Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 7 U 197/11

Tenor

Der Antrag des Streithelfers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug wird zurückgewiesen.

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit dem Abschluss eines fremdfinanzierten Rentenmodells im Jahr 2002.
Der Kläger begehrt von der Beklagten in erster Linie Schadensersatz aufgrund behaupteter Verletzungen der Aufklärungspflicht im Hinblick auf einen zwischen den Parteien abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag, hilfsweise die Erfüllung des Vertrages. Die zwischenzeitlich insolvente R. & P. F. GmbH initiierte und entwickelte das Anlagemodell „Europlan“, das ein Versicherungsprodukt der Beklagten enthielt. Der Streithelfer, Insolvenzverwalter der R. & P. F. GmbH, ist bereits in der ersten Instanz anlässlich der Streitverkündung der Beklagten, vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 31.03.2011 (Bl. 67 ff d. A.), mit Schriftsatz vom 20.04.2011 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten (Bl. 142 f d. A.). Hintergrund der Streitverkündung sind eventuelle Regressansprüche der Beklagten, die gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden wären.
Mit Urteil vom 27.09.2011 stellte das Landgericht Ravensburg, Aktenzeichen 1 O 45/11, unter Abweisung der Klage im Übrigen fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, aus dem Lebensversicherungsvertrag zwischen den Parteien mit der Nummer 5073094W vierteljährliche Auszahlungen jeweils zum 20.03., 20.06., 20.09. und 20.12. wie folgt zu leisten:
Vom 20.12.2011 bis einschließlich 20.06.2012 jeweils 1240,00 EUR,
vom 20.09.2012 bis 20.03.2017 jeweils 1210,00 EUR,
vom 20.06.2017 bis 20.03.2042 jeweils 2315,00 EUR.
Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte Berufung eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 17.01.2012 beantragt der Streithelfer, Dr. T. K., Insolvenzverwalter über das Vermögen der R. & P. F.GmbH, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. B. als Rechtsanwalt und Verfahrensbevollmächtigten (Bl. 476 f d. A.).
In der Antragschrift wird zur Begründung dargelegt, dass das vorhandene Vermögen zum Teil Sondervermögen für die Einlagerung der Insolvenzakten sei. Als Massekosten bestünden daneben noch erhebliche Forderungen eines Kreditinstituts aus einer Zession. Der Antragsteller hat deshalb die Unzulänglichkeit der Masse gegenüber dem Insolvenzgericht angezeigt und die Bekanntmachung des Insolvenzgerichts vorgelegt (Bl. 478 d. A.). Nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Kosten des Rechtstreits im Sinne des § 116 ZPO nicht aufgebracht werden könnten. Da es vorliegend nicht um die Beiziehung von Ansprüchen zur Masse gehe, sei es auch den Gläubigern nicht zuzumuten, sich an den Kosten des Beitritts, insbesondere durch einen Kostenvorschuss, zu beteiligen. Nachdem desweiteren keine Einstandspflicht einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung der Insolvenzschuldnerin bestehe, seien die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegeben. In der Sache sei die Rechtsverfolgung, nämlich zumindest die Abwehr des Hauptantrages des Klägers zu erreichen, erfolgversprechend.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Die vom Streithelfer beabsichtigte Rechtswahrnehmung im zweiten Rechtszug erscheint mutwillig, §§ 116 S. 2, 114 Satz 1 letzter Halbsatz ZPO. In der vorliegenden Prozesssituation ist es nicht geboten, dass der Insolvenzverwalter möglichen Ansprüchen, die zur Tabelle angemeldet werden könnten, durch Abwehr einer Interventionswirkung entgegen tritt.
Grundsätzlich darf ein Insolvenzverwalter zwar unberechtigt zur Tabelle angemeldete Forderungen abwehren. Dem Begehren des Insolvenzverwalters, die Feststellung einer für unberechtigt gehaltenen Forderung zur Tabelle abzuwehren, darf das Rechtsschutzbedürfnis im Regelfall nicht abgesprochen werden, auch wenn die voraussichtliche Quote bei Null liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 17.07.2008, IX ZR 126/07, NJW-RR 2009, 126).
10 
Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit beeinflusst aber die Aufgabenstellung sowie die Pflichten des Insolvenzverwalters in gewissen Bereichen. Zwar bleibt der Insolvenzverwalter entsprechend § 208 Abs. 3 InsO verpflichtet, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten. Dazu gehört es, gegebenenfalls Anfechtungsansprüche durchzusetzen (BGH Beschluss vom 16.07.2009, IX ZB 221/08, NJW-RR 2009,1346). In einem solchen Fall wäre die Prozessführung nicht als mutwillig im Sinne von § 114 ZPO anzusehen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 28.02.2008, IX ZB 147/07, NZI 2008, 431).
11 
Wenn die Insolvenzmasse aber nicht mehr ausreicht, um auch nur die Kosten des Verfahrens zu decken (Massekostenarmut), ist das Insolvenzverfahren unverzüglich zu beenden. In diesen Fällen ist das Insolvenzverfahren einzustellen, § 207 Abs. 1 InsO, ohne dass der Verwalter noch zur Verwertung von Massegegenständen verpflichtet ist, § 207 Abs. 3 S. 2 InsO. In diesem Fall ist der Insolvenzverwalter auch nicht mehr verpflichtet, noch (Anfechtungs-)Ansprüche durchzusetzen, weshalb auch keine Prozesskostenhilfe für einen derartigen Prozess zu bewilligen ist (BGH, Beschluss vom 16.07.2009, IX ZB 221/08, NJW-RR 2009,1346).
12 
Zwar hat der Antragsteller hier keine Massekostenarmut geltend gemacht, sondern nur Masseunzulänglichkeit angezeigt. Nachdem somit nach eigener Einschätzung des Insolvenzverwalters keine freie Masse zur Befriedigung der einfachen Insolvenzgläubiger erwartet werden kann, ist es nicht mehr geboten, sich als Streithelfer an der Abwehr eines Anspruchs zu beteiligen, der keine Massekosten betrifft. Denn - wie die oben dargestellte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt - ist für die Frage, ob die Prozessführung des Insolvenzverwalters mutwillig im Sinne von § 114 ZPO ist, entscheidend, ob sich der Insolvenzverwalter noch im Rahmen seines Aufgabenkreises bewegt. Der Streithelfer macht zwar geltend, es sei seine Aufgabe, die geordnete und rechtlich gesicherte Abwicklung eines auch massearmen Verfahrens herbei zu führen. Jedoch werden die Aufgaben des Insolvenzverwalters nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch die Vorschriften der §§ 208 ff InsO bestimmt. Danach hat er die vorhandene Masse nach Maßgabe des § 209 InsO zu verteilen. Hiernach ist das Insolvenzverfahren einzustellen, § 211 InsO. Durch diese Normen wird der Pflichtenkreis des Insolvenzverwalters nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit festgelegt.
13 
Nach § 208 Abs. 3 InsO hat der Insolvenzverwalter die Masse zu verwalten und zu verwerten. Ein Fall der Verwertung liegt hier nicht vor, weil der Masse kein Vermögen zugeführt werden kann. Die Verwaltung der Masse gemäß § 208 Abs. 3 Alt. 1 InsO wird dadurch geprägt, dass der Insolvenzverwalter die Masse nach § 209 InsO verteilt und das Verfahren der Einstellung zuführt, § 211 InsO. Demnach ist es nicht mehr Aufgabe des Insolvenzverwalters, sich am vorliegenden Rechtsstreit zu beteiligen, weil die nach § 209 InsO zu verteilende Masse hiervon nicht betroffen wäre.
14 
Im vorliegenden Fall erfordert die konkrete Situation auch keine Ausweitung der im Gesetz so beschriebenen Aufgaben des Insolvenzverwalters. Die Eröffnung der Insolvenz hat die Auflösung der GmbH zur Folge (§ 60 Abs.1 Nr.4 GmbHG). Nach der Liquidation, die hier nach den zuvor angesprochenen Vorschriften der Insolvenzordnung zu erfolgen hat, ist die GmbH zu löschen (§ 74 GmbHG). Eine Fortsetzung ist nicht mehr möglich. Die Möglichkeit einer Inanspruchnahme aufgrund zur Tabelle angemeldeter Forderungen ist nicht möglich.
15 
In der vorliegenden Situation ist das von § 116 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Insolvenzverwalter in Verfahren der Insolvenz einer juristischen Person grundsätzlich angestrebte Ziel einer Verteilung der freien Masse auf geordneter, rechtlich gesicherter Grundlage, also ggf. gerichtlich geprüfter Ansprüche der Gläubiger, nicht mehr zu erreichen. Es gibt nichts mehr, was an diese verteilt werden könnte. Eine ggf. erfolgreiche Abwehr - weiterer - Insolvenzforderungen bliebe ohne jede wirtschaftliche Auswirkung. Ein Prozesserfolg insoweit käme niemand mehr zu gute. Für eine Klärung von Rechtsfragen, die vorhersehbar ohne Auswirkung auf die Verteilung der Masse und nach der bevorstehenden Löschung der GmbH auch für die Haftung des Schuldners bleibt, kann Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden.
16 
Etwas anderes wäre erst dann in Betracht zu ziehen, wenn - wider Erwarten - die Prognose des Insolvenzverwalters sich als falsch erwiesen hätte und ins reguläre Insolvenzverfahren zurückgekehrt würde. Hierfür bestehen jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
17 
Die Voraussetzungen der Zulassung einer Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die Entscheidung weicht von keiner anderen obergerichtlichen Entscheidung ab. Da es sich um eine Entscheidung eines Einzelfalles handelt, der in vergleichbarer Konstellation im Rahmen anderer Insolvenzverfahren sich kaum wiederholen dürfte, ist eine höchstrichterliche Entscheidung nicht geboten.

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