Beschluss vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 So 108/18

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 29. November 2018, soweit darin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Eilrechtsschutzverfahren abgelehnt wurde, wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller, ein syrischer Staatsangehöriger, wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für ein erstinstanzliches Eilrechtsschutzverfahren.

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Dem nach seinen Angaben und entsprechend einer vorgelegten Geburtsurkunde am 7. Januar 2001 geborenen Antragsteller erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 27. Juni 2017 den subsidiären Schutzstatus zu. Daraufhin erteilte ihm das Einwohner-Zentralamt der Antragsgegnerin am 11. Juli 2017 eine für ein Jahr gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Auf seinen am 6. Juli 2018 gestellten Verlängerungsantrag erhielt der Antragsteller eine bis zum 15. Januar 2019 gültige Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 AufenthG. Am 23. Oktober 2018 wandte sich die Ausländerabteilung des Einwohner-Zentralamts an das Landeskriminalamt und bat um Mitteilung, ob Ermittlungsverfahren / Strafverfahren gegen den Antragsteller liefen oder anhängig gewesen seien oder ob andere von Bedeutung erscheinende Erkenntnisse vorlägen. Diese Anfrage blieb unbeantwortet.

3

Am 23. November 2018 erhob der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu verpflichten. Zugleich stellte er den Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern; ferner beantragte er, ihm für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen. Er wies darauf hin, dass seine Eltern ein Visumverfahren zum Zwecke der Familienzusammenführung betrieben, in dem er von der Visastelle der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16. Oktober 2018 aufgefordert worden sei, bis spätestens 30. November 2018 die Kopie seines verlängerten Aufenthaltstitels vorzulegen. Weil er einen solchen Titel, auf den er einen Anspruch aus § 25 Abs. 2 AufenthG habe, bisher nicht besitze, habe die deutsche Botschaft bislang kein Visum für die Familienzusammenführung erteilen können. Trotz mehrerer Nachfragen bei der Ausländerabteilung sei ihm die Aufenthaltserlaubnis bisher nicht erteilt worden. Die Erteilung eile auch deshalb sehr, weil er in Kürze volljährig werde.

4

Mit Beschluss vom 29. November 2018 hat das Verwaltungsgericht sowohl den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung als auch den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren abgelehnt. Vorliegend sei die Vorwegnahme der Hauptsache zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht geboten. Dem Antragsteller selbst entstünden keine Nachteile dadurch, dass über seinen Verlängerungsantrag noch nicht entschieden worden sei; sein Aufenthaltstitel gelte infolge des rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für die letztlich begehrte positive Mitwirkungshandlung der Antragsgegnerin im Visumverfahren seiner Eltern sei der Antragsteller nicht antragsbefugt. Davon abgesehen bestehe vorliegend auch kein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verlängern sei; es sei nicht sicher, ob nicht ein Ausweisungsinteresse bestehe. Aus diesen Gründen fehle es an hinreichender Erfolgsaussicht, so dass auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen sei.

5

Der Antragsteller hat gegen diesen Beschluss am 30. November 2018 Beschwerde erhoben und zwar sowohl hinsichtlich der Ablehnung der begehrten einstweiligen Anordnung (1 Bs 234/18) als auch hinsichtlich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe (1 So 108/18). Am 3. Dezember 2018 teilte die Antragsgegnerin mit, dass die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers verlängert werde; daraufhin erklärten beide Beteiligte den auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Rechtsstreit für erledigt.

II.

6

Die Beschwerdegegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

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1. Über die Beschwerde hat der (regulär besetzte) Senat und nicht der Berichterstatter zu entscheiden, auch wenn die Beteiligten das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Beschwerdeinstanz übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

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Zwar ist § 87a Abs. 1 und 3 VwGO über seinen Wortlaut hinaus auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und in Beschwerdeverfahren anwendbar (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 87a Rn. 2; VGH München, Beschl. v. 15.2.1991, 12 CE 90.3327, NVwZ 1991, 896), so dass im Fall der Hauptsacheerledigung oder der Rücknahme von Antrag oder Rechtsmittel der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter das Verfahren einstellt, über die Kosten und den Streitwert des Verfahrens sowie über einen etwaigen noch nicht beschiedenen Prozesskostenhilfe-Antrag entscheidet (vgl. zur Entscheidungszuständigkeit für einen PKH-Antrag bei Verfahrensbeendigung durch Vergleich: OVG Hamburg, Beschl. v. 27.9.2016, 1 Bs 74/16, NVwZ-RR 2017, 261, juris Rn. 3).

9

Die Entscheidung über eine Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ist aber keine Nebenentscheidung zum Beschwerdeverfahren bezüglich der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein eigenständiges Beschwerdeverfahren, in dem zu prüfen ist, ob dem Antragsteller im ersten Rechtszug zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigert worden ist. Insoweit ist eine Erledigung nicht eingetreten, so dass kein Anlass für eine Abweichung von der Zuständigkeit des regulär besetzten Senats besteht (so auch OVG Hamburg, Beschl. v. 12.11.2010, 5 So 129/10, n.v.; OVG Bautzen, Beschl. v. 7.8. 2007, 5 E 164/07, DÖV 2007, 933, juris Rn. 7; VGH Mannheim, Beschl. v. 21.11.2006, 11 S 1918/ 06, NVwZ-RR 2007, 210, juris Rn. 3, VGH München, Beschl. v. 11.8.2005, 24 C 05.1190, juris Rn. 10 ff.; Neumann/Schaks in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 166 Rn. 235a; Ortloff/Riese in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 2018, § 87a Rn. 34b). Für die Gegenauffassung (z.B. OVG Hamburg, Beschl. v. 12.9.2006, 3 Bs 387/05, NVwZ-RR 2007, 211, juris Rn. 14 f.; OVG Münster, Beschl. v. 4.3.2005, 22 E 958/04, juris Rn. 1; Kopp/Schenke, a.a.O., § 166 Rn. 19; Jacob in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 87a Rn. 16), die auch in der hier vorliegenden Fallkonstellation die Entscheidungszuständigkeit des Vorsitzenden bzw. Berichterstatters annimmt, könnten zwar Gründe der Prozessökonomie sprechen, doch rechtfertigt dieser Gesichtspunkt keine ausdehnende Auslegung der bestehenden gesetzlichen Regelung; vielmehr müsste dies der Gesetzgeber entscheiden.

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Auch wenn wie vorliegend die erstinstanzlichen Entscheidungen über den Hauptsacheantrag und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in einem Beschluss zusammengefasst werden und auch in einem einheitlichen Schriftsatz gegen beide Entscheidungen Beschwerde erhoben wird, handelt es sich rechtlich um zwei getrennte Beschwerden.Das folgt schon daraus, dass das Prozesskostenhilfe-Verfahren gegenüber dem "Hauptsache"-Verfahren eigenständig ist. Während das Verfahren, für das Prozesskostenhilfe begehrt wird, ein streitiges Verfahren zwischen in der Regel zwei Beteiligten ist, handelt es sich beim Prozesskostenhilfe-Verfahren um ein nichtstreitiges Antragsverfahren des jeweiligen Antragstellers. Entschieden wird insoweit nur über die Gewährung staatlicher Hilfen an den Prozesskostenhilfe-Antragsteller (vgl. Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Aufl. 2016, Rn. 178). Die Eigenständigkeit zeigt sich weiter in den unterschiedlichen Vorschriften über das gegen die jeweilige Hauptsache-Entscheidung gegebene Rechtsmittel und das Rechtsmittel gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe einschließlich des jeweiligen gerichtlichen Prüfprogramms sowie in den unterschiedlichen Kostenregelungen.

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2. Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsteller im Ergebnis zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt. Auch nach Ansicht des Beschwerdegerichts hatte die Rechtsverfolgung des Antragstellers nicht die für § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht.

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Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist zwar bereits dann anzunehmen, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung besteht. Denn die Prüfung der Erfolgsaussicht im Prozesskostenhilfeverfahren darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung seitens einer unbemittelten Partei unverhältnismäßig zu erschweren und die Gewährung von Prozesskostenhilfe von einem schon hoch wahrscheinlichen oder gar sicheren Prozesserfolg abhängig zu machen; die Rechtsverfolgung würde sonst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.1. 1994, 1 A 14/92, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 33; BVerfG, Beschl. v. 29.8.2017, 2 BvR 351/17 u.a., Asylmagazin 2017, 404, juris Rn. 11). Maßgeblich für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht ist hier, wo es um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren geht, spätestens der Zeitpunkt des Abschlusses des erstinstanzlichen Verfahrens durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts; der Umstand, dass dem Antragsteller nach Einlegung der Beschwerde die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zugesagt wurde, bleibt daher außer Betracht.

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Aber auch nach dem beschriebenen Maßstab bestand bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Eilverfahrens für den Eilantrag keine hinreichende Erfolgsaussicht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller mit seinem Begehren die sofortige Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und damit eine endgültige Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. hierzu Dombert in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 176 ff.) erstrebte, die hinreichende Erfolgsaussicht sich somit gerade hierauf erstrecken musste.

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a) Zwar bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis beanspruchen konnte.

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Er konnte sich auf § 8 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative AufenthG berufen. Danach ist einem Ausländer, dem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Eine Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG rechtfertigt (§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG), liegt hier nicht vor. Auf das Vorliegen der in § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG normierten allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, darunter das Nichtbestehen eines Ausweisungsinteresses (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG), kommt es nicht an; gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist u.a. im Fall der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abzusehen. Daher wäre auch im Fall laufender Ermittlungsverfahren die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich nicht nach § 79 Abs. 2 AufenthG auszusetzen, da über den Aufenthaltstitel ohne Rücksicht auf den Ausgang solcher Verfahren zu entscheiden wäre.

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Lediglich ein qualifiziertes Ausweisungsinteresse im Sinn von § 54 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 AufenthG steht gemäß § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend auch der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG entgegen. Die Anfrage der Ausländerabteilung an das Landeskriminalamt (LKA 713 – Staatsschutz) vom 23. Oktober 2018 dürfte auch der Abklärung der Frage gedient haben, ob im Fall des Antragstellers Erkenntnisse vorliegen, die auf ein Ausweisungsinteresse im Sinn von § 54 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 AufenthG hindeuten. Der Umstand, dass dem Antragsteller im Juli 2017 eine Aufenthaltserlaubnis mit einjähriger Gültigkeit erteilt worden war, schließt die Berechtigung einer neuen entsprechenden Anfrage nicht aus, wie schon aus § 8 Abs. 1 AufenthG und aus dem Sinn einer befristeten Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis hervorgeht. Zwar erschließt sich weder aus der Sachakte noch aus der Stellungnahme der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren, weshalb die Ausländerabteilung die entsprechende Anfrage nicht unmittelbar nach dem Verlängerungsantrag im Juli 2018, sondern erst gegen Ende Oktober 2018 gestellt hat. Schon wegen des zwingenden Charakters des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 4 AufenthG ist es aber nicht zu beanstanden, wenn auch bei später Nachfrage eine Antwort der Stelle abgewartet wird, bei der die entsprechenden Informationen vorhanden sind.

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b) Auch bei einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass der geltend gemachte Anspruch besteht, kann eine einstweilige Regelungsanordnung, die die Hauptsache endgültig vorwegnimmt, nur dann ergehen, wenn eine Verweisung auf das Hauptsacheverfahren zu unzumutbaren Konsequenzen führen würde (vgl. Dombert, a.a.O., Rn. 193 ff.).

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aa) Für den Aufenthaltsstatus des Antragstellers selbst ergaben sich hieraus keine gravierenden Nachteile. Sein Aufenthaltstitel galt infolge des rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG als fortbestehend; hierüber war ihm auch eine Fiktionsbescheinigung (§ 81 Abs. 5 AufenthG) ausgestellt worden.

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bb) Die Erfolgsaussicht des hier gestellten Eilantrags war aber insbesondere deshalb nicht hinreichend, weil der Antragsteller erstinstanzlich zur Eilbedürftigkeit wegen des laufenden Visumverfahrens nicht in ausreichendem Maße vorgetragen hatte. Das Verwaltungsgericht war daher nicht in der Lage ausreichend zu beurteilen, welche Folgen es für das Visumverfahren der Eltern des Antragstellers hätte, wenn er auf das Hauptsacheverfahren verwiesen würde. Dies gilt umso mehr, als zwischen der Fax-Einreichung des Eilantrags am frühen Abend des 23. November 2018, einem Freitag – die Erfassung des Antrags in der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts fand daher erwartungsgemäß erst am darauffolgenden Montagmorgen statt –, und dem vom Antragsteller vorgestellten spätesten Entscheidungszeitpunkt (30. November 2018 im Hinblick auf das Schreiben des Visaabteilung der Antragsgegnerin) nur wenige Tage Bearbeitungszeit lagen; eine nähere Sachverhaltserforschung, die über den unmittelbaren Akteninhalt hinausgeht, war unter diesen zeitlichen Umständen schon gar nicht möglich. Dies erforderte einen über das normale Maß bei vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch hinausgehenden Sachvortrag des Antragstellers.

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Zugunsten des Antragstellers verneint das Beschwerdegericht hinreichende Erfolgsaussichten für den vorliegenden Antrag allerdings nicht schon mit der Begründung, die Eltern des Antragstellers (oder ggf. auch er selbst) hätten bei dem für das Visumverfahren zuständigen Verwaltungsgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen können. Dieses hat in anderen Fällen in vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren erwähnten Beschlüssen darauf hingewiesen, dass eine gesetzliche Erlaubnisfiktion (§§ 81 Abs. 3 Satz 1, 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG) nur einen rechtmäßigen Aufenthalt vermittle, nicht aber dem für die Familienzusammenführung gesetzlich geforderten Besitz einer Aufenthaltserlaubnis genüge. Die Rechtsstellung des Antragstellers aus § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist allerdings stärker als die aus einer bloßen Erlaubnisfiktion (vgl. Marx inGK-AufenthG, Stand September 2018, § 29 Rn. 21; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 29 Rn. 10). Dies wird auch in den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Berlin angedeutet. Es lässt sich jedoch nicht sicher prognostizieren, ob die jeweils zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eine dem Besitz der Aufenthaltserlaubnis gleichwertige Bedeutung beimessen würde.

21

Bei der Abwägung der Folgen einer Verweisung auf das Klageverfahren spielt allerdings eine Rolle, dass § 36a Abs. 1 Satz 3 AufenthG einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug u.a. für Eltern eines minderjährigen Ausländers mit subsidiärem Schutzstatus ausdrücklich ausschließt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 36a Abs. 3 Nr. 2 AufenthG die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug in der Regel ausgeschlossen ist, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll, wegen bestimmter Delikte oder in bestimmter Höhe strafrechtlich verurteilt worden ist. Solches ist beim Antragsteller zwar nicht der Fall, doch bestimmt § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG, dass im Fall der Einleitung dort genannter Strafverfahren – Nr. 1 korrespondiert im wesentlichen mit § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AufenthG, Nr. 2 mit § 36a Abs. 3 Nr. 2 AufenthG – die Entscheidung über die Visumerteilung grundsätzlich auszusetzen ist.

22

Nach Aktenlage waren in der Vergangenheit verschiedene Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller u.a. wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung anhängig; die Polizei hatte zudem in einer Mitteilung (Merkblatt - POLAS) an die Ausländerabteilung des Einwohner-Zentralamts vom 20. März 2018 erwähnt, der Antragsteller sei bereits mit Gewaltdelikten in Erscheinung getreten. In der Sachakte sind zwar verschiedene Mitteilungen der Staatsanwaltschaft über Einstellungen von Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO enthalten, doch wäre es jedenfalls in der vorliegenden Verfahrenskonstellation Sache des Antragstellers gewesen, in seinem Eilantrag anzugeben und zu versichern, dass nach seiner Kenntnis derzeit keine weiteren Ermittlungsverfahren laufen. Der Antragsschriftsatz vom 23. November 2018 enthält hierzu jedoch keinerlei Angaben; in seiner Replik vom 28. November 2018 auf die Antragserwiderung der Antragsgegnerin führte der Antragsteller lediglich aus, spätestens nach Einstellung des von der Antragsgegnerin erwähnten Ermittlungsverfahrens hätte ihm die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müssen.

III.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

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