Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 15 UF 241/08

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe

zurückgewiesen,

dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 35.991,22 EUR zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem Basiszins seit 30.07.2005 zu zahlen.

2. Es verbleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 35.991,22 EUR.

Gründe

 
I.
Im Streit ist der Zugewinnausgleich. Die Parteien haben am 27.02.1998 die Ehe geschlossen. Sie sind auf Grund des am 26.05.2004 zugestellten Scheidungsantrags seit 25.04.2005 rechtskräftig geschieden.
Der Kläger hat der Beklagten mit notariellem Übergabevertrag vom 14.10.1998 „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ sein bisher in seinem Alleineigentum stehendes Hausgrundstück „?? 1“ in X. sowie einen hälftigen Miteigentumsanteil an einem benachbarten Flurstück übertragen. Im Gegenzug räumte die Beklagte dem Kläger ein durch die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit abgesichertes Wohnrecht an der Wohnung im Obergeschoss des Hauses ein und verpflichtete sich u.a. zur häuslichen Versorgung des Klägers in alten und kranken Tagen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Übergabevertrag (Bl. 46/50) Bezug genommen.
Die Parteien haben in erster Instanz wechselseitig, der Kläger im Wege der Stufenklage, die Beklagte im Wege der Widerklage, Auskunft über das Endvermögen des jeweils anderen Ehegatten begehrt. Nach Auskunftserteilung hat der Kläger seinen Zugewinnausgleichsanspruch auf 60.991,00 EUR beziffert. Das Familiengericht hat zu seinen Gunsten einen Anspruch in Höhe von 35.991,22 EUR ermittelt und die Beklagte entsprechend zur Zahlung verurteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte insgesamt die Abweisung der Klage.
Sie rügt, dass in ihrem Endvermögen das Darlehen für den Erwerb des Pkw’s Mini Cooper mit 23.690,00 EUR nicht berücksichtigt worden sei und sich deshalb ihr Endvermögen entsprechend verringere.
Außerdem sei das Grundstück in X., das sie vom Kläger durch den nach Eheschließung geschlossenen Übertragungsvertrag erhalten habe, ihrem Anfangsvermögen zuzurechnen, weil es sich um einen typischen Übergabevertrag im Wege vorgenommener Erbfolge handele.
Sie beantragt,
das am 08.09.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht -Heilbronn 3 F 1800/05 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
10 
Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
12 
Er verweist darauf, dass die Parteien in der mündlichen Verhandlung die Passiva im Endvermögen der Beklagten mit 304.672,00 unstreitig gestellt hätten, so dass weitere Verbindlichkeiten nicht zu berücksichtigen seien.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
14 
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
15 
Zur Klarstellung war der Urteilstenor des angefochtenen Urteils im Hinblick auf den versehentlich nicht aufgenommenen Zeitpunkt des Zinsbeginns - Zustellung der Stufenklage am 29.07.2005 - zu ergänzen.
16 
Dem Kläger steht gemäß § 1378 Abs. 1 BGB mindestens ein Anspruch in der vom Familiengericht ermittelten Höhe von 35.991,22 EUR zu.
1.
17 
Der Kläger hat keinen Zugewinn erzielt.
18 
Bei Eingehung der Ehe am 27.02.1998 war er Alleineigentümer des Wohn- und Geschäftshauses in X.. Nach den Feststellungen der Sachverständigen H. im Gutachten vom 20.10.2006 (Bl. 192/264) belief sich der Verkehrswert des Grundstücks zu diesem Stichtag auf 315.000,00 EUR.
19 
Sein Endvermögen bestand zum Stichtag 26.05.2004 unstreitig aus
20 
Aktiva (Bl. 21/23) von
 261,67 EUR
sowie Passiva von (Bl. 24/28) 
 22.253,88 EUR
2.
21 
Die Beklagte hat während der Ehe einen Zugewinn in Höhe von 89.024,61 EUR erzielt. Dieser errechnet sich wie folgt:
22 
Anfangsvermögen zum 27.02.1998 
 0,00 EUR.
23 
Zurechnungen zum Anfangsvermögen gemäß § 1374 Abs. 2 BGB auf Grund des notariellen Übertragungsvertrags vom 14.10.1998 sind, unabhängig davon, ob die Grundstücksübertragung rechtlich als Schenkung oder als vorweggenommene Erbfolge zu werten ist , nicht vorzunehmen.
24 
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Schenkungen unter Ehegatten nicht dem Anfangsvermögen des Beschenkten nach § 1374 Abs. 2 BGB zuzurechnen (vgl. BGH, FamRZ 1987, 791, 793; FamRZ 1988, 373, 375). Wesentlicher Grund für die von dem gesetzlichen Regelfall, wonach sämtliche Vermögensgegenstände in den Zugewinnausgleich fallen, unabhängig davon, ob der den Ausgleich fordernde Ehegatte zum Erwerb des Vermögensgegenstandes beigetragen hat, abweichende Regelung ist, dass die in § 1374 Abs. 2 BGB genannten Erwerbsvorgänge auf besonderen persönlichen Beziehungen des erwerbenden Ehegatten oder auf ähnlichen Umständen beruhen. Bei einer Schenkung unter Ehegatten sprächen jedoch diese Umstände für eine Einbeziehung in den Zugewinnausgleich, so dass nach § 1374 Abs. 2 ZPO nur Schenkungen von dritter Seite zu berücksichtigen seien.
25 
Zwar ist eine höchstrichterliche Entscheidung zur Behandlung einer unter Ehegatten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vorgenommenen Übertragung von Vermögensgegenständen noch nicht ergangen. Jedoch ist auch hier die Zurechnungsvorschrift des § 1374 Abs. 2 BGB im genannten Sinne einschränkend auszulegen, weil auch in diesem Fall nur eine Vermögensverschiebung unter den Ehegatten, nicht jedoch eine echte Vermögensmehrung stattfindet.
26 
Dabei ist unerheblich, dass nach Wegfall des gesetzlichen Ehegattenerbrechts (§§ 1931, 1933 BGB) auf Grund der zwischenzeitlichen Scheidung der Parteien die Grundlage für die Übertragung entfallen ist, nachdem bislang keine der Parteien eine Anpassung des Vertrags nach § 313 BGB verlangt hat. Auch ist dem Verzicht auf das Pflichtteilsrecht nach dessen Wegfall auf Grund der Scheidung kein Wert mehr beizumessen.
27 
Zum Stichtag 26.05.2004 ergibt sich auf Seiten der Beklagten folgendes Endvermögen:
28 
Aktiva:            
        
Pkw Mini Cooper (unstr., Bl. 289)
 23.690,00 EUR
Lebensversicherung (unstr.)
 11.583,16 EUR
Guthaben Kontokorrentkonto Voba (unstr.)  
 281,28 EUR
Grundstück (vgl. Gutachten Bl. 192/264 )
 395.000,00 EUR
abzügl. Belastung Nießbrauch und Pflege
 - 56.000,00 EUR
Anteil Flurstück 7456/1
  2.100,00 EUR
insgesamt:
 376.654,44 EUR
29 
Passiva:            
        
Ausgehend von der den Positionen nach unstreitigen Aufstellung vom 26.10.2005 (Bl. 16/17 i.V.m. Bl. 289) belaufen sich die Verbindlichkeiten
- ohne Berücksichtigung der Ausgleichszahlungen gemäß II. Nr. 3a des Übergabevertrags vom 14.10.1998 in Höhe von insgesamt 250.000 DM
- auf (304.672,00 EUR - 127.822,97 EUR)
 176.849,03 EUR.
30 
Hinzuzurechnen ist weiter das zum Erwerb des Mini Coopers bei der BMW Bank GmbH aufgenommene Darlehen mit 
 23.690,00 EUR.
31 
Die Erklärung der Parteien im Termin vom 26.03.2007, in dem diese das Endvermögen der Beklagten - ohne Berücksichtigung der Darlehensverbindlichkeit für den Mini Cooper - unstreitig gestellt haben, ist nicht dahingehend auszulegen, dass keine weiteren Verbindlichkeiten vorhanden sind. Denn ersichtlich sollten prozessuale Erklärungen nur zu den im Termin erörterten Positionen abgegeben und nicht weitergehend erklärt werden, dass weitere Positionen nicht bestehen.
32 
Weiter sind die von der Beklagten nach dem Übertragungsvertrag übernommenen Verpflichtungen im Endvermögen als Verbindlichkeiten zu berücksichtigen.
33 
Hierzu gehören neben der nach II. Nr. 2 übernommenen Pflegeverpflichtung, die im Sachverständigengutachten vom 20.10.2006 (Bl. 222) bereits berücksichtigt ist, die nach II. Nr. 3 übernommenen Ausgleichszahlungen sowie die Übernahme der Grabpflege- und Bestattungskosten gemäß II. Nr. 4 a) und b).
34 
Insoweit handelt es sich um betagte Forderungen, deren Wert nach § 1376 Abs. 2 und 3 BGB zu ermitteln ist und die auf den Stichtag der Vermögensübernahme am 14.10.1998 abzuzinsen sind (vgl. BGH, NJW 1990, 1217, 1219).
35 
Bei Zugrundelegung der vom statistischen Bundesamt veröffentlichten aktuellen Sterbetafeln (2005/2007) hat der am 13.11.1922 geborene Kläger bei vollendetem 86. Lebensjahr statistisch gesehen eine Lebenserwartung von 5,04 Jahren. Bezogen auf den Stichtag 14.10.1998 ist der Wert der übernommenen Ausgleichzahlungen von 250.000 DM (=127.822,97 EUR) auf insgesamt 15 Jahre abzuzinsen.
36 
Bei einem durchschnittlichen Zinssatz von 3,5 %, den auch die Sachverständige bei der Bewertung des Wohnungsrechts und der Pflegeleistungen
zu Grunde gelegt hat, ergibt sich ein Abzinsungswert von 0,5969 und damit ein Wert der Ausgleichszahlung von (127.822,97 EUR *0,5969)
 76.297,53 EUR.
37 
Die nach II Nr. 4 a von der Beklagten übernommenen Grabpflegekosten schätzt der Senat auf insgesamt  
 11.420,45 EUR.
38 
Sie setzen sich aus den von der Beklagten angesetzten Friedhofsgebühren von insgesamt
 2.386,00 EUR,
den Steinmetzarbeiten während der Liegezeit von
582,35 EUR,
den Kosten für das Abtragen und Entsorgen der Grabanlage mit
452,10 EUR
sowie den Kosten für die Bepflanzung einschließlich der Blumengebinde an Gedenktagen von insgesamt (400 EUR jährlich * 20 Jahre) 
 8.000,00 EUR
zusammen.
        
39 
Insoweit sind nur die reinen Materialkosten berücksichtigungsfähig, weil sich die Beklagte nach dem Vertrag „ohne weitere Entschädigung“ zur Grabpflege, verpflichtet hat. Der auf Seiten der Beklagten anfallende Zeitaufwand ist danach ebensowenig zu berücksichtigen wie die Kosten, die durch eine Dauergrabpflege durch einen Gärtner entstehen.
40 
Der Betrag von 11.420,45 EUR ist auf den Stichtag 14.10.1998 entsprechend den obigen Ausführungen abzuzinsen.
41 
Im Endvermögen ist danach eine Verbindlichkeit von
        
(11.420,45 EUR * 0,5969)
 6.816,87 EUR
zu berücksichtigen
        
Schließlich sind die Bestattungskosten, die die Beklagte mit insgesamt 6.661,75 EUR beziffert hat, abgezinst auf (6.661,75 EUR *0,5969) 
 3.976,40 EUR
zu berücksichtigen.
        
Die Verbindlichkeiten belaufen sich danach auf insgesamt:
 287.629,83 EUR.
42 
Das Endvermögen der Beklagten beträgt danach (376.654,44 EUR - 287.629,83 EUR) 89.024,61 EUR. Da auf Seiten der Beklagten kein Anfangsvermögen zu berücksichtigen ist, stellt dieser Betrag zugleich den Zugewinn dar. Zu Gunsten des Klägers ergibt sich danach rechnerisch ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 44.512,31 EUR, der nach wegen des im Berufungsverfahren geltenden Verschlechterungsverbots auf den ausgeurteilten Betrag von 35.991,22 EUR begrenzt ist.
3.
43 
Die Ausgleichsforderung ist gemäß §§ 291, 288 BGB ab Rechtshängigkeit mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.
III.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
45 
Die Zulassung der Revision erfolgt zur Klärung der Frage, ob Zuwendungen unter Ehegatten, die im Wege vorweggenommener Erbfolge erfolgt sind, dem Anfangsvermögen des Zuwendungsempfängers nach § 1374 Abs. 2 BGB zuzurechnen sind.

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