. Juni 2011 (Blatt 72 ff) Bezug genommen.

II.

Da das Scheidungsverfahren nach dem 31. August 2009 eingeleitet worden ist, kommt gemäß § 48 VersAusglG, Art. 111 FGG-Reformgesetz das seit dem 1. September 2009 geltende materielle und Verfahrensrecht zur Anwendung.

Die auf den Ausspruch zum Versorgungsausgleich beschränkte Beschwerde des Ehemannes ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 58 ff, 228 FamFG). Der vor dem Familiengericht erklärte Rechtsmittelverzicht war – wie die beteiligten Ehegatten in der Beschwerdeverhandlung übereinstimmend und für den Senat überzeugend klargestellt haben – nur auf den Scheidungsausspruch in Ziffer I des angefochtenen Beschlusses bezogen, so dass der Ehemann hierdurch an der Rechtsmitteleinlegung nicht gehindert ist.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Der angefochtene Beschluss hält den Beschwerdeangriffen stand.

Zutreffend und von den Beteiligten unbeanstandet hat das Familiengericht seiner Entscheidung zum Versorgungsausgleich eine Ehezeit (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) vom 1. September 1992 bis 30. September 2009 und die hierauf beruhenden Versorgungsauskünfte der verfahrensbeteiligten Versorgungsträger zu Grunde gelegt, gegen die Bedenken nicht erhoben wurden und auch nicht ersichtlich sind. Danach haben die Beteiligten folgende ehezeitlichen Anrechte erworben:

Die Ehefrau hat bei der DRV Bund ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 8,3338 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 4,1669 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 25.605,27 EUR.

Bei U.I. hat die Ehefrau ein Anrecht aus einem staatlich geförderten privaten Altersvorsorgevertrag nach dem Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorgeverträgen (AltZertG) mit einem Ehezeitanteil in Höhe von 1.365,12 EUR erworben. Der Versorgungsträger hat vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 682,56 EUR zu bestimmen.

Der mit Ablauf des 30. September 2009 in den Ruhestand versetzte Ehemann hat einen Anspruch auf Ruhegehalt nach dem Beamtenversorgungsgesetz beim B.V. mit einem Ehezeitanteil von 943,81 EUR erlangt. Es handelt sich um eine Beamtenversorgung, für welche die interne Teilung eingeführt ist. Der Versorgungsträger hat vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit monatlich 471,91 EUR zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 106.612,12 EUR.

Hiervon ausgehend hat das Familiengericht in der berichtigten Fassung der Beschlussformel beanstandungsfrei im Wege der internen Teilung (§ 10 Abs. 1 VersAusglG) das Anrecht der Ehefrau bei der DRV Bund zu Gunsten des Ehemannes mit einem Ausgleichswert von 4,1669 Entgeltpunkten (Ziffer II.1.) und dasjenige des Ehemannes beim B.V. zu Gunsten der Ehefrau mit einem Ausgleichswert von monatlich 471,91 EUR (Ziffer II.3.) ausgeglichen. Weiter rechtsbedenkenfrei hat das Familiengericht unter Anwendung von § 18 VersAusglG ausgesprochen, dass der Ausgleich des Anrechts der Ehefrau bei U.I. unterbleibt (Ziffer II.2.). Nach dem hier einschlägigen § 18 Abs. 2 VersAusglG soll das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert – hier 682,56 EUR - nicht ausgleichen. Gemäß § 18 Abs. 3 VersAusglG ist ein Ausgleichswert u.a. dann gering, wenn er – wie hier - am Ende der Ehezeit als Kapitalwert höchstens 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV beträgt. Für das Jahr 2009 belief sich diese Bezugsgröße nämlich auf 2.520 EUR (§ 42 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009), die Geringfügigkeitsgrenze mithin auf (2.520 EUR * 120 % =) 3.024 EUR (vgl. FamRZ 2010, 95 f), wie der angefochtenen Entscheidung zutreffend zu Grunde liegt. Gründe, die einem Ausschluss des Ausgleichs dieses geringfügigen Anrechts ausnahmsweise entgegen stehen könnten, hat das Familiengericht im Ergebnis zutreffend verneint. Soweit der Wertausgleich nach § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht stattfindet, war dies – wie im angefochtenen Beschluss geschehen - in der Entscheidungsformel festzustellen (§ 224 Abs. 3 FamFG).

Mit seinen auf den Wegfall des „Rentnerprivilegs“ und die sich hieraus ergebenden Folgen gründenden Rechtsmittelangriffen dringt der Ehemann nicht durch. Bezieht der Ausgleichspflichtige bei Wirksamwerden der Versorgungsausgleichsentscheidung bereits eine Rente oder besteht ein Anspruch auf Rentenleistungen (§ 99 SGB VI), sah § 101 Abs. 3 SGB VI i.d. Fassung bis zum 31. August 2009 (aufgehoben durch Art. 4 Nr. 5 VAStrRefG; Übergangsregelung nach § 268 a SGB VI) vor, dass die Rente des Ausgleichspflichtigen erst zu dem Zeitpunkt um einen Abschlag vermindert wurde, zu dem bei einer Rente aus der Versicherung des Ausgleichsberechtigten ein Zuschlag berücksichtigt wurde, dieser also eine Rentenleistung bezog. Der Besitzschutz nach § 101 Abs. 3 SGB VI entfiel erst, wenn der Ausgleichsberechtigte ebenfalls Rente bezog. Diese Regelung ist für Rentenfälle ab dem 1. September 2009 ersatzlos entfallen. Entsprechendes gilt nach der Regelung in § 57 BeamtVG (Art. 6 Nr. 3 VAStrRefG) für den Bereich der Bundesbeamtenversorgung. Das dem „Rentnerprivileg“ entsprechende frühere „Pensionistenprivileg“ ist für Bundesbeamte mit Wirkung vom 1. September 2009 ebenfalls entfallen, jedoch stellt ebenso wie im Rentenversicherungsrecht eine Übergangsregelung (hier: § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG) sicher, dass ein bereits vor dem 1. September 2009 gezahltes Ruhegehalt nicht gekürzt wird, wenn das Versorgungsausgleichsverfahren vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden ist (vgl. zum Ganzen Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rz. 918; Wick, Der neue Versorgungsausgleich in der Praxis – Erste Erfahrungen mit dem neuen Recht, Rz. 141). Vorliegend steht außer Streit, dass der Ehemann nicht in den Genuss der Besitzschutzklausel (§ 57 BeamtVG) gelangen, sondern – wie vom B.V. in seiner Beschwerdeerwiderung bereits aufgezeigt – ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich die Kürzung seiner Versorgungsbezüge um den nach § 57 Abs. 2 bzw. Abs. 3 BeamtVG berechneten Betrag zu gewärtigen haben wird (§ 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG), weil der Anspruch auf Ruhegehalt nicht vor dem 1. September 2009 entstanden ist und das Verfahren über den Versorgungsausgleich nicht vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden ist (§ 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG). Indes betrifft die künftige Kürzung der Versorgungsbezüge und deren vom Ehemann behauptete Verfassungswidrigkeit in erster Linie die Rechtsbeziehung zwischen dem Versorgungsempfänger und dem Versorgungsträger im Rahmen des Vollzuges des Versorgungsausgleichs, so dass dagegen bestehende Einwendungen vom Ehemann primär in diesem Verhältnis geltend zu machen sind. Unbeschadet dessen, dass der Senat die Rechtsauffassung des Ehemannes zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung nicht teilt (vgl. dazu Ruland, Versorgungsausgleich, 2. Aufl., Rz. 524), besteht im Rahmen der Beschwerdeentscheidung jedoch Anlass, die Anwendung der Härteklausel (§ 27 VersAusglG) erstmals sowie die Beurteilung der Bagatellklausel (§ 18 VersAusglG) im angefochtenen Beschluss zu prüfen. Dies führt jedoch nicht zu einem dem Ehemann günstigeren Ergebnis.

Gemäß § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre; dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Die Härteklausel ermöglicht keine generelle Korrektur des nach den Vorschriften durchgeführten Versorgungsausgleichs, sondern greift nur im Einzelfall ein, wenn nach Abwägung sämtlicher Lebensumstände der Ehegatten eine Herabsetzung des Ausgleichs geboten ist (BGH, FamRZ 2007, 627; FamRZ 1990, 1341; Hoppenz, Familiensachen, 9. Aufl., A.IV., § 27, Rz. 3). Sie setzt strengere Maßstäbe, als sie bei Prüfung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB anzulegen sind (Hoppenz, a.a.O., m.w.N.). Eine grobe Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall die rein schematische Durchführung des Wertausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanwartschaften zu gewähren, in unerträglicher Weise widerspräche (OLG Stuttgart, FamFR 2011, 178; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl., § 27 VersAusglG, Rz. 13; zu § 1587c BGB a.F. BGH FamRZ 2009, 205; FamRZ 2005, 1238). Hierbei verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise. Die grobe Unbilligkeit muss sich vielmehr wegen des Ausnahmecharakters des § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der bekannten und vorhersehbaren wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben, die ihre Versorgungslage beeinflussen (OLG Köln, NJW-RR 2011, 366; so zum alten Recht: BVerfG FamRZ 2003, 1173 f.; vgl. auch Johannsen/Henrich/Holzwarth, a.a.O., Rz. 15). Zu berücksichtigende Umstände können auch persönliche Lebensumstände mit nur mittelbarem wirtschaftlichem Bezug sein. Zur Abwägung einer groben Unbilligkeit werden insbesondere die Umstände, die zu diesen Lebensverhältnissen geführt haben, ins Gewicht fallen, ferner die beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse einschließlich der Möglichkeit zum Aufbau weiterer Versorgungsanwartschaften (Johannsen/Henrich/Holzwarth, a.a.O.). Eine Änderung des materiellen Gehalts der im bisherigen Recht zum Versorgungsausgleich geregelten Härteklauseln ist mit der generalklauselartigen Regelung in § 27 VersAusglG nicht verbunden. Die Formulierung in § 27 VersAusglG ermöglicht es vielmehr, auf die bisherige Rechtsprechung zu den in §§ 1587 c, 1587 h BGB a.F., 3 a Abs. 6 VAHRG a.F. ausdrücklich geregelten Härtefällen und den darüber hinaus entwickelten Fallgruppen zurückzugreifen (BT-Drucks. 16/10144 S. 68). Vorliegend beruft sich der Ehemann – neben der Verfassungswidrigkeit der o.g. gesetzlichen Regelung – darauf, dass ihm auf Grund der durch den Versorgungsausgleich eintretenden sofortigen Kürzung seiner Versorgungsbezüge ein schwerwiegender Nachteil entstehe. Während er seine Rente in Höhe von 471,91 EUR - wie er meint - mit Rechtskraft der Scheidung verlieren und keine Leistungen aus den übertragenen Anwartschaften der Ehefrau erhalten werde, werde die Ehefrau möglicher Weise erst in 27 Jahren bei Erreichen der Altersgrenze (67) in den Genuss der übertragenen Anwartschaften gelangen. Damit werde er zum Sozialfall, könne insbesondere den Unterhalt für das gemeinsame Kind nicht mehr zahlen und sein Haus nicht mehr halten. Unbillig sei es auch, dass die private Altersversorgung der Ehefrau unberücksichtigt geblieben sei. Damit dringt er bei dem sich dem Senat nach dem Ergebnis der Beschwerdeverhandlung und der Anhörung der beteiligten Ehegatten darbietenden Sachstand nicht durch. Die Streichung des Rentnerprivilegs im Zuge der Reform des Versorgungsausgleichs war eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung zugunsten der Solidargemeinschaft und kann deshalb über die Billigkeitsprüfung des § 27 VersAusglG allenfalls dann korrigiert werden, wenn zu der zwingenden gesetzlichen Folge des Wegfalls des Privilegs noch weitere den Ausgleichspflichtigen belastende Umstände hinzukommen (OLG Stuttgart, a.a.O.). Nach den zu § 1587 c Nr. 1 BGB a.F. entwickelten Grundsätzen kann es eine grobe Unbilligkeit begründen, wenn der Versorgungsausgleich nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit beider Ehegatten beiträgt, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führt (BGH, FamRZ 2007, 627). Kann der ausgleichsberechtigte Ehegatte den nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt aus seinem Einkommen und Vermögen bestreiten und würde der Versorgungsausgleich für den Ausgleichspflichtigen bei Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine unbillige Härte bedeuten, ist der Ausgleich herabzusetzen oder zu verweigern. Die Gefährdung des angemessenen Bedarfs des Ausgleichspflichtigen und der mit dem Ausgleichsberechtigten gleichrangigen Unterhaltsberechtigten allein genügt allerdings ebenso wenig wie die Fähigkeit des Ausgleichsberechtigten, seinen angemessenen Unterhalt für die Zukunft bestreiten zu können; erforderlich ist vielmehr eine Kombination beider Umstände (BGH, FamRZ 2007, 363; FamRZ 2006, 323; Hoppenz, a.a.O., Rz. 7). Insbesondere begründet allein der Umstand, dass der Ausgleichspflichtige auf die Rente angewiesen ist, noch keine grobe Unbilligkeit (BGH, FamRZ 1981, 756). Eine Kürzung oder ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs kommen vielmehr erst dann in Betracht, wenn der Ausgleichsberechtigte über Vermögen (Grundbesitz, Kapital) verfügt, durch das seine Altersversorgung uneingeschränkt abgesichert ist, und der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist; unterhalb dieser Schwelle ist die Ausgleichspflicht grundsätzlich von der beiderseitigen wirtschaftlichen Lage unabhängig (zu § 1587 c Nr. 1 BGB a.F.: vgl. BGH, FamRZ 1999, 714, 715 und 497, 498; Senatsbeschlüsse vom 28. Juli 2009 - 9 UF 12/09 - und vom 10. November 2003 - 9 UF 140/02). Das gilt sogar dann, wenn er in Folge des Ausgleichs sozialhilfebedürftig wird oder der Sozialhilfe verstärkt bedarf (BGH, FamRZ 1986, 252; FamRZ 1982, 36; Hoppenz, a.a.O., Rz. 6). Selbstbehaltsgrenzen wie beim Unterhalt bestehen beim Versorgungsausgleich nicht (BGH, FamRZ 2007, 366).

Nach diesem Maßstab liegen die Voraussetzungen für einen - auch befristeten - völligen oder teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht vor. Die Ehefrau (Jahrgang 1970), die nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes bis 2002 neben der der Kinderbetreuung und Haushaltsführung ausschließlich „Minijobs“ nachgegangen ist, verfügt über die deutlich geringeren Anwartschaften als der Ehemann (Jahrgang 1962). Prognostisch wird sie bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter zwar noch etliche Jahre Gelegenheit haben, ihre Altersversorgung auszubauen, andererseits ausgehend von ihrer Ausbildung und bisherigen Erwerbsbiografie keine überdurchschnittlichen Anwartschaften mehr erwerben können. Nach ihren unwidersprochen gebliebenen Angaben im Senatstermin ist sie – als gelernte Krankenschwester - seit 2002 wieder in einer untervollschichtigen (3/4) Festanstellung mit einem Nettoeinkommen von derzeit zwischen 1.400 und 1.500 EUR in der Behindertenbetreuung bei der Lebenshilfe beschäftigt. Eine Aufstockung auf eine Vollzeitstelle sei bei ihrem jetzigen Arbeitgeber nicht möglich und im Hinblick auf die mit der Betreuung von Behinderten einhergehenden psychischen Belastungen sowie den vergleichsweise geringen Mehrverdienst derzeit auch nicht beabsichtigt. Sie wohnt mit dem gemeinsamen Sohn zur Miete, ist schuldenfrei und verfügt nicht über weiteres Vermögen. Der Ehemann ist nach seinen Angaben in der Anhörung aus psychischen Gründen pensioniert worden, körperlich habe er keine Beeinträchtigungen. Seine monatlichen Versorgungsbezüge werden sich – wie vom B.V. unwidersprochen vorgetragen – von derzeit (brutto) 1.584,34 EUR voraussichtlich auf (1.584,34 EUR – 471,91 EUR =) 1.112,43 EUR vermindern, was unter Berücksichtigung des Krankenversicherungsbeitrages voraussichtlich einen Nettobetrag von rund 875 EUR, also etwas mehr als von der Beschwerde angenommen, ergeben wird. Aus Gelegenheitsarbeiten auf einem Reiterhof erzielt er einen Nebenverdienst, den er im Senatstermin auf Befragen eingeräumt und mit monatlich 100 EUR beziffert hat. Er wohnt zusammen mit seiner Mutter, die ein Wohnrecht innehat und sich aus ihrer kleinen Rente mit einem geringen Betrag (monatlich 46 EUR) an den Unkosten beteilige, im eigenen Haus. Darauf laste ein Kredit in Höhe von derzeit noch rund 18.000 EUR, den er zur Zeit mit reduzierten monatlichen Raten in Höhe von 130 EUR bediene. Unterhalt für den gemeinsamen Sohn, der eine Ausbildung absolviert, zahlt er nicht mehr. Bei dieser Sachlage ist weder die Annahme gerechtfertigt, dass die Altersversorgung der ausgleichsberechtigten Ehefrau bereits uneingeschränkt abgesichert ist, noch dass der ausgleichsverpflichtete Ehemann auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist bzw. ohne diese zum „Sozialfall“ wird. Namentlich begründen die mit der Beschwerde von ihm ins Feld geführten Kosten jedenfalls keine hier relevante außergewöhnliche Belastung. Denn den Lasten der Hausfinanzierung steht der Vorteil mietfreien Wohnens gegenüber und die auf ihn entfallenden Aufwendungen für Heizung, Strom und Wasser gehören zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten, die jeder zu tragen hat und der Ehemann aus seinem verbleibenden Einkommen auch tragen kann. Im Übrigen belegt der im Scheidungsfolgenvergleich vereinbarte wechselseitige Unterhaltsverzicht, dass sich die beteiligten Ehegatten aus ihrer nachehelichen Solidarität und gegenseitigen wirtschaftlichen Verantwortung haben lösen wollen; vor diesem Hintergrund müsste es Bedenken begegnen, über einen (Teil-) Ausschluss des Versorgungsausgleichs eine an sich nicht mehr gewollte nacheheliche Verantwortung für den Unterhalt des anderen Teils faktisch fortwirken zu lassen (vgl. dazu BGH, FamRZ 2005, 696). Andere Härtegründe werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Die erstinstanzliche Anwendung der Bagatellklausel in § 18 Abs. 2 VersAusglG mit Blick auf das Anrecht der Ehefrau bei U.I. hat vor dem aufgezeigten Hintergrund ebenfalls Bestand. Nach dieser Sollvorschrift ist vom Ausgleich einzelner Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert grundsätzlich abzusehen, im Rahmen des dem Familiengericht hierbei eingeräumten Ermessens jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob gleichwohl ein Ausgleich geboten ist (BT-Drs. 16/10144 S. 61; Senatsbeschluss vom 17. März 2011 – 9 UF 82/10). Zweck der Vorschrift ist es vor allem, dem zuständigen Versorgungsträger einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand zu ersparen, der ihm durch die Teilung und Aufnahme eines neuen Anwärters entstünde; außerdem wird die Bildung von „Splitterversorgungen“ vermieden. Diese Belange der Verwaltungseffizienz sind gegen das Interesse des Ausgleichsberechtigten an der Erlangung geringer Anrechte abzuwägen. Dessen ausnahmsweise Teilhabe an einem geringfügigen Anrecht kann sich durch besondere Umstände rechtfertigen, etwa bei einer offenkundig herausragenden Dynamik eines Anrechts oder dessen besonders großzügigen Leistungsvoraussetzungen, oder wenn es dem Ausgleichsberechtigten gelingt, eine eigene Anwartschaft so aufzufüllen, dass hierdurch eine Wartezeit für den Bezug der Rente erfüllt ist, oder der Ausgleichsberechtigte über viele kleine Anrechte verfügt, die in der Summe einen erheblichen Wert darstellen, während der Ausgleichsberechtigte nur vergleichsweise geringe Anrechte erworben hat. Weitere bedeutsame Umstände können etwa sein das Votum der Ehegatten für oder gegen einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs, die derzeitige und künftige Versorgungssituation unter Einbeziehung ihres Alters, Gesundheitszustandes und ihrer Erwerbsbiografie, die Ehedauer und Gestaltung von Haushaltsführung und Kindererziehung sowie die wechselseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse (6. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts, Beschluss vom 20. April 2011 – 6 UF 38/11 -, juris). Den Gesichtspunkt, dass der Ausgleich auch einer geringfügigen Anwartschaft für den Ehemann die aufgezeigten Folgen der Rechtsänderungen zum 1. September 2009, wonach ihm das Ruhegeld nicht unerheblich gekürzt wird, während die Ehefrau hieraus für einen Zeitraum von ggf. noch über 20 Jahren voraussichtlich keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden wird (OLG Stuttgart, a.a.O.), abmildern kann, erachtet der Senat in der gebotenen Gesamtabwägung unter den hier gegebenen Umständen indes nicht für derart gewichtig, dass es die Billigkeit gebietet, dem Ehemann zur teilweisen Kompensation einen Vorteil zuzubilligen und den Ausgleich des Anrechts bei U.I. vorzunehmen, zumal der im unteren Geringfügigkeitsbereich angesiedelte Ausgleichswert des Anrechts keine nachhaltige Verbesserung seiner Versorgungslage erwarten lässt und sonstige Umstände, die einen Ausgleich aus Billigkeitsgründen nahelegen könnten, nicht vorgetragen oder ersichtlich sind, wofür der Ehemann die Feststellungslast trägt (Senat, a.a.O.; 6. Zivilsenat, a.a.O., jeweils m.w.N.).

Nach alldem hat der angefochtene Beschluss Bestand, wobei es der Billigkeit entspricht, dem Ehemann die Kosten seines im Ergebnis erfolglosen Rechtsmittels aufzuerlegen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 70 FamFG).

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