Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 HEs 16/10; 2 HEs 16/2010

Tenor

Die einstweilige Unterbringung hat

f o r t z u d a u e r n .

Die weitere Prüfung der einstweiligen Unterbringung des Angeschuldigten wird bis zum 21. Mai 2010 dem Landgericht Stuttgart übertragen.

Gründe

 
Die Angeschuldigte befand sich nach seiner vorläufigen Festnahme am 21. August 2009 seit 22. August 2009 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Waiblingen von diesem Tag - nach Verwerfung der hiergegen gerichteten Haftbeschwerde durch Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 9. November 2009 - bis zum 15. Februar 2010 in Untersuchungshaft in der JVA .... Seit dem 15. Februar 2010 ist er aufgrund des Unterbringungsbefehls des Landgerichts Stuttgart vom 10. Februar 2010 im Zentrum für Psychiatrie ... vorläufig untergebracht.
Die gemäß §§ 126 a Abs. 2 Satz 2, 121, 122 StPO vorzunehmende Überprüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.
Der Angeschuldigte ist der ihm im Unterbringungsbefehl des Landgerichts Stuttgart vom 10. Februar 2010 vorgeworfenen Taten, die auch Gegenstand der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 5. Februar 2010 sind, dringend verdächtig. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den im Unterbringungsbefehl aufgeführten Beweismitteln und den geständnisgleichen Einlassungen des Angeschuldigten vom 21. und 22. August 2009.
Im Hinblick auf die vorläufige Stellungnahme des Sachverständigen ... vom 26. Januar 2010 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass im weiteren Verfahren die Unterbringung des Angeschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet werden wird, da er die ihm angelasteten Taten infolge einer krankhaften seelischen Störung und einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB begangen hat. Nach der Diagnose des Sachverständigen leidet der Angeschuldigte sowohl an einem Korsakow- bzw. anamnestischen Syndrom als auch an Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen aufgrund langjähriger Alkoholabhängigkeit, wobei alkoholbedingte hirnorganische Ausfallerscheinungen zu verzeichnen sind.
Für das Tatgeschehen, bei dem beim Angeschuldigten kein akuter alkoholischer Rauschzustand vorgelegen habe, war nach Einschätzung des Sachverständigen weniger die Alkoholabhängigkeit selbst symptomatisch, sondern vielmehr die durch chronischen Alkoholismus bedingten kognitiven Defizite und Persönlichkeitsveränderungen.
Der Sachverständige kommt zum vorläufigen Ergebnis, dass beim Angeschuldigten zum Tatzeitpunkt die Voraussetzungen für die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB vorlagen. Von Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB geht der Sachverständige bislang nicht aus.
Die vorläufige Unterbringung des Angeschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) ist daher gegenwärtig für die öffentliche Sicherheit wegen der andauernden Gemeingefahr des Angeschuldigten aufgrund seiner behandlungsbedürftigen Erkrankung und der Erwartung der Begehung vergleichbarer Taten ohne eine Behandlung - auch unter Berücksichtigung seines Alters und fehlender Vorstrafen - weiterhin notwendig und unerlässlich.
Mildere Maßnahmen als die Fortdauer der Unterbringung reichen nicht aus, um deren Zweck zu erreichen. Eine gegenüber der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB vorrangige Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB scheidet nach Einschätzung des Sachverständigen trotz der Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB angesichts der langjährigen schweren Alkoholerkrankung momentan deshalb aus, weil der Aufenthalt in einer Entziehungsanstalt wegen der derzeitigen Uneinsichtigkeit des Angeschuldigten in die Dimension seiner Alkoholabhängigkeit nicht erfolgversprechend erscheint.
Die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung ist weiterhin noch verhältnismäßig. Ein deutliches Übergewicht der mit dem Freiheitsentzug verbundenen Nachteile des Angeschuldigten gegenüber dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit besteht angesichts der Schwere möglicher ähnlich gelagerter rechtwidriger Taten - insbesondere etwa Brandstiftungsdelikten - seitens des Angeschuldigten nicht.
10 
Der Umstand, dass das weitere Ermittlungsverfahren nach der Festnahme und Vernehmung des Angeschuldigten am 21. August 2009 nicht durchweg zügig betrieben wurde, steht dem nicht entgegen.
11 
Bei der Einholung eines Gutachtens ist es zur gebotenen Förderung des Verfahrens unerlässlich, auf eine zeitnahe Erstellung des Gutachtens hinzuwirken.
12 
Es sind deshalb mit dem Gutachter Absprachen darüber zu treffen, in welcher Frist ein Gutachten zu erstatten ist und gegebenenfalls zu prüfen, ob eine zeitnähere Gutachtenerstellung durch einen anderen Sachverständigen zu erreichen ist.
13 
Die Staatsanwaltschaft hat den Gutachter ständig auf die bestehende Haftsituation hinzuweisen, die zügige Gutachtenerstellung fortwährend zu kontrollieren und erforderlichenfalls gemäß § 77 Absatz 2 StPO Ordnungsmittel gegen den Sachverständigen anzudrohen und festzusetzen. Bloße mündliche Mahnungen, das Gutachten vorzulegen, genügen nicht (OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2010, 19 (LS) = juris, 1 Ws 337/09, Beschluss vom 1. Juli 2009, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
14 
Diese Maßstäbe wurden vorliegend nicht ausreichend beachtet.
15 
Am 6. Oktober 2009 - 6 Wochen nach dem Tatgeschehen - erteilte die Staatsanwaltschaft den Auftrag zur Erstattung eines psychiatrischen Gutachtens. Ohne nennenswerte aktenkundige Anmahnungen legte der Sachverständige erst am 28. Januar 2010 - 5 Monate 1 Woche nach Tatbegehung und 3 Monate 3 Wochen nach Auftragserteilung - seine vorläufige schriftliche Stellungnahme vor.
16 
Der übrige Verfahrensablauf entspricht den Anforderungen an eine zügige Verfahrensweise in Haftsachen. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 5. Februar 2010 ging am 8. Februar 2010 beim Landgericht Stuttgart ein. Nachdem der Vorsitzende bereits am 9. Februar 2010 die Zustellung der Anklage mit einwöchiger Erklärungsfrist verfügt hatte, erließ die Strafkammer am 10. Februar 2010 einen Unterbringungsbefehl, der am 15. Februar 2010 eröffnet und in Vollzug gesetzt wurde. Am 11. Februar 2010 erfolgte für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens eine vorsorgliche Terminsabsprache für die Hauptverhandlung auf den 25. März 2010 mit Fortsetzungsterminen bis zum 15. April 2010, an dem sowohl der Verteidiger als auch der Sachverständige nicht bereits anderweitig verhindert sind.
17 
In einer Gesamtschau ist die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung trotz der genannten Verzögerungen im Ermittlungsverfahren noch verhältnismäßig und die Fortdauer der Unterbringung gerechtfertigt.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen