Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 A 250/19.A
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. , H. , für die Durchführung des zweitinstanzlichen Verfahrens wird abgelehnt.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 26. November 2018 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2A) Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgend wiedergegeben Gründen nicht die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
3B) Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg.
41. Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist zunächst nicht wegen der durch den Kläger geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen, weil das Zulassungsvorbringen nicht den sich aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG ergebenden Darlegungsanforderungen genügt.
5Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstgerichtlich noch nicht hinreichend geklärte und (auch) für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind demnach die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
6Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 8. Februar 2019 – 13 A 1776/18.A –, juris, Rn. 3 f., vom 20. Februar 2018 – 13 A 124/18.A –, juris, Rn. 3 f., und vom 14. Juli 2017 – 13 A 1519/17.A –, juris, Rn. 6 f., jeweils m.w.N.
7Ein auf die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage gestützter Zulassungsantrag genügt zudem nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, wenn in ihm lediglich die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom Verwaltungsgericht angenommen. Es ist vielmehr im Einzelnen darzulegen, welche Anhaltspunkte für eine andere Tatsacheneinschätzung bestehen. Der Kläger muss die Gründe, aus denen seiner Ansicht nach die Berufung zuzulassen ist, dartun und in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht erläutern. Hierzu genügt es nicht, bloße Zweifel an den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Gegebenheiten im Herkunftsland des Ausländers zu äußern oder schlicht gegenteilige Behauptungen aufzustellen. Vielmehr ist es erforderlich, durch die Benennung bestimmter Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Behauptungen in der Antragsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
8Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 8. Februar 2019 – 13 A 1776/18.A –, juris, Rn. 5 f., vom 14. März 2018 – 13 A 433/18.A –, juris, Rn. 13 f., und vom 20. Juni 2016 – 13 A 2789/15.A –, juris, Rn. 3 f., jeweils m.w.N.
9a) Nach diesen Maßgaben ist die Durchführung eines Berufungsverfahrens nicht im Hinblick darauf geboten, dass das Verwaltungsgericht eine ernsthafte Hinwendung des Klägers zum christlichen Glauben und in Folge dessen eine ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohende Verfolgung wegen seiner Konversion im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG verneint hat, obwohl das Verwaltungsgericht – so der Kläger – den formalen Akt seiner Taufe hätte anerkennen müssen.
10In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass – von Missbrauchsfällen abgesehen – die von einer Religionsgemeinschaft bestätigte Mitgliedschaft eines Asylbewerbers als solche von den Verwaltungsgerichten bei der Untersuchung, ob dem Asylbewerber in seinem Heimatland eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht, nicht infrage gestellt werden darf. Die durch Taufe bewirkte Mitgliedschaft in einer christlichen Religionsgemeinschaft ist aber nur dann allein entscheidungserheblich, wenn eine Verfolgung in einem Land ausschließlich an der formalen Kirchenzugehörigkeit anknüpft. Ist dies – wie vom Verwaltungsgericht hier sinngemäß für die Verfolgungslage in Afghanistan angenommen – nicht der Fall, haben das Bundesamt bzw. die Verwaltungsgerichte auf der Rechtstatsache der Kirchenmitgliedschaft aufbauend bei der Beurteilung der Schwere einer drohenden Verletzung der Religionsfreiheit des Betroffenen zu prüfen, ob die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis für ihn zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Da bereits der unter dem Druck drohender Verfolgung erzwungene Verzicht auf eine Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG erreichen kann, ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund drohender religiöser Verfolgung in diesem Fall maßgeblich, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist.
11Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 B 40.15 –, Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19 = juris, Rn. 11 m.w.N.; OVG NRW Beschluss vom 4. Juli 2018 – 13 A 1772/18.A –, juris, Rn. 5.
12Bei dieser Prüfung sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte nicht an die Beurteilung des zuständigen Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des betroffenen Asylbewerbers liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Die Verwaltungsgerichte haben die innere Tatsache, ob der Asylbewerber die im Herkunftsland unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet, vielmehr selbst zu überprüfen und dabei das Regelbeweismaß der vollen Überzeugung des Gerichts zugrunde zu legen. Die religiöse Identität als innere Tatsache lässt sich dabei nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers selbst sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen. Es unterliegt der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und ist insoweit keiner weiteren grundsätzlichen Klärung zugänglich, auf welche Weise der Tatrichter versucht, sich die erforderliche Überzeugungsgewissheit vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsache der Wahrung der religiösen Identität des Asylbewerbers zu verschaffen.
13Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 B 40.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19 = juris, Rn. 9, 13 f. m.w.N.; OVG NRW Beschluss vom 4. Juli 2018 – 13 A 1772/18.A –, juris, Rn. 7.
14Diese rechtlichen Maßstäbe sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie verletzen weder das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen oder Religionsgemeinschaften noch die Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit des Einzelnen, wie sie in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bzw. europarechtlich in Art. 10 Abs. 1 EUGrdRCh und Art. 9 Abs. 1 EMRK geschützt wird.
15Vgl. zuletzt BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. April 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 26 ff. m.w.N.
16Einen über diese Grundsätze hinausgehenden grundsätzlich bedeutsamen Klärungsbedarf zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf. Der Kläger hat insoweit bereits versäumt, eine konkrete für klärungsbedürftig erachtete Fragestellung herauszuarbeiten und zu formulieren. Mit seinen Ausführungen richtet er sich vielmehr im Stil einer Berufungsbegründung gegen die durch das Verwaltungsgericht herangezogenen rechtlichen Maßstäbe und dessen hierauf aufbauender Tatsachen- und Beweiswürdigung. Mit Einwänden gegen die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung kann der Kläger in dem auf die Prüfung von Berufungszulassungsgründen nach § 78 Abs. 3 AsylG beschränkten Berufungszulassungsverfahren jedoch grundsätzlich nicht durchdringen.
17b) Entsprechendes gilt, soweit der Kläger mit der Durchführung des Berufungsverfahrens sinngemäß die Klärung erstrebt,
18dass die Stadt bzw. Provinz Herat entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die dortige Sicherheitslage keine interne Schutzalternative im Sinne des § 3e AsylG darstellt.
19Die Frage zielt auf die Feststellung des Verwaltungsgerichts, weder drohe dem Kläger in Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch habe er einen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG, weil er sich (jedenfalls) auf die Möglichkeit internen Schutzes in Herat verweisen lassen müsse (§ 3e Abs. 1 AsylG bzw. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
20Gemäß § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Bei der Beurteilung, ob dem Asylbewerber die Inanspruchnahme der inländischen Fluchtalternative zumutbar ist, ist u.a. die Sicherheitslage des betreffenden Landesteils in den Blick zu nehmen und die Frage von Bedeutung, ob der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinden wird. Nach den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätzen bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum in aller Regel dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht.
21Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2007 – 1 C 24.06 –, juris, Rn. 11; OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2020 – 13 A 471/19.A –, n.v., S. 3 f. des amtlichen Umdrucks.
22Das Verwaltungsgericht hat diese Voraussetzungen für Herat bejaht und dies im Hinblick auf die durch den Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen beanstandete Sicherheitslage maßgeblich damit begründet, dass nach Auswertung der durch die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Afghanistan (UNAMA) übermittelten Anzahl an Toten und Verletzten in der Zivilbevölkerung durch Anschläge und bewaffnete Angriffe keine besonders hohe Gefährdung von Zivilpersonen verzeichnet werden könne, selbst wenn die übermittelten Zahlen im Hinblick auf eine etwaige Dunkelziffer zu verdreifachen seien. Die Gefahr von Zivilpersonen, bei Anschlägen verletzt oder getötet zu werden, liege hiernach ohne das Vorliegen besonderer gefahrerhöhender Umstände bei etwa 1 : 1.272. Es könne daher nicht angenommen werden, dass der Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan auch in Herat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verletzt oder getötet werde (UA S. 17 ff.). Mit dieser Begründung setzt sich der Kläger nicht in der gebotenen Weise auseinander. Er stellt weder die durch das Verwaltungsgericht herangezogenen rechtlichen Maßstäbe in Frage noch dessen konkrete Tatsachen- und Beweiswürdigung. Auch ist die mit dem Zulassungsantrag aufgestellte Behauptung, die Sicherheitslage in Herat stelle sich anders dar, als durch das Verwaltungsgericht angenommen, nicht in hinreichender Weise durch die Bezeichnung aussagekräftiger Erkenntnisquellen untermauert. Das Zulassungsvorbringen ist insoweit auf die auszugsweise Wiedergabe des „Sicherheits-Updates“ der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 12. September 2018 beschränkt, mit welchem unter Bezugnahme auf weitere Quellen zwar über einzelne Anschläge der Taliban auch in der Stadt und Provinz Herat berichtet wird. Damit ist aber noch nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts in Frage gestellt, für den Kläger bestehe, setze man die Zahl der Anschlagsopfer ins Verhältnis zur gesamten Zivilbevölkerung, gleichwohl keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, auch selbst bei einem Anschlag verletzt oder gar getötet zu werden.
232. Die gerügte Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG hat der Kläger ebenfalls nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt. Dies setzte voraus, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Divergenzgerichte aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz widersprochen hat.
24Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. November 2019 – 13 A 4475/18.A –, juris, Rn. 26, vom 18. Dezember 2017 – 13 A 753/17.A –, juris, Rn. 2, vom 14. September 2017 – 13 A 2111/17.A –, juris, Rn. 2, und vom 9. Januar 2017 – 13 A 1801/16.A –, juris, Rn. 11.
25Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht, weil der Kläger nicht dartut, dass das Verwaltungsgericht dem der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entnommenen Rechtssatz, ein Tatsachengericht könne im konkreten Einzelfall auch trotz nicht widerspruchsfreien Sachvortrags des Asylbewerbers dessen Angaben in den entscheidenden Punkten als glaubhaft ansehen,
26vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1989 – 9 B 239.89 –, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 113 = juris, Rn. 4,
27widersprochen haben könnte. Dies kann namentlich nicht schon deshalb angenommen werden, weil das Verwaltungsgericht vorliegend Widersprüche im Sachvortrag zur Begründung dafür herangezogen hat, seinen Angaben zum Verfolgungsschicksal keinen Glauben zu schenken.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1989 – 9 B 239.89 –, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 113 = juris, Rn. 3.
293. Die Berufung ist schließlich nicht nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO wegen der geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Überraschungsentscheidung das rechtliche Gehör versagt, indem es ihn nicht auf Zweifel an der Glaubhaftigkeit der von ihm geltend gemachten Hinwendung zum christlichen Glauben hingewiesen und ihm nicht ausdrücklich Gelegenheit zur weiteren Substantiierung seines Vortrags gegeben hat. Die im Einzelnen näher begründete Rechtsauffassung des Klägers, das Verwaltungsgericht sei zu einem solchen Hinweis verpflichtet gewesen, ist (auch) unter den gegebenen Umständen unzutreffend.
30Eine den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs konkretisierende gerichtliche Hinweispflicht zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung besteht nur dann, wenn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht mit einer bestimmten Bewertung seines Sachvortrags durch das Verwaltungsgericht zu rechnen braucht. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass aus dem in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgten Gebot des rechtlichen Gehörs grundsätzlich keine Hinweis- oder Aufklärungspflicht in Bezug auf die Rechtsansicht des Gerichts folgt und dass das Gericht auch nicht verpflichtet ist, bereits in der mündlichen Verhandlung das mögliche oder voraussichtliche Ergebnis der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung bekannt zu geben, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt. Auch kann von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen oder von ihm für unrichtig gehalten werden.
31Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2019 – 13 A 4476/18.A –, juris, Rn. 4 f. mit weiteren Nachweisen auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts.
32Art. 103 Abs. 1 GG begründet keine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, auf Unstimmigkeiten und Widersprüche im klägerischen Vorbringen hinzuweisen. Auch umfasst die Gewährung rechtlichen Gehörs keine Verpflichtung des Gerichts, bei Unstimmigkeiten und Widersprüchen eigenen Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Es entspricht vielmehr ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass der Betroffene im Rahmen seiner individuellen Möglichkeiten gehalten ist, schlüssige, nachvollziehbare und substantiierte Angaben zu seinem Verfolgungs-schicksal zu machen. Von dieser dem Asylbewerber obliegenden Mitwirkungspflicht dispensiert die Hinweispflicht des § 86 Abs. 3 VwGO nicht, denn diese dient nicht der Auffüllung von Lücken und Defiziten im Vorbringen des Asylbewerbers, sondern nur der Unterstützung des Asylbewerbers bei der Wahrnehmung seiner Mitwirkungspflicht.
33Vgl. wiederum OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2019 – 13 A 4476/18.A –, juris, Rn. 6 ff. m.w.N.
34Auch im vorliegenden Fall bestehen keine Gründe, ausnahmsweise von einer Hinweispflicht des Verwaltungsgerichts auszugehen. Der bei seiner persönlichen Befragung zur geltend gemachten Konversion im Rahmen der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretene Kläger hätte vielmehr erkennen können und müssen, nunmehr die Gelegenheit zur Darlegung sämtlicher aus seiner Sicht wesentlichen Umständen zu haben, um die von ihm behauptete ernsthafte Hinwendung zum Christentum glaubhaft zu machen.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
36Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 86 1x
- 13 A 1776/18 2x (nicht zugeordnet)
- 13 A 1772/18 2x (nicht zugeordnet)
- 13 A 433/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 AsylVfG 2x (nicht zugeordnet)
- 13 A 471/19 1x (nicht zugeordnet)
- 13 A 4475/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 108 1x
- 13 A 753/17 1x (nicht zugeordnet)
- § 3b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 138 1x
- 13 A 1801/16 1x (nicht zugeordnet)
- 13 A 1519/17 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- 2 BvR 1838/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 83b AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3e Abs. 1 AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- 13 A 2789/15 1x (nicht zugeordnet)
- 13 A 2111/17 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 3e AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- 13 A 124/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 166 1x
- § 80 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 AsylVfG 2x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 3 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- 13 A 4476/18 2x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)