2. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 11.2.2003 – 8 O 76/02 KfH – wird einstweilen ohne Sicherheitsleistung eingestellt.
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| I. 1. Im vorliegenden Verfahren klagt die Klägerin, eine deutsche GmbH mit Sitz in F.../Deutschland, gegen die Beklagte, eine belgische So... a... mit Sitz in Be... (= Land), auf Schadensersatz. Die Klägerin hatte in einem in englischer Sprache gehaltenen Distributor Agreement ab dem 1.7.1997 die Vertriebsrechte in Be... (= Land) für ihre Erzeugnisse auf die Beklagte übertragen. Dieser Absprache lagen ferner die in englischer Sprache abgefaßten Additional Provisions to distributor agreement zugrunde, deren Ziff. 2.4.2. mit „Prices and Terms of Sale“ überschrieben war und u.a. eine Bestimmung über „other terms of sale“ enthielt. Für das Distributor Agreement war die Geltung deutschen Rechts vereinbart gemäß Ziff. 10.8. der Additional Provisions to distributor agreement. |
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| Verhandlungssprache waren die englische und französische Sprache. Im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung wurde der Beklagten am 8.5.2000 eine Preisliste der Klägerin kenntlich gemacht, die am unteren Rand u.a. mit „Reference Conditions“ beschriftet war. Die Beklagte bestellte wiederholt Waren bei der Klägerin, so auch am 8.5.2001. Die Beklagte übersandte der Klägerin an diesem Tag ein in französischer Sprache gehaltenes Telefax, in dem auf vorangegangene Verhandlungen mit der Kundin der Beklagten, der Streitverkündeten, verwiesen wurde sowie bereits konkret einzelne Motoren, insgesamt 42, aufgelistet waren. Die Beklagte bat die Klägerin, „so schnell wie möglich“, die Lieferzeiten der Motoren in die Liste einzutragen. Dies tat die Klägerin am 15.05.2001. Sodann übersandte sie der Beklagten am 16.05.2001 das ausgefüllte Fax zurück, wobei sie darauf hinwies, daß einige Lieferzeiten „noch nicht ganz fest“ („pas tout à fait fermes“) seien. Einen Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthielt das ausgefüllte und rückübersandte Fax nicht. Die Beklagte reagierte auch nicht weiter darauf. Am 16.05.2001 übersandte die Klägerin der Beklagte zusätzlich ein in deutscher Sprache gehaltenes Schreiben, welches die Überschrift „Auftragsbestätigung“ trug. In diesem Schreiben „bestätigte“ die Klägerin die „Aufträge“ der Beklagten „zu den Verkaufsbedingungen der M...“, also der Klägerin. Diese Verkaufsbedingungen bestimmen u.a. als Erfüllungsort und Gerichtstand Fri.../Bodensee; zudem sahen sie bei Nichterfüllung des Vertrages (durch die Beklagte) einen pauschalen Schadensersatzanspruch (der Klägerin) in Höhe von 15% des Kaufpreises vor und bestimmten die Anwendbarkeit deutschen Rechts. In der „Auftragsbestätigung“ war auf der zweiten Seite unter der Überschrift „Versand“ festgehalten: „Wir haben LKW-Versand durch Selbstabholung vorgesehen.“ Auf dieses Schreiben reagierte die Beklagte nicht weiter. In der Folge wurden lediglich neun Motoren an die Beklagte ausgeliefert, hinsichtlich der restlichen 33 Motoren verweigerte die Beklagte die Abnahme und Bezahlung. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 10.10.2001, vom 16.10.2001 und vom 23.10.2001, zuletzt unter Nachfristsetzung auf, die Motoren abzuholen und zu bezahlen. In ihrer Antwort vom 26.10.2001 lehnte die Beklagte Abnahme und Bezahlung ab und verwies auf das Verhalten ihrer Kundin, der Streitverkündeten, die ihrerseits weder zur Abnahme noch zur Bezahlung in der Lage sei. |
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| In erster Instanz hat die Klägerin behauptet, andere Lieferfristen seien nicht vereinbart worden; dies folge aus dem Verhalten der Beklagten, die nicht wegen angeblicher Lieferüberschreitung zurückgetreten sei. Die Klägerin hat einen pauschalen Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 15% des vereinbarten bzw des von ihr errechneten Kaufpreises der noch nicht ausgelieferten Motoren auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltend gemacht und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 745.910,00 EUR nebst 8 % Zinsen über dem Basissatz seit dem 26.10.2001 zu verurteilen. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Ravensburg gerügt; dieses sei wegen der von ihr zuvor, nämlich am 11.03.2002, im Verfahren gegen ihre Kundin, die Streitverkündete, vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort) gegen die Klägerin erhobenen „Interventionsklage“ (citation en invitation forcée) nicht zuständig. In der Sache ist die Beklagte der Ansicht gewesen, die Klägerin könne sich nicht auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen. Die Beklagte hat ferner die Meinung vertreten, die Klägerin könne auch nach Treu und Glauben keine Rechte geltend machen; hierzu hat die Beklagte behauptet, massive Lieferschwierigkeiten der Klägerin seien ursächlich dafür, daß die Streitverkündete sich anderweitig habe Ersatz verschaffen müssen. Die Klage ist am 2.5.2002 beim LG Ravensburg eingereicht worden und ist der Beklagten am 26.07.2002 zugestellt worden. Die Beklagte hat ihrer Kundin am 24.01.2003 erneut den Streit verkündet, nachdem sie im selben Schriftsatz die Rücknahme der Streitverkündung vom 14.01.2003 erklärt hatte. |
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| 2. Bereits vor Erhebung der Klage des hiesigen Verfahrens hatte die Beklagte gegen die Klägerin im Verfahren gegen die Kundin der Beklagten, die Streitverkündete des hiesigen Verfahrens, vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort)/Be... (= Land) (Tribunal de Commerce de Liège) eine Interventionsklage nach belgischem Prozeßrecht erhoben. Der entsprechende Antrag ist am 11.3.2002 beim Gerichtsvollzieher (huissier de justice) eingereicht worden und über die Amtsgerichte Freiburg und Tettnang der Klägerin am 22.3.2002 zugestellt worden. Mit ihrer dortigen Klage begehrt die Beklagte die Auflösung des Vertrages über die Lieferung von 33 Motoren, die von ihrer Kundin, der Streitverkündeten im hiesigen Verfahren, nicht mehr abgenommen werden und Schadensersatz von der Klägerin. Das Handelsgericht Lü... (= Ort) hat am 8.4.2003 sowohl die Klage der Beklagten gegen die Streitverkündete des hiesigen Verfahrens als auch die Interventionsklage der Beklagten gegen die Klägerin für zulässig erklärt und Termin auf den 2.4.2004 bestimmt. |
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| 3. Das Landgericht Ravensburg hat mit Urteil der 8. Kammer für Handelssachen vom 11.02.2003 – 8 O 76/02 KfH – der Klage im wesentlichen stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 745.910,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2001 zu zahlen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 27 Abs. 2 EuGVO komme nicht in Betracht, da zwischen den Parteien der „Interventionsklage“ und dem hier anhängigen Verfahren keine Identität bestehe. Eine Abweisung nach Art. 28 Abs. 2 EuGVO komme ebenfalls nicht in Betracht, da das von der Beklagten benannte Handelsgericht Lü... (= Ort) weder nach Art. 6 Nr. 3 EuGVO noch nach Art. 6 Nr. 2 EuGVO, im letzteren Fall wegen Art. 65 Abs. 1 Satz 1 EuGVO, für die Entscheidung der vorliegenden Klage zuständig sei. Die Zuständigkeit des LG Ravensburg ergebe sich aus dem in Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 1 EuGVO vereinbarten Gerichtsstand, nämlich aus Ziffer XII, 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin. Die Beklagte habe die Möglichkeit der Kenntniserlangung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin gehabt. Die Beklagte habe eingeräumt, die Preisliste vom 8.5.2000 der Klägerin erhalten zu haben. Dort werde ausdrücklich auf die Verkaufskonditionen hingewiesen, so daß eine Bezugnahme auf AGB vorhanden sei. Deswegen könne auf sich beruhen, ob zumindest mit nachgesandtem Fax die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten übersandt wurden. Schließlich ergebe sich die Zuständigkeit des LG Ravensburg auch aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVO, da die vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin an ihrem Sitz zu erfüllen seien; der diesbezügliche Vortrag der Klägerin sei unbestritten geblieben. In der Sache rechtfertige sich die Klagforderung nach Ziff. VII 3 lit. b der AGBs der Klägerin. Ein Verstoß gegen § 9 AGBG liege nicht vor. Ein Verstoß gegen § 11 Nr. 6 AGBG komme schon deswegen nicht in Betracht, weil die Klausel keine Vertragsstrafenklausel darstelle, sondern pauschalierten Schadenersatz betreffe. Außerdem sei die Norm auf den kaufmännischen Verkehr nicht übertragbar. Angesichts der Abnahmeverweigerung der Beklagten komme es nicht darauf an, ob die Klägerin eine der hier interessierenden AGB-Klausel entsprechende 4-wöchige Nachfrist gesetzt habe. Wegen ihrer endgültigen Erfüllungsverweigerung könne sich die Beklagte jedenfalls nicht auf die längst abgelaufene 4-wöchige Nachfrist berufen. Die Höhe der Klagforderung sei unbestritten. Es sei eine Schadenspauschale und keine Vertragsstrafe. Eine Herabsetzung komme nicht in Betracht. Es bestehe kein Anlaß, der Behauptung der Beklagten nachzugehen, die Klägerin habe sich im Lieferverzug befunden, da die Beklagte insoweit keine Ansprüche gegen die Klägerin im vorliegenden Verfahren geltend gemacht habe, sondern dies im Rahmen der vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort) gegen die Klägerin erhobenen Klage tue. Deswegen komme es auch nicht darauf an, ob sich die Klägerin von einer eventuellen Haftung für Lieferverzögerungen habe befreien können. Hinsichtlich der Zinsen sei die Bestimmung des § 288 Abs. 1 BGB a.F. anzuwenden, wonach der Klägerin nur ein geringerer Zinssatz zustehe. |
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| 4. Gegen das Urteil haben die Beklagte am 20.3.2003 und die Streitverkündete am 20.3.2003 Berufung eingelegt und beantragt die Klage abzuweisen. Die Streitverkündete ist in der Berufung dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten als Streithelferin wieder beigetreten. |
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| 5. Die Beklagte ist der Ansicht, zwischen den Parteien liege keine gemäß Art. 23 EuGVO wirksame Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des LG Ravensburg vor. Das Schreiben vom 16.5.2001 sei unerheblich, da keine vorherige konkludente Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbeziehungen der Klägerin stattgefunden habe, insbesondere fehle ein Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbeziehungen am 15.5.2001. Es bestehe auch kein Handelsbrauch, wonach durch Übersendung einer Auftragsbestätigung ein Gerichtsstand vereinbart werde. Eine Zuständigkeit des LG Ravensburg ergebe sich auch nicht aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVO. Es liege keine Erfüllungsortvereinbarung vor. Der Hinweis „LKW-Versand durch Selbstabholung“ in der Auftragsbestätigung vom 16.5.2001 sei unerheblich, da der Vertrag bereits am 15.5.2001 zustande gekommen sei. Ferner seien die Voraussetzungen einer Aussetzung nach Art. 27 Abs. 1 EuGVO erfüllt; Parteiidentität liege vor, die Vertauschung der Parteirollen im Verfahren vor dem Handelsgericht in Lü... (= Ort) spiele keine Rolle. Das LG Ravensburg habe Art. 28 Abs. 2 EuGVO verkannt. Danach komme es nur darauf an, ob das zuerst angerufene Gericht für beide Klagen zuständig sei; dies sei der Fall. Die Zuständigkeit zur „Interventionsklage“ folge aus Art. 6 Nr. 2 EuGVO; Art. 65 Abs. 1 Satz 1 EuGVO habe keine Bedeutung für im Ausland erhobene Klagen. Es bestehe auch eine „abstrakte“ Zuständigkeit für die Klage der Klägerin gegen die Beklagte nach Art. 6 Nr. 3 EuGVO. Zudem existiere die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen. Schließlich habe das LG Ravensburg sein Ermessen nicht ausgeübt. |
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| In der Sache ist die Beklagte der Auffassung, es fehle bereits an einem wirksamen Vertragsschluß über die streitgegenständlichen 42 Motoren. Die Auftragsbestätigung vom 16.5.2001 habe entgegen dem Angebot einen Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbeziehungen enthalten. Dies sei also ein neues Angebot gewesen, das die Beklagte nicht angenommen habe. Es liege auch keine widerspruchslose Entgegennahme der Motoren vor. Hilfsweise meint die Beklagte, jedenfalls seien die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht wirksam einbezogen worden. Die Preisliste vom 8.5.2000 enthalte entgegen der Auffassung des LG Ravensburg keinen Verweis auf die Verkaufskonditionen, bei den „Reference Conditions“ handele es sich vielmehr um technische Spezifikationen. Ein Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalte auch die Antwort vom 15.5.2001 nicht. Die Auftragsbestätigung vom 16.5.2001 sei irrelevant, da die Vereinbarung über die Lieferung der Motoren bereits zuvor, nämlich am 15.5.2001, geschlossen worden sei. Das Verhalten der Beklagten, nämlich ihr Schweigen, könne nach dem gemäß Art. 31 Abs. 2 EGBGB insoweit maßgeblichen belgischen Recht nicht als Zustimmung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin gewertet werden. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, die Verkaufsbedingung Ziff. VII Nr. 3 lit. b der Klägerin sei unwirksam. Die dort vorgesehene Schadenspauschale von 15% übersteige den nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartenden Schaden der Klägerin. Die Klägerin habe zudem weder dargelegt noch Beweis dafür angeboten, wie hoch der branchenübliche Gewinn sei. Die Formulierung der Klausel schneide der Beklagten die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens ab. Schließlich handele es sich bei der Bestimmung um eine Vertragsstrafenklausel, welche die Beklagte unangemessen benachteilige. Zudem seien die Voraussetzungen der Klausel auch nicht erfüllt. Die Klägerin habe – unstreitig – keine 4-Wochen-Frist gesetzt. Es fehle ferner die Darlegung einer endgültigen Erfüllungsverweigerung durch die Klägerin. Die Höhe des Schadens sei ebenfalls streitig. Die Klägerin handele schließlich treuwidrig; hierzu behauptet die Beklagte, die Klägerin habe am 14.2.2001 vereinbarte Lieferzeiten nicht eingehalten. Die Lieferzeiten in der Auftragsbestätigung vom 16.5.2001 seien unerheblich, da der Vertrag zu diesem Zeitpunkt bereits geschlossen gewesen sei. Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe immer wieder verspätet geliefert, dadurch habe die Beklagte die Verpflichtungen gegenüber ihrer Kundin, der Streitverkündeten, nicht einhalten können. |
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| 6. Die Streitverkündete ist der Auffassung, es liege keine gemäß Art. 23 EuGVO wirksame Gerichtsstandsvereinbarung vor. Eine beiderseitige schriftliche Vereinbarung im Sinne von Art. 23 Abs. 1 lit. a, 1. Fall werde von der Klägerin nicht behauptet. Es sei aber auch nicht Art. 23 Abs. 1 lit. a, 2. Fall gegeben. Der Vertrag sei bereits am 15.5.2001 geschlossen worden, die Auftragsbestätigung am 16.5.2001 habe keinen Einfluß mehr gehabt. Zudem erfülle die schriftliche Bezugnahme auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht die Anforderungen an Art. 23 Abs. 1 lit. a, 2. Fall EuGVO; die Streitverkündete verweist insoweit auf eine Entscheidung des BGH, Urteil v. 9.3.1994 – VIII ZR 185/92, RIW 1994, 508. Schließlich fehle auch eine Einbeziehung in der Vertragssprache; die Streitverkündete verweist insoweit auf eine Entscheidung des BGH, Beschluß v. 31.10.1989 – VIII ZR 320/88, IPRax 1991, 326. Die Streitverkündete ist ferner der Ansicht, es liege auch kein Handelsbrauch hinsichtlich der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbeziehungen vor. Es liege auch keine Erfüllungsortvereinbarung vor. Der in der Auftragsbestätigung vom 16.5.2001 enthaltene Hinweis „LKW-Versand durch Selbstabholung“ habe einen Erfüllungsort nicht mehr vereinbaren können, da der Vertrag bereits zuvor geschlossen worden sei. Falsch sei die Ansicht des LG Ravensburg, zur Bestimmung des Erfüllungsortes auf §§ 269, 270 BGB zurückgreifen zu können. Art. 5 Nr. 1 EuGVO sei autonom auszulegen. Das Verfahren sei jedenfalls nach Art. 27 Abs. 1 EuGVO auszusetzen. Die Klage vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort) und die hiesige Klage beträfen denselben Anspruch; es stehe nämlich die Frage des Bestehens bzw Nichtbestehens einer vertraglichen Verpflichtung im Mittelpunkt. Zudem sei auch die von Art. 27 Abs. 1 EuGVO geforderte Parteiidentität gegeben. Das Verfahren in Lü... (= Ort) sei auch früher, nämlich entweder am 11.3.2002 oder am 14.3.2002 (Einreichung der Interventionsklage beim Amtsgericht Freiburg i.Br.), jedenfalls vor dem 2.5.2002 (Einreichung der Klage beim LG Ravensburg) anhängig gemacht worden. Unzutreffend seien die Ausführungen des LG Ravensburg zu Art. 28 Abs. 2 EuGVO, dessen Voraussetzungen nach Ansicht der Streitverkündeten vorliegen. Die Klage auf Schadensersatz vor dem LG Ravensburg und die Interventionsklage vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort) erfüllten die Voraussetzungen des Zusammenhanges. Das Handelsgericht Lü... (= Ort) sei zuständig für die Interventionsklage nach Art. 6 Nr. 2 EuGVO; Art. 65 Abs. 1 Satz 1 EuGVO sei ohne Bedeutung für Klagen in Be... (= Land). Das dortige Gericht sei zudem hypothetisch zuständig für die Klage auf Schadensersatz nach Art. 6 Nr. 3 EuGVO. Schließlich habe das LG Ravensburg sein Ermessen nicht betätigt; dies gelte auch für den nicht beschiedenen Antrag nach Art. 28 Abs. 1 EuGVO. In der Sache meint die Streitverkündete, es sei kein wirksamer Vertragsschluß über die Lieferung der 33 Motoren zustande gekommen. Die Klägerin habe die Bestellung der Beklagten vom 8.5.2001 erst am 16.5.2001 unter Bezugnahme auf ihre Verkaufsbedingungen bestätigt. Dabei handele es sich um ein neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB. Dieses Angebot habe die Beklagte nicht, auch nicht kraft Schweigens, angenommen. Hilfsweise meint die Streitverkündete, es liege keine wirksame Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vor. Die Preisliste vom 8.5.2001 enthalte mit dem Hinweis „Reference Conditions“ keinen Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern lediglich auf die technische Spezifikation der Motoren. Die Antwort vom 15.5.2001 enthalte – unstreitig - keinen Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Auftragsbestätigung vom 16.5.2001 sei erst nach Vertragsschluß erfolgt; sie habe folglich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mehr einbeziehen können. Schließlich sei das LG Ravensburg der Frage nach der Sprache nicht nachgegangen. Die Streitverkündete meint weiter, auch ein Schweigen der Beklagten auf die Auftragsbestätigung vom 16.5.2001 habe die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam einbezogen; dies folge aus Art. 31 Abs. 2 EGBGB. Die Streitverkündete meint schließlich, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch verstoße gegen § 9 AGBG, da er den zu erwartenden Schaden der Klägerin bei weitem übersteige. Zudem werde der Beklagte der Nachweis eines geringeren Schadens abgeschnitten. |
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| 7. Die Beklagte / Berufungsklägerin beantragt: |
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| 1. Unter Änderung des Urteils des Landgerichts Ravensburg vom 11. Februar 2003 wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen, |
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| 2. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 11. Februar 2003 wird ohne Sicherheitsleistung vorläufig eingestellt, |
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| 3. Das Verfahren wird ausgesetzt. |
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| Die Streitverkündete beantragt: |
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| Das am 11.2.2003 verkündete und der Beklagten am 20.02.2002 (richtig wohl: 2003) zugestellte Urteil des Landgerichts Ravensburg, Az. 8 O 76/02 KfH 2 wird abgeändert und die Klage wird abgewiesen. |
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| Die Klägerin/Berufungsbeklagte beantragt: |
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| Die Berufung der Beklagten und der Streitverkündeten werden zurückgewiesen. |
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| 8. Die Klägerin ist der Berufung der Beklagten und der Streitverkündeten entgegengetreten. Sie meint, die Ziff. 2.4.2. der Additional Provisions to distributor agreement verweise auch auf die Verkaufsbedingungen der Klägerin. Die Klägerin behauptet zudem, die Terms of Sale Bulletin Nr. 1, in denen – unstreitig – auf Verkaufsbedingungen der Klägerin Bezug genommen werde, sei Gegenstand des Vertrages mit der Beklagten gewesen. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe die Verkaufsbedingungen seit 1997 laufend akzeptiert; Gewährleistungsfälle seien nach den Fristen und Bedingungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgewickelt worden. Die Klägerin behauptet, die Beklagte sei im Rahmen der Vertragshändlerbeziehung auch in das unternehmensinterne EDV-System einbezogen gewesen und habe so spätestens seit März 2000 von den Verkaufsbedingungen in mehreren Sprachen (u. a. in englischer und französischer Sprache) Kenntnis nehmen können (vgl. Anlage K12, Bl. 471ff). Die Klägerin meint, aufgrund des Distributor Agreements liege ein gemäß Art. 23 Abs. 1 lit. a EuGVO vereinbarter Gerichtsstand vor. Auch aufgrund Art. 23 Abs. 1 lit. b EuGVO sei ein Gerichtsstand begründet; dies folge aus dem Schriftwechsel im April/Mai 2001 sowie im übrigen aus der langandauernden Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien. Insoweit behauptet die Klägerin, sämtliche Geschäfte seien nach der als Anlage B 2, Bl. 89f. vorgelegten Auftragsbestätigung abgewickelt worden. Art. 23 Abs. 1 lit. c EuGVO sei ebenfalls erfüllt. Die Klägerin meint im übrigen, die Auftragsbestätigung vom 16.5.2001 habe den Charakter eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens. Die Klägerin meint weiter, Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVO sei Fri... gewesen; hierzu behauptet sie, im Rahmen des Vertriebsvertrages seien sämtliche bestellte Motoren in Fri... versandbereit zur Verfügung gestellt worden. Die Klägerin behauptet weiter, es habe in der Vergangenheit verschiedentlich Bestellungen ohne die Klausel „LKW-Versand durch Selbstabholung“ gegeben; beide Parteien seien dann stillschweigend davon ausgegangen, daß die Motoren in Fri... zur Verfügung gestellt würden. Die Klägerin meint, die Erfüllungsortregelung in der Auftragsbestätigung vom 16.5.2001 sei jedenfalls durch die widerspruchslose Entgegennahme der 9 Motoren einbezogen worden. Die Gerichte in Be... (= Land) seien unzuständig. Die Klägerin meint, das Verfahren in Be... (= Land) betreffe nicht denselben Anspruch. Eine Zuständigkeit des Handelsgerichts Lü... (= Ort) folge nicht aus Art. 6 Nr. 2 EuGVO, da der Hauptsacheprozeß nur Bezug zu Be... (= Land) habe. Dieser werde zudem nicht tatsächlich betrieben. Die Voraussetzungen nach Art. 28 Abs. 2 EuGVO lägen nicht vor, da sich der Rechtsstreit in Deutschland in zweiter Instanz befinde. Die Klägerin meint, mit der Anmerkung vom 15.5.2001 sei eine Vertragsannahme nicht erfolgt; hierzu behauptet sie, dies hätte den jahrelangen Gepflogenheiten widersprochen. Die Klägerin meint, die Auftragsbestätigung vom 16.5.2001 habe den Antrag der Beklagten vom 8.5.2001 nicht modifiziert; selbst wenn dem so sei, sei aber ein Vertrag zu den modifizierten Bedingungen durch die widerspruchslose Annahme der 9 Motoren zustande gekommen. Die Klägerin behauptet, ihre Verkaufsbedingungen seien – englischsprachig – bei Begründung der Rahmenvereinbarung ausgehändigt worden. Sie habe die Beklagte wie alle anderen Vertriebshändler auch nach einer Überarbeitung der General Business Terms and Conditions im November 1999 mit dem als Anlage K 16 beigefügten Circular No. 12-99/A02 vom 10.11.1999 über geringfügige Änderungen der Verkaufsbedingungen informiert. Zudem hätten die Verkaufsbedingungen in englischer und französischer Sprache im M...-Extranet der Beklagten zur Verfügung gestanden. Die Klägerin behauptet weiter, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen hätten zum Zeitpunkt der Verlängerung des Distributor Agreements nach Maßgabe des Extension Letter vom 28.4.2000/13.6.2000 der Beklagten zur Verfügung gestanden. Jedenfalls, meint die Klägerin, seien ihre Verkaufsbedingungen durch die Auftragsbestätigung vom 16.5.2001 einbezogen worden. Art. 31 Abs. 2 EGBGB sei zu Gunsten der Beklagten nicht anzuwenden. Schließlich behauptet die Klägerin, ihr sei ein Schaden in entsprechender Höhe entstanden. |
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| 9. Der Senat hat am 27.10.2003 unter Mitwirkung der Prozessbevollmächtigten der Streithelferin mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift sowie wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten auf deren Schriftsätze nebst Anlagen wird verwiesen. |
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| II. Das hiesige Verfahren ist im Hinblick auf den Vorrang des beidem Handelsgericht Lü... (= Ort) anhängig gemachten konkurrierenden Verfahrens gemäß Art. 27 Abs. 1 EuGVO i.V.m. §§ 148, 248 ZPO bis zur Entscheidung des be...(= Ort) Gerichte über seine Zuständigkeit auszusetzen. |
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| 1. Die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin sind ohne weiteres zulässig. Unbeschadet ihrer übereinstimmenden Anträge auf Aussetzung hat der Senat das hiesige Verfahren im Hinblick auf Art. 27 Abs. 1 EuGVO schon von Amts wegen auszusetzen. |
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| a) Grundlage der Entscheidung des Senats über die internationale Zuständigkeit ist hier die zeitliche Maßgeblichkeit der EuGVO (VO 44/2001). Die EuGVO ist in Be... (= Land) wie Deutschland seit 1.3.2002 in Kraft. Nach Art. 66 I EuGVO gilt sie für das deutsche Verfahren, in dem Rechtshängigkeit am 26.7.2002 erzielt worden ist. Nach Art. 66 I EuGVO gilt sie auch für das belgische Verfahren, in dem Rechtshängigkeit für die Interventionsklage der Beklagten gegen die Klägerin des vorliegenden deutschen Verfahrens am 22.3.2003 erzielt worden ist. Rechtshängigkeitskonflikte, wie sie hier zu entscheiden sind, sind somit hier nach Art. 27, 28 EuGVO zu entscheiden. Das Ergebnis wäre nicht anders, wenn hinsichtlich der Rechtshängigkeit des belgischen Verfahrens auf die Rechtshängigkeit der dortigen Hauptklage abzustellen wäre. Diese ist spätestens am 31.1.2002 eingetreten, d.h. vor Inkrafttreten der EuGVO und damit noch zur Zeit der Geltung des EuGVÜ in Be... (= Land). Entsprechend Art. 66 II EuGVO wäre jedoch auch in diesem Falle zu Art. 27, 28 EuGVO zu gelangen, da das Zuständigkeitssystem der dann maßgeblichen Art. 5, 6, 17 EuGVÜ hinreichende Entsprechung zur jetzigen Regelung der EuGVO (Art. 5, 6, 23) aufweist (für die Praktizierung dieser Übergangsregelung Kropholler, aaO Art. 66 Rdnr. 8, unter Bezugnahme auf EuGH 9.10.1997 – 163/95 – (von Horn), Slg. 1997 I 5451 = IPRax 1999, S. 10 m. Anm. Rauscher S. 80). |
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| b) Der Senat ist nicht ersichtlich unzuständig für die Klage der Klägerin, so daß eine Entscheidung über seine Zuständigkeit bzw. Unzuständigkeit, die in einem solchen Fall Vorrang vor der gem. Art. 27 EuGVO erfolgenden Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens hätte, nicht in Betracht kommt. Internationale Zuständigkeit des Senats kommt im vorliegenden Fall vielmehr – mit der Folge des über Art. 27 ff. EuGVO aufzulösenden Konkurrenz- und Konfliktsverhältnisses – durchaus in Betracht. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte läßt sich im vorliegenden Fall zwar nicht aus dem allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten, Art. 2 I EuGVO, herleiten, in Betracht kommt aber durchaus – über eine Erfüllungsortvereinbarung zwischen den Parteien, die „Abholung per LKW in Fri...“ verabredet haben – der Inlandsgerichtsstand des Erfüllungsorts (Art. 5 Nr. 1 Buchst. a) EuGVO und auch eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 EuGVO zugunsten von Fri..., wenn die diversen Kundgaben dieses Gerichtsstandes in den AGB und weiteren Äußerungen der Klägerin den Anforderungen des Art. 23 EuGVO standhalten. Einer Entscheidung dieser Zuständigkeitsfrage im Sinne eigener Unzuständigkeit oder Zuständigkeit bedarf es jetzt aber nicht; vorgeschaltet ist insofern Art. 27 EuGVO, nach dessen Maßgaben sich die jetzige Entscheidung des Sentas zu richten hat. |
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| Wegen des Vorrangs der gemäß Art. 27 EuGVO zu treffenden Entscheidung hat der Senat im vorliegenden Verfahren und im jetzigen Verfahrensstadium eine aus seiner Sicht abschließende Beurteilung der internationalen Zuständigkeit der durch die Beklagte in Anspruch genommenen belgischen Gerichte nicht vorzunehmen. Allenfalls wäre der Senat im System der Art. 2 ff, 27, 28 EuGVO dazu berufen, wenn sich eine Zuständigkeit der belgischen Gerichte offensichtlich nicht ergeben könnte. So aber steht es im vorliegenden Verfahren nicht. Schon die hiesige Klägerin hätte in Be... (= Land) einen Gerichtsstand für ihre Schadensersatzklage gehabt, wenn sie – ungeachtet ihrer AGB – dort selbst Klage erhoben hätte. Art. 2 I wie ggf. auch Art. 5 Nr. 1 Buchst. a) EuGVO hätten ihr einen Gerichtsstand gegeben. Die belgische Beklagte des vorliegenden Verfahrens hat sich Art. 6 Nr. 2 EuGVO zunutze gemacht, der ihr in dem von ihr zuvor eingeleiteten „Hauptverfahren“ gegen ihre Abnehmerin Euro-Diesel S.A. den Gerichtsstand der Intervention bzw. Regreßklage gegen die hiesige Klägerin eröffnet hat, an dem sie mit eben der Interventionsklage Aufhebung bzw. Auflösung des sie mit der hiesigen Klägerin verbindenden Vertragsverhältnisses betreibt. Für eine solche Interventionsklage ist im Grundsatz dortiger Gerichtsstand gegen die hiesige Klägerin gegeben, mit der Konsequenz, daß über die Interventionsklage der hiesigen Beklagten/dortigen Klägerin dort entschieden werden kann und daß die hiesige Klägerin/dortige Beklagte dort eine ihrer hiesigen Klage in der Zielrichtung entsprechende Widerklage (nach Art. 6 Nr. 3 EuGVO) erheben könnte – mit der Folge, daß über die Streitanliegen der Parteien insgesamt auch in Be... (= Land) entschieden werden könnte. |
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| Ausgeschlossen wäre die so herzuleitende Zuständigkeit belgischer Gerichte für die Entscheidung über den Streitstoff des vorliegenden Verfahrens allenfalls über eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten des vorliegenden Verfahrens gewesen, die sich eindeutig auch auf die – zulässige – Ausschließung der aus Art. 6 Nr. 2 und 3 EuGVO folgenden Gerichtsstände der Interventionsklage und der Widerklage bezogen hätte. Ein solcher umfassend derogierender Inhalt ist der von der Klägerin des hiesigen Verfahrens für die Begründung der von ihr in Anspruch genommenen deutschen Zuständigkeit vorgebrachten, in ihren AGB enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung aber nicht ohne weiteres und keineswegs mit solcher völliger Eindeutigkeit eigen, wie es erforderlich sein müßte, um im vorliegenden Verfahren aus Gründen „internationaler Prozeßökonomie“ und unter Hintansetzung der sich aus Art. 27 EuGVO ergebenden Normalregelung von Unzuständigkeit der belgischen Gerichte und damit konkurrenzloser eigener Zuständigkeit ausgehen zu können. Angesichts des grundsätzlichen Vorrangs der zu Art. 27 EuGVO zu treffenden Entscheidung hat der Senat also im jetzt gegebenen Verfahrensstadium über die Wirksamkeit der von der Klägerin beanspruchten Prorogation zugunsten der deutschen Gerichte nicht zu befinden. |
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| d) Der Senat hat sich so im derzeitigen Stadium des Verfahrens, das durch die Konkurrenz des belgischen Verfahrens und dem so sich zeigenden Kompetenzkonflikt gekennzeichnet ist, einer Zuständigkeitsentscheidung zu enthalten und zunächst die an den Erfordernissen von Art. 27 EuGVO orientierte Entscheidung zu treffen. |
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| Art. 27 EuGVO stattet das zeitlich zuerst angerufene Gericht mit Prüfungs- und Entscheidungsvorrang aus. Das später angerufene Gericht, hier der Senat, hat – im Grundsatz ohne Prüfung der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts des anderen Mitgliedstaates und damit im Grundsatz auch ohne abschließende positive oder negative Betrachtung seiner eigenen Zuständigkeit – von Amts wegen auszusetzen, bis in dem konkurrierenden fremden Verfahren eine Entscheidung über die dortige Zuständigkeit gefallen ist. Das kann dort die Ausschöpfung des Rechtsmittelweges bedeuten; am Ende kann dann im Inland die Entscheidung über die Unzuständigkeit zugunsten des anderen Gerichts stehen. |
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| 2. Die Voraussetzungen einer Aussetzungsentscheidung gemäß Art. 27 EuGVO liegen auch im übrigen vor. |
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| a) Eindeutig ist das belgische Verfahren zeitlich früher eingeleitet und rechtshängig gemacht worden als das deutsche Verfahren und somit zeitlich vorrangig i.S. von Art. 27 EuGVO. In dem belgischen Verfahren ist die gegen die Klägerin des hiesigen Verfahrens gerichtete Interventionsklage am 11.3.2002 dem für die Bewirkung der Zustellung zuständigen „Huissier de Justice“ (hierzu de Bocken/de Bondt [Hrsg.], Introduction to Belgian Law, 2001, S. 92, 98) übergeben worden. Zustellung an die Klägerin des hiesigen Verfahrens ist über die Amtsgerichte Freiburg i.Br. und Tettnang am 22.3.2002 bewirkt worden. Demgegenüber ist die Klage der Klägerin des hiesigen Verfahrens erst am 2.5.2002 beim Landgericht Ravensburg eingereicht und schließlich am 26.7.2002 im Wege internationaler Zustellung der Beklagten des hiesigen Verfahrens zugestellt und damit zum letzteren Zeitpunkt rechtshängig geworden. |
|
| b) Das belgische wie das deutsche Verfahren betreffen auch „Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien“ im Sinne des Art. 27 I EuGVO. Maßgeblich sind insofern die Erfordernisse des Art. 27 I EuGVO, zu dem, wie schon zu Art. 21 EuGVÜ, eine eigenständige Begrifflichkeit entstanden ist, die sich an der Streitgegenstandslehre der ZPO nicht unmittelbar orientiert. „Identität der Parteien und des Streitgegenstandes“ ist also an Art. 27 EuGVO orientiert zu betrachten. Im Sinne dieser Vorschrift liegt solche Identität hier aber vor. Zwischen Klägerin und Beklagter des hiesigen Rechtsstreits besteht Parteiidentität mit den Parteien der vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort) erhobenen Interventionsklage. Keine Rolle spielt insoweit, daß die Parteirollen vertauscht sind (vgl. Kropholler, aaO Art. 27, Rdnr. 4). Unerheblich ist auch, daß an beiden Rechtsstreiten noch weitere beteiligt sind; auch Teilidentität ist ausreichend (vgl. EuGH EuZW 1995, 311). Ebenfalls keine Rolle spielt, daß die Klägerin im belgischen Verfahren aufgrund einer Interventionsklage beteiligt wurde, die eine Entsprechung im deutschen Zivilprozeß im Rahmen von Art. 27 I EuGVO so nicht hat. Der Begriff der Klage umfaßt Begehren und Anträge aller Art, unabhängig von ihrer Bezeichnung als Klage oder Antrag (BGH NJW 1986, 662). |
|
| Die Verfahren vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort) und den hiesigen Gerichten betreffen auch denselben Anspruch. Insoweit kommt es bei der hier gebotenen autonomen Auslegung des Art. 27 I EuGVO auf den Gegenstand und die Grundlage des Anspruchs an („le même objet et la même cause“). Gegenstand bezeichnet den Zweck der Klage, während die Grundlage den Sachverhalt und die Rechtsvorschrift, auf welche die Klage gestützt wird, umfaßt (EuGH v. 8.12.1987 - 144/86, Slg. 1987, 4861 = NJW 1989, 665). Erfaßt ist so insbesondere der Fall, daß eine Partei vor dem Gericht eines Mitgliedstaats die Feststellung der Unwirksamkeit oder die Auflösung eines Vertrages begehrt, während die andere Partei vor dem Gericht des anderen Mitgliedstaates auf Erfüllung der Verbindlichkeit aus eben diesem Vertrag oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung dieses Vertrages klagt (EuGH, a.a.O, unter Nr. 14ff. mit Aufsatz Schack IPRax 1989, 139). |
|
| Hier klagt die Beklagte gegen die Klägerin vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort) auf Auflösung des Vertrages über die Lieferung von 33 Motoren, die von ihrer Kundin, der Streitverkündeten des hiesigen Verfahrens und Beklagten des belgischen Verfahrens, nicht mehr abgenommen werden, sowie auf Schadensersatz. Im inländischen Verfahren klagt die Klägerin gegen die Beklagte auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung aufgrund der von der Beklagten verweigerten Abnahme von 33 Motoren. Es erscheint sicher, daß es sich dabei um dieselben 33 Motoren handelt. Umstritten ist zwischen den Parteien u.a. auch, ob die Klägerin mit der Bereitstellung der Motoren in Verzug war, weil sie vereinbarte Lieferfristen möglicherweise nicht eingehalten hat. Dies hat zusätzliche Bedeutung für die Frage, ob hier derselbe Anspruch betroffen ist. Wenn nämlich die Klägerin in Verzug war, könnte die Beklagte grundsätzlich berechtigt gewesen sein, vom Vertrag zurückzutreten und so den Erfüllungsanspruch der Klägerin zum Erlöschen zu bringen. Befand sich umgekehrt die Klägerin nicht in Verzug, hätte die Beklagte grundlos die Abnahme verweigert und könnte ihrerseits zum Schadensersatz verpflichtet sein. Kern beider Klagen ist mithin die Wirksamkeit des Vertrages. Dies ist hinreichend zur Begründung eines „selben Gegenstandes“ (vgl. Kropholler, a.a.O., Rdnr. 7 aE). Die Voraussetzungen von Art. 27 Abs. 1 EuGVO sind also insoweit erfüllt. |
|
| c) Für die Aussetzung des hiesigen Verfahrens gemäß Art. 27 I EuGVO bedarf es, wie oben bei 1. bereits dargelegt, keiner Entscheidung des Senats hinsichtlich der Zuständigkeit des Handelsgerichts Lü... (= Ort), da jenes Gericht jedenfalls bezüglich der Interventionsklage nach dem Inkrafttreten der EuGVO, nämlich am 11.3.2002, und zeitlich vor dem Landgericht Ravensburg angerufen worden ist (vgl. zur Zeitproblematik Kropholler, a.a.O., Rdnr. 19 und Art. 66 Rdnr. 8). Ohne Erfolg bleibt der von der Klägerin vorgetragene Einwand, die Beklagte betreibe das Verfahren in Be... (= Land) in Wahrheit nicht weiter. Dieser Einwand ist schon grundsätzlich unbeachtlich (Kropholler, a.a.O., Rdnr. 21), hier liegt es zudem anders, bei einer fortlaufenden Terminierung mit bereits terminierter letzter mündlicher Verhandlung am 2.4.2004 vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort) kann von Prozeßverschleppung hinsichtlich des belgischen Verfahrens keine Rede sein. |
|
| d) Im vorliegenden, hiesigen Verfahren hat der Senat also jetzt nicht zu prüfen, ob das Oberlandesgericht als deutsches Gericht oder das Handelsgericht Lü... (= Ort) zuständig ist. Prüfung und Entscheidung insoweit obliegen dem zeitlich früher befaßten Handelsgericht Lü... (= Ort). Art. 27. I EuGVO bringt insoweit mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck, daß das „europäische Zivilverfahrensrecht“ mit der schlichten Bevorzugung des Zeitmomentes vom Gleichrang der Jurisdiktionen der Mitgliedstaaten der EU ausgeht, in denen die EuGVO unmittelbare Geltung hat, und angesichts dieses Gleichranges die vorrangige Prüfungs- und Entscheidungskompetenz hinsichtlich einer Zuständigkeitskonkurrenz mit gewissem Schematismus in die Hände des zeitlich erstangerufenen Gerichts geben kann und muß. Hieran hat sich die einzelstaatliche Praxis in den Mitgliedstaaten zu halten bzw. gegebenenfalls auch zu gewöhnen. |
|
| Zu einer Abweichung von dieser grundsätzlich geltenden Regelung hätte der Senat freilich unter Umständen in einem Falle zu gelangen, in dem sich aufdrängen würde, daß ein Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat gezielt und in kollusivem Zusammenwirken der dortigen Parteien eines Hauptprozesses eingeleitet worden ist, um mit dem Mittel der dem Recht jenes Mitgliedstaates bekannten Interventionsklage einer sich ankündigenden Klage einer – ggf. inländischen – Partei in dem gleichsam „gegebenen“ inländischen Gerichtsstand den Boden entziehen und so ungerechtfertigte Standortvorteile erzielen zu können (s. insoweit Kropholler, aaO Art. 27 Rdnr. 10 Fn. 21 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor; auch die Klägerin hat mehr als eine leise Vermutung in diese Richtung nicht äußern können und wollen. Größere Anfangsschnelligkeit und frühere Entschließung zur Prozeßführung, aus der sich Möglichkeiten der „Sperrung“ sonstiger Gerichtsstände durch Benutzung der in Art. 6 Nr. 2, 3 EuGVO vorgesehenen Gerichtsstände ergeben können, haben die für eine zu mißbilligende Kollusion notwendige Nähe zu rechtsmißbräuchlichem Verhalten nicht. Insofern ist auch das Bild des „belgischen Torpedos“, das in diesem Zusammenhang im Schrifttum gelegentlich benutzt worden ist (vgl. Kropholler, aaO Art. 27 Rdnr. 10 Fn. 21; Pitz, GRUR int. 2001, 32; Grabinski GRUR int. 2001, 209) schief. Art. 27 I EuGVO begünstigt, wie auch Art. 28 und Art. 30 EuGVO, prioritäre Rechtshängigkeit im System konkurrierender Zuständigkeiten; dem ist durch Gericht wie Parteien im Geltungsbereich der EuGVO, der mitgliedstaatliche Schutzräume grundsätzlich nicht mehr kennt, Rechnung zu tragen. |
|
| e) Im Zusammenhang mit den vorstehenden Gründen zu d) ergibt sich auch, daß der Senat entgegen dem Vorbringen der Klägerin an der Heranziehung und Anwendung von Art. 27 EuGVO nicht dadurch gehindert ist, daß der zwischen der Beklagten des hiesigen Verfahrens und der Streitverkündeten des hiesigen Verfahrens in Be... (= Land) geführte Hauptprozeß, was seine dortigen Parteien betrifft, „Internationalität“ in dem Sinne nicht hat, daß seine Parteien aus verschiedenen Mitgliedstaaten stammen. Art. 27 I EuGVO setzt für seine Anwendung ein solches Erfordernis nicht voraus. Ein solches Erfordernis ergibt mit Wirkung und Beachtlichkeit für das vorliegende Verfahren und die hier zur Anwendung von Art. 27 I EuGVO zu treffende Entscheidung weder die von der Klägerin vorgetragene Entscheidung des BGH vom 12.10.1989 – VII ZR 339/88 – (IPRax 1990, 318, 319), die sich zur hier erheblichen Frage der Internationalität eines Hauptprozesses, in dem eine Interventionsklage erhoben wird, nicht unmittelbar äußert, noch die – mißverständliche und im Widerspruch zu einer weiteren Äußerung desselben Autors zu Art. 27 EuGVO stehende Stellungnahme von Kropholler, der in Rdnr. 30 der Kommentierung zu Art. 6 EuGVO meint: „Die Nr. 2 [von Art. 6] ist aber nur anwendbar, wenn die Hauptklage in den Anwendungsbereich der EuGVO fällt und wenn für sie eine Zuständigkeit nach der Verordnung gegeben ist.“ (Kropholler aaO Art. 6 Rdnr. 30). In der Sicht des Senats ist für die Aussetzung des hiesigen – mit Parteien aus zwei Mitgliedstaaten besetzten – Verfahrens gemäß Art. 27 I EuGVO nicht Voraussetzung, daß der in Be... (= Land) zwischen den dortigen Parteien geführte Hauptprozeß eigentliche „Internationalität“ aufgrund des Sitzes der Parteien in unterschiedlichen Mitgliedstaaten nicht hat. Der dortige Streit zwischen den dortigen Klageparteien ist als Streit zwischen Widerverkäufer und Käufer Zivilsache oder Handelssache und fiele bei Grenzüberschreitung ohne weiteres in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 1 EuGVO. Geführt wird er im allgemeinen Gerichtsstand oder im Gerichtsstand des Erfüllungsortes oder im prorogierten Gerichtsstand, woraus auch eine Zuständigkeit nach der EuGVO folgen würde. Er ist damit nicht in einem im System der EuGVO „mißbilligten“ Gerichtsstand geführt (vgl. dazu Art. 3 II EuGVO und Anhang I; solche Gerichtsstände bieten keinen Rückhalt für Art. 6 Nr. 2 EuGVO; diese Eingrenzung wollen, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, Kropholler, aaO Art. 6 Rdnr. 30 und die dort zitierten vornehmen). Ist in jenem be...(= Ort) Gerichtestand, in dem auch die hiesige Klägerin auf der Basis von Art. 2 – 23 EuGVO bei Außerachtlassung der sie ggf. mit einem inländischen Gerichtsstand ausstattenden Erfüllungsort – oder Gerichtsstandsvereinbarung ihre hiesige Klage hätte erheben können, die Interventionsklage der hiesigen Beklagten erhoben worden, ist damit der Anwendungsbereich von Art. 6 Nr. EuGVO nicht verlassen, vielmehr von den Möglichkeiten der EuGVO interessengemäßer Gebrauch gemacht worden (vgl. dazu das für den vorliegenden Fall genau passende Beispiel im Bericht Jenard zu Art. 6 Nr. 2 EuGVÜ, s. Jenard, Bericht zum EuGVÜ vom 27.9.1968 und zum Auslegungsprotokoll vom 3.6.1971 ABl. EG vom 5.3.1979 Nr. C 59, 1-70; als Zitat auch abgedruckt bei Kropholler, aaO Art. 6 Rdnr. 20 Fn. 43). Die nötige Internationalität, die insoweit für Art. 27 I EuGVO erforderlich ist, gewinnt das belgische Gesamtverfahren durch die dort gegen die hiesige Klage erhobene Interventionsklage; auf diese letztere Klage kommt es für Art. 27 I EuGVO auch entscheidend an, denn sie, nicht der Hautprozeß, innerhalb dessen sie gegen die hiesige Klägerin erhoben ist, betrifft in Konkurrenz mit dem hiesigen Verfahren „denselben Anspruch“, der als identisches Streitverhältnis der hiesigen Klage zugrunde liegt. Dieser Gesichtspunkt ist mitentscheidend; würden die beiden vorliegenden Verfahren, das hiesige wie das in Lü... (= Ort) hängige Verfahren, jeweils bis zu einem Urteil über die hiesige Schadensersatzklage und die dortige Interventionsklage durchgeführt werden, würde sich ggf. wechselseitig ein Anerkennungshindernis im Sinne von Art. 34 Nr. 3 EuGVO (Widerspruch des jeweils ausländischen Urteils zu dem jeweils inländischen Urteil) ergeben. Das zeigt zusätzlich, daß dieser Gefahr in der vorliegenden Konstellation durch die „Zwischenentscheidung“ gemäß Art. 27 I EuGVO begegnet werden muß. |
|
| 3. Liegen somit die Voraussetzungen der Aussetzung vor, hat diese, da die EuGVO eigene Regeln insofern nicht aufstellt, im Verfahren und in der Entscheidungsart des deutschen Verfahrensrechts zu erfolgen. Zu entscheiden ist gemäß § 148 ZPO in entsprechender Heranziehung von §§ 248 ff. ZPO, demgemäß durch Beschluß auf der Grundlage der insoweit durchgeführten mündlichen Verhandlung. Daß das hiesige Verfahren bereits im Berufungsgericht geführt wird, hindert eine Aussetzung nach Art. 27 I EuGVO nicht, da die Entscheidung im Zusammenhang der internationalen Zuständigkeit steht, über die in jedem Verfahrensstand von Amts wegen zu entscheiden ist, sofern gesetzliche Eingrenzungen nicht entgegenstehen. Solche ergeben sich für die vorliegende Entscheidung weder aus Art. 27 – 30 EuGVO noch aus den Regeln des nationalen Prozeßrechts. |
|
| Die durch den Senat getroffene Aussetzung berührt das Urteil des Landgerichts Ravensburg zunächst nicht. |
|
| Die Verneinung der Aussetzungsvoraussetzungen durch das LG Ravensburg führt im jetzigen Verfahrensstadium, in dem über Aussetzung zu befinden ist, nicht zur Aufhebung seines Urteils und zur Zurückverweisung; es ist vielmehr das Berufungsverfahren auszusetzen (BGH NJW 2002, 2795; aA Hau IPRax 2002, 117). |
|
| 4. Die Aussetzung nach Art. 27 I EuGVO geht einer Aussetzung gemäß Art. 28 EuGVO EuGVO kraft Spezialität vor (vgl. Thomas/Putzo, a.a.O., Art. 28 EuGVVO, Rdnr. 2). Eine Prüfung zu Art. 28 EuGVO, die ggf. ebenfalls zur Aussetzung führen müßte, erübrigt sich damit. |
|
| 5. Der Antrag der Beklagten auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Ravensburg ist zur Zeit begründet. Die Berufung der Beklagten hat die insoweit erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten. Die Zuständigkeit der belgischen Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits zwischen der Klägerin und der Beklagten kommt, wie oben unter 1. dargelegt, in Betracht. Wird sie durch die be...(= Ort) Gerichte rechtskräftig bejaht, ist sie von deutschen Gerichten zwingend zu beachten, Art. 27 II EuGVO. Das Urteil des LG Ravensburg müßte dann aufgehoben werden und die hiesige Klage (als unzulässig) abgewiesen werden. Dies rechtfertigt es, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des LG Ravensburg vorläufig und ohne Sicherheitsleistung einzustellen. |
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| |
| II. Das hiesige Verfahren ist im Hinblick auf den Vorrang des beidem Handelsgericht Lü... (= Ort) anhängig gemachten konkurrierenden Verfahrens gemäß Art. 27 Abs. 1 EuGVO i.V.m. §§ 148, 248 ZPO bis zur Entscheidung des be...(= Ort) Gerichte über seine Zuständigkeit auszusetzen. |
|
| 1. Die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin sind ohne weiteres zulässig. Unbeschadet ihrer übereinstimmenden Anträge auf Aussetzung hat der Senat das hiesige Verfahren im Hinblick auf Art. 27 Abs. 1 EuGVO schon von Amts wegen auszusetzen. |
|
| a) Grundlage der Entscheidung des Senats über die internationale Zuständigkeit ist hier die zeitliche Maßgeblichkeit der EuGVO (VO 44/2001). Die EuGVO ist in Be... (= Land) wie Deutschland seit 1.3.2002 in Kraft. Nach Art. 66 I EuGVO gilt sie für das deutsche Verfahren, in dem Rechtshängigkeit am 26.7.2002 erzielt worden ist. Nach Art. 66 I EuGVO gilt sie auch für das belgische Verfahren, in dem Rechtshängigkeit für die Interventionsklage der Beklagten gegen die Klägerin des vorliegenden deutschen Verfahrens am 22.3.2003 erzielt worden ist. Rechtshängigkeitskonflikte, wie sie hier zu entscheiden sind, sind somit hier nach Art. 27, 28 EuGVO zu entscheiden. Das Ergebnis wäre nicht anders, wenn hinsichtlich der Rechtshängigkeit des belgischen Verfahrens auf die Rechtshängigkeit der dortigen Hauptklage abzustellen wäre. Diese ist spätestens am 31.1.2002 eingetreten, d.h. vor Inkrafttreten der EuGVO und damit noch zur Zeit der Geltung des EuGVÜ in Be... (= Land). Entsprechend Art. 66 II EuGVO wäre jedoch auch in diesem Falle zu Art. 27, 28 EuGVO zu gelangen, da das Zuständigkeitssystem der dann maßgeblichen Art. 5, 6, 17 EuGVÜ hinreichende Entsprechung zur jetzigen Regelung der EuGVO (Art. 5, 6, 23) aufweist (für die Praktizierung dieser Übergangsregelung Kropholler, aaO Art. 66 Rdnr. 8, unter Bezugnahme auf EuGH 9.10.1997 – 163/95 – (von Horn), Slg. 1997 I 5451 = IPRax 1999, S. 10 m. Anm. Rauscher S. 80). |
|
| b) Der Senat ist nicht ersichtlich unzuständig für die Klage der Klägerin, so daß eine Entscheidung über seine Zuständigkeit bzw. Unzuständigkeit, die in einem solchen Fall Vorrang vor der gem. Art. 27 EuGVO erfolgenden Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens hätte, nicht in Betracht kommt. Internationale Zuständigkeit des Senats kommt im vorliegenden Fall vielmehr – mit der Folge des über Art. 27 ff. EuGVO aufzulösenden Konkurrenz- und Konfliktsverhältnisses – durchaus in Betracht. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte läßt sich im vorliegenden Fall zwar nicht aus dem allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten, Art. 2 I EuGVO, herleiten, in Betracht kommt aber durchaus – über eine Erfüllungsortvereinbarung zwischen den Parteien, die „Abholung per LKW in Fri...“ verabredet haben – der Inlandsgerichtsstand des Erfüllungsorts (Art. 5 Nr. 1 Buchst. a) EuGVO und auch eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 EuGVO zugunsten von Fri..., wenn die diversen Kundgaben dieses Gerichtsstandes in den AGB und weiteren Äußerungen der Klägerin den Anforderungen des Art. 23 EuGVO standhalten. Einer Entscheidung dieser Zuständigkeitsfrage im Sinne eigener Unzuständigkeit oder Zuständigkeit bedarf es jetzt aber nicht; vorgeschaltet ist insofern Art. 27 EuGVO, nach dessen Maßgaben sich die jetzige Entscheidung des Sentas zu richten hat. |
|
| Wegen des Vorrangs der gemäß Art. 27 EuGVO zu treffenden Entscheidung hat der Senat im vorliegenden Verfahren und im jetzigen Verfahrensstadium eine aus seiner Sicht abschließende Beurteilung der internationalen Zuständigkeit der durch die Beklagte in Anspruch genommenen belgischen Gerichte nicht vorzunehmen. Allenfalls wäre der Senat im System der Art. 2 ff, 27, 28 EuGVO dazu berufen, wenn sich eine Zuständigkeit der belgischen Gerichte offensichtlich nicht ergeben könnte. So aber steht es im vorliegenden Verfahren nicht. Schon die hiesige Klägerin hätte in Be... (= Land) einen Gerichtsstand für ihre Schadensersatzklage gehabt, wenn sie – ungeachtet ihrer AGB – dort selbst Klage erhoben hätte. Art. 2 I wie ggf. auch Art. 5 Nr. 1 Buchst. a) EuGVO hätten ihr einen Gerichtsstand gegeben. Die belgische Beklagte des vorliegenden Verfahrens hat sich Art. 6 Nr. 2 EuGVO zunutze gemacht, der ihr in dem von ihr zuvor eingeleiteten „Hauptverfahren“ gegen ihre Abnehmerin Euro-Diesel S.A. den Gerichtsstand der Intervention bzw. Regreßklage gegen die hiesige Klägerin eröffnet hat, an dem sie mit eben der Interventionsklage Aufhebung bzw. Auflösung des sie mit der hiesigen Klägerin verbindenden Vertragsverhältnisses betreibt. Für eine solche Interventionsklage ist im Grundsatz dortiger Gerichtsstand gegen die hiesige Klägerin gegeben, mit der Konsequenz, daß über die Interventionsklage der hiesigen Beklagten/dortigen Klägerin dort entschieden werden kann und daß die hiesige Klägerin/dortige Beklagte dort eine ihrer hiesigen Klage in der Zielrichtung entsprechende Widerklage (nach Art. 6 Nr. 3 EuGVO) erheben könnte – mit der Folge, daß über die Streitanliegen der Parteien insgesamt auch in Be... (= Land) entschieden werden könnte. |
|
| Ausgeschlossen wäre die so herzuleitende Zuständigkeit belgischer Gerichte für die Entscheidung über den Streitstoff des vorliegenden Verfahrens allenfalls über eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten des vorliegenden Verfahrens gewesen, die sich eindeutig auch auf die – zulässige – Ausschließung der aus Art. 6 Nr. 2 und 3 EuGVO folgenden Gerichtsstände der Interventionsklage und der Widerklage bezogen hätte. Ein solcher umfassend derogierender Inhalt ist der von der Klägerin des hiesigen Verfahrens für die Begründung der von ihr in Anspruch genommenen deutschen Zuständigkeit vorgebrachten, in ihren AGB enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung aber nicht ohne weiteres und keineswegs mit solcher völliger Eindeutigkeit eigen, wie es erforderlich sein müßte, um im vorliegenden Verfahren aus Gründen „internationaler Prozeßökonomie“ und unter Hintansetzung der sich aus Art. 27 EuGVO ergebenden Normalregelung von Unzuständigkeit der belgischen Gerichte und damit konkurrenzloser eigener Zuständigkeit ausgehen zu können. Angesichts des grundsätzlichen Vorrangs der zu Art. 27 EuGVO zu treffenden Entscheidung hat der Senat also im jetzt gegebenen Verfahrensstadium über die Wirksamkeit der von der Klägerin beanspruchten Prorogation zugunsten der deutschen Gerichte nicht zu befinden. |
|
| d) Der Senat hat sich so im derzeitigen Stadium des Verfahrens, das durch die Konkurrenz des belgischen Verfahrens und dem so sich zeigenden Kompetenzkonflikt gekennzeichnet ist, einer Zuständigkeitsentscheidung zu enthalten und zunächst die an den Erfordernissen von Art. 27 EuGVO orientierte Entscheidung zu treffen. |
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| Art. 27 EuGVO stattet das zeitlich zuerst angerufene Gericht mit Prüfungs- und Entscheidungsvorrang aus. Das später angerufene Gericht, hier der Senat, hat – im Grundsatz ohne Prüfung der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts des anderen Mitgliedstaates und damit im Grundsatz auch ohne abschließende positive oder negative Betrachtung seiner eigenen Zuständigkeit – von Amts wegen auszusetzen, bis in dem konkurrierenden fremden Verfahren eine Entscheidung über die dortige Zuständigkeit gefallen ist. Das kann dort die Ausschöpfung des Rechtsmittelweges bedeuten; am Ende kann dann im Inland die Entscheidung über die Unzuständigkeit zugunsten des anderen Gerichts stehen. |
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| 2. Die Voraussetzungen einer Aussetzungsentscheidung gemäß Art. 27 EuGVO liegen auch im übrigen vor. |
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| a) Eindeutig ist das belgische Verfahren zeitlich früher eingeleitet und rechtshängig gemacht worden als das deutsche Verfahren und somit zeitlich vorrangig i.S. von Art. 27 EuGVO. In dem belgischen Verfahren ist die gegen die Klägerin des hiesigen Verfahrens gerichtete Interventionsklage am 11.3.2002 dem für die Bewirkung der Zustellung zuständigen „Huissier de Justice“ (hierzu de Bocken/de Bondt [Hrsg.], Introduction to Belgian Law, 2001, S. 92, 98) übergeben worden. Zustellung an die Klägerin des hiesigen Verfahrens ist über die Amtsgerichte Freiburg i.Br. und Tettnang am 22.3.2002 bewirkt worden. Demgegenüber ist die Klage der Klägerin des hiesigen Verfahrens erst am 2.5.2002 beim Landgericht Ravensburg eingereicht und schließlich am 26.7.2002 im Wege internationaler Zustellung der Beklagten des hiesigen Verfahrens zugestellt und damit zum letzteren Zeitpunkt rechtshängig geworden. |
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| b) Das belgische wie das deutsche Verfahren betreffen auch „Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien“ im Sinne des Art. 27 I EuGVO. Maßgeblich sind insofern die Erfordernisse des Art. 27 I EuGVO, zu dem, wie schon zu Art. 21 EuGVÜ, eine eigenständige Begrifflichkeit entstanden ist, die sich an der Streitgegenstandslehre der ZPO nicht unmittelbar orientiert. „Identität der Parteien und des Streitgegenstandes“ ist also an Art. 27 EuGVO orientiert zu betrachten. Im Sinne dieser Vorschrift liegt solche Identität hier aber vor. Zwischen Klägerin und Beklagter des hiesigen Rechtsstreits besteht Parteiidentität mit den Parteien der vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort) erhobenen Interventionsklage. Keine Rolle spielt insoweit, daß die Parteirollen vertauscht sind (vgl. Kropholler, aaO Art. 27, Rdnr. 4). Unerheblich ist auch, daß an beiden Rechtsstreiten noch weitere beteiligt sind; auch Teilidentität ist ausreichend (vgl. EuGH EuZW 1995, 311). Ebenfalls keine Rolle spielt, daß die Klägerin im belgischen Verfahren aufgrund einer Interventionsklage beteiligt wurde, die eine Entsprechung im deutschen Zivilprozeß im Rahmen von Art. 27 I EuGVO so nicht hat. Der Begriff der Klage umfaßt Begehren und Anträge aller Art, unabhängig von ihrer Bezeichnung als Klage oder Antrag (BGH NJW 1986, 662). |
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| Die Verfahren vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort) und den hiesigen Gerichten betreffen auch denselben Anspruch. Insoweit kommt es bei der hier gebotenen autonomen Auslegung des Art. 27 I EuGVO auf den Gegenstand und die Grundlage des Anspruchs an („le même objet et la même cause“). Gegenstand bezeichnet den Zweck der Klage, während die Grundlage den Sachverhalt und die Rechtsvorschrift, auf welche die Klage gestützt wird, umfaßt (EuGH v. 8.12.1987 - 144/86, Slg. 1987, 4861 = NJW 1989, 665). Erfaßt ist so insbesondere der Fall, daß eine Partei vor dem Gericht eines Mitgliedstaats die Feststellung der Unwirksamkeit oder die Auflösung eines Vertrages begehrt, während die andere Partei vor dem Gericht des anderen Mitgliedstaates auf Erfüllung der Verbindlichkeit aus eben diesem Vertrag oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung dieses Vertrages klagt (EuGH, a.a.O, unter Nr. 14ff. mit Aufsatz Schack IPRax 1989, 139). |
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| Hier klagt die Beklagte gegen die Klägerin vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort) auf Auflösung des Vertrages über die Lieferung von 33 Motoren, die von ihrer Kundin, der Streitverkündeten des hiesigen Verfahrens und Beklagten des belgischen Verfahrens, nicht mehr abgenommen werden, sowie auf Schadensersatz. Im inländischen Verfahren klagt die Klägerin gegen die Beklagte auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung aufgrund der von der Beklagten verweigerten Abnahme von 33 Motoren. Es erscheint sicher, daß es sich dabei um dieselben 33 Motoren handelt. Umstritten ist zwischen den Parteien u.a. auch, ob die Klägerin mit der Bereitstellung der Motoren in Verzug war, weil sie vereinbarte Lieferfristen möglicherweise nicht eingehalten hat. Dies hat zusätzliche Bedeutung für die Frage, ob hier derselbe Anspruch betroffen ist. Wenn nämlich die Klägerin in Verzug war, könnte die Beklagte grundsätzlich berechtigt gewesen sein, vom Vertrag zurückzutreten und so den Erfüllungsanspruch der Klägerin zum Erlöschen zu bringen. Befand sich umgekehrt die Klägerin nicht in Verzug, hätte die Beklagte grundlos die Abnahme verweigert und könnte ihrerseits zum Schadensersatz verpflichtet sein. Kern beider Klagen ist mithin die Wirksamkeit des Vertrages. Dies ist hinreichend zur Begründung eines „selben Gegenstandes“ (vgl. Kropholler, a.a.O., Rdnr. 7 aE). Die Voraussetzungen von Art. 27 Abs. 1 EuGVO sind also insoweit erfüllt. |
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| c) Für die Aussetzung des hiesigen Verfahrens gemäß Art. 27 I EuGVO bedarf es, wie oben bei 1. bereits dargelegt, keiner Entscheidung des Senats hinsichtlich der Zuständigkeit des Handelsgerichts Lü... (= Ort), da jenes Gericht jedenfalls bezüglich der Interventionsklage nach dem Inkrafttreten der EuGVO, nämlich am 11.3.2002, und zeitlich vor dem Landgericht Ravensburg angerufen worden ist (vgl. zur Zeitproblematik Kropholler, a.a.O., Rdnr. 19 und Art. 66 Rdnr. 8). Ohne Erfolg bleibt der von der Klägerin vorgetragene Einwand, die Beklagte betreibe das Verfahren in Be... (= Land) in Wahrheit nicht weiter. Dieser Einwand ist schon grundsätzlich unbeachtlich (Kropholler, a.a.O., Rdnr. 21), hier liegt es zudem anders, bei einer fortlaufenden Terminierung mit bereits terminierter letzter mündlicher Verhandlung am 2.4.2004 vor dem Handelsgericht Lü... (= Ort) kann von Prozeßverschleppung hinsichtlich des belgischen Verfahrens keine Rede sein. |
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| d) Im vorliegenden, hiesigen Verfahren hat der Senat also jetzt nicht zu prüfen, ob das Oberlandesgericht als deutsches Gericht oder das Handelsgericht Lü... (= Ort) zuständig ist. Prüfung und Entscheidung insoweit obliegen dem zeitlich früher befaßten Handelsgericht Lü... (= Ort). Art. 27. I EuGVO bringt insoweit mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck, daß das „europäische Zivilverfahrensrecht“ mit der schlichten Bevorzugung des Zeitmomentes vom Gleichrang der Jurisdiktionen der Mitgliedstaaten der EU ausgeht, in denen die EuGVO unmittelbare Geltung hat, und angesichts dieses Gleichranges die vorrangige Prüfungs- und Entscheidungskompetenz hinsichtlich einer Zuständigkeitskonkurrenz mit gewissem Schematismus in die Hände des zeitlich erstangerufenen Gerichts geben kann und muß. Hieran hat sich die einzelstaatliche Praxis in den Mitgliedstaaten zu halten bzw. gegebenenfalls auch zu gewöhnen. |
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| Zu einer Abweichung von dieser grundsätzlich geltenden Regelung hätte der Senat freilich unter Umständen in einem Falle zu gelangen, in dem sich aufdrängen würde, daß ein Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat gezielt und in kollusivem Zusammenwirken der dortigen Parteien eines Hauptprozesses eingeleitet worden ist, um mit dem Mittel der dem Recht jenes Mitgliedstaates bekannten Interventionsklage einer sich ankündigenden Klage einer – ggf. inländischen – Partei in dem gleichsam „gegebenen“ inländischen Gerichtsstand den Boden entziehen und so ungerechtfertigte Standortvorteile erzielen zu können (s. insoweit Kropholler, aaO Art. 27 Rdnr. 10 Fn. 21 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor; auch die Klägerin hat mehr als eine leise Vermutung in diese Richtung nicht äußern können und wollen. Größere Anfangsschnelligkeit und frühere Entschließung zur Prozeßführung, aus der sich Möglichkeiten der „Sperrung“ sonstiger Gerichtsstände durch Benutzung der in Art. 6 Nr. 2, 3 EuGVO vorgesehenen Gerichtsstände ergeben können, haben die für eine zu mißbilligende Kollusion notwendige Nähe zu rechtsmißbräuchlichem Verhalten nicht. Insofern ist auch das Bild des „belgischen Torpedos“, das in diesem Zusammenhang im Schrifttum gelegentlich benutzt worden ist (vgl. Kropholler, aaO Art. 27 Rdnr. 10 Fn. 21; Pitz, GRUR int. 2001, 32; Grabinski GRUR int. 2001, 209) schief. Art. 27 I EuGVO begünstigt, wie auch Art. 28 und Art. 30 EuGVO, prioritäre Rechtshängigkeit im System konkurrierender Zuständigkeiten; dem ist durch Gericht wie Parteien im Geltungsbereich der EuGVO, der mitgliedstaatliche Schutzräume grundsätzlich nicht mehr kennt, Rechnung zu tragen. |
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| e) Im Zusammenhang mit den vorstehenden Gründen zu d) ergibt sich auch, daß der Senat entgegen dem Vorbringen der Klägerin an der Heranziehung und Anwendung von Art. 27 EuGVO nicht dadurch gehindert ist, daß der zwischen der Beklagten des hiesigen Verfahrens und der Streitverkündeten des hiesigen Verfahrens in Be... (= Land) geführte Hauptprozeß, was seine dortigen Parteien betrifft, „Internationalität“ in dem Sinne nicht hat, daß seine Parteien aus verschiedenen Mitgliedstaaten stammen. Art. 27 I EuGVO setzt für seine Anwendung ein solches Erfordernis nicht voraus. Ein solches Erfordernis ergibt mit Wirkung und Beachtlichkeit für das vorliegende Verfahren und die hier zur Anwendung von Art. 27 I EuGVO zu treffende Entscheidung weder die von der Klägerin vorgetragene Entscheidung des BGH vom 12.10.1989 – VII ZR 339/88 – (IPRax 1990, 318, 319), die sich zur hier erheblichen Frage der Internationalität eines Hauptprozesses, in dem eine Interventionsklage erhoben wird, nicht unmittelbar äußert, noch die – mißverständliche und im Widerspruch zu einer weiteren Äußerung desselben Autors zu Art. 27 EuGVO stehende Stellungnahme von Kropholler, der in Rdnr. 30 der Kommentierung zu Art. 6 EuGVO meint: „Die Nr. 2 [von Art. 6] ist aber nur anwendbar, wenn die Hauptklage in den Anwendungsbereich der EuGVO fällt und wenn für sie eine Zuständigkeit nach der Verordnung gegeben ist.“ (Kropholler aaO Art. 6 Rdnr. 30). In der Sicht des Senats ist für die Aussetzung des hiesigen – mit Parteien aus zwei Mitgliedstaaten besetzten – Verfahrens gemäß Art. 27 I EuGVO nicht Voraussetzung, daß der in Be... (= Land) zwischen den dortigen Parteien geführte Hauptprozeß eigentliche „Internationalität“ aufgrund des Sitzes der Parteien in unterschiedlichen Mitgliedstaaten nicht hat. Der dortige Streit zwischen den dortigen Klageparteien ist als Streit zwischen Widerverkäufer und Käufer Zivilsache oder Handelssache und fiele bei Grenzüberschreitung ohne weiteres in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 1 EuGVO. Geführt wird er im allgemeinen Gerichtsstand oder im Gerichtsstand des Erfüllungsortes oder im prorogierten Gerichtsstand, woraus auch eine Zuständigkeit nach der EuGVO folgen würde. Er ist damit nicht in einem im System der EuGVO „mißbilligten“ Gerichtsstand geführt (vgl. dazu Art. 3 II EuGVO und Anhang I; solche Gerichtsstände bieten keinen Rückhalt für Art. 6 Nr. 2 EuGVO; diese Eingrenzung wollen, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, Kropholler, aaO Art. 6 Rdnr. 30 und die dort zitierten vornehmen). Ist in jenem be...(= Ort) Gerichtestand, in dem auch die hiesige Klägerin auf der Basis von Art. 2 – 23 EuGVO bei Außerachtlassung der sie ggf. mit einem inländischen Gerichtsstand ausstattenden Erfüllungsort – oder Gerichtsstandsvereinbarung ihre hiesige Klage hätte erheben können, die Interventionsklage der hiesigen Beklagten erhoben worden, ist damit der Anwendungsbereich von Art. 6 Nr. EuGVO nicht verlassen, vielmehr von den Möglichkeiten der EuGVO interessengemäßer Gebrauch gemacht worden (vgl. dazu das für den vorliegenden Fall genau passende Beispiel im Bericht Jenard zu Art. 6 Nr. 2 EuGVÜ, s. Jenard, Bericht zum EuGVÜ vom 27.9.1968 und zum Auslegungsprotokoll vom 3.6.1971 ABl. EG vom 5.3.1979 Nr. C 59, 1-70; als Zitat auch abgedruckt bei Kropholler, aaO Art. 6 Rdnr. 20 Fn. 43). Die nötige Internationalität, die insoweit für Art. 27 I EuGVO erforderlich ist, gewinnt das belgische Gesamtverfahren durch die dort gegen die hiesige Klage erhobene Interventionsklage; auf diese letztere Klage kommt es für Art. 27 I EuGVO auch entscheidend an, denn sie, nicht der Hautprozeß, innerhalb dessen sie gegen die hiesige Klägerin erhoben ist, betrifft in Konkurrenz mit dem hiesigen Verfahren „denselben Anspruch“, der als identisches Streitverhältnis der hiesigen Klage zugrunde liegt. Dieser Gesichtspunkt ist mitentscheidend; würden die beiden vorliegenden Verfahren, das hiesige wie das in Lü... (= Ort) hängige Verfahren, jeweils bis zu einem Urteil über die hiesige Schadensersatzklage und die dortige Interventionsklage durchgeführt werden, würde sich ggf. wechselseitig ein Anerkennungshindernis im Sinne von Art. 34 Nr. 3 EuGVO (Widerspruch des jeweils ausländischen Urteils zu dem jeweils inländischen Urteil) ergeben. Das zeigt zusätzlich, daß dieser Gefahr in der vorliegenden Konstellation durch die „Zwischenentscheidung“ gemäß Art. 27 I EuGVO begegnet werden muß. |
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| 3. Liegen somit die Voraussetzungen der Aussetzung vor, hat diese, da die EuGVO eigene Regeln insofern nicht aufstellt, im Verfahren und in der Entscheidungsart des deutschen Verfahrensrechts zu erfolgen. Zu entscheiden ist gemäß § 148 ZPO in entsprechender Heranziehung von §§ 248 ff. ZPO, demgemäß durch Beschluß auf der Grundlage der insoweit durchgeführten mündlichen Verhandlung. Daß das hiesige Verfahren bereits im Berufungsgericht geführt wird, hindert eine Aussetzung nach Art. 27 I EuGVO nicht, da die Entscheidung im Zusammenhang der internationalen Zuständigkeit steht, über die in jedem Verfahrensstand von Amts wegen zu entscheiden ist, sofern gesetzliche Eingrenzungen nicht entgegenstehen. Solche ergeben sich für die vorliegende Entscheidung weder aus Art. 27 – 30 EuGVO noch aus den Regeln des nationalen Prozeßrechts. |
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| Die durch den Senat getroffene Aussetzung berührt das Urteil des Landgerichts Ravensburg zunächst nicht. |
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| Die Verneinung der Aussetzungsvoraussetzungen durch das LG Ravensburg führt im jetzigen Verfahrensstadium, in dem über Aussetzung zu befinden ist, nicht zur Aufhebung seines Urteils und zur Zurückverweisung; es ist vielmehr das Berufungsverfahren auszusetzen (BGH NJW 2002, 2795; aA Hau IPRax 2002, 117). |
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| 4. Die Aussetzung nach Art. 27 I EuGVO geht einer Aussetzung gemäß Art. 28 EuGVO EuGVO kraft Spezialität vor (vgl. Thomas/Putzo, a.a.O., Art. 28 EuGVVO, Rdnr. 2). Eine Prüfung zu Art. 28 EuGVO, die ggf. ebenfalls zur Aussetzung führen müßte, erübrigt sich damit. |
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| 5. Der Antrag der Beklagten auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Ravensburg ist zur Zeit begründet. Die Berufung der Beklagten hat die insoweit erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten. Die Zuständigkeit der belgischen Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits zwischen der Klägerin und der Beklagten kommt, wie oben unter 1. dargelegt, in Betracht. Wird sie durch die be...(= Ort) Gerichte rechtskräftig bejaht, ist sie von deutschen Gerichten zwingend zu beachten, Art. 27 II EuGVO. Das Urteil des LG Ravensburg müßte dann aufgehoben werden und die hiesige Klage (als unzulässig) abgewiesen werden. Dies rechtfertigt es, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des LG Ravensburg vorläufig und ohne Sicherheitsleistung einzustellen. |
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