Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 2231/18
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 30.4.2018 geändert.
Es wird festgestellt, dass der Ablehnungsbescheid vom 29.6.2017 rechtswidrig war und die Beklagte vor Beginn der Dürener Annakirmes 2017 verpflichtet war, den Antrag des Klägers auf Zulassung des Geschäfts „Formel 1“ neu zu bescheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger die Zulassung zur vom 29.7. bis 6.8.2017 veranstalteten Dürener Annakirmes 2017 versagen durfte.
2Der Kläger ist Schausteller und betreibt das Spielgeschäft „Formel 1“ mit Rennsimulatoren und anderen Spielgeräten, an denen die Besucher Gewinne erspielen können. Zu den Spielgeräten gehören auch sogenannte „Pusher“, bei denen Münzen oder Chips eingeworfen und mechanisch gegen- und übereinander geschoben werden. Der Kläger war mit seinem Geschäft von 2006 bis 2014 durchgängig auf der Annakirmes vertreten. In den Jahren 2015 und 2016 wurde die Bewerbung des Klägers jeweils abgelehnt. Entsprechend der Ausschreibung der Veranstaltung in der Fachzeitschrift „Der Komet“ bewarb er sich im Herbst 2016 bei der Beklagten für die Zulassung zur Annakirmes 2017.
3In einer Sitzung im Dezember 2016 entschied der nach § 11 Nr. 1 Satz 2 der Zuständigkeitsordnung für die Ausschüsse des Rates der Stadt Düren zuständige Steuerausschuss des Rates der Beklagten über die Zulassungen für die Kirmes. Es wurde entschieden, insgesamt 25 Spielgeschäfte zur Annakirmes zuzulassen, darunter ein Geschäft der Unterkategorie „mechanische Geschicklichkeitsspiele“, der auch das Geschäft des Klägers zugeordnet wurde, nämlich das Spielgeschäft „Play House“ der Kiddy Coaster UG (Schaustellerbetrieb S. ).
4Mit Bescheid vom 11.1.2017 lehnte die Beklagte daraufhin die Zulassung des Klägers mit der Begründung ab, dass der für die Vergabe der Standplätze zuständige Steuerausschuss entschieden habe, unter den Aspekten der Attraktivität und des Einfügens in das Platzbild anderen Geschäften den Vorzug zu geben.
5Der Kläger erhob dagegen Klage (3 K 672/17, VG Aachen) und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz (3 L 198/17, VG Aachen). Im Eilverfahren verpflichtete das Verwaltungsgericht Aachen die Beklagte mit Beschluss vom 6.6.2017, über den Zulassungsantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Den weitergehenden auf Zulassung zur Annakirmes 2017 gerichteten Antrag des Klägers lehnte das Verwaltungsgericht ab. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die zu Lasten des Klägers getroffene Auswahlentscheidung an einem rechtlich relevanten Begründungs- und Ermessensdefizit leide. Sie sei nicht hinreichend nachvollziehbar und transparent und damit gerichtlich nicht überprüfbar. Es seien weder schriftlich festgehaltene Attraktivitätsvergleiche gezogen noch auf andere Weise eine Grundlage für eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle geschaffen worden. Die Sache sei wegen des der Beklagten zustehenden Einschätzungs- und Entscheidungsspielraums aber nicht spruchreif.
6Daraufhin entschied der Steuerausschuss des Rates der Beklagten am 22.6.2017 erneut über die Zulassung des Klägers zur Annakirmes 2017 und lehnte eine Zulassung wiederum einstimmig ab. Im Sitzungsprotokoll wird ausgeführt, ausschlaggebend für die Entscheidung sei, dass der Kläger in der Vergangenheit wiederholt mehr „Pusher“ aufgestellt habe als erlaubt gewesen seien. Statt der vertraglich erlaubten zwei „Pusher“ habe er in den Vorjahren vier und zuletzt 2014 drei aufgebaut. Deshalb solle der Kläger gemäß Nr. 4.7 der Richtlinien für die Zulassung zur Dürener Annakirmes vom 15.1.1988 in der Fassung vom 8.12.2012 (Zulassungsrichtlinien) von der Zulassung ausgeschlossen werden.
7Die erneute Ablehnung wurde dem Kläger mit Bescheid vom 29.6.2017 mitgeteilt. In dem Bescheid wird dem Kläger erläutert, dass die Zulassung aufgrund von Nr. 4.7 der Zulassungsrichtlinien abgelehnt werde, weil er wiederholt gegen vertraglich festgelegte Zulassungskriterien verstoßen habe.
8Daraufhin erklärte der Kläger seine ursprünglich erhobene Klage (3 K 672/17, VG Aachen) für erledigt und stellte einen neuen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (3 L 1078/17, VG Aachen). Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18.7.2017 ab, erlegte der Beklagten jedoch die Kosten auf. Dies begründete die Kammer im Wesentlichen damit, dass die Verfahrensfehler, die der Beklagten bei der Vergabe der Standplätze für die Annakirmes 2017 unterlaufen seien, sich durch eine weitere Bescheidung des Zulassungsbegehrens des Klägers nicht mehr rechtzeitig vor Beginn der Kirmes beheben ließen. Es fehle zwar nach wie vor an einer Verteilungsentscheidung, die den rechtlichen Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit genüge. Angesichts der in wenigen Tagen beginnenden Veranstaltung könne die Auswahl aber nicht ein weiteres Mal wiederholt werden. Die Ablehnung unter Hinweis auf die Unzuverlässigkeit des Klägers wegen zurückliegender Vorgänge, von denen bei der ursprünglichen Ablehnungsentscheidung noch keine Rede gewesen und zu denen offenbar keine Verwaltungsvorgänge angelegt worden seien, erscheine als „nachgeschobene Begründung“.
9Ebenfalls am 18.7.2017 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, die er nach Durchführung der Annakirmes 2017 auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass ein Feststellungsinteresse sowohl wegen einer Wiederholungsgefahr als auch zur Vorbereitung eines Haftungsprozesses gegeben sei. Es bestehe die Gefahr, dass die Beklagte auch in Zukunft rechtswidrige Auswahlentscheidungen zu seinen Lasten treffen werde. Zudem beabsichtige er, Schadensersatzansprüche wegen entgangenen Gewinns geltend zu machen. Die Klage sei auch begründet. Er habe einen Anspruch darauf gehabt, zur Annakirmes zugelassen zu werden. Er habe in der Vergangenheit nicht gegen die Zulassungsbedingungen verstoßen. Im Jahr 2013 habe es keine Anordnung gegeben, nur zwei „Pusher“ aufzustellen. Erst im Jahr 2014 habe es eine solche Anordnung gegeben. Dieser Anordnung habe er rechtzeitig vor Beginn der Veranstaltung Folge geleistet, indem er zwei der vier „Pusher“ abgebaut habe. Der sachlich falsche Vorwurf des Vertragsbruchs sei von der Beklagten nur vorgeschoben worden, um die bereits getroffene Ablehnungsentscheidung zu rechtfertigen. Die Neuvergabe habe von Beginn an unter der Prämisse gestanden, das in der ersten Zulassungsrunde gefundene Ergebnis zu verteidigen. Bei Beachtung allgemein gültiger Wertmaßstäbe hätten für die zu vergleichenden Geschäfte alle Vor- und Nachteile abgewogen werden müssen, was im Ergebnis nur durch eine Bewertungsmatrix möglich sei. Außerdem sei die Beklagte ohne Grund von ihrer langjährigen Verwaltungspraxis abgewichen, die Vergabe bei vergleichbarer Attraktivität anhand des Kriteriums „bekannt und bewährt“ vorzunehmen.
10Der Kläger hat seine ursprünglichen Anträge, die Beklagte zu verpflichten, ihn mit seinem Spielgeschäft „Formel 1“ auf der Annakirmes 2017 in Düren zuzulassen, hilfsweise seinen Antrag auf Zulassung zur Annakirmes 2017 in Düren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, sowie den Zulassungsbescheid zu Gunsten des Schaustellerbetriebs S. aufzuheben, umgestellt und sinngemäß beantragt,
11festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 29.6.2017 rechtswidrig war und ihn in seinen Rechten verletzt hat.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass eine unzulässige Klageänderung vorliege. Der Feststellungsantrag beziehe sich nicht auf den ursprünglich mit der Verpflichtungsklage verfolgten Zugangsanspruch, sondern auf die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides. Zwar hätte der Erfolg der ursprünglichen Klage der inzidenten Feststellung bedurft, dass die Ablehnung der Zulassung des Klägers rechtswidrig war, diese wäre jedoch nicht Bestandteil der gerichtlichen Entscheidung geworden. Darüber hinaus wichen die maßgeblichen Entscheidungszeitpunkte beider Klagebegehren voneinander ab. Außerdem sei die Klage mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig. Insbesondere bestehe keine Wiederholungsgefahr, weil sie – die Beklagte – die in den zur Annakirmes geführten Eilverfahren dargelegte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts in den nächsten Jahren berücksichtigen und ihren Entscheidungen über die Platzvergabe zugrunde legen werde. Darüber hinaus seien auch die Vergabeentscheidungen in den vergangenen Jahren nicht zu beanstanden gewesen, so dass nicht zu befürchten sei, dass sich diese in Zukunft wiederholen würden. Weiter liege kein Präjudizinteresse vor. Ein solches sei nur gegeben, wenn die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen ernstlich beabsichtigt und nicht völlig aussichtslos sei. Dies sei nicht der Fall, weil die Klägerin weder hinreichend dargelegt habe, dass ihr überhaupt ein Schaden entstanden sei, noch in welcher Höhe ein solcher bestehe. Selbst wenn die Entscheidung ermessensfehlerhaft getroffen worden sei, bleibe offen, ob die Klägerin bei einer ermessensgerechten Entscheidung hätte berücksichtigt werden müssen. Die Klage sei auch unbegründet. Nach Nr. 4.7 der Zulassungsrichtlinien könne derjenige Bewerber, der bei vergangenen Veranstaltungen gegen vertragliche Vereinbarungen, gesetzliche Bestimmungen oder Anordnungen verstoßen habe, von der Zulassung ausgeschlossen werden. Auf diesen Ausschlusstatbestand stütze sich die zweite Vergabeentscheidung. Ein Attraktivitätsvergleich sei deshalb nicht mehr erforderlich gewesen.
15Während des erstinstanzlichen Verfahrens sind die Auswahlentscheidungen für die Annakirmes 2018 getroffen worden. Der Kläger hat sich erneut um einen Standplatz beworben. Der Steuerausschuss der Beklagten hat in seiner Sitzung am 19.12.2017 mehrheitlich entschieden, dem Kläger auch für dieses Jahr keine Zusage zu erteilen. In dem Ablehnungsbescheid wird die Ablehnung damit begründet, dass der Steuerausschuss mehrheitlich der Auffassung gewesen sei, das Geschäft eines Mitbewerbers sei attraktiver.
16Mit Urteil vom 30.4.2018 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es an dem erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers fehle. Ein Rehabilitationsinteresse liege nicht vor, weil eine verweigerte Kirmeszulassung nicht zu einem stigmatisierenden Nachteil habe führen können, der allein durch gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit ausgeglichen werden könne. Eine Wiederholungsgefahr sei ebenfalls nicht gegeben, da nicht ersichtlich sei, dass eine Auswahlentscheidung für die künftige Veranstaltung der Annakirmes zu denselben streiterheblichen Fragen bei der Herstellung eines Attraktivitätsvergleichs mit dem im Jahr 2017 zugelassenen Mitbewerber führen werde. Schließlich hat das Verwaltungsgericht ein Präjudizinteresse verneint und dazu ausgeführt, dass bereits bei überschlägiger Prüfung die Annahme gerechtfertigt sei, dass der gegen die Beklagte beabsichtigte Amtshaftungsprozess aussichtslos sei. Im Rahmen eines rechtmäßigen Alternativverhaltens sei es möglich gewesen, die Auswahlentscheidung zur Standplatzvergabe nach dem maßgeblichen Kriterium der Attraktivität rechtsfehlerfrei zu Lasten des Klägers zu treffen. Deshalb sei der für einen Amtshaftungsanspruch erforderliche Verursachungszusammenhang zwischen Behördenhandeln und Schaden nicht erkennbar.
17Am 13.7.2018 hat die Beklagte die Richtlinien für die Zulassung zur Dürener Annakirmes novelliert. In Nr. 4.7 der Richtlinien findet sich weiterhin die Regelung, wonach derjenige Bewerber, der bei vergangenen Veranstaltungen gegen vertragliche Vereinbarungen, gesetzliche Bestimmungen oder Anordnungen der Beklagten verstoßen habe, von der Zulassung ausgeschlossen werden könne.
18Nach erneuter Beschlussfassung im Steuerausschuss hat die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Annakirmes 2018 mit Bescheid vom 27.7.2018 ein weiteres Mal abgelehnt. Zur Begründung wird nunmehr wiederum darauf verwiesen, dass die Zulassung aufgrund von Nr. 4.7 der Zulassungsrichtlinien abgelehnt werde, weil der Kläger wiederholt gegen vertraglich festgelegte Zulassungskriterien verstoßen habe. Statt der vertraglich erlaubten zwei „Pusher“ habe er tatsächlich in mehreren Jahren vier und zuletzt 2014 drei betrieben.
19Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei gegeben. Dies zeige sich bereits daran, dass die Beklagte seine Bewerbung für die Annakirmes 2018 erneut mit der Begründung abgelehnt habe, dass er sich in der Vergangenheit über vertragliche Vorgaben hinweggesetzt habe. Er könne sich auch auf ein Präjudizinteresse berufen. Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens sei unerheblich, wenn die Vergabe nicht in einem transparenten und willkürfreien Verfahren erfolgt sei. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei auch begründet. Die erneut zu treffende Auswahlentscheidung vom 29.6.2017 sei bereits deshalb fehlerhaft ergangen, weil die Beklagte in ihrer Begründung auf einen nie stattgefundenen Vertragsbruch und damit auf falsche Tatsachen abgestellt habe. Im Jahr 2014 habe er beim Aufbau zwar zunächst vier „Pusher“ abgeladen, aber zwei „Pusher“ sofort wieder auf den Hänger verladen, nachdem ihn der Mitarbeiter der Beklagten darauf hingewiesen habe, dass er nur zwei „Pusher“ aufbauen dürfe. Sein Spielgeschäft habe er sodann mit zwei „Pushertürmen“ aufgebaut. Darüber hinaus sei ein 3-Spiele-Platz im hinteren Spielbereich in die Front der Rennwagensimulatoren integriert gewesen. Soweit der Beklagten bei der Vergabe der Standplätze ein Ermessensspielraum zuzubilligen sei, bleibe überdies zu beachten, dass die Auswahlentscheidung transparent und nachvollziehbar sein müsse, um sie einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich zu machen. Die Beklagte müsse aus ihren Zulassungskriterien heraus einheitliche Bewertungsmaßstäbe entwickeln, um die Attraktivität der Spielgeschäfte einschätzen zu können. Die erfolgte Auswahlentscheidung lasse jede Systematik bei der Anwendung der Vergaberichtlinien vermissen. Es dürfe auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Vorsitzende des Steuerausschusses einen erheblichen Einfluss auf die Auswahlentscheidung ausübe. Insbesondere sorge er dafür, dass Bewerber, die ein Klageverfahren führten, grundsätzlich keine Zulassung mehr zur Annakirmes erhielten. Der Kläger habe damit von vornherein keine reelle Chance auf eine Zulassung gehabt, obwohl sich sein Geschäft im Rahmen eines Attraktivitätsvergleichs sicher durchgesetzt hätte und er sich nach Jahren der Zulassung gegenüber anderen Konkurrenten auf den Grundsatz „bekannt und bewährt“ berufen könne.
20Der Kläger beantragt,
21unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Aachen vom 30.4.2018 festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 29.6.2017 rechtswidrig war und die Beklagte vor Beginn der Dürener Annakirmes 2017 verpflichtet war, den Antrag auf Zulassung des Geschäfts "Formel 1" neu zu bescheiden.
22Die Beklagte beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Sie widerspreche der aus ihrer Sicht im erstinstanzlichen Antrag liegenden Klageänderung. Die Neuformulierung im Berufungsverfahren, die sich auf die Feststellung beziehe, dass die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet gewesen wäre, stelle eine erneute Klageänderung dar, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr sachdienlich sei und der sie daher ebenfalls widerspreche. Der Klage fehle darüber hinaus das Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein Präjudizinteresse könne mangels Ermessensreduzierung auf Null nicht bestehen. Das Fehlen der Wiederholungsgefahr zeige sich daran, dass der Kläger zwar noch die Ablehnungsentscheidung für das Jahr 2018 angegriffen, im Jahr 2019 indessen keine rechtlichen Schritte mehr ergriffen habe. Die Klage sei auch unbegründet. Der Kläger sei nach Nr. 4.7 der Zulassungsrichtlinien von der Zulassung ausgeschlossen worden, weil er in der Vergangenheit wiederholt mehr als zwei „Pusher“ aufgestellt habe, obwohl nur zwei „Pusher“ zugelassen worden seien. Es sei als Vertragsverletzung anzusehen, dass der Kläger mehr „Pusher“ aufgestellt habe, obwohl in seinen Bewerbungsunterlagen jeweils nur zwei „Pusher“ abgebildet gewesen seien. Im Jahr 2014 seien während der gesamten Kirmes drei „Pusher“ aufgebaut gewesen, zwei vorne und einer im hinteren Bereich des Geschäfts.
25Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge der Beklagten (drei Bände) und der beigezogenen Akten des Verwaltungsgerichts Aachen zu dem erledigten Hauptsacheverfahren (3 K 414/17) und den beiden Eilverfahren (3 L 137/17, 3 L 1049/17) sowie der auch zu diesem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten zum Verfahren 4 A 2129/18 (fünf Hefter und drei Ordner) Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe
27Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig (dazu unten I.) und auch begründet (dazu unten II.).
28I. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (dazu unten 1.) und auch im Übrigen zulässig (dazu unten 2.).
291. Nachdem sich das ursprüngliche auf die Zulassung zur Annakirmes 2017 gerichtete Verpflichtungsbegehren (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) erledigt hat, kann der Kläger seine Klage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage weiterführen. In der Umstellung des Klageantrags liegt keine Klageänderung i.S.v. § 91 VwGO, sondern lediglich eine Einschränkung des Klageantrags gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO. Für die Zulässigkeit der Antragsumstellung genügt es, dass nach Klageerhebung spätestens mit der Durchführung der Annakirmes 2017 ein das Verpflichtungsbegehren erledigendes Ereignis eingetreten ist.
30Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.1.2015 - 4 B 42.14 -, SächsVBl. 2015, 164 = juris, Rn. 8 f.
31Bestandteil des Streitgegenstands der umzustellenden Verpflichtungsklage ist die Feststellung, dass die Weigerung der Behörde in dem für das Verpflichtungsbegehren entscheidenden Zeitpunkt, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, die Rechtsordnung verletzt, nicht aber die Feststellung, dass der Verwaltungsakt, in dem die Ablehnung nach außen Gestalt gefunden hat, rechtswidrig ist.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.5.2007 - 3 C 8.06 -, BVerwGE 129, 27 = juris, Rn. 18.
33Nach Erledigung wird die Umstellung auf ein statthaftes Fortsetzungsfeststellungsbegehren nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber auch dadurch zulässigerweise zum Ausdruck gebracht, dass der Antrag dahingehend umgestellt wird, es werde die Feststellung der Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheids begehrt.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.4.1994 - 11 C 60.92 -, DVBl. 1994, 1192 = juris, Rn. 7 f.
35Maßgeblich für die Zulässigkeit der Weiterführung des Verfahrens mit dem Antrag, der ablehnende Bescheid sei rechtswidrig gewesen, ist grundsätzlich, dass sich der für eine solche Feststellung maßgebliche Zeitpunkt mit dem des bisherigen Verpflichtungsbegehrens im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses deckt und der Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht über den ursprünglichen Streitgegenstand hinausgeht.
36Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.1.2015 - 4 B 42.14 -, SächsVBl. 2015, 164 = juris, Rn. 8, Urteile vom 24.1.1992 - 7 C 24.91 -, BVerwGE 89, 354 = juris, Rn. 8, und vom 16.5.2007 - 3 C 8.06 -, BVerwGE 129, 27 = juris, Rn. 13 ff.
37Sowohl der im Berufungsverfahren auf Anregung des Gerichts gestellte Antrag des Klägers festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid rechtswidrig und die Beklagte vor Beginn der Annakirmes 2017 verpflichtet war, den Antrag auf Zulassung neu zu bescheiden, als auch die in der ersten Instanz formulierte Fassung des Klageantrags festzustellen, dass der Bescheid rechtswidrig war und ihn in seinen Rechten verletzt hat, beinhalten keine Änderung des Streitgegenstands gegenüber der ursprünglichen Verpflichtungsklage. Nach dem für die Auslegung des Klageantrags jeweils maßgeblichen Begehren des Klägers (§ 88 VwGO) ist und war der Antrag der Sache nach jeweils auf die Feststellung gerichtet, dass der Kläger zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses einen Anspruch auf erneute Entscheidung über seinen Zulassungsantrag hatte. Der Kläger hatte im Berufungsverfahren bereits schriftsätzlich klargestellt, dass es ihm um die Klärung der Frage geht, ob die Beklagte zur Neubescheidung seines Antrags verpflichtet gewesen sei.
38Selbst wenn in dem nach Anregung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Feststellungsantrag gegenüber dem erstinstanzlich gestellten Antrag eine Klageänderung liegen sollte, wäre diese jedenfalls sachdienlich im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO. Sie diente der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren und der Streitstoff bliebe bezogen auf die ursprüngliche Verpflichtungsklage im Wesentlichen derselbe.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.8.2005 - 4 C 13.04 -, BVerwGE 124, 132 = juris, Rn. 22.
402. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Der Kläger hat an der begehrten Feststellung ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in Gestalt einer hinreichend konkreten Wiederholungsgefahr.
41Die Annahme einer Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass auch in Zukunft die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen wie in dem für die Beurteilung der erledigten Maßnahme maßgeblichen Zeitpunkt.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.3.2013 - 3 C 6.12 -, NVwZ 2013, 1550 = juris, Rn. 13, m. w. N.
43Ist gerichtlicher Eilrechtsschutz erlangt worden, bestehen aber Anhaltspunkte dafür, dass Behörden sich nicht an den in vorangegangenen Eilverfahren vorgenommenen gerichtlichen Bewertungen ausrichten werden, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen, es sei denn, die konkret betroffene Behörde hat eindeutig erkennen lassen, von einer Wiederholung der Verwendung der angegriffenen von ihr ursprünglich gegebenen Begründung der streitgegenständlichen Entscheidung in Zukunft absehen zu wollen.
44Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 = juris, Rn. 44.
45Der Kläger beabsichtigt, sich auch in Zukunft um einen Standplatz auf der Annakirmes zu bewerben. Er muss befürchten, erneut mit der Begründung abgelehnt zu werden, in der Vergangenheit wiederholt gegen vertraglich festgelegte Zulassungsbedingungen verstoßen zu haben. Die Beklagte verteidigt ihre entsprechende Auswahlentscheidung vom 29.6.2017 und hat die Bewerbung des Klägers für die Annakirmes 2018 erneut mit der gleichen Begründung abgelehnt.
46Die Neufassung der Zulassungsrichtlinien vom 13.7.2018 lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Die Regelung zum Ausschluss von der Zulassung bei Verstößen gegen vertragliche Vereinbarungen, gesetzliche Bestimmungen oder Anordnungen in Nr. 4.7 der Richtlinien, auf die die Beklagte die streitige Ablehnungsentscheidung gestützt hat, ist im Wesentlichen unverändert geblieben.
47Es kann daher an dieser Stelle dahinstehen, ob sich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers daneben auch auf ein Präjudizinteresse im Hinblick auf mögliche Schadensersatzansprüche stützen lässt.
48II. Die Klage ist auch begründet.
49Die mit dem Bescheid der Beklagten vom 29.6.2017 bekannt gegebene Ablehnung der Zulassung des Klägers zur Annakirmes 2017 war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte war vor Beginn der Annakirmes 2017 im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Zulassung mit dem Spielgeschäft „Formel 1“ zur am 29.7.2017 beginnenden Dürener Annakirmes neu zu bescheiden, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Der Kläger hatte nach § 70 Abs. 1 GewO einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Zulassungsantrag, dem die Auswahlentscheidung der Beklagten nicht gerecht geworden ist.
501. Nach § 70 Abs. 1 GewO ist jedermann, der dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung angehört, nach Maßgabe der für alle Teilnehmer geltenden Bestimmungen zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigt. Dieser Anspruch wird gemäß § 70 Abs. 3 GewO unter anderem dadurch eingeschränkt, dass der Veranstalter aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme ausschließen darf. Erfolgt der Ausschluss wegen Platzmangels, muss der zwischen den Bewerbern angelegte Verteilungsmaßstab sachlich gerechtfertigt sein. Was sachlich gerechtfertigt ist, bestimmt sich nach dem allgemeinen Gleichheitssatz unter Berücksichtigung des Lebenssachverhalts, in dessen Rahmen das Ermessen ausgeübt wird. Danach ist ein Auswahlverfahren nicht zu beanstanden, das den in § 70 Abs. 1 GewO niedergelegten Grundsatz der Marktfreiheit beachtet und jedem Bewerber die gleiche Zulassungschance einräumt.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.1984 - 1 C 24.82 -, GewArch 1984, 265 = juris, Rn. 12, Beschluss vom 4.10.2005 - 6 B 63.05 -, GewArch 2006, 81 = juris, Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 15.5.2017 - 4 A 1504/15 -, NWVBl. 2017, 392 = juris, Rn. 5.
52Das Veranstalterermessen bezieht sich zunächst auf die Festlegung des räumlichen Umfangs der Veranstaltung, die Aufteilung des insgesamt zur Verfügung stehenden Geländes, die Belegungsdichte und die Festlegung des gewünschten Gesamtbildes und umfasst unter anderem auch die Befugnis, die Art der zuzulassenden Betriebe (Branchen, Sparten) zu bestimmen und gleichzeitig die Anzahl der Geschäfte einer Branche zur Vermeidung eines einförmigen Erscheinungsbildes und im Interesse der Ausgewogenheit des Gesamtangebotes zu begrenzen. Die konkrete Entscheidung, welchem der Bewerber der Vorzug zu geben ist und welche Bewerber abzulehnen sind, steht ebenfalls im Ermessen des Veranstalters. Ist die Kapazität beschränkt und übersteigt die Zahl der Interessenten die der zur Verfügung stehenden Plätze, wandelt sich der Zulassungsanspruch des einzelnen Teilnehmers in einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Zulassungsantrag.
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.7.2017 - 4 B 869/17 -, juris, Rn. 11.
54Die Kriterien, von denen sich eine Behörde bei ihren Entscheidungen nach § 70 Abs. 3 GewO leiten lässt, müssen transparent und nachvollziehbar sein, um allen Bewerbern eine hinreichende Chancengleichheit zu gewährleisten. Entscheidend ist dabei, dass durch die Verfahrensgestaltung eine sachwidrige Verengung des Bewerberkreises vermieden und damit gewährleistet wird, dass die Auswahl tatsächlich unter allen potentiellen Bewerbern erfolgen kann.
55Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15.5.2017 - 4 A 1504/15 -, NWVBl. 2017, 392 = juris, Rn. 16 ff., und vom 25.7.2018 - 4 B 1065/18 -, NWVBl. 2019, 83 = juris, Rn. 5 ff., sowie - 4 B 1068/18 -, StGR 2018, Nr. 11, 33 = juris, Rn. 5 ff., jeweils m. w. N.
56Bei Auswahlentscheidungen, an denen – wie hier zumindest aufgrund der Lage der Beklagten in der Nähe des Dreiländerecks zwischen der Bundesrepublik Deutschland, den Niederlanden und Belgien und der überregionalen Ausrichtung der Annakirmes – ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht, ergibt sich die Pflicht transparenter und nachvollziehbarer Entscheidungen auch aus dem auf dem allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung beruhenden europarechtlichen Transparenzgebot. Dabei ist den Mitgliedstaaten allerdings ein gewisses Ermessen zuzuerkennen, um zur Einhaltung dieser Grundsätze bestimmte Maßnahmen zu erlassen. Die Verpflichtung zur Transparenz soll nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs insbesondere die Gefahr willkürlicher Entscheidungen ausschließen.
57Vgl. EuGH, Urteil vom 16.4.2015 - C-278/14 - EU:C:2015:228, VergabeR 2015, 555 = juris, Rn. 16 und 25 ff. m. w. N.; OVG NRW, Beschlüsse vom 15.5.2017 - 4 A 1504/15 -, juris, Rn. 20, m. w. N., und vom 16.8.2019 - 4 B 659/18 -, juris, Rn. 37 ff.
58Nach dem Transparenzgebot muss die öffentliche Stelle zugunsten der potenziellen Bewerber einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen, der den Wettbewerb eröffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob das Auswahlverfahren unparteiisch durchgeführt worden ist.
59Vgl. EuGH, Urteil vom 13.10.2005 - C-458/03 - EU:C:2005:605, GewArch 2005, 471 = juris, Rn. 49.
60Die Verpflichtung zur Transparenz bedeutet nach der Rechtsprechung des EuGH auch, dass sich die öffentliche Stelle während des gesamten Verfahrens an dieselbe Auslegung der Zuschlagskriterien halten muss. Erst recht dürfen diese Kriterien während des Verfahrens nicht geändert werden.
61Vgl. EuGH, Urteil vom 18.11.2010 - C-226/09 -EU:C:2010:697, VergabeR 2011, 194 = juris, Rn. 59 f.
62Außerhalb unionsrechtlich harmonisierter Vergabeverfahren reicht die Transparenzpflicht aber nicht so weit, dass auch die relative Gewichtung der vorab bekannten Kriterien sowie die Präzisierung der Modalitäten, nach denen die vorliegenden Anträge zu bewerten sind, vorab zu bestimmen und allgemein oder den potenziellen Interessenten mitzuteilen sind. Deshalb muss auch nicht bereits ein von den zuständigen Behörden auf der Grundlage objektiver Auswahlkriterien durch Präzisierung der Modalitäten, nach denen die vorliegenden Anträge zu bewerten sind, zu entwickelnder Verteilmechanismus vorab bekannt gegeben werden.
63Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.8.2019 - 4 B 659/18 -, juris, Rn. 48 ff., m. w. N.
64Unter Beachtung dieser unionsrechtlichen Vorgaben ist es einer staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, nach dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen. Darüber hinaus kann die tatsächliche Vergabepraxis zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen. Jeder Mitbewerber muss eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für den spezifischen Auftrag wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden. Insofern verfügt jeder Mitbewerber über ein subjektives Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
65Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.6.2006 - 1 BvR 1160/03 -, BVerfGE 116, 135 = juris, Rn. 64 f.
66Werden im Interesse einer transparenten und rechtssicheren Auswahl Ausschreibungsbedingungen öffentlich bekannt gemacht, führt dies über Art. 3 Abs. 1 GG zu einer Selbstbindung der Verwaltung und vermittelt den einzelnen Bewerbern einen Anspruch auf Gleichbehandlung und Einhaltung der verlautbarten Bedingungen.
67Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.7.2016 - 4 B 691/16 -, juris, Rn. 7 f., m. w. N.
682. Die angegriffene Auswahlentscheidung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
69Die aufgrund der Entscheidung des Steuerausschusses des Rates der Beklagten in seiner Sitzung vom 22.6.2017 erfolgte Ablehnung des vom Kläger eingereichten Zulassungsantrags, über die er durch Bescheid vom 29.6.2017 unterrichtet worden ist, beruht schon deshalb auf einer fehlerhaften Anwendung der Ziffer 4.7 der Zulassungsrichtlinien, weil sie von einem unzutreffenden bzw. nicht feststellbaren Sachverhalt ausgeht.
70Die Beklagte hat die Ablehnung der Bewerbung des Klägers damit begründet, dass er wiederholt gegen vertraglich festgelegte Zulassungskriterien verstoßen habe. Die Zulassung sei mit der Auflage versehen gewesen, dass er nur zwei „Pusher“ aufbauen dürfe. Statt der nachweislich des Sitzungsprotokolls genehmigten zwei „Pusher“ habe er 2014 drei „Pusher“ aufgebaut und in den Vorjahren vier. Deshalb solle der Kläger gemäß Nr. 4.7 der Zulassungsrichtlinien abgelehnt werden. Nach dieser Bestimmung kann von der Zulassung ausgeschlossen werden, wer bei vergangenen Veranstaltungen gegen vertragliche Vereinbarungen, gesetzliche Bestimmungen oder Anordnungen der Beklagten verstoßen hat.
71Die Annahme des Steuerausschusses, der Kläger habe in der Vergangenheit wiederholt gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen, hat sich im gerichtlichen Verfahren jedoch nicht bestätigt. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger im Jahr 2014 eine unzulässige Anzahl „Pusher“ aufgestellt hat. Es liegen jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er in den Jahren zuvor gegen vertragliche Vorgaben verstoßen hätte. Da nicht feststellbar ist, dass die Beklagte die Entscheidung selbständig tragend allein auf einen Verstoß im Jahr 2014 stützen wollte, ist die für die Ablehnungsentscheidung gegebene Begründung, der Kläger habe sich wiederholt vertragsbrüchig gezeigt, nicht tragfähig.
72Es lässt sich bereits nicht feststellen, dass es vor dem Jahr 2014 eine vertragliche Verpflichtung gegeben hätte, nicht mehr als zwei „Pusher“ aufzustellen.
73Eine besondere Auflage zum Geschäftsaufbau wurde dem Kläger erstmalig im Jahr 2014 erteilt. Dem vorgelegten Protokoll der Sitzung des Steuerausschusses vom 23.1.2014 lässt sich entnehmen, dass intensiv über die Zulassung des Geschäfts des Klägers zur Annakirmes 2014 diskutiert wurde. Es wurde mehrheitlich beschlossen, das Geschäft aufgrund seiner Attraktivität zur Annakirmes zuzulassen, aber in den Vertrag aufzunehmen, dass Veränderungen am Geschäft nicht zulässig seien. Damit folgte die Mehrheit dem Vorschlag der Verwaltung, die Zulassung mit der Auflage zu verbinden, genauso aufzubauen, wie auf dem Bewerbungsfoto angegeben. Die Rechtsdezernentin hatte zuvor ausgeführt, ein Ausschluss von der Kirmes sei nicht möglich, weil der Kläger in der Vergangenheit nicht darauf angesprochen worden sei, dass sein Geschäftsaufbau abweichend zur Bewerbung erfolgt sei. In den Verwaltungsvorgängen findet sich ein vom Kläger unterzeichnetes Schreiben vom 28.1.2014, in dem er erklärt, ihm sei bekannt, dass Abweichungen in der Bestückung des Spielgeschäfts „Formel 1“ nicht zulässig seien. Die Bewerbung des Klägers für die Annakirmes 2014 enthält eine Abbildung seines Spielgeschäfts, auf dem nur zwei „Pusher“ zu sehen sind. Vergleichbare Dokumente aus den Vorjahren hat die Beklagte nicht vorgelegt und auch nicht vorgetragen, dass gegenüber dem Kläger vor dem Jahr 2014 in ähnlicher Form die Anordnung ergangen oder dieser eine Verpflichtung eingegangen wäre, nicht mehr als zwei „Pusher“ aufzustellen.
74Dem vorgelegtem Standplatzmietvertrag aus dem Jahr 2014, der nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch in den Vorjahren in ähnlicher Form verwendet wurde und deshalb zur Beurteilung des Sachverhalts vor dem Jahr 2014 herangezogen werden kann, ist keine Verpflichtung zu entnehmen, gegen die der Kläger durch die Aufstellung von mehr als zwei „Pushern“ verstoßen haben könnte. In Betracht käme insoweit zunächst Nr. 2.8 des Mietvertrags, wonach die Stadt bei einer von den Bewerbungsunterlagen abweichenden Gestaltung des Geschäfts berechtigt ist, vom Vertrag zurückzutreten bzw. eine entsprechende Änderung zu verlangen. Nach Nr. 2.9 des vorgelegten Mietvertrags ist zudem ein Wechsel oder eine Änderung des Geschäfts nicht gestattet.
75Selbst wenn der Kläger mehr „Pusher“ aufgestellt haben sollte als in der Bewerbung angegeben waren, hätte er gegen diese Vorgaben nicht verstoßen. Die Verpflichtung aus Nr. 2.9 hätte er schon deshalb nicht verletzt, weil in dem abweichenden Abbau kein Wechsel oder keine Änderung des Geschäfts zu sehen wäre. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, unter welchen Umständen eine Änderung des Geschäfts im Sinne des Mietvertrags auch bei einer Änderung einzelner Gestaltungselemente vorliegen kann, die erkennbar von grundlegender Bedeutung für die Bewertung der Attraktivität sind. Denn für den Kläger war vor 2014 nicht erkennbar, dass die Anzahl der „Pusher“ von grundlegender Bedeutung für die Beklagte sein könnte. So hat die Beklagte dem Kläger trotz der aufgestellten „Pusher“ über Jahre eine Zulassung erteilt, obwohl keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass keine Spielgeschäfte mit andersartigen Spielen oder Spielgeräten zur Verfügung gestanden hätten.
76Auch ein Verstoß gegen Nr. 2.8 des Mietvertrags läge nicht vor. Eine Pflichtverletzung im Sinne von Nr. 4.7 der Zulassungsrichtlinien wäre nur anzunehmen, wenn es eine Anordnung der Beklagten gegeben hätte, die Gestaltung des Geschäfts zu ändern, und der Geschäftsinhaber dieser Anordnung nicht nachkommen wäre. Eine solche Anordnung hat es nach den Ausführungen im Sitzungsprotokoll vom 23.1.2014 in Bezug auf das Geschäft des Klägers vor dem Jahr 2014 aber nicht gegeben.
77Es gibt auch keinen ungeschriebenen Grundsatz, dass die abweichende Gestaltung eines Geschäfts stets einen Vertragsbruch oder eine sonstige Pflichtverletzung darstellt. Die eingereichte Bewerbung bildet zwar die Grundlage der Auswahlentscheidung des Steuerausschusses. Dies bedeutet aber nicht, dass mit der Einreichung der Bewerbung die Selbstverpflichtung verbunden ist, das Geschäft exakt in der Form aufzubauen, in der es abgebildet ist. Vielfach werden bei Bewerbungen Bildaufnahmen aus den Vorjahren verwendet, zum Teil von unterschiedlichen Standorten und mit verschiedenen Aufbauvarianten. Es ist auch nicht unüblich, dass die Gestaltung eines Geschäfts nach Einreichung der Bewerbung aktualisiert oder überarbeitet wird. Wenn es für die Auswahlentscheidung maßgeblich auf die konkrete Gestaltung des Geschäfts ankommen soll, steht es der Beklagten frei, die Zulassung mit einer entsprechenden Auflage zu verbinden.
78Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte eine abweichende Gestaltung eines Geschäfts auch in anderen Fällen zum Anlass genommen hätte, den Inhaber nach Nr. 4.7 der Zulassungsrichtlinien von künftigen Veranstaltungen auszuschließen. Eine derartige Verwaltungspraxis wäre zudem nicht mehr von den bei der Ausschreibung der Veranstaltung veröffentlichten Zulassungsrichtlinien gedeckt und würde den Anspruch auf Chancengleichheit im Vergabeverfahren unterlaufen. Die Bewerber haben einen Anspruch darauf, dass die verlautbarten Zulassungsbedingungen eingehalten und einheitlich angewandt werden.
79Vgl. EuGH, Urteil vom 18.11.2010 - C-226/09 -EU:C:2010:697, VergabeR 2011, 194 = juris, Rn. 59 f.; OVG NRW, Beschluss vom 20.7.2016 - 4 B 691/16 -, GewArch 2016, 472 = juris, Rn. 7 f., m. w. N.
80Schließlich lässt sich schon nicht feststellen, dass der Aufbau des Geschäfts des Klägers abweichend von den Bewerbungsunterlagen erfolgt ist, weil die Bewerbungsunterlagen aus den früheren Jahren nicht mehr vorliegen. Die vorgelegten Bewerbungsunterlagen aus den Jahren 2014, 2017 und 2018 enthalten unterschiedliche Abbildungen. Auf der Bewerbung für das Jahr 2017 ist die Anzahl der Pusher nicht erkennbar. Auf der Bewerbung für das Jahr 2018 sind vier „Pusher“ zu sehen, auf der Bewerbung für das Jahr 2014 zwei „Pusher“. Es ist aber jeweils nicht klar erkennbar, ob auf den Bildern auf Grund des jeweiligen Blickwinkels auf das Spielgeschäft sämtliche darin befindliche „Pusher“ abgebildet sind. Wenn sich die Anzahl der „Pusher“ aus der eingereichten Bewerbung nicht erkennen lässt, kann dies bei der Bewertung der Attraktivität nach Nr. 5.1.2 der Zulassungsrichtlinien berücksichtigt werden, insbesondere wenn der Aufbau des Geschäftes in den Vorjahren nicht den Erwartungen entsprach. Ein Vertragsbruch im Sinne von Nr. 4.7 der Zulassungsrichtlinien lässt sich daraus aber nicht ableiten.
81III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
82Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
83Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
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Referenzen
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- VwGO § 42 1x
- VwGO § 91 1x
- GewO § 70 Recht zur Teilnahme an einer Veranstaltung 1x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 132 1x
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