Urteil vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 L 275/11

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. September 2011 – 3 A 821/10 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Klägerin zu einem Erschließungsbeitrag.

2

Die Herren ... und vereinbarten "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts" – der Klägerin – mit notariellem Vertrag des Notars B. vom 13. März 1992 den Erwerb eines Erbbaurechtes an in der Anlage zu dem Vertrag näher bezeichneten Flächen des Flurstücks ... der Flur ..., Gemarkung ..., mit einer Größe von ca. 3,35 ha. Der Vertrag enthält das Einverständnis des Erbbauausgebers, das Grundstück zu parzellieren, um die Eintragung von Einzelerbbaurechten an Teilflächen zu ermöglichen. Nach § 2 des Vertrages ist der Erbbauberechtigte berechtigt, das Gelände zu bebauen. Im Grundbuch (Erbbaurecht) von ..., Blatt ... sind die Herren ... "in BGB-Gesellschaft" seit dem 9. Februar 1995 als Erbbauberechtigte für die unter der Nr. 2 im Bestandsverzeichnis aufgeführten Flurstücke mit der Bezeichnung .../3, .../4, .../5, .../11 und .../12 (hervorgegangen aus dem unter der Nr. 1 des Bestandsverzeichnisses eingetragenen Flurstück ...) eingetragen.

3

Der Beklagte ließ in den Jahren 1992 und 1993 die Verkehrsanlagen "... T...", "... J..." und "... B...", an denen die oben bezeichneten Flächen anliegen, unter Verwendung öffentlicher Fördermittel erstmalig herstellen. Die Verwendung dieser Mittel wurde nachgeprüft. Der entsprechende Prüfbescheid erging unter dem 29. Januar 1999; beim Beklagten ging er am 03. Februar 1999 ein.

4

Der Beklagte zog in der Folgezeit zunächst die Herren ... für die Herstellung dieser Verkehrsanlagen zu Erschließungsbeiträgen heran. Mit Beitragsbescheid vom 17. November 2000 (Nr. EHHB-#-...) erhob er für das Flurstück .../4 den Beitrag von 1.765,50 DM für die Anlage "... J...". Im Adressfeld des jeweils an beide versandten Bescheides sind beider Namen nebeneinander aufgeführt. In ihrer Begründung wird Bezug genommen auf Miterbbauberechtigung sowie Gesamtschuldnerschaft beider.

5

Gegen den Bescheid vom 17. November 2000 erhoben die Herren ... jeweils mit Schreiben vom 07. Dezember 2000 unter dem Briefkopf "A." Widerspruch, Herr ... – unter gleichem Briefkopf – erneut mit Schreiben vom 13. Dezember 2000. Ihr Prozessbevollmächtigter erhob mit Schreiben vom 22. Februar 2001 nochmals – im Namen seiner Mandanten – Widerspruch.

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Den Widerspruch der Herren ... gegen den Beitragsbescheid vom 17. November 2000 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04. Oktober 2004 zurück. In der Begründung ist ausgeführt, dass auch nach Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Widerspruchsführer persönlich als Beitragsschuldner herangezogen werden konnten.

7

Die Herren ... erhoben in jeweils eigenem Namen am 14. November 2004 Klage (Az. 3 A 3669/04). Das Verwaltungsgericht verband dieses Verfahren sowie das Verfahren Az. 3 A 1109/02 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Mit Beschluss vom 24. August 2005 – 3 A 1109/02 – lud das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beklagten vom 18. Juli 2005 u. a. die Klägerin (Beigeladene zu 1.) bei, weil ihre rechtlichen Interessen durch eine Entscheidung in dem Verfahren berührt würden, und verwies in einem Klammerzusatz auf § 12 Abs. 1 KAG M-V i. V. m. § 174 Abs. 4, 5 AO. Der Beklagte hatte zuvor angekündigt, möglicherweise diese als aus den Herren ... bestehende Außengesellschaft in Anwendung von § 174 AO in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin stellte als Beigeladene zu 1. in dem Verfahren einen Aufhebungsantrag. Die von zwei untererbbauberechtigten Gesellschaften bürgerlichen Rechts, den Beigeladenen zu 2. und 3., gegen ihre Beiladung eingelegte Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 03. Januar 2006 – 1 O 117/05 – zurück.

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Das Verwaltungsgericht stellte den Rechtsstreit mit Urteil vom 01. März 2006 – 3 A 1109/02 – im Umfang der teilweisen zwischenzeitlichen Erledigung ein und hob die angefochtenen Bescheide – u. a. denjenigen vom 17. November 2000 (Nr. EHHB-#-...) – im Übrigen wegen unzutreffender Auswahl des persönlich Beitragspflichtigen auf. Die dagegen gerichtete, vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Beklagten wies der Senat mit seinem Urteil vom 01. April 2009 – 1 L 110/06 – zurück.

9

Mit dem schon zuvor ergangenen streitgegenständlichen Bescheid vom 23. Februar 2007 (Nr. EHHB-#-...) zog der Beklagte nunmehr die Klägerin für das Grundstück Flurstück .../4 zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 902,69 Euro heran. Rechtsgrundlage war dabei die Satzung der Universitäts- und Hansestadt Greifswald über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (EBS) in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 28. Juni 1995. Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 26. März 2007 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2010, zugestellt am 05. Juli 2010, als zulässig, aber unbegründet zurück.

10

Am 04. August 2010 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Zu ihrer Begründung hat sie vorgetragen, ihre Heranziehung sei rechtswidrig, da der Beitragsanspruch des Beklagten in Folge Festsetzungsverjährung erloschen sei. Die Vorschrift des § 174 Abs. 4 und 5 AO finde keine Anwendung. Die Klägerin habe das Verfahren, das mit der Aufhebung des Bescheides vom 17. November 2000 geendet sei, nicht eingeleitet und genieße daher Vertrauensschutz. Die Beiladung zum Verfahren Az. 3 A 1109/02 sei erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist erfolgt. Im Übrigen habe der Beklagte seinen Beitragsanspruch verwirkt.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 23.02.2007 – Nr. EHHB-#-... – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 28.06.2010 aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und vorgetragen, die Heranziehung der Klägerin sei rechtmäßig. Die Vorschrift des § 174 Abs. 4 und 5 AO sei anwendbar. Da § 174 Abs. 5 Satz 1 AO auf § 174 Abs. 4 AO einschließlich seines Satzes 3 verweise, sei es unerheblich, ob für den Dritten – also die Klägerin – Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass er, der Beklagte, zur Beitragserhebung verpflichtet sei. Er sei für die Baureifmachung der Grundstücke im Gewerbegebiet H... in erhebliche Vorleistungen getreten. Scheitere die Heranziehung der Klägerin, seien diese Mittel der Allgemeinheit entzogen, sodass weitere Erschließungsmaßnahmen unterbleiben müssten.

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Mit dem angefochtenen Urteil vom 07. September 2011 – 3 A 821/10 – hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Beitragsbescheid vom 23. Februar 2007 sei rechtswidrig. Der streitige Beitragsanspruch sei mit Ablauf des Jahres 2003 in Folge Festsetzungsverjährung (§ 47 AO) erloschen. Auch eine Durchbrechung der Festsetzungsfrist nach § 174 Abs. 4 und 5 AO scheide aus. Die Festsetzungsfrist betrage gemäß § 1 Abs. 4, § 12 Abs. 2 KAG M-V vier Jahre. Nach § 170 Abs. 1 AO beginne die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Da die sachliche Beitragspflicht mit dem Eingang des Ergebnisses der Verwendungsnachweisprüfung vom 29. Januar 1999 beim Beklagten am 03. Februar 1999 im Jahre 1999 entstanden sei, sei die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 1999 an- und mit Ablauf des Jahres 2003 abgelaufen. Die mit der Widerspruchseinlegung und der nachfolgenden Klage zum Az. 3 A 3669/04 (später 3 A 1109/02) eingetretene Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO beträfe nur das Abgabenschuldverhältnis zwischen den Klägern jenes Verfahrens und dem Beklagten. Zwar finde die Bestimmung des § 174 Abs. 4 und 5 AO kraft der Verweisung in § 12 Abs. 1 KAG M-V auch auf Kommunalabgaben Anwendung. Allerdings lägen die Voraussetzungen der Vorschrift nicht vor. Zwar sei die Klägerin „Dritte“ im Sinne dieser Vorschrift. Dritter in diesem Zusammenhang sei – im Hinblick auf den zu ändernden fehlerhaften Bescheid – jeder, der darin nicht als Steuerschuldner angegeben sei. Dies träfe auf die Klägerin zu, da der Bescheid vom 17. November 2000 an die Herren ... gerichtet gewesen sei. Auch sei die Klägerin in dem Verfahren Az. 3 A 1109/02 mit Beschluss vom 24. August 2005 beigeladen worden. Allerdings sei diese Beiladung erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist erfolgt, was nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine Anwendung des § 174 Abs. 4, Abs. 5 AO ausschließe. Dessen Auffassung folge die Kammer. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass die Gesellschafter der Klägerin als Kläger des Verfahrens Az. 3 A 1109/02 auf die bevorstehenden Korrekturen tatsächlich vorbereitet gewesen seien. Denn die allgemeinen Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben und Vertrauensschutz wirkten rechtsbegrenzend lediglich immer innerhalb eines bestehenden Steuerschuldverhältnisses und erforderten Identität der Rechtssubjekte. Daraus folge, dass der Klägerin auch materiell-rechtlich nur Kenntnisse und Verhaltensweisen aus ihrer Sphäre als Abgabenschuldner bzw. Verfahrensbeteiligter zugerechnet werden könnten.

17

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. September 2011 – 3 A 821/10 – ist dem Beklagten am 16. September 2011 zugestellt worden.

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Am 05. Oktober 2011 hat der Beklagte Berufung eingelegt, die das Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hatte.

19

Mit am 16. November 2011 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat er seine Berufung wie folgt begründet: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Der Beitraganspruch des Beklagten sei nicht in Folge Festsetzungsverjährung nach § 47 AO erloschen. Unzutreffend lehne das Verwaltungsgericht eine Durchbrechung der Festsetzungsfrist nach § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 174 Abs. 4 und Abs. 5 AO ab. Die Vorschrift finde aufgrund der Verweisung in § 12 Abs. 1 KAG M-V grundsätzlich auf Kommunalabgaben entsprechende Anwendung. Die Notwendigkeit der Anwendung ergebe sich aber auch daraus, dass die Gemeinden bei der Herstellung von Erschließungsanlagen erhebliche finanzielle Mittel aufwendeten. § 127 Abs. 1 BauGB bestimme als Korrelat zur Erschließungslast das Recht der Gemeinden, zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands einen Erschließungsbeitrag zu erheben. Hierbei handele es sich um einen Erhebungszwang. Aufgrund dessen bestehe seitens der Gemeinden wie bei den Finanzbehörden ein vergleichbares Interesse an der Korrektur von fehlerhaften Erschließungsbeitragsbescheiden auch außerhalb der Festsetzungsfrist und somit an der grundsätzlichen Anwendung des § 174 Abs. 4 und 5 AO. Eine andere Betrachtung würde zu einem unwiederbringlichen Beitragsausfall und dazu führen, dass die Finanzierung für weitere Erschließungsmaßnahmen fehle. Die Voraussetzungen des Wortlauts des § 174 Abs. 4 und 5 AO seien erfüllt und es sei eine Durchbrechung der Festsetzungsfrist zulässig. Der Wortlaut dieser Vorschrift sehe keine Einschränkung dergestalt vor, dass sie nur bei einer Beiladung des Dritten vor Ablauf der Festsetzungsfrist Anwendung fände. Eine solche Einschränkung sei im Geltungsbereich der Verweisung des § 12 Abs. 1 KAG M-V auch nicht vorzunehmen. Diese Norm sei unter Berücksichtigung des Ziels des KAG M-V auszulegen, die finanzielle Ausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände zu gewährleisten. Gerade auch die skizzierte Erschließungslast und die notwendige Refinanzierung erforderten eine grundsätzliche und strikt am Wortlaut orientierte Anwendung des § 174 Abs. 4, 5 AO im Beitragsrecht. Diese Ansicht trage den Schwierigkeiten, die für die Gemeinde mit der Beitragserhebung verbunden seien, angemessen Rechnung. So nehme auch die Ermittlung der Beitragsschuldner oft erhebliche Zeit in Anspruch. Die vom Verwaltungsgericht geäußerte Auffassung führe zu erheblichem Aufwand der Verwaltung. In der Konsequenz wäre zur Sicherung der Rechtsfolgen der § 174 Abs. 4, 5 AO bei jeder Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen einen Beitragsbescheid zu prüfen, ob und wer zu dem Verfahren beizuladen oder heranzuziehen sei. Dies könne aber insbesondere dann nicht sichergestellt werden, wenn die Beitragserhebung in zeitlicher Nähe zum Ablauf der Festsetzungsfrist erfolge. Die Klägerin könne sich zudem nicht auf einen die Einschränkung des Wortlautes des § 174 Abs. 4, 5 AO rechtfertigenden Vertrauensschutz berufen. Daran fehle es zum einen, weil sich die Klägerin in dem Verfahren, zu dem sie beigeladen gewesen sei, aktiv eingebracht habe, indem sie selbständig Anträge gestellt und zur Begründetheit der Klage Ausführungen gemacht habe. Die Klägerin habe durch ihr Verhalten ausdrücklich zu erkennen gegeben, dass sie sich die von den damaligen Klägern, ihren Gesellschaftern, vertretene Auffassung zu Eigen mache und die für die damaligen Kläger günstige Rechtsfolge billige. In der Folge müsse sie auch die daraus resultierende Konsequenz der eigenen Heranziehung hinnehmen. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin aber zum anderen auch deswegen nicht berufen, weil sie bereits vor Ablauf der Festsetzungsfrist durch verfahrensrechtliche Initiative in das ursprüngliche, ihre Gesellschafter betreffende Verfahren eingegriffen habe. Die Gesellschafter hätten den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. November 2000 zunächst unter dem Briefkopf „A.“ innerhalb der Festsetzungsfrist eingelegt. Diese Erklärung sei der jetzigen Klägerin zuzurechnen. Aus dem Widerspruch sei zu erkennen, dass die geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin sehr wohl von einer – in den späteren Verfahren auch vorgetragenen – Beitragsschuld der Klägerin ausgegangen seien. Schließlich habe das Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen, dass die Gesellschafter der Klägerin ihren am 07. Dezember 2000 eingelegten Widerspruch gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vom 17. November 2000 erst am 05. Juli 2004 begründet hätten. Erstmals in dieser Begründung nach Ablauf der Festsetzungsfrist, sei die Frage der Beitragsschuld für die Außengesellschafter dargestellt worden. Die Klägerin bzw. ihre Gesellschafter hätten damit selbst die Ursache gesetzt, dass die Beiladung erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist habe vorgenommen werden können.

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Der Beklagte beantragt,

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das am 07. September 2011 verkündete Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angefochtene Urteil. § 174 Abs. 4 AO bezwecke den Ausgleich einer zugunsten des Steuerpflichtigen eingetretenen Änderung durch die Möglichkeit, die damit verbundenen Nachteile an anderer Stelle zu verwirklichen. Der Gesetzgeber trage dem Vertrauensschutz hierbei dadurch Rechnung, dass eine Folgeänderung nur zulässig sei, wenn die Änderung im Ausgangsverfahren durch einen Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen veranlasst sei. § 174 Abs. 4 AO erfordere als Tatbestandsvoraussetzung indessen, dass sich aufgrund der irrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts der Steuerbescheid als rechtswidrig erweise. Die Veranlassung der fehlerhaften Steuerfestsetzung durch einen Irrtum setze voraus, dass die Finanzbehörde in Kenntnis des zugrundeliegenden Sachverhaltes entschieden habe. Insbesondere komme die Anwendung von § 174 Abs. 4 AO nicht in Betracht, weil der Beklagte nicht einen Sachverhalt irrig beurteilt, sondern Tatsachen lediglich nicht zur Kenntnis genommen habe. Betreffe der Irrtum indessen nicht den Sachverhalt, sondern die Geltendmachung des Anspruchs, zum Beispiel durch Verwechslung des Bekanntgabeadressaten, werde keine Änderungsmöglichkeit nach § 174 Abs. 4 AO eröffnet. Der zu beurteilende „bestimmte Sachverhalt“ umfasse nicht auch diejenigen Merkmale, welche für die Geltendmachung des Anspruchs, namentlich die wirksame Bekanntgabe des Bescheides gegenüber dem richtigen Beitragspflichtigen, relevant seien. Die vom Beklagten herangezogenen Normen der Abgabenordnung gestatteten den Erlass des angefochtenen Bescheides nicht. Der Beklagte hätte lange Zeit vor Eintritt der Festsetzungsverjährung ohne große Mühen und Anstrengungen zu der Einsicht gelangen können, dass die auserwählten Beitragsschuldner nicht die richtigen gewesen seien. Seine Argumentation, weil der Wortlaut des § 174 Abs. 4, 5 AO eine Einschränkung nicht vorsehe, seien diese Vorschriften auch dann anzuwenden, wenn eine Beiladung oder Heranziehung des Dritten nach Eintritt der Festsetzungsverjährung stattgefunden habe, verfange nicht. Die Begründung, eine derartige Einengung dürfe im Geltungsbereich der Verweisung des § 12 Abs. 1 KAG M-V auch nicht erfolgen, weil es Normzweck sei, die finanzielle Ausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände zu gewährleisten, liege neben der Sache. Intention von Steuertatbeständen und sonstigen Abgabenvoraussetzungen sei es gerade, Geld des Verpflichteten in den Verfügungsbereich der Gebietskörperschaft als Steuergläubigerin zurückzuführen, der die Steuerertragshoheit zustehe oder die die entsprechenden Gebühren oder Beiträge erheben dürfe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und Gerichtsakten des Verfahrens 1 L 110/06 (VG Greifswald, Az. 3 A 1109/02), die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

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Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt vom 23. Februar 2007 (Nr. EHHB-#-...) ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der angefochtene Bescheid infolge Festsetzungsverjährung rechtwidrig sei. Der mit dem Beitragsbescheid vom 23. Februar 2007 geltend gemachte Beitragsanspruch des Beklagten ist wegen Festsetzungsverjährung gemäß § 47 AO i. V. m. § 12 Abs. 1, § 1 Abs. 4 KAG M- V erloschen.

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Nach Maßgabe von § 47 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M- V erlöschen Beitragsansprüche insbesondere durch Verjährung. Eine Beitragsfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, § 169 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M- V. Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M- V für alle kommunalen Abgaben und Steuern vier Jahre, bei der Erhebung eines Anschlussbeitrages nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V endet die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V).

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Die Abgabe bzw. die sachliche Beitragspflicht ist gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB i. V. m. § 9 EBS mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage entstanden. Der Beklagte ließ in den Jahren 1992 und 1993 die Verkehrsanlagen "... T...", "... J..." – an dieser liegt das beitragspflichtige Grundstück an – und "... B..." unter Verwendung öffentlicher Fördermittel erstmalig herstellen. Die Verwendung der Mittel wurde nachgeprüft. Der entsprechende Bescheid datiert vom 29. Januar 1999 und ging beim Beklagten am 03. Februar 1999 ein. Erst mit dem Ergehen dieses Bescheides war die sachliche Beitragspflicht entstanden. Erhält eine Gemeinde öffentliche Fördermittel, die der Entlastung der Beitragspflichtigen dienen sollen, entsteht – so der Senat für den Bereich des Erschließungsbeitragsrechts – die sachliche Beitragspflicht erst, wenn der – maßgebliche – umlagefähige Aufwand bestimmt werden kann, also erst dann, wenn der Zuschussgeber im Ergebnis der Verwendungsnachweisprüfung die endgültige Zuschusshöhe mitgeteilt hat (OVG Greifswald, Beschl. v. 07.10.2003 – 1 M 34/03 –, juris). Ist demnach mit der Verwendungsnachweisprüfung gemäß Bescheid vom 29. Januar 1999 die sachliche Beitragspflicht erst im Jahre 1999 entstanden, lief die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 1999 an (§ 170 Abs. 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V) und mit Ablauf des Jahres 2003 ab. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass mit Blick auf das Verfahren Az. 3 A 1109/02 (OVG: 1 L 110/06) keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO eingetreten ist, weil eine Hemmung gegenüber Dritten nicht eintritt bzw. eine solche nur das Abgabenschuldverhältnis der dortigen Kläger betraf (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 171 Rn. 30). Folglich war im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 23. Februar 2007 die Festsetzungsfrist bereits seit mehreren Jahren abgelaufen.

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Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist auch nicht gemäß § 174 Abs. 4, 5 AO unbeachtlich.

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Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird (Satz 2). Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden (Satz 3). War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1 (Satz 4).

33

Zwar liegen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AO i. V. m. § 174 Abs. 5 Satz 1 AO in Ansehung des rechtskräftigen Senatsurteils vom 01. April 2009 – 1 L 110/06 –, mit dem die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung des Beitragsbescheides vom 17. November 2000 durch das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 01. März 2006 – 3 A 1109/02 – zurückgewiesen worden ist, ohne Weiteres vor. Der Beklagte hat zudem mit dem Erlass des Bescheides unter dem 23. Februar 2007 und dessen Zugang bei der Klägerin bis frühestens am 26. Februar 2007 entsprechend § 174 Abs. 4 Satz 3 AO die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen. Die Jahresfrist gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 AO beginnt bei Aufhebung des Beitragsbescheides durch das Gericht erst mit Rechtskraft des Urteils (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 174 Rn. 64).

34

Die Erstreckung der Regelungen des § 174 Abs. 4 AO auf die Klägerin als Dritte – um eine solche handelt es sich nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts bei der Klägerin, weil Dritter jeder ist, der in dem aufgehobenen Bescheid nicht als Steuerschuldner angegeben ist – kommt jedoch nicht in Betracht. Eine entsprechende Anwendung des § 174 Abs. 5 AO nach Maßgabe von § 12 Abs. 1 KAG M-V ist aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Auch wegen der komplexen Determinanten der Anwendung dieser Bestimmung, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ergeben, wäre zudem eine „entsprechende“ Anwendung der Bestimmung im verwaltungsgerichtlichen bzw. kommunalabgabenrechtlichen Verfahren nicht möglich. Es ist nicht ersichtlich, wie § 174 Abs. 5 AO ohne Systembruch in den kommunalabgabenrechtlichen Verwaltungsprozess eingepasst werden könnte. Selbst wenn im Übrigen die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschrift unterstellt würde, wäre eine Unbeachtlichkeit des Ablaufs der Festsetzungsfrist den Erwägungen des Verwaltungsgerichts folgend zu verneinen.

35

Gemäß § 174 Abs. 5 Satz 1 AO gilt Absatz 4 gegenüber Dritten, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig (Satz 2).

36

§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO erfasst allerdings im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzung der irrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts gerade die Fälle, in denen – wie hier – die steuerliche Zuordnung eines Gegenstandes zum Dritten oder zum Rechtsbehelfsführer fraglich ist (vgl. BFH, Urt. v. 05.051993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817 – zitiert nach juris – zum umgekehrten Fall, in dem erst die GbR und danach der Mitgesellschafter als Schuldner in Anspruch genommen worden ist; vgl. auch Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 174 Rn. 69). Der zentrale Vortrag der Klägerin, der Beklagte habe nicht den der Beitragserhebung zugrunde liegenden Sachverhalt irrig beurteilt, sondern den falschen Adressaten herangezogen, „passt“ zwar zu § 174 Abs. 4 AO in unmittelbarer Anwendung, liegt aber mit Blick auf § 174 Abs. 5 Satz 1 AO neben der Sache.

37

Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung die Frage der Anwendbarkeit von § 174 Abs. 5 AO noch nicht unmittelbar beantwortet, gleichwohl aber verschiedentlich deutlich gemacht, dass es einer näheren Betrachtung bedarf, ob und inwieweit eine „entsprechende“ Anwendung insbesondere der §§ 172 ff. AO im Kommunalabgabenrecht möglich ist. So hat er etwa in seinem Beschluss vom 28. November 2005 – 1 M 140/05 – (juris) ausgeführt, dass (in einem Hauptsachverfahren) im Einzelnen zu klären sei, wie die "entsprechend" anzuwendenden Vorschriften der §§ 172 und 173 AO ihrem Sinn und Zweck nach vom bundesrechtlichen Steuerrecht auf das kommunale Abgabenrecht (und hier speziell auf das Beitragsrecht) zu übertragen seien. Anknüpfend daran, dass dem kommunalen Abgabenrecht eine Unterscheidung zwischen Verbrauchsteuern (§ 172 Abs. 1 Nr. 1 AO) und anderen Steuern (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 AO) fremd sei, hat der Senat darauf hingewiesen, dass auch die einzelnen, gleichfalls speziell auf das bundesrechtliche Steuerrecht zugeschnittenen Tatbestände des § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht ohne Weiteres auf das kommunale Abgabenrecht „eins zu eins“ zu übertragen seien.

38

Im Zusammenhang mit der Frage der Nacherhebung von Beiträgen hat der Senat in seinem Beschluss vom 19. November 2007 – 1 L 1/07 – (juris) erläutert, dass der Gesetzgeber in Mecklenburg- Vorpommern keine "vorbehaltlose Anordnung der entsprechenden Anwendung der AO" getroffen habe. Zum einen liege schon in dem Begriff der "entsprechenden" Anwendung eine Einschränkung; diese erfordere bei jeder Einzelnorm der Abgabenordnung die Prüfung ihrer Zielsetzung und der Vergleichbarkeit der Anwendungsbereiche. Daher könne allein aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in Mecklenburg- Vorpommern im Unterschied zu einigen anderen Bundesländern nicht bestimmte Regelungen der Abgabenordnung ausdrücklich für unanwendbar erklärt hat, nicht umgekehrt geschlossen werden, sie seien grundsätzlich anwendbar.

39

Ebenfalls zur Frage der Nacherhebung findet sich im Urteil des Senats vom 15. Dezember 2009 – 1 L 323/06 – (juris; auch 1 L 324/06) insbesondere der weitere Hinweis, dass die §§ 172 ff. AO in ihrem ausdifferenzierten Regelungsgehalt und ihrem Wortlaut nach jedenfalls für die Nacherhebung von Anschlussbeiträgen im dort in Rede stehenden Sinne offensichtlich nicht ohne Weiteres "passen" und eine hinreichend schlüssige rechtliche Konstruktion zu einer Transformation des Regelungssystems der §§ 172 ff. AO für die Beitragsnacherhebung im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen fehle. Dies spreche grundsätzlich gegen eine Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO in diesem Bereich.

40

Schließlich hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 03. Januar 2006 – 1 O 117/05 – (Beschwerden gegen Beiladungen im vorangegangenen Verfahren Az. 3 A 1109/02 VG Greifswald) die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit insbesondere des § 174 Abs. 5 AO unter Vorgriff auf den vorliegenden Rechtsstreit thematisiert und darauf hingewiesen dass in einem Folgerechtsstreit vom Verwaltungsgericht zu entscheiden sein werde, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt sich § 174 Abs. 4 und 5 AO auf einen abgabenrechtlichen Rechtsstreit vor den Verwaltungsgerichten übertragen lässt. Eine Anwendung "eins zu eins" scheide bereits deshalb aus, weil § 174 AO – wegen § 12 Abs. 1 KAG M- V – nur entsprechend gelte. Es sei zu prüfen, ob und inwieweit § 174 AO von einem finanzgerichtlichen auf einen verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit übertragen werden könne, insbesondere ob und gegebenenfalls welcher Regelungsinhalt aus § 174 Abs. 5 AO auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren übertragbar sei, wenn dort die Möglichkeit des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO in Bezug genommen werde.

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Schon auf der Grundlage der dargestellten Senatsrechtsprechung ist demnach eine „entsprechende“ Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO teilweise grundsätzlich ausgeschlossen und teilweise nur eingeschränkt möglich. Im Falle des § 174 Abs. 5 AO ergibt die nähere Untersuchung, dass mit Blick auf den Regelungsgehalt des § 174 Abs. 5 AO in seiner Ausformung durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und insbesondere den systematischen Kontext der Norm zur Finanzgerichtsordnung eine „entsprechende“ Anwendbarkeit der Vorschrift im Kommunalabgabenrecht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Es trifft entgegen dem Vorbringen des Beklagten insoweit zunächst nicht zu, dass der Senat in seinem Beschluss vom 04. April 2001 – 1 M 21/00 – (juris) die Anwendbarkeit von § 174 Abs. 5 AO im abgabenrechtlichen Verwaltungsstreitverfahren bejaht hätte; in dieser Entscheidung ist – ohne nähere Erörterung – lediglich ausgeführt, dass § 174 Abs. 4 AO anwendbar sei, und stand im Übrigen nicht die Beteiligung eines Dritten im Prozess bzw. die Erstreckung der Regelung des § 174 Abs. 4 AO auf einen Dritten in Rede.

42

Die Unanwendbarkeit des § 174 Abs. 5 AO im Bereich des Kommunalabgabenrechts ergibt sich bereits zwingend aus dem Umstand, dass diese Norm einen spezifisch prozessrechtlichen Regelungsgehalt besitzt und der Landesgesetzgeber für die Gesetzgebungsmaterie des Verwaltungsprozessrechts keine Gesetzgebungskompetenz besitzt, die es ihm erlauben würde, kraft landesgesetzlicher Verweisung eine entsprechenden prozessrechtliche Regelung im Kontext der Beitragserhebung zu normieren.

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§ 174 Abs. 5 Satz 2 AO enthält nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urt. v. 25.08.1987 – IX R 98/82 –, juris; Beschl. v. 30.01.2012 – III B 20/10 –, juris; vgl. auch Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 174 Rn. 73) einen selbständigen Beiladungsgrund; danach ist eine Beiladung unabhängig davon zulässig, ob auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 FGO erfüllt sind. Der Sache nach geht es bei dem selbständigen Beiladungsgrund nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO um die Anwendbarkeit einer Korrekturvorschrift und um den Rechtsschutz des Dritten (vgl. BFH, Beschl. v. 30.01.2012 – III B 20/10 –, juris). Für eine Beiladung nach § 174 Abs.5 Satz 2 AO ist lediglich erforderlich, dass ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist, hieraus sich rechtliche Folgerungen für einen Dritten ergeben und das Finanzamt die Beiladung beantragt oder veranlasst hat. Sinn und Zweck des § 174 Abs.5 Satz 2 AO gebieten es dabei im Finanzprozess, dem Dritten die Befugnisse eines notwendig Beigeladenen zu geben (vgl. BFH, Urt. v. 11.04.1991 – V R 40/86 –, juris; auch Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 174 Rn. 77). Dessen Beteiligung am Verfahren soll dem Finanzamt unter den Voraussetzungen des § 174 Abs.4 AO die Möglichkeit eröffnen, gegen ihn einen Bescheid zu erlassen, weil ein bestimmter Sachverhalt einheitlich und zutreffend beurteilt werden soll. Die Interessenlage des gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zum Verfahren Beigeladenen ist damit mit der eines notwendig Beigeladenen vergleichbar, ebenso folglich die verfahrensrechtliche Stellung, die er durch seine Beteiligung erlangt (vgl. BFH, Urt. v. 11.04.1991 – V R 40/86 –, juris). Dies rechtfertigt es, ihm im Finanzprozess die entsprechenden Rechte einzuräumen, auch wenn die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO nicht erfüllt sind (vgl. BFH, Beschl. v. 06.12.1979 – IV B 56/79 –, BStBl II 1980, 314 – zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen auch BFH, Urt. v. 25.08.1987 – IX R 98/82 –, juris).

44

Aus alledem wird deutlich, dass jedenfalls § 174 Abs. 5 Satz 2 AO einen spezifisch prozessrechtlichen Regelungsgehalt besitzt, der im Anwendungsbereich der Abgabenordnung die Norm des § 60 FGO um eine spezielle Regelung der Beiladung ergänzt, und zwar aus Sicht des Bundesfinanzhofs als verfahrensrechtlich notwendiges Korrektiv der materiellrechtlichen Erstreckung von § 174 Abs. 4 AO auf einen Dritten nach § 174 Abs. 5 Satz 1 AO. Insoweit sind § 174 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 AO auch untrennbar miteinander verknüpft. Obwohl er mit der Finanzgerichtsordnung das finanzgerichtliche Verfahren insbesondere in Gestalt von § 60 FGO (und § 60a FGO) und den dortigen Bestimmungen zur Beiladung gestützt auf seine Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG an sich abschließend geregelt hat, war der Bundesgesetzgeber kraft dieser Kompetenz auch befugt, mit der bundesrechtlichen Regelung des § 174 Abs. 5 Satz 2 AO eine ergänzende spezialgesetzliche Vorschrift zu normieren.

45

Diese Gesetzgebungskompetenz fehlt jedoch dem Landesgesetzgeber bezogen auf die ebenfalls abschließenden Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung zur Beiladung. Der Landesgesetzgeber ist daher kompetenzrechtlich nicht befugt, mittels Verweis in § 12 Abs. 1 KAG M-V auf § 174 Abs. 5 Satz 2 AO gerichtsverfahrensrechtliche Regelungen zu normieren, die im Ergebnis einen selbständigen bzw. von den Voraussetzungen der abschließenden Bestimmung des § 65 VwGO unabhängigen Beiladungsgrund schaffen. Jedenfalls wegen der untrennbaren Verknüpfung von § 174 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 AO gilt dies auch für die Regelung in Satz 1, deren verfahrensrechtliches Korrelat Satz 2 ist.

46

Daraus folgt ohne Weiteres, dass § 174 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 AO von der Verweisung in § 12 Abs. 1 KAG M-V nicht erfasst sein kann, weil letztere Bestimmung sonst gegen Verfassungsrecht in Gestalt der Bestimmungen zur Gesetzgebungskompetenz verstoßen würde. Landesrecht kann keinen von § 65 VwGO unabhängigen Beiladungsgrund normieren.

47

Selbst wenn man zwischen § 174 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 AO insoweit differenzieren wollte, könnte das Verwaltungsgericht – anders als im Finanzprozess – dem Dritten bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 65 Abs. 2 VwGO auch im Übrigen mit Blick auf die vom Bundesfinanzhof angenommene Interessenlage nicht die Stellung eines notwendig Beigeladenen einräumen. Es kann aber nicht sein, auf der materiellrechtlichen Ebene die Konsequenzen aus § 174 Abs. 5 Satz1 AO zu ziehen, ohne zugleich prozessrechtlich die für das finanzgerichtliche Verfahren gezogenen Folgerungen im Verwaltungsprozess umzusetzen.

48

Ohne dass es darauf für seine Entscheidung noch ankäme, verweist der Senat darauf, dass auch die nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu beachtenden komplexen Determinanten der Anwendung des § 174 Abs. 5 AO eine „entsprechende“ Anwendung der Bestimmung im verwaltungsgerichtlichen bzw. kommunalabgabenrechtlichen Streitverfahren ausschließen. Die sich aus dieser Ausformung ergebende Regelungskonzeption des § 174 Abs. 5 AO wäre nicht ohne Systembruch auf den kommunalabgabenrechtlichen Verwaltungsprozess übertragbar; eine Übertragbarkeit entzieht sich jedenfalls richterlicher Rechtsfortbildung. Grundlegend ist als Besonderheit des § 174 Abs. 5 AO danach zunächst zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Entscheidung über die Beiladung Dritter nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO allein in den Händen der Steuerbehörden liegt (vgl. BFH, Beschl. v. 27.01.1982 – VII B 141/81 –, juris; vgl. auch Beschl. v. 30.01.2012 – III B 20/10 –, juris; Beschl. v. 22.09.1993 – II B 67/93 –, juris): Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergebe sich, dass es sich jeweils um eine Ermessensentscheidung handele. Aus dem Gesamtzusammenhang, in den § 174 Abs. 4 und 5 AO gestellt sei, folge, dass die Ermessensausübung bei der Hinzuziehung oder Beiladung Dritter allein in den Händen der Steuerbehörde liege. Auch wenn die Finanzbehörde die Hinzuziehung des Dritten im Rechtsbehelfsverfahren nicht angeordnet hat und wenn der Steuerpflichtige nach erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren im Klageverfahren die Aufhebung bzw. Änderung des ihn belastenden Steuerbescheides begehrt, entscheide allein die Steuerbehörde, ob sie die Beiladung des Dritten zum Klageverfahren veranlasst bzw. darauf hinwirkt oder nicht. Dass die Beiladung im finanzgerichtlichen Verfahren nur durch das Finanzgericht angeordnet werden kann, ändere daran nichts. Es könne nicht dessen Sache sein, diese Entscheidung der Finanzbehörde abzunehmen und den Dritten von Amts wegen beizuladen, um der Finanzbehörde die Möglichkeit einer von dieser nicht ins Auge gefassten späteren steuerlichen Inanspruchnahme zu schaffen. Es würde damit Funktionen der Verwaltung ausüben, zu denen es als Rechtsprechungsorgan nicht befugt ist.

49

Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung schränkt also § 174 Abs. 5 AO bundesrechtlich den Spielraum der Finanzgerichte bei der Entscheidung über eine Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO ein. Da § 174 Abs. 5 AO vermittels § 12 Abs. 1 KAG M-V lediglich als landesrechtliche Bestimmung Anwendung finden kann, ist eine entsprechende Einschränkung der Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte jedenfalls im Bereich der einfachen Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO ausgeschlossen. In diesem Sinne hat der Senat in seinem bereits erwähnten Beschluss vom 03. Januar 2006 – 1 O 117/05 – neben den vorstehend wiedergegebenen Erwägungen ausgeführt:

50

„Durch den angefochtenen Beschluss vom 24. August 2005 hat das Verwaltungsgericht eine einfache Beiladung ausgesprochen (§ 65 Abs. 1 VwGO); es hat die rechtlichen Interessen der Beigeladenen zu 1 bis 3 vom Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits als berührt angesehen. Der weitere als Klammerzusatz gegebene Hinweis "vgl. § 12 Abs. 1 KAG M- V i.V.m. § 174 Abs. 4, 5 AO" stellt den Charakter der Beiladung als einer einfachen Beiladung i.S.d. § 65 Abs. 1 VwGO nicht in Frage.

51

Eine Beiladung richtet sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung. Die Vorschriften der Abgabenordnung, die nur über die landesrechtliche Verweisungsnorm des § 12 Abs. 1 KAG M- V im abgabenrechtlichen Rechtsstreit entsprechend gelten, sind als landesrechtliche Regelungen nicht geeignet, die bundesrechtlichen Regelungen der VwGO in Frage zu stellen. Danach kommt bei einer einfachen Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO ausschließlich die Rechtsfolge des § 65 Abs. 4 S. 3 VwGO zur Anwendung, wonach der entsprechende Beschluss des Verwaltungsgerichts unanfechtbar ist.“

52

Demnach unterscheiden sich Inhalt und Voraussetzungen der gerichtlichen Beiladungsentscheidung im finanzgerichtlichen Prozess einerseits und im verwaltungsgerichtlichen Prozess andererseits im Anwendungsbereich des § 174 Abs. 5 AO bzw. des § 174 Abs. 5 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V auch unter diesem Blickwinkel ganz erheblich. Da es im Verwaltungsprozess nicht eine Entscheidung der Behörde, sondern des Gerichts ist, ob ein Dritter beigeladen wird oder nicht, die erst die Anwendung von § 174 Abs. 5 Satz 1 bzw. § 171 Abs. 4 AO ermöglichen könnte, ist es systematisch ausgeschlossen, eine solche Anwendung zu bejahen. Um mit dem Bundesfinanzhof zu sprechen: Es kann nicht Sache des Verwaltungsgerichts sein, die Entscheidung über die Möglichkeiten und Aussichten der Abgabenerhebung der Abgabenbehörde abzunehmen und den Dritten von Amts wegen beizuladen, um der Abgabenbehörde die Möglichkeit einer – von dieser ggfs. nicht einmal ins Auge gefassten – späteren abgabenrechtlichen Inanspruchnahme zu schaffen. Es würde damit Funktionen der Verwaltung ausüben, zu denen es als Rechtsprechungsorgan nicht befugt ist. Wäre dies zulässig, müsste jedenfalls dem beigeladenen Dritten ein Beschwerderecht eingeräumt sein. Denn mit der Beiladung tritt die Rechtsfolge des § 174 Abs. 5 AO, die Geltung des Abs. 4, (zunächst) unmittelbar ein.

53

Zu beachten ist aber weiter, dass der Beiladungsbeschluss eines Finanzgerichts nach § 60 FGO bzw. § 174 Abs. 5 AO mit der Beschwerde angegriffen werden könnte (vgl. z. B. BFH, Beschl. v. 06.12.1979 – IV B 56/79 –, juris; Beschl. v. 27.01.1982 – VII B 141/81 –, juris), während die Beiladung im Verwaltungsprozess nach § 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 03. Januar 2006 – 1 O 117/05 –; vgl. Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 65 Rn. 180; auch BVerwG, Urt. v. 10.01.2011 – 7 C 10.00 –, BVerwGE 112, 335 – zitiert nach juris: „Die für die Rechtsmittelbefugnis des Beigeladenen erforderliche Beschwer ist zu verneinen, wenn er im vor-instanzlichen Verfahren zu Unrecht beigeladen wurde.“; a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 65 Rn. 37; vgl. zu einer besonderen Konstellation Czybulka, a.a.O., § 65 Rn. 166). Beiladungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichts unterliegen wegen der Unanfechtbarkeit nach § 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 512 ZPO nicht der Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 18.02.2005 – 4 B 421/04 –, SächsVBl. 2005, 123 – zitiert nach juris; vgl. auch Czybulka, a.a.O., § 65 Rn. 179).

54

Welches im Sinne des § 174 Abs. 4, 5 AO die gegenüber einem Dritten zu ziehenden „richtigen steuerrechtliche Folgerungen“ aus einem vom Steuerpflichtigen ausgelösten Korrekturverfahren sind, entscheidet sich im Ausgangsverfahren (vgl. BFH, Urt. v. 26.07.1995 – X R 45/92 –, juris). Der Dritte muss deshalb die materiell-rechtliche Beurteilung des einheitlichen Lebensvorgangs auf Grund seiner Beiladung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO gegen sich gelten lassen, kann aber die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 4, 5 AO im finanzgerichtlichen Verfahren bestreiten (vgl. BFH, Urt. v. 24.11.1987 – IX R 158/83 –, juris). Dies ist für den Beitragsschuldner als Dritten im Verwaltungsprozess nicht möglich.

55

Erheblich ist zudem, dass die Antragstellung des Beigeladenen im Verwaltungsprozess wegen § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO und der dazu vorliegenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unmittelbar materiell-rechtliche Folgen nach sich ziehen würde. Über den Wortlaut des § 174 Abs. 5 Satz 2 AO hinaus ist für seine Anwendung nämlich erforderlich, dass dem Dritten gegenüber hinsichtlich der Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Bescheides die Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt sind. Der Dritte muss seine Zustimmung zur Korrektur erklärt oder einen auf Aufhebung oder Änderung gerichteten Antrag gestellt haben (vgl. BFH, Urt. v. 05.05.1993 – X R 111/91 –, juris; vgl. auch Urt. v. 11.04.1991 – V R 40/86 –, juris). Der Dritte, der im Verwaltungsprozess seine Beiladung nicht anfechten könnte, würde sich vor diesem Hintergrund widerstreitenden Eigeninteressen ausgesetzt sehen: Einerseits müsste insbesondere der gegen seinen Willen einfach Beigeladene auf eine aussichtsreiche Antragstellung verzichten, um den betreffenden materiell-rechtlichen Folgen zu entgehen, bliebe andererseits jedoch regelmäßig unter Berücksichtigung der geläufigen Maßstäbe für die gerichtlichen Billigkeitsentscheidung gemäß § 162 Abs. 3 VwGO auf seinen außergerichtlichen Kosten sitzen.

56

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen wäre eine Unbeachtlichkeit des Ablaufs der Festsetzungsfrist schließlich jedenfalls den Erwägungen des Verwaltungsgerichts folgend zu verneinen.

57

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der Erlass oder die Änderung eines Steuerbescheides gegenüber einem Dritten nach § 174 Abs. 4 und 5 AO nur dann möglich, wenn dieser vor Ablauf der Festsetzungsfrist hinzugezogen oder beigeladen worden ist. Eine Hinzuziehung oder Beiladung kommt danach grundsätzlich nicht in Betracht, wenn gegenüber dem Dritten im Zeitpunkt der Hinzuziehung oder Beiladung die Festsetzungsfrist für den gegen ihn gerichteten Steueranspruch bereits abgelaufen war (vgl. BFH, Urt. v. 05.05. 1993 – X R 111/91 –, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817 – zitiert nach juris). Es besteht im Fall einer unterstellten Anwendbarkeit des § 174 Abs. 5 AO für den Senat kein Anlass, vorliegend von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

58

Im Streitfall ist diese Voraussetzung nicht erfüllt; die Festsetzungsverjährung war im Zeitpunkt der Beiladung der Klägerin mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 24. August 2005 – 3 A 1109/02 – bereits abgelaufen.

59

Maßgebend für den Rechtsstandpunkt des Bundesfinanzhofs sind folgende Erwägungen (vgl. etwa Urt. v. 05.05.1993 – X R 111/91 –, juris): Die in § 174 Abs.4 Satz 3 AO normierte Zurückdrängung des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zugunsten der Rechtsrichtigkeit setze Identität des Adressaten von ursprünglichem und neuem Bescheid voraus. Sie sei gerechtfertigt, weil derjenige, der das Korrekturverfahren mit Erfolg betrieben hat (§ 174 Abs.4 Satz 1 AO), innerhalb einer gewissen Zeitspanne gewärtigen müsse, dass die damit verbundenen weiteren Folgerungen auch außerhalb der allgemeinen Verjährungsfrist gezogen werden. Insoweit fehle eine schützenswerte Vertrauensposition. Grundlegend anders sei dies beim Dritten. Er habe nicht durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf eine Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Bescheids hingewirkt; bei ihm könnten – typischerweise – Kenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Korrektur nicht vorausgesetzt werden. Insofern gebe es keinen rechtfertigenden Grund dafür, ihm ohne Weiteres die Folgerungen aus der nachträglich richtigen Beurteilung des Sachverhalts auch jenseits der allgemeinen Festsetzungsverjährung anzulasten. Diese Ausgangslage verändere sich entscheidend erst von dem Zeitpunkt an, zu dem der Dritte an dem vom bisherigen Steuerschuldner betriebenen Verfahren förmlich beteiligt wird und dieses durch eigene Verfahrenserklärungen wirksam beeinflussen kann. Eine solche Einwirkung sei rechtlich nur möglich, solange noch keine Verjährung eingetreten ist.

60

Soweit der Bundesfinanzhof ausführt, bei einem Dritten könnten „ typischerweise“ Kenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Korrektur nicht vorausgesetzt werden, ist dies im Sinne des Vorbringens des Beklagten kein Einfallstor für entscheidungserhebliche Billigkeitserwägungen. Die Kläger des Verfahrens Az. 3 A 1109/02 (VG Greifswald) sind Gesellschafter der Klägerin. Auch wenn man folglich ihrerseits „Kenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Korrektur“ im damaligen Verfahren annehmen könnte, rechtfertigen diese nicht die Anwendung des § 174 Abs. 5 AO gegenüber der Klägerin. Inwieweit ein Kläger etwa in seiner Eigenschaft als Mitgesellschafter oder Prozessvertreter einer GbR in das von dieser betriebene Verfahren eingeschaltet und dadurch auf die bevorstehenden Korrekturen tatsächlich vorbereitet war, ist unerheblich. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze (Treu und Glauben, Vertrauensschutz) wirken rechtsbegrenzend lediglich innerhalb eines bestehenden Steuerschuldverhältnisses und erfordern Identität der Rechtssubjekte (vgl. zum Ganzen BFH, Urt. v. 05.05.1993 – X R 111/91 –, juris).

61

Die Ausführungen des Beklagten zu Erhebungspflicht, Refinanzierungsbedarf, effektiver Beitragserhebung, Schwierigkeiten der Beitragserhebung und aktiver Beteiligung der Klägerin nach Beiladung im Ausgangsprozess sind mit Blick auf die verneinte Anwendbarkeit des § 174 Abs. 5 AO nicht entscheidungserheblich. Sie können mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen aber auch unabhängig von der Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 174 Abs. 4, 5 AO nicht durchgreifen. Die weitere Rüge, die Kläger im Ausgangsverfahren hätten ihren Widerspruch erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist gegenüber der Klägerin begründet, sie hätten damit selbst die Ursache dafür gesetzt, dass die Beiladung erst nach Fristablauf habe beschlossen werden können, geht – unabhängig von der Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 174 Abs. 5 AO – ins Leere, da die Klägerin bereits seit 1995 im Grundbuch als Erbbauberechtigte eingetragen war. Ebenso ist auf die schon vor Verjährungseintritt vorliegende Rechtsprechung des BGH zur Fähigkeit einer GbR, Grundstückseigentümerin und Erbbauberechtigte sein zu können, hinzuweisen. Auch in seinem Urteil vom 01. April 2009 – 1 L 110/06 – hat der Senat ausführlich zur aus seiner Sicht ohne Weiteres gegebenen Möglichkeit der Inanspruchnahme der Klägerin hingewiesen. Der auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. November 1993 – I R 20/93 – (juris) gestützte Einwand, die Klägerin habe durch verfahrensrechtliche Initiative in das ursprüngliche, ihre Gesellschafter betreffende Verfahren eingegriffen und sei deshalb nicht schutzwürdig, greift schon im Ansatz wegen der Unanwendbarkeit des § 174 Abs. 5 AO nicht durch. Im Übrigen geht auch der diesbezüglicher Vortrag des Beklagten fehl: Der Beklagte meint, die Gesellschafter hätten den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. November 2000 zunächst unter dem Briefkopf „A.“ innerhalb der Festsetzungsfrist eingelegt, folglich sei diese Erklärung der hiesigen Klägerin zuzurechnen. Dem kann nicht gefolgt werden, weil der Widerspruch vom 07. Dezember 2000 zwar unter dem Briefkopf „A.“ erfolgt ist. Gleichwohl lässt sich dem Widerspruchsschreiben mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass nicht die Klägerin, sondern die Herren Sindram jeweils persönlich Widerspruchsführer gewesen sind. Dies ergibt sich vor allem unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes des Beklagten: Die mit dem Widerspruch angegriffenen Bescheide waren jeweils unzweideutig an die Herren ... persönlich als Schuldner der Erschließungsbeiträge gerichtet. Bei verständiger Würdigung ihres erkennbaren Rechtsschutzziels kam infolgedessen nur die Auslegung des Widerspruchs dahingehend in Betracht, dass die Herren ... als persönlich in Anspruch genommene Schuldner der Erschließungsbeiträge – spiegelbildlich – auch persönlich gegen die an sie adressierten Bescheide Widerspruch einlegen wollten und eingelegt haben. Dass der Beklagte selbst genau diese Bewertung vorgenommen hat, zeigen seine „Zwischenbescheide“ vom 19. Januar 2001 deutlich. Diese sind nämlich wiederum an die Herren ... persönlich gerichtet und werden mit einer persönlichen Formel („Sehr geehrter Herr ..., Ihr Widerspruch …) eingeleitet. Es kann deshalb keine Rede davon sein, die Klägerin habe durch verfahrensrechtliche Initiative in das ihre Gesellschafter betreffende Verfahren eingegriffen.

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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