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| Das Ministerium der Justiz und für Migration legt als Aufsichtsbehörde über die Justizvollzugsanstalt Rottenburg Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen vom 23. November 2021 ein, in dem die Kammer festgestellt hat, dass der Antragsteller durch die JVA Rottenburg rechtswidrig in seinem Wahlrecht bei der Landtagswahl am 14. März 2021 beschränkt wurde. |
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| 1. Der Antragsteller verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe, und zwar nach Erledigung eines Maßregelvollzugs vom 18. Juni 2018 bis 28. März 2022 in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg, und seit 29. März 2022 in der Justizvollzugsanstalt Freiburg. Das Strafende ist für den 9. November 2023 vorgemerkt. |
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| 2. Mit Schreiben vom 2. Mai 2021, bei der Strafvollstreckungskammer eingegangen am 3. Mai 2021, beantragte der Antragsteller eine gerichtliche Entscheidung mit dem Antrag festzustellen, dass es ihm in rechtswidriger Weise nicht ermöglicht worden sei, an den Landtagswahlen am 14. März 2021 teilzunehmen. Er habe keinerlei Wahlunterlagen erhalten, obwohl ihm von der Anstaltsleitung zugesichert worden war, dass er solche unabhängig von einer „Anmeldung“ erhalten würde. Auf einen Antrag seinerseits sei nicht rechtzeitig reagiert worden. Im Hinblick auf die nächsten Wahlen beantrage er die Rechtswidrigkeit festzustellen. Später ergänzte der Antragsteller sein Vorbringen dahingehend, dass er rechtzeitig einen Antrag gestellt hätte und seine Grundrechte schwerwiegend verletzt worden seien. |
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| 3. Der angefochtenen Entscheidung liegt folgender festgestellter Sachverhalt zugrunde: |
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| Die Anstaltsleitung der JVA Rottenburg war ursprünglich davon ausgegangen, dass der Antragsteller bei seiner (Wieder-)Aufnahme in die JVA Rottenburg am 18. Juni 2018 bei der Stadt Rottenburg angemeldet worden war und dieser deshalb automatisch postalisch seine Unterlagen zur Landtagswahl am 14. März 2021 erhalten würde. Nachdem der Antragsteller selbst bis kurz vor der Wahl noch keine Wahlunterlagen erhalten hatte, hatte er sich am 9. März 2021 beim diensthabenden Beamten gemeldet und diesen gebeten, ein Schreiben an die Stadt weiterzuleiten, um dort um die Übersendung der Wahlunterlagen zu bitten. Das Schreiben wurde von diesem Mitarbeiter der JVA, der die Dringlichkeit der Angelegenheit erkannte, nach Rücksprache mit der Anstaltsleitung am Abend des 9. März 2021 direkt beim Rathaus der Stadt eingeworfen. Am 10. März 2021 bat die Stadt Rottenburg die JVA, nachdem sie feststellte, dass der Antragsteller in Rottenburg tatsächlich nicht gemeldet war, dass diese den Antragsteller bei der Stadt anmelden solle, und zwar rückwirkend auf den Tag des Zugangs in der JVA am 18. Juni 2018, was die JVA sofort veranlasste. Dem Antragsteller wurden daraufhin die Wahlunterlagen am 13. März 2021 von einem Mitarbeiter der JVA übergeben. Bei dieser Übergabe erklärte der Antragsteller dem Mitarbeiter der JVA, dass es nun sowieso zu spät wäre. Einen Wahlbrief hat der Antragsteller in der Folge nicht mehr abgegeben. Die Antragsgegnerin trägt vor, dass sie – wie schon zuvor in dieser Angelegenheit – eine Lösung für eine schnelle Beförderung des Wahlbriefes gefunden hätte, wenn sich der Antragsteller m 13. März 2021 oder auch selbst noch am 14. März 2021, dem Wahltag, mit dem Anliegen um Beförderung seines Wahlbriefes gemeldet hätte. Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, es sei von einem Bürger, der an der Wahl teilnehmen möchte, zu erwarten, dass er sich selbst und baldmöglichst darum bemüht, die notwendigen Wahlunterlagen zu erhalten, etwa auch bei der zuständigen Behörde nachzufragen. Ab dem Zeitpunkt, ab dem es der JVA bekannt geworden war, dass der Antragsteller keine Wahlunterlagen erhalten habe, habe die JVA alles ihr nur Mögliche unternommen, um ihm zur Teilnahme an der Wahl zu verhelfen. |
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| Aus dem von der Antragsgegnerin ab 1. Februar 2021 veranlassten Aushang in der JVA zur Landtagswahl am 14. März 2021 ergab sich unter anderem, dass wahlberechtigte Inhaftierte, die am 31. Januar 2021 mit Hauptwohnsitz in der JVA Rottenburg gemeldet seien, von Amts wegen in das Wählerverzeichnis der Stadt eingetragen worden seien und automatisch eine Wahlbenachrichtigung zugesandt erhielten. Gleiches gelte für wahlberechtigte Inhaftierte, die am Stichtag nicht für eine Wohnung außerhalb der JVA Rottenburg gemeldet seien; hier entfalle die bisher erforderliche Antragstellung auf Eintragung in das Wählerverzeichnis. Diese Wahlbenachrichtigung würden die wahlberechtigten Personen spätestens drei Wochen vor der Wahl am 21. Februar 2021 erhalten. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund der Corona-bedingten Aussetzung der vollzugsöffnenden Maßnahmen alle Gefangenen derzeit ausschließlich per Briefwahl wählen könnten. Für die Briefwahl werde ein Wahlschein mit Briefwahlunterlagen benötigt. Diese könnten die Gefangenen nach Eingang der Wahlbenachrichtigungskarte beantragen. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass die Antragstellung unter Berücksichtigung des hierfür notwendigen Postversands möglichst frühzeitig erfolgen solle und darum gebeten, dass der Wahlbriefumschlag rechtzeitig in den Postweg gegeben wird, damit die Unterlagen spätestens am 14. März 2021 um 18 Uhr beim zuständigen Wahlamt eingehen, mögliche Verzögerungen auf dem Postweg seien zu berücksichtigen. |
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| 4. Mit Beschluss vom 23. November 2021 hat die 13. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen dem genannten Antrag stattgegeben und festgestellt, dass der Antragsteller rechtswidrig in seinem Wahlrecht beschränkt worden sei. Nach Auslegung des Begehrens wolle der Antragsteller nicht die Wahl als solche anfechten, sondern wende sich ausdrücklich gegen das Handeln der Antragsgegnerin. |
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| Die Strafvollstreckungskammer hat ihre Entscheidung damit begründet, dass es die Antragsgegnerin entgegen ihrer sonst üblichen Praxis unterlassen habe, den Antragsteller bei der Stadt Rottenburg mit Wohnsitz in der JVA anzumelden, wodurch dieser nicht in das Wählerverzeichnis nach dem Landeswahlgesetz eingetragen worden sei. Dies stelle eine Unterlassung auf dem Gebiet des Strafvollzugs im Sinne des § 109 Abs. 1 Satz 1 StVollzG dar. Da sich die Unterlassung durch Zeitablauf erledigt habe, könne bei einem berechtigten Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit ein Feststellungsantrag nach § 115 Abs. 3 StVollzG gestellt werden. Das Feststellungsinteresse des Antragstellers hat die Kammer in dem gewichtigen Grundrechtseingriff betreffend die (mögliche) Verletzung seines Wahlrechts aus Art. 26 der Landesverfassung gesehen. Auch das Rechtsschutzbedürfnis hat die Kammer trotz der Nichtabgabe seiner Wahlunterlagen bejaht: Die Antragsgegnerin habe in ihrem Aushang selbst festgelegt, dass die Wahlunterlagen so rechtzeitig in den Postweg zu geben seien, dass diese am Sonntag beim zuständigen Wahlamt eingehen könnten. Dies sei im Falle des Antragstellers nicht mehr möglich gewesen, auch wenn er – so die Kammer – „sicherlich noch aktiver daran hätte mitwirken können“. Der Antragsteller sei deshalb – von Seiten der JVA versehentlich – in seinem Wahlrecht aus Art. 26 Abs. 1, 3 und Abs. 4 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg verletzt worden. Die Ursache für die „zeitliche Knappheit“ habe die Antragsgegnerin gesetzt, so dass der Antragsteller keine weiteren Anregungen oder Anträge betreffend eine schnellere Briefbeförderung hätte stellen müssen. Der Beschluss wurde der Antragsgegnerin am 29. November 2021 zugestellt. |
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| 5. Gegen diese Entscheidung wendet sich das Ministerium der Justiz und für Migration als Aufsichtsbehörde nach § 111 Abs. 2 StVollzG mit seiner Rechtsbeschwerdeschrift vom 21. Dezember 2021, eingegangen beim Landgericht Tübingen am 23. Dezember 2021. Das Ministerium erhebt die Sachrüge und beantragt, die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer aufzuheben sowie den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen, hilfsweise den Antrag des Antragstellers nach Aufhebung zur erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen. |
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| 6. Der Antragsteller trägt hierauf mit seinem Schreiben vom 29. Januar 2022 im Wesentlichen den bekannten Sachverhalt vor. Tatsächlich habe es nach seinen Recherchen viele andere Gefangene gegeben, die keine Wahlbenachrichtigungen erhalten hätten. Der Antragsteller erklärt, er möchte nun auch Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung seines Anwalts beantragen. |
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| Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. |
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| 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist eingelegt und begründet, § 93 JVollzGB III i.V.m. § 118 Abs. 1 StVollzG. Das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg ist als Aufsichtsbehörde über die Antragsgegnerin zur Einlegung der Rechtsbeschwerde befugt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. März 2003 – 1 Ws 230/02). |
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| Die Rechtsbeschwerde ist auch zulässig. Der angefochtene Beschluss enthält zwar alle entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte und entspricht somit den Anforderungen des § 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 267 StPO, so dass die Rechtsbeschwerde nicht schon allein mangels ausreichender Feststellungen der Strafvollstreckungskammer zulässig ist (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 21. Ed. 1.2.2022, StVollzG § 116 Rn. 3). Nach § 93 JVollzGB III i.V.m. § 116 Abs. 1 StVollzG ist die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer aber dann zulässig, wenn dies zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. |
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| Eine Fortbildung des Rechts liegt vor, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen und des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (BGH NJW 1971, 389). Hierdurch soll dem Rechtsbeschwerdegericht die Möglichkeit gegeben werden, seine Rechtsauffassung in einer für die nachgeordneten Gerichte richtunggebenden Weise zum Ausdruck zu bringen. Die in Rede stehende Rechtsfrage muss von praktischer Bedeutung, entscheidungserheblich und klärungsbedürftig sein, also offen, zweifelhaft oder bestritten (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 21. Ed. 1.2.2022, StVollzG § 116 Rn. 4). |
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| Die besonderen Zulassungsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG sind hier im Hinblick auf die Fortbildung des Rechts erfüllt: Zur Frage des Umfangs der Unterstützung der Gefangenen durch die Justizvollzugsanstalten bei der Teilnahme an Landtagswahlen hat weder der Senat jemals entschieden noch liegt hierzu obergerichtliche Rechtsprechung vor. |
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| 2. Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge Erfolg. |
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| a) Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. |
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| Der Senat hat – da Verfahrensvoraussetzung – von Amts wegen zu prüfen, ob der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig war, andernfalls wäre die Rechtsbeschwerde und der Antrag des Gefangenen als unzulässig zurückzuweisen (KG, Beschluss vom 25. September 2007 – 2/5 Ws 189/05, juris Rn. 11). |
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| Nach der Auslegung des Begehrens des Antragstellers, er wolle festgestellt haben, dass ihn die Antragsgegnerin in rechtswidriger Weise in seinem Wahlrecht beschränkt habe, hat der Antragsteller auch ein Feststellungsinteresse. Bei der Überprüfung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme oder Unterlassung einer JVA besteht ein Feststellungsinteresse unter anderem bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 21. Ed. 1.2.2022, StVollzG § 115 Rn. 16), wobei die Anforderungen an die Grundrechtseingriffe nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Mai 2017 – 2 BvR 249/17). Diese Grundsätze gelten auch für einen Eingriff in das durch die Landesverfassung garantierte Recht auf Teilnahme an Landtagswahlen nach Art. 28 Abs. 1 und 4 LV, das auch grundgesetzlich über Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 GG gewährleistet ist. Nach dem Vortrag des Antragstellers ist ein Feststellungsinteresse daher gegeben. |
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| b) Die Erwägungen, mit denen die Strafvollstreckungskammer eine Rechtsverletzung des Antragstellers angenommen hat, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. |
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| Richtigerweise hat die Strafvollstreckungskammer zwar eine Unterlassung auf dem Gebiet des Strafvollzugs i.S.d. § 109 Abs. 1 Satz 1 StVollzG durch die fehlende Anmeldung des Gefangenen bei der Meldebehörde der Stadt Rottenburg angenommen. Diese ergibt sich rechtlich indessen nicht wie von der Strafvollstreckungskammer angenommen aus der Abweichung von einer dauernden Übung der JVA, sondern aus deren – versehentlichen – Verletzung ihrer gesetzlichen Pflicht aus § 27 Abs. 4 Satz 2 Bundesmeldegesetz, wonach sie der Meldebehörde die Aufnahme eines Strafgefangenen, dessen Freiheitsentziehung drei bzw. zwölf Monate überschreitet, innerhalb von zwei Wochen mitteilen muss. |
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| Die Strafvollstreckungskammer hat aber in dieser Unterlassung zu Unrecht eine Verletzung des Wahlrechtes des Antragstellers gesehen. |
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| Aufgrund des Aushangs der JVA zur Landtagswahl war der Antragsteller zunächst nicht gehalten, sich selbst um seine Wahlunterlagen zu kümmern, denn er durfte entsprechend der Information der JVA im Aushang davon ausgehen, dass er automatisch eine Wahlbenachrichtigung erhalten würde. Dem Antragsteller ist es auch nicht anzulasten, dass er nicht bemerkte oder monierte, dass er bei seiner Aufnahme in der JVA im Juni 2018 keine Nachricht über seine Anmeldung bei der Meldebehörde der Stadt Rottenburg erhalten hatte, wie dies nach § 27 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz Bundesmeldegesetz hätte erfolgen müssen. Aufgrund des Aushangs in der JVA, bei dem ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass wahlberechtigte Personen spätestens drei Wochen vor der Wahl, also am 21. Februar 2021, eine Wahlbenachrichtigung erhalten, hätte der Antragsteller jedoch spätestens nach Verstreichen dieses Zeitpunktes seine fehlende Wahlbenachrichtigung anmahnen müssen. Der Antragsteller hat sich dagegen erst am Dienstag, 9. März 2021, und damit nur fünf Tage vor der Landtagswahl und mehr als zwei Wochen nach dem im Aushang genannten Zeitpunkt gemeldet. Zwar hatte die JVA mit dem versehentlich rechtswidrigen Unterlassen der Nichtanmeldung die Ursache dafür gesetzt, dass dem Antragsteller keine Wahlbenachrichtigung zugesandt wurde. Weil der Antragsteller aber den angekündigten spätesten Zeitpunkt für die Übersendung der Wahlbenachrichtigung ohne ersichtlichen Grund um einen beträchtlichen Zeitraum verstreichen ließ, ohne seine Wahlbenachrichtigung zu monieren – und zwar trotz des ausdrücklichen Hinweises auf die Postlaufzeiten im Aushang –, hat er die Ursache dafür gesetzt, dass die JVA seine Anmeldung und die Briefwahl innerhalb von nur fünf Tagen bis zur Landtagswahl organisieren musste. Soweit die Strafvollstreckungskammer daher bei dem gegebenen Sachverhalt den Schluss zieht, allein die Antragsgegnerin sei für die „zeitliche Knappheit“ verantwortlich, ist dieser nicht haltbar. Denn selbst wenn der Antragsteller die drei-Wochen-Frist für den Zugang der Wahlbenachrichtigung auf dem Aushang nicht gelesen hätte, musste ihm klar sein, dass seine erstmalige Anforderung von Briefwahlunterlagen nur fünf Tage vor der Wahl unter üblichen Postlaufzeiten bereits keine Teilnahme an der Wahl mehr zugelassen hätte. |
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| Im Hinblick auf den Stellenwert einer Landtagswahl in einer repräsentativen Demokratie und des Rechtes der Strafgefangenen, daran auch unter den erschwerten Bedingungen eines Freiheitsentzugs teilzunehmen, sind die Justizvollzugsanstalten gehalten, den Wahlvorgang für ihre Gefangengen schon im Vorfeld einer Wahl organisatorisch in einer Weise vorzubereiten und zu begleiten, dass jeder Strafgefangene, der dies will, von seinem Wahlrecht ohne weitere Erschwernisse Gebrauch machen kann. Mit ihrem Aushang vom 1. Februar 2021 hat die JVA die Gefangenen sehr ausführlich und verständlich über die Landtagswahl allgemein und deren Ablauf für die in der JVA inhaftierten Gefangenen informiert und ist in diesem Punkt ihrer organisatorischen Verpflichtung uneingeschränkt gerecht geworden. Da die Anmeldung der Gefangenen bei der Meldebehörde nach § 27 Abs. 4 Satz 2 Bundesmeldegesetz aber regelmäßig Voraussetzung für die Teilnahme an Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen ist, sind die Justizvollzugsanstalten darüber hinaus besonders gehalten, ihren gesetzlichen Meldepflichten mit der erforderlichen Sorgfalt nachzukommen. |
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| Auch im Fall des Antragstellers hat sie diesen ab dem Zeitpunkt ihrer Kenntnis in besonderer Weise unterstützt, nämlich durch taggleiche Briefbeförderung und sofortige Anmeldung bei der Stadt Rottenburg. Die JVA hat also ab dem 9. März 2021 besondere Maßnahmen in diesem Einzelfall ergriffen, um dem Antragsteller eine Teilnahme an der Landtagswahl noch zu ermöglichen. Dass sich der Antragsteller am Tag vor der Landtagswahl entschieden hat, keinen Wahlbrief mehr abzugeben, war dagegen seine autonome Entscheidung. Anders als die Strafvollstreckungskammer meint, ändert hieran auch die Tatsache nichts, dass die JVA dem Antragsteller nicht ausdrücklich nochmals eine besonders schnelle Beförderung seines Wahlbriefes angeboten hatte, nachdem der Antragsteller gegenüber dem diensthabenden Mitarbeiter der JVA äußerte, nun sei es sowieso zu spät. So ein ausdrückliches Angebot seitens der JVA stellt zwar, anders als die Aufsichtsbehörde meint, nicht bereits eine unzulässige Beeinflussung einer Entscheidung über die Teilnahme an der Wahl dar. Aber der Antragsteller hätte dem Mitarbeiter gegenüber zumindest in irgendeiner Weise erkennen lassen müssen, dass er trotz seines Zweifels an einer rechtzeitigen Briefbeförderung wählen möchte. |
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| Im Ergebnis führte daher die rechtswidrig unterbliebene Anmeldung bei der Stadt Rottenburg nicht zu einer Verletzung des Rechts des Antragstellers auf Teilnahme an der Landtagswahl 2021. |
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| 4. Der Antrag des Antragstellers auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Rechtsbeschwerdeverfahren gemäß § 120 Abs. 2 StVollzG, § 114 Abs. 1 ZPO ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch unter Berücksichtigung des im Prozesskostenhilfeverfahren geltenden großzügigeren Maßstabs keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. |
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| Die Entscheidungen über die Kosten beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG, da der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung unterliegt. Hierzu gehören auch die Kosten eines erfolgreichen Rechtsmittels auf Seiten der Vollzugsbehörde, das zu Ungunsten des Verurteilten eingelegt wurde (§ 121 Abs. 4 iVm § 465 StPO, vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt StPO § 473 Rn. 15; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 21. Ed. 1.2.2022, StVollzG § 121 Rn. 2). |
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| Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 60 Halbsatz 1, § 52 Abs. 2 GKG. |
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