Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 8 W 112/10

Tenor

1. Auf die befristete Beschwerde des Antragstellers wird die Zwischenverfügung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Stuttgart - Registergericht - vom 27. Januar 2010, Az. VR 720479,

aufgehoben.

2. Die Registersache wird zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit über die Anmeldung zur Eintragung in das Vereinsregister vom 17. Dezember 2009 betreffend Satzungsänderung/-neufassung und Vorstandsänderung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das

Amtsgericht Stuttgart - Registergericht - (VR 720479) zurückgegeben.

Gründe

 
1.
Auf die Anmeldung zur Eintragung der Neufassung der Vereinssatzung des Antragstellers in das Vereinsregister hat das Amtsgericht Stuttgart - Registergericht - mit der Zwischenverfügung vom 27. Januar 2010 unter Ziffer 1.) beanstandet:
"In § 3 Ziffer 2 der eingetragenen ("alten") Satzung wird Mitgliedern einer juristischen Person (Fachmitglied), welche als solche Mitglied des ... Taxiverbands e.V. ist (hier also die TAZ), das Stimm- und Wahlrecht eines ordentlichen Mitglieds eingeräumt. Dieser Teil des § 3 ist in der eingereichten Neufassung der Satzung nicht mehr vorhanden. Somit sind die Mitglieder der TAZ nach der Neufassung der Satzung in ihrem Stimm- und Wahlrecht gänzlich beschnitten. Es ist erforderlich, dass die Mitglieder der TAZ dem Wegfall des § 3 Ziffer 2 der eingetragenen Satzung zustimmen. Die Zustimmungserklärungen sind dem Registergericht vorzulegen."
In § 3 Ziffer 2 der eingetragenen Satzung heißt es:
"Fachmitglieder des Verbandes können werden: Taxi-/Mietwagen-Fachverbände, die ihren Sitz und ihren Wirkungsbereich innerhalb des unter § 1 genannten Tätigkeitsbereiches haben. Fachmitglieder als juristische Personen haben selbst keine Stimmrechte und keine aktiven und passiven Wahlrechte. Diese gehen bei Fachmitgliedern auf die dem Fachmitglied angeschlossenen Taxi-/Mietwagenunternehmer über und erzeugen bei diesen für das Stimm- und Wahlrecht den Status eines ordentlichen Mitglieds, wobei keine Doppelmitgliedschaft eintritt (z. B. als eingetragenes ordentliches Mitglied des Verbandes daselbst und gleichzeitiger Zugehörigkeit eines Fachmitglieds). Fachmitglieder sind beitragspflichtig."
In § 10 Ziffer 7 und 8 ist geregelt:
"Stimmrechtsübertragung ist ausgeschlossen."
"... Abstimmungsberechtigt sind alle anwesenden ordentlichen Mitglieder. Jedes Mitglied hat eine Stimme."
Zur Erledigung dieser und noch weiterer Beanstandungen wurde eine Frist von sechs Wochen gesetzt, eine Rechtsmittelbelehrung erteilt und die Zustellung an den Antragsteller am 30. Januar 2010 bewirkt.
Dieser hat durch seinen Verfahrensbevollmächtigten am 26. Februar 2010 gegen die Zwischenverfügung vom 27. Januar 2010 vorsorglich Beschwerde eingelegt, die mit Schriftsatz vom 15. März 2010 aufrechterhalten und begründet wurde - jedoch beschränkt auf die Beanstandungen unter Ziffer 1. der Verfügung.
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Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 1. März 2010 nicht abgeholfen und die Akte dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2.
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a) Die befristete Beschwerde des Antragstellers ist gem. §§ 374 Nr. 4, 382 Abs. 4 Satz 2, 58 ff Fam FG i. V. m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1, 112 Abs. 1 FGG RG zulässig.
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Grundsätzlich findet die Beschwerde nicht gegen verfahrensleitende Anordnungen bzw. Zwischenentscheidungen statt, sondern nur gegen Endentscheidungen (§ 58 Abs. 1 Fam FG i. V. m. § 38 Abs. 1 Satz 1 Fam FG).
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§ 38 Abs. 1 Satz 2 Fam FG hält jedoch für Registersachen (§ 374 Fam FG) als Ausnahme von diesem Grundsatz im Hinblick auf die Besonderheiten des Verfahrensgegenstandes an der anfechtbaren Zwischenverfügung fest (§§ 58 Abs. 1 Halbs. 2, 382 Abs. 4 Satz 2 Fam FG; Meyer-Holz in Keidel, Fam FG, 16. Aufl. 2009, § 38 Rdnr. 6 und 8, § 58 Rdnr. 68).
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Ob die Zwischenverfügung in Form eines Beschlusses gem. § 38 Fam FG (Heinemann in Keidel, a. a. O., § 382 Rdnr. 25; a. A.: Meyer-Holz in Keidel, a. a. O., § 38 Rdnr. 8; Krafka in Münchener Kommentar, ZPO, Bd. 4, Fam FG, 3. Aufl. 2010, § 382 Rdnr. 18; Ulrici in Münchener Kommentar, a. a. O., § 38 Rdnr. 3; Gottwald in Bassenge/Roth, Fam FG/RpflG, 12. Aufl. 2009, § 38 Fam FG Rdnr. 3 und 4; je m. w. N.) ergehen muss, ist streitig.
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Einigkeit besteht darüber, dass sie gem. § 39 Fam FG mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 Fam FG förmlich zuzustellen ist (Heinemann, a. a. O., § 382 Rdnr. 27 und 28; K. Walter in Bassenge/Roth, a. a. O., § 382 Rdnr. 38; Krafka, a. a. O., § 382 Rdnr. 23; je m. w. N.).
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Diesen Anforderungen genügt das Schreiben der Rechtspflegerin vom 27. Januar 2010, sodass die hiergegen gerichtete Beschwerde gem. §§ 382 Abs. 4 Satz 2, 58 Abs. 1 Fam FG statthaft ist.
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Das Rechtsmittel ist auch im übrigen zulässig. Die Beschwerdeberechtigung des Antragstellers ist gem. §§ 59 Abs. 1, 7 Abs. 2 Nr. 1 Fam FG gegeben. Die gesetzliche Frist des § 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Fam FG und die vorgeschriebene Form nach § 64 Abs. 1, Abs. 2 Fam FG sind gewahrt.
18 
Nach neuem Recht ergibt sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht aus § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG n. F. i. V. m. § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 GVG n. F..
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Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 Fam FG) bedarf es nicht, da ausschließlich Rechtsfragen entscheidungserheblich sind.
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b) Entgegen der Annahme der Rechtspflegerin und der in der Verfügung vom 5. März 2010 mitgeteilten vorläufigen Rechtsauffassung des Senats ist die Beschwerde begründet.
21 
Zunächst wird vollinhaltlich Bezug genommen auf die überzeugenden Darlegungen in der Beschwerdebegründung des Antragstellers vom 15. März 2010 und ergänzend ausgeführt:
22 
§ 3 Ziffer 2 der eingetragenen Satzung ist nichtig, sodass die hierauf gestützten Beanstandungen unter Ziffer 1.) der Zwischenverfügung vom 27. Januar 2010 zu Unrecht erfolgt sind.
23 
Zwar betrifft die Unübertragbarkeit nach § 38 Satz 1 BGB nur das Mitgliedschaftsrecht als solches, nicht die sich daraus ergebenden einzelnen Rechte und Pflichten. Allerdings greift für die Organschafts- und Schutzrechte - zu den Organschaftsrechten gehören Stimm- und Wahlrechte - das sog. Abspaltungsverbot ein, das als in § 717 Satz 1 BGB positivierter allgemeiner Rechtsgrundsatz betrachtet wird. Die Mitgliedschaft als Einheit gibt den Organschafts- und Schutzrechten Sinn und Grenze. Ohne die Verbindung zur Mitgliedschaft verlieren sie ihre Identität (Reuter in MünchKomm zum BGB, 5. Aufl. 2006, § 38 BGB Rdnr. 26 und 66 m. w. N.).
24 
Die Satzungsregelung enthält nicht nur die Überlassung der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte durch einen anderen (§ 38 Satz 2 BGB i. V. m. § 40 BGB), sondern unzweifelhaft deren Übertragung vom Fachmitglied als juristischer Person auf die ihm angeschlossenen Taxi-/Mietwagenunternehmer, die insoweit den Status eines ordentlichen Mitglieds erhalten. Diese Übertragung scheidet aber für Organschafts- und Schutzrechte schlechthin aus (Reuter, a. a. O., § 38 BGB Rdnr. 69). Das Fachmitglied als juristische Person kann diese Rechte ohne weiteres - mit einer Stimme - durch den gesetzlichen Vertreter wahrnehmen (Reuter, a. a. O., § 38 Rdnr. 70 m. w. N.).
25 
Dem steht § 40 BGB nicht entgegen. Denn bei den dort aufgeführten Paragrafen bestehen für die Satzungsautonomie Grenzen (Ellenberger in Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 40 Rdnr. 1). Diese sind überschritten, wenn Organschaftsrechte abgespalten werden, weil diese nur aus der Verbindung mit der Mitgliedschaft Sinn und Grenze empfangen (Reuter, a. a. O., § 38 BGB Rdnr. 66 m. w. N.).
26 
Im übrigen steht § 3 Ziffer 2 der Satzung im Widerspruch zu § 10 Ziffer 7, nachdem dort eine Stimmrechtsübertragung ausdrücklich ausgeschlossen wird.
27 
Entgegen der Auffassung des Registergerichts beinhaltet § 3 Ziffer 2 der Satzung nicht die Einräumung eines Sonderrechts i. S. des § 35 BGB. Hierzu könnte allenfalls die Zuerkennung eines erhöhten Stimmrechts zählen (Reuter, a. a. O., § 35 BGB Rdnr. 5 m. w. N.). Dem Fachmitglied wird aber durch die Satzungsregelung kein erhöhtes Stimmrecht zugebilligt. Dieses wird ihm vielmehr aberkannt und auf die ihm angeschlossenen Taxi-/Mietwagenunternehmer übertragen.
28 
Im Hinblick auf die klare und unmissverständliche Regelung kommt eine Auslegung der Satzung nicht in Betracht.
29 
Vielmehr bewirkt der Verstoß gegen das Abspaltungsverbot die Nichtigkeit von § 3 Ziffer 2 der Satzung gem. §§ 717 Satz 1, 134 BGB (Reuter, a. a. O., § 25 BGB Rdnr. 24 ff, m. w. N.), die trotz der Vereinsautonomie (Art. 9 Abs. 1 GG) der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegen kann (BGH NJW 1989, 1724 m. w. N.). Dabei ist § 139 BGB für vereinsrechtliche Normen nicht anwendbar, sofern der verbleibende Teil nach dem Vereinszweck und den satzungsmäßigen Mitgliederbelangen eine in sich sinnvolle Regelung des Vereinslebens darstellt (BGHZ 47, 172 m. w. N.), wie vorliegend.
30 
Entgegen OLG Celle (NJW-RR 1995, 1273) kann nicht von einer Gesamtnichtigkeit der Satzung ausgegangen werden, auch wenn die Regelung in § 3 Ziffer 2 letztlich zu einer willkürlichen Entrechtung der übrigen Mitglieder zu Gunsten einer bestimmten Mitgliedergruppe führt.
31 
Sind dem Fachmitglied beispielsweise mehrere hundert Taxi-/Mietwagenunternehmer angeschlossen, so vervielfacht sich das eine vom Fachmitglied abgespaltene Stimmrecht entsprechend. Denn die Taxi-/Mietwagenunternehmer erhalten den Status eines ordentlichen Mitglieds - ohne jemals die Aufnahme in den Verein beantragt zu haben und aufgenommen worden zu sein - und jedes bei der Mitgliederversammlung anwesende ordentliche Mitglied ist abstimmungsberechtigt und hat eine Stimme (§ 10 Ziffer 8 der Satzung), deren Ausübung nicht eingeschränkt ist. Damit gibt die Satzung einem Fachmitglied möglicherweise Hunderte von Stimmen, wodurch die übrigen ordentlichen Mitglieder entrechtet werden.
32 
Diese Ungleichbehandlung (§§ 242, 138 BGB) kann aber beseitigt werden durch die Feststellung der Teilnichtigkeit von § 3 Ziffer 2 der Satzung.
33 
Demgemäß war die Zwischenverfügung des Registergerichts Stuttgart bezüglich Ziffer 1.) aufzuheben, weil die dortigen Beanstandungen auf der Gültigkeit von § 3 Ziffer 2 der eingetragenen Satzung basieren.
34 
Die Sache war im übrigen an das Amtsgericht zurückzugeben zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit über die Vereinsregisteranmeldung vom 17. Dezember 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats.
35 
c) Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 3 KostO n. F.). Anlass für die Anordnung einer Kostenerstattung (§ 81 Fam FG) besteht nicht.
36 
Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 Abs. 1 und 2 Fam FG nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

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