Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 16 UF 31/21

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Tettnang vom 05.03.2021 in Ziffer 2 - Absatz 2 - der Entscheidungsformel wie folgt

abgeändert:

Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der MTU Friedrichshafen GmbH (Vers. Nr. ...) zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 17.256,00 EUR auf dem vorhandenen Konto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (Vers. Nr. ...), bezogen auf den 31.05.2020, begründet. Die MTU Friedrichshafen GmbH wird verpflichtet, diesen Betrag nebst 1,84 % Zinsen seit dem 01.06.2020 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung über den Versorgungsausgleich an die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg zu bezahlen.

Im Übrigen berührt das Rechtsmittel die angefochtene Entscheidung nicht.

2.

Bei der Kostenentscheidung der ersten Instanz verbleibt es.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

3.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 1.000,00 EUR

Gründe

 
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin hatten am 16.08.2002 die Ehe geschlossen. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 22.06.2020 zugestellt. Während der Ehezeit (01.08.2002 bis 31.05.2020) haben beide Ehegatten Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Daneben besitzt der Antragsteller Anrechte aus einer betrieblichen Altersversorgung bei der MTU Friedrichshafen GmbH. Diese hatte mit Auskunftsschreiben vom 07.09.2020 mitgeteilt, dass der Ehezeitanteil 34.512,00 EUR betrage und als Ausgleichswert 17.256,00 EUR vorgeschlagen.
Außerdem wurde die Durchführung der externen Teilung gewünscht.
Der Ehefrau wurde zur Benennung eines Zielversorgungsträgers ihrer Wahl eine Frist bis zum 06.01.2021 gesetzt. Die Antragsgegnerin wählte als Zielversorgungsträger die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, bei der sie ein Rentenkonto unterhält.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2021 die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei wurden die jeweiligen Anwartschaften der Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung hälftig wechselseitig übertragen. Im Wege der externen Teilung ist das betriebliche Anrecht des Antragstellers in Höhe von 17.256,00 EUR zu Gunsten der Antragsgegnerin in der Versorgungsausgleichskasse begründet worden, da keine Zustimmungserklärung der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vorgelegen hatte.
Gegen die ihr am 15.03.2021 zugestellte Entscheidung legte die Antragsgegnerin am 12.04.2021 Beschwerde ein und beantragt im Hinblick auf die durchzuführende externe Teilung des Anrechts des Antragstellers bei der MTU Friedrichshafen GmbH, als Zielversorgungsträger die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg aufzunehmen. Zeitgleich ist das entsprechende Einverständnis der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 31.03.2021 zur Akte gereicht worden.
Die übrigen Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
Einwände wurden nicht erhoben.
II.
Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, 15 Abs. 1 VersAusglG, 222 Abs. 1 und 2 FamFG ist das vom Ausgleichsberechtigten im Falle der externen Teilung auszuübende Wahlrecht innerhalb einer vom Gericht zu setzenden Frist unter Vorlage eines Nachweises des Einverständnisses des gewählten Zielversorgungsträgers mit der vorgesehenen Teilung auszuüben.
10 
Vorliegend hat die MTU Friedrichshafen GmbH als Versorgungsträger des betrieblichen Anrechts des Antragstellers die externe Teilung nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, 17 VersAusglG verlangt.
11 
Die Antragsgegnerin übte zwar ihr Wahlrecht innerhalb der ihr vom Amtsgericht gesetzten Frist bis zum 06.01.2021 gemäß § 15 VersAusglG dahingehend aus, dass Zielversorgung die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg sein sollte.
12 
Bis zur mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz brachte die Antragsgegnerin jedoch nicht das nach § 222 Abs. 2 FamFG erforderliche Einverständnis der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg bei. Somit fehlte es an einer wirksamen Ausübung der Wahl des Zielversorgungsträgers.
13 
Ob die wirksame Wahl eines Zielversorgungsträgers trotz versäumter Fristsetzung in der ersten Instanz auch noch im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden kann, ist streitig und höchstrichterlich noch nicht entschieden. Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 06.02.2013 (NJW 2013, 1240) die Frist gemäß § 222 Abs. 1 FamFG als „Ausschlussfrist“ bezeichnet; indes kam es auf im dort entschiedenen Fall nicht auf die Rechtsfolgen der Versäumung derselben an.
14 
Nach einer Auffassung hat die nach § 222 Abs. 1 FamFG zu setzende Frist eine Ausschlusswirkung dergestalt, dass bei Versäumung der Frist das Wahlrecht erlischt (Hahne in: BeckOK FamFG, Stand: 01.04.2021, § 222 FamFG, Rz 9; Lorenz in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 222 FamFG, Rz 6; Götsche in: Götsche / Rehbein / Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl., § 222 FamFG, Rz 14). Dies wird insbesondere mit dem Wortlaut der Vorschrift, der Begründung des Gesetzesentwurfs, wonach die Wahrnehmung der Rechte nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VersAusglG zu einem späteren Zeitpunkt ausgeschlossen ist (BT-Drs. 16/10144, S. 95) und nicht zuletzt mit der Effizienz der Verfahrensführung begründet.
15 
Nach anderer Meinung, der sich der Senat anschließt, ist auch ein nach Fristablauf - gegebenenfalls erst im Beschwerdeverfahren ausgeübtes - (wirksames) Wahlrecht zu berücksichtigen (OLG Frankfurt FamRZ 2020, 680; OLG Brandenburg FamRZ 2020, 681; OLG Dresden Beschluss vom 23.12.2020 - 21 UF 665/20 - veröffentlicht in ; OLG Nürnberg FamRZ 2017, 873; OLG Karlsruhe FamRZ 2016, 1167; KG Berlin FamRZ 2014, 1114; Weber in: Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 222 FamFG, Rz 5a; Siede in: Johannsen / Henrich, Familienrecht, 7. Aufl., § 222 FamFG, Rz 5f.; Stein in: MüKo-FamFG, 3. Aufl., § 222 FamFG, Rz 23).
16 
Ein ausdrücklicher Ausschluss des durch § 15 Abs. 1 VersAusglG eingeräumten Wahlrechts als Folge der Fristversäumung lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Ein solcher materiell-rechtlicher Ausschluss bedarf einer klaren gesetzlichen Regelung, die sich aus dem Wortlaut des § 222 FamFG nicht eindeutig entnehmen lässt. Ebenso wenig kann der Ausschluss aus der Gesetzesbegründung hergeleitet werden, die den § 15 Abs. 1 VersAusglG nicht erwähnt, sondern lediglich die Voraussetzungen des Verlangens einer externen Teilung gemäß § 14 VersAusglG.
17 
Zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen genügt es, wenn das Familiengericht mit Ablauf der Frist eine externe Teilung zu Gunsten der in § 15 Abs. 5 VersAusglG genannten Zielversorgungsträger anordnet. Übt der Ausgleichsberechtigte sein Wahlrecht noch rechtzeitig vor Erlass der Entscheidung über den Versorgungsausgleich wirksam - also unter Nachweis des Einverständnisses des gewählten Zielversorgungsträgers - aus, ist eine damit verbundene Verzögerung der Entscheidung in der Regel nicht zu befürchten.
18 
Sie tritt erst dann ein, wenn - wie hier - die erstinstanzliche Entscheidung zum Zwecke der Nachholung der Ausübung eines wirksamen Wahlrechts angefochten wird. Dem ist dann im Rahmen der Entscheidung über die Kosten des zweiten Rechtszugs Rechnung zu tragen (OLG Frankfurt a.a.O.).
19 
Folglich ist die externe Teilung des betrieblichen Anrechts des Antragstellers zu Gunsten der Antragsgegnerin dergestalt durchzuführen, dass diese Anwartschaft bei der jetzt von der Beschwerdeführerin gemäß §§ 15 Abs. 1 VersAusglG, 222 Abs. 1 FamFG wirksam gewählten Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg als Zielversorgung begründet wird, wobei es sich hierbei stets um einen geeigneten Zielversorgungsträger im Sinne des § 15 Abs. 4 VersAusglG handelt.
20 
Der Ausgleichswert ist ab dem Ende der Ehezeit bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich mit dem bei der Ermittlung des Ausgleichswerts berücksichtigten Rechnungszins zu verzinsen (BGH FamRZ 2016, 1144).
21 
Die Kostenentscheidung ergeht aufgrund § 150 Abs. 4 Satz 1 FamFG und bezieht mit ein, dass bei rechtzeitiger wirksamer Ausübung des Wahlrechts durch die Antragsgegnerin im amtsgerichtlichen Verfahren eine zweite Instanz vermieden worden wäre.
22 
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zuzulassen, ob das Wahlrecht nach § 15 Abs. 1 VersAusglG auch nach Ablauf der Frist des § 222 Abs. 1 FamFG noch ausgeübt werden kann.
23 
Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 40 Abs. 1, 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen