Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 A 4073/18
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist als Heilpraktikerin tätig und hat ihren Praxissitz in C. . Mit Schreiben vom 19. Mai 2017 erklärte sie gegenüber der Bezirksregierung N. , entsprechend den Empfehlungen einiger Arzneimittelhersteller würden in ihrer Praxis registrierte homöopathische Injektionslösungen in einer Injektionsspritze gemeinsam aufgezogen und unmittelbar dem Patienten verabreicht. Im Rahmen der Eigenbluttherapie werde Patientenblut entnommen und reinjiziert. Die Reinjektion erfolge nach Zusatz eines Sauerstoff-Ozon-Gemisches. Auch die Mischung mit einem registrierten homöopathischen Arzneimittel vor Reinjektion werde durchgeführt. Unter dem 25. Juni 2017 zeigte die Klägerin der Bezirksregierung N. mit Antragsformular an, sie stelle Eigenblutpräparate einschließlich Ozonisierung von Eigenblut her. Zum Herstellungsverfahren gab sie an: „OZON + Eigenblut“.
3Mit Schreiben vom 5. Juli 2017 bat die Bezirksregierung N. um nähere Auskünfte, um über das weitere Verfahren entscheiden zu können. Mit Schreiben vom 16. November 2017 nahm die Klägerin Stellung und bat um kurzfristige Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheids, um in der Sache zeitnah eine gerichtliche Klärung herbeiführen zu können, sollte die Bezirksregierung weiter an ihrer Rechtsauffassung festhalten. Die Bezirksregierung teilte der Klägerin mit Schreiben vom 14. Februar 2018 - eingegangen bei der Klägerin nach dem 16. Februar 2018 - mit, bei den aufgeführten Eigenblutprodukten handele es sich nicht um homöopathische Eigenblutprodukte im Sinne von § 28 TFG, weshalb die angezeigte Herstellungstätigkeit nur durch oder unter Verantwortung einer ärztlichen Person zulässig sei. Es werde allerdings vorgeschlagen, zunächst den Ausgang der zu dieser Frage bereits anhängigen gerichtlichen Verfahren abzuwarten. Vor Erlass eines Bescheids würde in jedem Fall noch die Anhörung zu einer Untersagung erfolgen.
4Die Klägerin hat am 16. Februar 2018 beim Verwaltungsgericht Münster Klage erhoben, zunächst mit dem Begehren, festzustellen, dass die von ihr mit Schreiben vom 19. Mai 2017 und mit Formular vom 25. Juni 2017 angezeigte und beschriebene Herstellung von Arzneimitteln unter Verwendung menschlicher Ausgangsstoffe in Form von Eigenblutpräparaten einschließlich Ozonisierung von Eigenblut erlaubt ist.
5Durch Bescheid vom 22. März 2018 untersagte die Bezirksregierung N. der Klägerin die Entnahme von Blut zur Herstellung von nichthomöopathischen Eigenblutprodukten (Ziffer 1). Ferner wurde ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 250 Euro angedroht (Ziffer 2), sollte die Klägerin entgegen Ziffer 1 Blut entnehmen. Zur Begründung verwies die Bezirksregierung darauf, die Untersagung beruhe auf § 69 Abs. 1 AMG i. V. m. § 7 Abs. 2 TFG. Die Klägerin sei keine ärztliche Person und dürfte daher nach § 7 Abs. 2 TFG kein Blut entnehmen. Dies sei auch nicht ausnahmsweise nach § 28 TFG zulässig, weil es sich bei dem von ihr hergestellten ozonisierten Eigenblutprodukt nicht um ein homöopathisches Eigenblutprodukt im Sinne dieser Vorschrift handele. Die Herstellung erfolge nicht im Sinne des § 4 Abs. 26 AMG nach einem im Europäischen Arzneibuch oder in einer offiziell gebräuchlichen Pharmakopöe eines Mitgliedstaates der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren. Das Eigenblut werde keiner homöopathischen Verfahrenstechnik unterzogen. Aufgrund der besonderen Sensibilität von Blutprodukten sei es im Sinne des Patientenschutzes notwendig, Maßnahmen zu ergreifen. Bei Abwägung des wirtschaftlichen Interesses der Klägerin an der weiteren Durchführung dieser Behandlung und dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung zum Schutz der Patienten überwiege das öffentliche Interesse daran, dass ausschließlich Arzneimittel zur Anwendung kämen, die unter Beachtung der arzneimittelrechtlichen Vorschriften von befugten Personen hergestellt würden.
6Mit Schriftsatz vom 19. April 2018 hat die Klägerin die Ordnungsverfügung in das Verfahren einbezogen und die Klage auf eine Anfechtungsklage umgestellt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die angezeigte erlaubnisfreie Herstellung von Eigenblutpräparaten einschließlich Ozonisierung unterfalle der Ausnahme des § 28 TFG. Angezeigt sei nicht nur die im Anzeigeformular erwähnte Behandlung mit ozonisiertem Eigenblut, sondern angezeigt seien auch die weiteren im Schreiben vom 19. Mai 2017 genannten Herstellungen von Arzneimitteln. Durch die Ausnahme "homöopathischer Eigenblutprodukte" werde der Geltungsbereich des Gesetzes in Bezug auf solche Blutprodukte präzisiert, die sich im Entnahmevorgang, in der entnommenen Menge sowie in der Herstellung und in der Anwendung wesentlich von der klassischen Eigenblut-Spende unterschieden. Die Legaldefinition des § 4 Abs. 26 AMG gelte für das Transfusionsgesetz nicht. Die Vorschrift verwende den Begriff "homöopathisches Arzneimittel" und nicht wie § 28 TFG „homöopathisches Eigenblutprodukt". § 4 Abs. 26 AMG sei zudem erst 2005 in Kraft getreten, das "homöopathische Eigenblutprodukt" jedoch seit Inkrafttreten des Transfusionsgesetzes im Jahr 1998 als Ausnahme in § 28 TFG aufgeführt. Maßgeblich sei die Intention des Gesetzgebers, Schutz vor transfusionsbedingten Infektionen bei allogenen Blutspenden zu gewährleisten. Der Bundesgerichtshof habe entschieden, dass das Transfusionsgesetz auf Eigenblutnosoden keine Anwendung finde, da diese homöopathische Eigenblutprodukte im Sinne von § 28 TFG seien, die der Gesetzgeber ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Transfusionsgesetzes habe ausnehmen wollen. Er habe dabei nicht auf die Beschreibung in einem Arzneibuch oder einer Pharmakopöe abgestellt. Auch das Unionsrecht gehe davon aus, dass es in bestimmten Fällen unverhältnismäßig erscheine, das volle transfusionsrechtliche, auf die Fremdblutspende zugeschnittene Instrumentarium ohne Weiteres auf Fälle der Eigenblutspende anzuwenden. Würde man den Anwendungsbereich des § 28 TFG nur auf homöopathische Arzneimittel im Sinne von § 4 Abs. 26 AMG beschränken, liefe dieser faktisch leer. Die erhebliche berufliche Tätigkeitseinschränkung zu Lasten von Heilpraktikern wäre nach Art. 12 GG nicht zu rechtfertigen. Nicht wenige Heilpraktiker erzielten mit dieser Behandlungsmethode bis zu 80 % ihres Umsatzes.
7Die Klägerin hat beantragt,
8die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 22. März 2018 aufzuheben.
9Der Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung hat er über die Ausführungen im angefochtenen Bescheid hinaus im Wesentlichen vorgetragen: Das vorgelegte Anzeigeformular sei dahingehend interpretiert worden, dass es den aktuellen Stand der Tätigkeiten der Klägerin darstelle, sie also lediglich die Herstellung von ozonisiertem Eigenblut durchführe. Der Tenor der Verfügung sei aber so weit gefasst, dass er auch die im Schreiben vom 19. Mai 2017 genannten weiteren Eigenblutprodukte umfasse. Das entnommene Blut sei eine Spende im Sinne des § 2 Nr. 1 TFG, worunter jede Entnahme auch einer geringfügigen Menge Blut falle. Die hergestellten Eigenblutprodukte seien auch Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 AMG. Der Begriff „homöopathische Eigenblutprodukte" sei ein Unterbegriff des „homöopathischen Arzneimittels" und es könne ohne Weiteres auf die arzneimittelrechtliche Definition zurückgegriffen werden. Davon gehe auch der Bundesgerichtshof aus. Das Arzneimittelgesetz und das Transfusionsgesetz seien eng verzahnt, was auch in § 29 TFG und in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck komme. Dass § 4 Abs. 26 AMG jünger sei als § 28 TFG, sei unerheblich. Der Begriff „homöopathisches Arzneimittel" werde schon seit Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes im Jahr 1978 in § 38 AMG gebraucht. Der Begriff „homöopathische Eigenblutprodukte" sei bereits im Jahr 1998 so auszulegen gewesen, dass darunter nur Eigenblutprodukte zu verstehen seien, die nach einem im Arzneibuch (§ 55 AMG) beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt würden. Auch wenn man den Rückgriff auf die arzneimittelrechtliche Definition ablehnen sollte, sei nichts dafür ersichtlich, das Eigenblutprodukt der Klägerin der Homöopathie zuzuordnen.
12Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 17. September 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Ordnungsverfügung sei ungeachtet der fehlenden Anhörung der Klägerin vor ihrem Erlass formell rechtmäßig. Der Mangel sei gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW im Laufe des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens geheilt worden. Jedenfalls sei im Sinne des § 46 VwVfG NRW offensichtlich, dass die unterbliebene Anhörung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe, weil die entscheidungserheblichen Umstände dem Beklagten aufgrund der vorherigen Ausführungen der Klägerin bekannt gewesen seien.
13Die Ordnungsverfügung sei auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 69 Abs. 1, 64 Abs. 3 AMG i. V. m. § 7 Abs. 2 TFG lägen vor. Die Klägerin stelle ein Arzneimittel her, indem sie ihren Patienten Blut entnehme, um dies nach Anreicherung mit Ozon zu reinjizieren. Die Entnahme einer solchen Spende sei nur unter ärztlicher Verantwortung erlaubt, welche die Klägerin nicht gewährleiste. Ein Ausnahmefall nach § 28 TFG sei nicht gegeben. Das von der Klägerin hergestellte ozonisierte Eigenblut sei kein homöopathisches Eigenblutprodukt im Sinne dieser Vorschrift. Eine Substanz sei ausschließlich aufgrund der Herstellung nach einem homöopathischen Zubereitungsverfahren den homöopathischen Arzneimitteln im Sinne von § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG zuzuordnen. Die Darreichungsform sei ebenso wenig von Bedeutung wie die Anwendung in der homöopathischen Therapierichtung. Ein homöopathisches Zubereitungsverfahren, wie es im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) oder im Homöopathischen Arzneibuch (HAB) festgehalten sei, wende die Klägerin nicht an. Die Verwendung der Definition des „homöopathischen“ Eigenblutprodukts im Sinne des Arzneimittelgesetzes sei auch im Rahmen von § 28 TFG angezeigt, weil beiden Gesetzen dasselbe Begriffsverständnis zugrunde liege. Nichts Abweichendes ergebe sich aus dem Umstand, dass das Transfusionsgesetz gegenüber dem Arzneimittelgesetz das neuere Regelungswerk darstellt. Der Begriff des homöopathischen Arzneimittels sei schon seit dem Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes im Jahr 1978 in § 38 AMG gebräuchlich. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei nicht zu beanstanden. In Anbetracht des hohen Schutzguts der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG und des überragend wichtigen Gemeinwohlbelangs der Volksgesundheit sei die lediglich berufsausübungsregelnde Maßnahme (Art. 12 Abs. 1 GG) selbst in Anbetracht etwaiger finanzieller - im Übrigen nicht näher substantiiert dargelegter - Einbußen der Klägerin verhältnismäßig.
14Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt und begründet. Sie vertieft und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der angefochtene Bescheid formell rechtswidrig und nicht hinreichend bestimmt. Eine Anhörung sei ungeachtet ihrer Bitte um einen rechtsmittelfähigen Bescheid geboten gewesen, aber nicht erfolgt und im Klageverfahren auch nicht nachgeholt worden. Ein Fall des § 46 VwVfG NRW sei nicht gegeben. Es sei mit Blick auf den weit gefassten, einen unbestimmten Rechtsbegriff verwendenden Tenor der Ordnungsverfügung ferner nicht hinreichend klar, dass der Klägerin (lediglich) untersagt worden sei, ihren Patienten Blut zum Zwecke der Herstellung von ozonisiertem Eigenblut zu entnehmen. Sie habe insbesondere nicht nur diese angezeigt, sondern mit ihrem Schreiben vom 19. Mai 2017 weitere Behandlungsmöglichkeiten benannt.
15Der Regelungsbereich des Transfusionsgesetzes sei bereits nicht eröffnet, weil die Eigenbluttherapie nicht dem Begriff der Spende des § 2 Nr. 1 TFG unterfalle. Der Wortlaut dieser Vorschrift sei mit Blick auf den Zweck des Gesetzes zu weit geraten. Das Gesetz ziele auf die Versorgung der Bevölkerung mit Fremdblutspenden bzw. daraus gewonnenen Arzneimitteln ab. Die Eigenblutbehandlung durch Heilpraktiker solle durch § 7 TFG nicht erfasst werden, der allein auf das Blutspendewesen in Deutschland gerichtet sei. Bei unterstellter Anwendbarkeit des Transfusionsgesetzes falle die von der Klägerin angezeigte erlaubnisfreie Herstellung von Eigenblutpräparaten jedenfalls unter § 28 TFG. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 2012, wonach eine Anwendung von Eigenblut mit Zusatz von Homöopathika ein homöopathisches Eigenblutprodukt im Sinne dieser Vorschrift sei. Dies müsse erst recht für den Patienten unverändert zurückgegebenes oder lediglich mit Sauerstoff oder Ozon angereichertes Eigenblut gelten. Weiter werde auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 4. August 2020 verwiesen. Dem Gesetzgeber sei es mit § 28 TFG in erster Linie um den Schutz vor transfusionsbedingten Infektionen bei allogenen Blutspenden gegangen, weil Fremdblut für einen potentiellen Empfänger ein erheblich größeres Infektionsrisiko berge. Die Ausnahme des homöopathischen Eigenblutprodukts gehe ferner auf die Überlegung zurück, dass in der Regel nur eine geringe Menge Blut benötigt werde und das damit verbundene Risiko gering sei. Bei der Auslegung könne auch deshalb nicht auf das Arzneimittelgesetz zurückgegriffen werden, weil dieses eine andere Zielsetzung verfolge, nämlich die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln. Auch nach Analyse des Schrifttums spreche nichts dafür, die Vorschrift des § 4 Abs. 26 AMG ohne ausdrückliche Verweisung und ohne Rücksicht auf den eigentlichen Regelungszweck des § 28 TFG unreflektiert auf das Transfusionsrecht anzuwenden. Die nicht demokratisch legitimierten und rechtlich nicht bindenden Inhalte der Arzneibücher könnten auch keine Einschränkung der Berufsfreiheit der Heilpraktiker legitimieren. § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG beinhalte eine unzulässige dynamische Verweisung auf eine Vielzahl sich ständig ändernder Arzneibücher aller Mitgliedstaaten. Ferner seien Eigenblutprodukte vor der Schaffung des § 4 Abs. 26 AMG, der zudem nicht auf eine Änderung des Transfusionsrechts abziele, auch unzweifelhaft von der Ausnahmeregelung des § 28 TFG erfasst gewesen. Maßgeblich könne daher im Rahmen des § 28 TFG allein sein, ob es sich um ein gebräuchliches homöopathisches Verfahren handele, ohne dass es auf dessen Niederschrift in Arzneibüchern ankomme.
16Es fehle an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung. Die Bezirksregierung lasse außer Acht, dass die Untersagung nicht nur die Berufsfreiheit, sondern auch die Therapiefreiheit der Klägerin und die Autonomie des Patienten einschränke. Die Ermessenserwägungen stellten fehlerhaft auf die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung ab, um die es beim hier maßgeblichen Transfusionsgesetz nicht gehe. Zudem sei die Nutzen-Risiko-Bilanz der Eigenbluttherapie entgegen der Annahme des Bundesministeriums für Gesundheit nicht negativ, wie sich aus dem Gutachten von Prof. H. vom 8. Juli 2019 ergebe. Auch könne die Therapie eine positive therapeutische Wirkung haben, die über einen Placebo-Effekt hinausgehe. Die Heilpraktiker verfügten über die für die Durchführung der Eigenbluttherapie erforderlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten und schuldeten eine fachgerechte medizinische Heilbehandlung sowie die Beachtung hygienischer Vorschriften. Die Untersagung sei auch unverhältnismäßig. Milderes Mittel sei eine bedingte Untersagung unter dem Vorbehalt des Nachweises der entsprechenden Fähigkeiten der Klägerin im Hinblick auf die Blutentnahme im Rahmen der Eigenbluttherapie. Im Rahmen der Angemessenheit wäre zu berücksichtigen gewesen, dass dem gesamten Berufsstand der Heilpraktiker eine effektive Therapiemöglichkeit entzogen werde und Heilpraktiker teilweise bis zu 80 % ihres Umsatzes mit der Eigenbluttherapie erwirtschafteten. Demgegenüber sei die Gefahr für die körperliche Unversehrtheit bzw. die Volksgesundheit nicht erheblich.
17Die Klägerin beantragt,
18das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Klägerin habe mit dem Schreiben vom 19. Mai 2017 einen vorformulierten, vielfach verwendeten Text genutzt. Es sei daher folgerichtig gewesen, weitere Auskünfte zu verlangen. Untersagt worden sei die Entnahme von Blut zur Herstellung von Eigenblutprodukten, bei denen kein homöopathisches Zubereitungsverfahren zur Anwendung gelange. Ein solches habe die Klägerin für keines der angezeigten Eigenblutprodukte angegeben. Es sei auch nicht ersichtlich. Die bloße Mischung des Eigenbluts mit einem homöopathischen Fertigarzneimittel reiche nicht aus, weil die Wirkung lediglich von den Wirkstoffen in dem Fertigarzneimittel ausgehe, die Eigenblutkomponente aber nicht als homöopathisch bezeichnet werden könne. Es sei auch keine Packungsbeilage eines homöopathischen Fertigarzneimittels bekannt, die das Mischen mit Eigenblut vorsehe. Soweit auf die Injektion von unverändertem Eigenblut verwiesen werde, sei weder ein homöopathisches Zubereitungsverfahren noch ein sonst irgendwie gearteter Bezug zur Homöopathie erkennbar. Dies gelte auch für die Zumischung von Ozon bzw. eines Sauerstoff-Ozon-Gemisches. Für die von der Klägerin geforderte teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des TFG auf Fremdblut sei kein Raum. Dass in § 28 TFG der Begriff homöopathische Eigenblutprodukte und nicht Arzneimittel verwendet werde, sei folgerichtig. Das TFG beziehe sich generell nur auf die Gewinnung von Blut und Produkten zur Anwendung am Menschen, die aus Blut hergestellt würden. Die Auffassungen der Klägerin würden auch von Teilen des Berufsstandes der Heilpraktiker durchaus kritisch gesehen. Nach dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen § 13 Abs. 2b Satz 2 Nr. 3 AMG stehe nunmehr gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 3, § 4 Abs. 14 AMG auch das Fehlen einer Herstellungserlaubnis der Herstellung von Eigenblutprodukten und auch schon der Entnahme des Blutes beim Patienten durch die Klägerin entgegen.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
25Die Ordnungsverfügung der Bezirksregierung N. vom 22. März 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
26A. Die Untersagungsanordnung in Ziffer 1. der Verfügung ist rechtmäßig.
27I. Die Ordnungsverfügung ist nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
28Auf eine Verletzung dieser Vorschrift kann die Klägerin sich wegen Verzichts auf dieses Verfahrensrecht nicht berufen.
29Vgl. zur Möglichkeit eines Verzichts auf die Anhörung auch Ramsauer, in: Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 21. Auflage 2020, § 28 Rn. 14.
30Die Klägerin hat im Verwaltungsverfahren Akteneinsicht erhalten und sich mit Schreiben vom 16. November 2017 zum entscheidungserheblichen Sachverhalt geäußert. Zugleich hat sie gebeten, kurzfristig einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erteilen, um in der Sache zeitnah eine gerichtliche Klärung herbeiführen zu können, sollte die Bezirksregierung weiter an ihrer Rechtsauffassung festhalten. Für eine Rückäußerung hat sie der Behörde eine Frist bis zum 15. Dezember 2017 gesetzt. Nachdem die Bezirksregierung ihr unter dem 5. Dezember 2017 mitgeteilt hat, innerhalb dieser Frist sei eine Rückmeldung nicht möglich, sie werde unaufgefordert zu gegebener Zeit darauf zurückkommen, hat die Klägerin am 16. Februar 2018 beim Verwaltungsgericht Feststellungsklage erhoben. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, sich im Verwaltungsverfahren nicht weiter äußern, von einer Möglichkeit zur Stellungnahme also keinen Gebrauch mehr machen zu wollen.
31Darüber hinaus teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass ein etwaiger Anhörungsmangel gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW im gerichtlichen Verfahren durch Nachholung geheilt worden ist, weil die Bezirksregierung mit Schriftsatz vom 14. Mai 2018 zu erkennen gegeben hat, dass sie die Einwände der Klägerin umfassend abarbeitet und ihre Entscheidung inhaltlich erneut überdenkt.
32II. Die Untersagungsanordnung in Ziffer 1. der Ordnungsverfügung vom 22. März 2018 ist auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Der Klägerin wird untersagt, ihren Patienten Blut zwecks Herstellung von Eigenblutprodukten im Wege der Mischung mit Ozon zu entnehmen. Dieser Regelungsgehalt der Untersagungsverfügung lässt sich aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, unzweifelhaft erkennen.
33Zu den Bestimmtheitsanforderungen des wortlautgleichen § 37 Abs. 1 VwVfG vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 8 C 18.16 -, BVerwGE 160, 193 = juris Rn. 13 ff. m. w. N.; ferner OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2021 - 9 B 1574/20 -, juris Rn. 20.
34Zwar heißt es im Bescheidtenor, der Klägerin werde die Entnahme von Blut „zur Herstellung von nichthomöopathischen Eigenblutprodukten“ untersagt. Die Klägerin macht insoweit zu Recht geltend, es stelle sich doch gerade die Frage, ob die von ihr hergestellten Eigenblutpräparate homöopathisch im Sinne des § 28 TFG seien. Aus dem Bescheidtenor in Verbindung mit der Begründung des Bescheides ergibt sich aber zweifelsfrei, dass die von der Klägerin bei Bescheiderlass hergestellten Eigenblutprodukte mit Ozon von der Bezirksregierung als nichthomöopathisch angesehen und damit nur die diesbezügliche Eigenblutentnahme von der Untersagungsverfügung erfasst wird. Dies ergibt sich nicht nur aus den Ausführungen auf den Seiten 3 und 4 des Bescheids, die sich allein darauf beziehen, sondern vor allem aus der abschließenden Formulierung am Ende von Ziffer II. der Begründung, die von der Klägerin durchgeführte Entnahme von Blut zur Herstellung nichthomöopathischer Eigenblutprodukte sei deshalb zu untersagen. Die in dem offenbar vorformulierten Schreiben vom 2. Mai 2017 aufgeführten weiteren Eigenblutprodukte, etwa die Reinjektion von reinem Eigenblut oder die Vermischung von Eigenblut mit homöopathischen Fertigarzneimitteln, sind danach nicht Gegenstand der Untersagungsverfügung geworden.
35III. Die Untersagung ist auch im Übrigen materiell rechtmäßig.
361. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage, §§ 69 Abs. 1, 64 Abs. 3 AMG i. V. m. § 7 Abs. 2 TFG, sind gegeben.
37Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 AMG hat sich die zuständige Behörde u. a. davon zu überzeugen, dass die Vorschriften des zweiten Abschnitts des Transfusionsgesetzes beachtet werden.
38Die von der Klägerin angezeigte Blutentnahme zur Herstellung von Eigenblutprodukten im Wege der Mischung mit Ozon verletzt § 7 Abs. 2 TFG. Nach dieser Vorschrift darf die Entnahme einer (Blut-)Spende nur durch eine ärztliche Person oder durch anderes qualifiziertes Personal unter der Verantwortung einer ärztlichen Person erfolgen. An der Einhaltung dieses Arztvorbehalts fehlt es hier. Die Klägerin entnimmt auch eine Spende im Sinne dieser Norm (a.). § 7 Abs. 2 TFG ist ferner nicht nach § 28 TFG unanwendbar (b.). Ob auch der vom Beklagten im Berufungsverfahren geltend gemachte Verstoß gegen § 13 Abs. 2b Satz 2 Nr. 3 AMG i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 3, § 4 Abs. 14 AMG die Untersagung trägt, bedarf danach keiner Entscheidung mehr (c.).
39a. Der Anwendungsbereich des Transfusionsgesetzes ist entgegen der Auffassung der Klägerin eröffnet, weil sie ihren Patienten eine Spende entnimmt.
40Spende ist nach § 2 Nr. 1 TFG die bei Menschen entnommene Menge an Blut oder Blutbestandteilen, die Wirkstoff oder Arzneimittel ist oder zur Herstellung von Wirkstoffen oder Arzneimitteln und anderen Produkten zur Anwendung bei Menschen bestimmt ist. Die Klägerin entnimmt ihren Patienten Blut (aa.), das Arzneimittel ist oder zur Herstellung von Arzneimitteln in Gestalt von Eigenblutpräparaten bestimmt ist (bb).
41aa. Es liegt eine Blutentnahme im Sinne von § 2 Nr. 1 TFG vor. Die Begriffsbestimmung dieser Vorschrift gilt unabhängig von der Menge des entnommenen Blutes. Ferner beschränkt sich die Definition der Spende nicht auf Fremdblut, sondern umfasst auch Eigenblut.
42Vgl. MüKoStGB, TFG, 3. Auflage 2017, § 2 Rn. 3; Deutsch/Bender, Transfusionsrecht, 2007, Rn. 160 f.; Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage, 2018, § 2 TFG, Rn. 2.
43Die von der Klägerin insoweit befürwortete teleologische Reduktion des Begriffs auf Fremdblutspenden kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut ist weit gefasst und sollte nach der Gesetzesbegründung auch Eigenblut erfassen.
44Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz - TFG), BT-Drs. 13/9594, S. 16.
45Der auch in § 1 TFG verankerte Sinn und Zweck des Gesetzes, für eine sichere Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und damit auch für einen Schutz der spendenden Personen zu sorgen,
46vgl. BT-Drs. 13/9594, S. 15; BT-Drs. 13/10643, S. 1 und 24,
47greift auch bei Eigenblutspenden und zwar unabhängig davon, ob nur eine geringe Menge an Blut entnommen wird. Der weit gefasste Begriff der Spende gewährleistet ein Höchstmaß an Sicherheit bei Blut und Blutprodukten.
48Vgl. auch Deutsch/Bender, Transfusionsrecht, 2007, Rn. 129.
49Zwar ging es dem Gesetzgeber, wie die Klägerin anführt, in erster Linie darum, Schutz vor transfusionsbedingten Infektionen bei allogenen Blutspenden zu gewährleisten. Das Gesetz beschränkt sich aber nicht darauf, sondern soll auch bei autologen Blutspenden die aufgrund des invasiven Verfahrens bestehenden Infektionsrisiken begrenzen.
50Dies wird bestätigt durch die systematische Auslegung. Nach § 28 TFG findet das Gesetz keine Anwendung auf die Entnahme einer geringfügigen Menge Blut zu diagnostischen Zwecken, auf homöopathische Eigenblutprodukte, autologes Blut zur Herstellung von biotechnologisch bearbeiteten Gewebeprodukten und ‑ unter bestimmten Voraussetzungen - auf die Entnahme einer geringfügigen Menge Eigenblut zur Herstellung von Produkten für die zahnärztliche Behandlung. Dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn die Eigenblutspende von vornherein, also bereits nach § 2 Nr. 1 TFG, nicht dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfiele. Zudem werden durch § 28 TFG nur bestimmte Eigenblutspenden vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Entgegen der Darstellung der Klägerin hat der Gesetzgeber damit auch die Eigenblutbehandlung durch Homöopathen als Regelungsgegenstand des Gesetzes im Blick gehabt und nicht von vornherein insgesamt vom Anwendungsbereich ausgenommen. Die vorstehende Auslegung wird ferner belegt durch die Änderungshistorie des § 28 TFG. Während nach der ursprünglichen Fassung der Vorschrift das Gesetz auch auf Eigenblutprodukte zur Immuntherapie keine Anwendung fand, unterfallen diese dem Anwendungsbereich, seitdem diese Fallgruppe durch das Erste Gesetz zur Änderung des Transfusionsgesetzes und arzneimittelrechtlicher Vorschriften (vom 10. Februar 2005, BGBl. I 2005, S. 234) aus § 28 TFG gestrichen wurde. Überdies treffen verschiedene Bestimmungen des Gesetzes ausdrücklich Regelungen zur Eigenblutentnahme, so etwa § 5 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2, § 13 Abs. 1 Satz 4 und 5, § 14 Abs. 2 Satz 3, § 17 Abs. 1 Satz 4, § 22 Abs. 1 Satz 2 TFG.
51Aus der von der Klägerin angeführten Stellung des § 7 TFG im zweiten Abschnitt des Gesetzes (§§ 3 bis 12a) ergibt sich ebenfalls nicht, dass das Gesetz nicht die Eigenblutbehandlung in Heilpraktikerpraxen erfassen sollte, insbesondere der Arztvorbehalt nach § 7 Abs. 2 TFG nicht gelten sollte. Dafür fehlen jegliche Anhaltspunkte. § 7 Abs. 2 TFG regelt, dass die Entnahme der Spende nur durch oder unter der Verantwortung einer ärztlichen Person erfolgen darf. Der Gesetzgeber hielt es aus Gründen der Sicherheit zum Schutz der spendenden Person für unerlässlich, dass ärztliche Hilfe bei Zwischenfällen zur Verfügung steht, insbesondere dann, wenn nicht ärztliches medizinisches Personal die Spende entnimmt.
52Vgl. BT-Drs. 13/9594, S. 18.
53Der Begriff der Spende wird, wie ausgeführt, in § 2 Nr. 1 TFG legaldefiniert und erfasst auch Eigenblutspenden. Er ist auch nicht lediglich für den § 7 TFG einer einschränkenden Auslegung zugänglich. Eine Begrenzung auf Spendeeinrichtungen sieht das Gesetz insoweit nicht vor. Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Gesetzes sind abschließend in § 28 TFG geregelt. Im Übrigen trifft das Argument der Klägerin nicht zu, die im zweiten Abschnitt des Gesetzes ab §§ 3 ff. TFG aufgestellten Regelungen zielten allein auf die Versorgung der Bevölkerung mit Blut bzw. Blutbestandteilen ab. Denn der zweite Abschnitt des Gesetzes regelt allgemein die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und beschränkt sich nicht auf Spendeeinrichtungen im Sinne von § 4 TFG. So enthält der bereits vorstehend angeführte § 5 TFG in Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 auch Vorgaben für Eigenblutentnahmen.
54bb. Das von der Klägerin entnommene Eigenblut ist auch im Sinne des § 2 Nr. 1 TFG Arzneimittel oder zur Herstellung von Arzneimitteln bei Menschen bestimmt. Eigenblutpräparate sind entsprechend ihrer Zweckbestimmung Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG, weil das Blut, nachdem es dem Körper entzogen und entsprechend verarbeitet worden ist, ihm zu Heilungszwecken wieder zugeführt wird.
55Vgl. zu Eigenblutzubereitungen als Arzneimittel auch BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 1997 - 3 B 130.96 -, juris Rn. 2 ff.; BayObLG, Beschluss vom 29. April 1998 - 4St RR 12/98 -, NJW 1998, 3430 = juris Rn. 9
56Die Reinjektion von Eigenblut soll immunmodulativen Zwecken dienen.
57Vgl. Psychrembel, Naturheilkunde und alternative Heilverfahren, 4. Auflage 2011, Stichwort Eigenbluttherapie.
58b. Die Ausnahmebestimmung des § 28 TFG greift im Streitfall nicht ein.
59Dass die Klägerin lediglich eine geringfügige Menge Blut entnimmt, erfüllt noch keinen der Ausnahmetatbestände. Denn dies muss zu den gesetzlich bestimmten - hier von ihr nicht verfolgten - Zwecken geschehen: entweder zu diagnostischen Zwecken oder zur Herstellung von Produkten für die zahnärztliche Behandlung. Bei den weiteren Ausnahmetatbeständen, namentlich bei homöopathischen Eigenblutprodukten, kommt es auf die Menge des entnommenen Bluts nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 TFG hingegen nicht an.
60Die Eigenblutpräparate der Klägerin sind keine homöopathischen Eigenblutprodukte im Sinne des § 28 TFG. Zwar handelt es sich um Blutprodukte (aa.), diese sind aber nicht homöopathisch (bb.).
61aa. Die Eigenblutpräparate der Klägerin sind Blutprodukte gemäß § 2 Nr. 3 TFG. Nach dieser Vorschrift sind Blutprodukte Blutzubereitungen im Sinne von § 4 Abs. 2 AMG, Sera aus menschlichem Blut im Sinne des § 4 Abs. 3 AMG und Blutbestandteile, die zur Herstellung von Wirkstoffen oder Arzneimitteln bestimmt sind. Blutzubereitungen sind nach § 4 Abs. 2 AMG Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten. Das ozonisierte oder mit homöopathischen Fertigarzneimitteln vermische Eigenblut ist ein Blutprodukt in diesem Sinne.
62So auch BGH, Urteil vom 17. Januar 2012 - VI ZR 336/10 -, BGHZ 192, 198 = juris Rn. 14.
63bb. Die Eigenblutprodukte sind aber nicht homöopathisch.
64(1) Dieser im Transfusionsgesetz nicht definierte Begriff ist unter Heranziehung von § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG und von Art. 1 Nr. 5 Satz 1 Richtlinie 2001/83/EG zu bestimmen.
65Vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Januar 2012 - VI ZR 336/10 -, BGHZ 192, 198 = juris Rn. 14; Deutsch/Bender, Transfusionsrecht, 2007, Rn. 163; s. auch Antwort der Bundesregierung vom 28. Februar 2019 auf die Anfrage der Abgeordneten Gabelmann, BT-Drs. 19/8180, S. 50; in diese Richtung wohl auch Lippert, in: Lippert/Flegel, Kommentar zum TFG und den Hämotherapie-Richtlinien, 2002, § 28 Rn. 2; a. A. VG Osnabrück, Urteil vom 4. August 2020 - 3 A 44/19 -, juris Rn. 29 ff.
66Nach § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG ist homöopathisches Arzneimittel ein Arzneimittel, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist. Art. 1 Nr. 5 Satz 1 Richtlinie 2001/83/EG, auf den die vorgenannte Norm zurückgeht, bestimmt fast gleichlautend, dass ein homöopathisches Arzneimittel jedes Arzneimittel ist, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den derzeitig offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren aus Produkten, Substanzen oder Verbindungen, die homöopathische Ursubstanzen genannt werden, hergestellt worden ist. Hiervon ausgehend ist eine Substanz ausschließlich aufgrund der Herstellung nach einem homöopathischen Zubereitungsverfahren den homöopathischen Arzneimitteln zuzuordnen. Auf die Darreichungsform kommt es nicht an. Die Anwendung in der homöopathischen Therapierichtung - in Abgrenzung zur Schulmedizin - reicht ebensowenig aus.
67BGH, Urteil vom 17. Januar 2012 - VI ZR 336/10 -, BGHZ 192, 198 = juris Rn. 14; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, 125. Akt.-Lief. 2013, § 4 AMG Anm. 78.
68Erforderlich ist danach für das homöopathische Eigenblutprodukt im Sinne von § 28 TFG die Herstellung in einem derartigen homöopathischen Zubereitungsverfahren.
69Dem Rückgriff auf diese Begriffsbestimmung stehen weder der Wortlaut (dazu (aa)) noch der Sinn und Zweck des § 28 TFG ((bb)), die Systematik des Transfusionsgesetzes ((cc)) oder die Historie ((dd)) entgegen. Die weiteren Argumente der Klägerin, insbesondere die Berufung auf das Unionsrecht, greifen ebenfalls nicht durch ((ee)).
70(aa) Die Verwendung unterschiedlicher Begrifflichkeiten in § 28 TFG („homöopathisches Eigenblutprodukt“) und in § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG („homöopathisches Arzneimittel“) steht einer Heranziehung des § 4 Abs. 26 AMG nicht entgegen. Dies folgt schon daraus, dass diese Vorschrift zur Bestimmung des Begriffsbestandteils „homöopathisch“ herangezogen wird. Überdies sind Eigenblutprodukte wie die von der Klägerin verwendeten - wie oben ausgeführt - Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG. Die Bezirksregierung hat deshalb zutreffend darauf hingewiesen, dass der Begriff homöopathisches Eigenblutprodukt ein Unterbegriff zum Oberbegriff homöopathisches Arzneimittel ist.
71(bb) Der Sinn und Zweck des § 28 TFG spricht ebenfalls nicht gegen, sondern für einen Rückgriff auf § 4 Abs. 26 AMG. Wie bereits ausgeführt, dient das Transfusionsgesetz der Begrenzung von Risiken bei der Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und dabei auch dem Schutz der spendenden Personen. Das Verwaltungsgericht ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass die in § 28 TFG geregelten Ausnahmetatbestände eng auszulegen sind. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auch auf die ‑ ungeachtet der geringen Entnahmemenge bestehenden - Risiken bei Eigenbluttherapien durch Heilpraktiker, auf die auch die Bezirksregierung in der Berufungsverhandlung erneut hingewiesen hat.
72Vgl. die gemeinsame Stellungnahme von BfArM, Paul-Ehrlich-Institut und Robert-Koch-Institut vom 28. Februar 2018, S. 4 f.
73Maßgeblich kann nicht sein, ob mit dem Prozess aus Entnahme und Reinjektion eine homöopathische Behandlung vorliegt, das Eigenblut also als entsprechender Reiz für das Immunsystem eingesetzt wird, und dass das konkrete Risiko bei den nicht § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG genügenden Eigenblutprodukten mit gleich geringen Risiken verbunden ist wie denjenigen bei homöopathischen Eigenblutprodukten, die in einem homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt werden,
74so aber VG Osnabrück, Urteil vom 4. August 2020 - 3 A 44/19 -, juris Rn. 31.
75Der Gesetzgeber hat die Risiken im Entnahmevorgang nur hingenommen in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen. Die „Privilegierung“ der homöopathischen Therapierichtung durch die ausnahmsweise ohne Arztvorbehalt zulässige Blutentnahme kommt nur in Betracht, soweit ein im Sinne von § 4 Abs. 26 AMG anerkanntes Zubereitungsverfahren angewendet wird. Der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende historische gesetzgeberische Wille, auf den sich die Klägerin für ihre Auffassung beruft, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Dort heißt es (BT-Drs. 13/9594, S. 27):
76„Die genannten Blutprodukte [damals: homöopathische Eigenblutprodukte und Eigenblutprodukte zur Immuntherapie] unterscheiden sich in Entnahmevorgang, entnommener Menge, Herstellung und Anwendung so wesentlich von „klassischen“ Eigenblut-„Spenden“, dass eine Ausnahme von dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes geboten ist. Eine Gleichbehandlung wäre unverhältnismäßig. Arzneimittelrechtliche Vorschriften bleiben unberührt, insbesondere die Pflicht zur Herstellungserlaubnis. Die Ausnahme von diesem Gesetz gilt nur für Eigenblutprodukte. Allogene Blutprodukte dieser Art fallen wegen der Übertragungsrisiken unter dieses Gesetz.“
77Maßgeblich waren danach für den Gesetzgeber verschiedene Motive, warum die genannten Eigenblutprodukte vom Anwendungsbereich ausgenommen wurden. Er hat nicht lediglich auf Unterschiede im Entnahmevorgang und der entnommenen Menge abgestellt, sondern auch auf die wesentlich andere Herstellung und Anwendung verwiesen. Hierzu gehören aber die anerkannten Regeln der Homöopathie, d. h. ein im Arzneibuch beschriebenes homöopathisches Zubereitungsverfahren, was die Ausnahme in § 28 TFG rechtfertigt. Wegen der geringen Menge in Kombination mit der homöopathischen Herstellungsweise und der autologen Anwendung wird das von dem Produkt ausgehende Risiko als niedrig angesehen, so dass eine Übertragung möglicherweise noch in dem Produkt vorhandenen Krankheitserreger nicht mehr als gefährlich angesehen wird.
78Vgl. Auer/Seitz, TFG, 14. Lfg., Oktober 2009, § 28 Rn. 5 („homöopathische Herstellungsweise (z. B. Verdünnung bis zur Eliminierung des Blutes)“).
79Dass Zielrichtung des Transfusionsgesetzes der Infektionsschutz ist, während das Arzneimittelgesetz der Arzneimittelsicherheit dient, ist unerheblich. Denn beide Gesetze dienen dem Gesundheitsschutz. Dabei finden die Vorschriften des Arzneimittelrechts neben denen des Transfusionsgesetzes Anwendung (vgl. § 29 Satz 1 TFG). Ein enger Zusammenhang ergibt sich auch daraus, dass die Entnahme von Blut oder Blutbestandteilen aus dem menschlichen Körper Arzneimittel- oder Wirkstoffgewinnung ist.
80Vgl. BT-Drs. 13/9594, S. 15; BT-Drs. 13/10643, S. 24.
81(cc) Auch die Systematik des Transfusionsgesetzes lässt den Rückgriff auf § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG zu. Dass einzelne Vorschriften auf das Arzneimittelgesetz verweisen, der § 28 TFG aber nicht, steht dem nicht entgegen. Zunächst lässt sich dies historisch damit erklären, dass bei Verabschiedung des Transfusionsgesetzes die Definition in § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG noch nicht existierte. Dass der Gesetzgeber nicht nachträglich einen Verweis in den § 28 TFG aufgenommen hat, obgleich er diese Vorschrift mehrfach geändert hat, mag auch damit zusammenhängen, dass das Arzneimittelgesetz weder den Begriff der Homöopathie noch den des homöopathischen Eigenblutprodukts legaldefiniert. Das Verwaltungsgericht hat zudem zutreffend auf die vielfache normative Verschränkung zwischen beiden Gesetzen sowie darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber im selben Kompetenzbereich wohl unausgesprochen von der Anwendbarkeit der grundlegenden Definitionen des Arzneimittelbegriffs auch im Transfusionsgesetz ausgegangen sei. Die in das Transfusionsgesetz aufgenommenen Verweise sollen einen Gleichlauf mit dem Arzneimittelrecht bewirken, so etwa bei dem weiten Begriff der Spende und auch allgemein der Festlegung des sachlichen Anwendungsbereichs in den §§ 1 und 2 TFG.
82Vgl. Deutsch/Bender, Transfusionsrecht, 2007, Rn. 129 und 157.
83Jedenfalls fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein Rückgriff auf das Arzneimittelgesetz trotz der Sachnähe beider Gesetze nur in den gesetzlich im Transfusionsgesetz ausdrücklich geregelten Fällen erfolgen sollte und damit das Begriffsmerkmal „homöopathisch“ im Transfusionsgesetz anders zu verstehen wäre als im Arzneimittelgesetz.
84(dd) Auf die Historie des § 28 TFG kann sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen. Dass die am 7. Juli 1998 in Kraft getretene Vorschrift älter ist als § 4 Abs. 26 AMG, der erst mit dem 14. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005, BGBl. I, S. 2570, eingefügt worden ist, steht der Heranziehung dieser Definition nicht entgegen. Wie Bezirksregierung und Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt haben, wurde der Begriff des homöopathischen Arzneimittels bereits vor Ergehen der Definitionsregelung des § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG seit 1978 in § 38 AMG (BGBl. I 1976, S. 2460), der Vorschrift über die Registrierung homöopathischer Arzneimittel, verwendet. Der Gesetzgeber hat schon damals darauf abgestellt, dass das homöopathische Arzneimittel nach den anerkannten Regeln der Homöopathie hergestellt sein müsse, die im Rahmen des Arzneibuchs (§ 52 AMG a. F., jetzt § 55 AMG) näher umschrieben würden.
85Vgl. BT-Drs. 7/3060, S. 53.
86Lediglich eine entsprechende gesetzliche Definition des homöopathischen Arzneimittels fehlte. Diese ist infolge des bereits erwähnten Art. 1 Nr. 5 Satz 1 Richtlinie 2001/83/EG zur Umsetzung des Unionsrechts in das Gesetz aufgenommen worden.
87Die Änderungshistorie des § 28 TFG spricht ebenfalls nicht gegen den Rückgriff auf § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG. Der Gesetzgeber hat lediglich die Fallgruppe der Eigenblutprodukte zur Immuntherapie gestrichen,
881. Gesetz zur Änderung des Transfusionsgesetzes und arzneimittelrechtlicher Vorschriften, BGBl. I 2005, S. 234, dazu BT-Drs. 15/4174, S. 8 und 14,
89und weitere Ausnahmen hinzugefügt,
90BGBl. 2007, Teil I, S. 1574, dazu BR-Drs. 543/06, S. 44, 99, BGBl. 2009, Teil I, S. 1990, dazu BR-Drs. 171/09, S. 41, 106.
91Änderungen an der Fallgruppe der homöopathischen Eigenblutprodukte hat er nicht vorgenommen. Aus den bereits ausgeführten Gründen lässt sich daraus aber nicht schließen, dass eine Heranziehung der Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG ausscheidet.
92(ee) Die weiteren von der Klägerin erhobenen Einwände gegen dieses Begriffsverständnis greifen ebenfalls nicht durch. Gegen die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG spricht insbesondere nicht, dass die Definition des § 2 Nr. 3 TFG über den Begriff des Arzneimittels hinausgehe und deshalb der Begriff des homöopathischen Eigenblutprodukts weiter gefasst sei als der des homöopathischen Arzneimittels, wie die Klägerin meint. Dass Blutsera und Blutbestandteile als Blutprodukte im Sinne des Transfusionsgesetzes gelten, hilft der Klägerin nicht weiter. Damit werden lediglich Vorstufen der Arzneimittelherstellung erfasst, um die es hier nicht geht.
93Ohne Erfolg macht die Klägerin weiter geltend, bei dem hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis des homöopathischen Eigenblutprodukts bleibe für diese Fallgruppe des § 28 TFG kein Anwendungsbereich mehr. Davon ist nicht auszugehen. So wird in dem von der Klägerin mit der Berufungsbegründung übersandten Fachartikel (Petra Staubach, Eigenbluttherapie bei Hauterkrankungen, EHK 2011, 253 (256)) etwa die Behandlung mit potenziertem Eigenblut („Potenzierung des Eigenbluts nach den Vorschriften des Deutschen Homöopathischen Arzneibuchs“) erwähnt. Auch I. -N1. , die Vorsitzende des Fachverbands Deutscher Heilpraktiker, sieht Möglichkeiten der Herstellung von Eigenblutprodukten nach homöopathischen Zubereitungsverfahren im Sinne von § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG (Der Heilpraktiker 2018, 43 (44)). Ferner wird in dem vom Verwaltungsgericht Osnabrück entschiedenen Verfahren,
94VG Osnabrück, Urteil vom 4. August 2020 - 3 A 44/19 -, juris Rn. 5 und 30,
95eine Zubereitungsmethode (flüssige Verdünnung) genannt, die auch von der dort zuständigen Behörde als dem homöopathischen Zubereitungsverfahren entsprechend unter § 28 TFG subsumiert worden ist.
96Auch der Anwendungsvorrang des Unionsrechts erfordert keine Subsumtion der klägerischen Eigenblutprodukte unter § 28 TFG, insbesondere nicht die von der Klägerin angeführte Richtlinie 2002/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, ABl. L 33/30. Sie gilt ausweislich von Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 29 lit. g) auch für die Gewinnung von Eigenblut. Soweit in Erwägungsgrund 11 ausgeführt wird, angesichts des besonderen Charakters von Eigenbluttransfusionen sei zu prüfen, wie und in welchen Fällen die einzelnen Bestimmungen dieser Richtlinie anzuwenden seien, lässt sich daraus nichts dafür ableiten, dass entweder generell Eigenblutentnahmen oder aber jedenfalls alle durch einen Homöopathen durchgeführten von dem Anwendungsbereich des Transfusionsgesetzes und damit auch vom Arztvorbehalt auszunehmen wären.
97Schließlich macht die Klägerin ohne Erfolg geltend, auf die in § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG in Bezug genommenen Arzneibücher könne nicht abgestellt werden, weil diese nicht rechtlich verpflichtend und nicht demokratisch legitimiert seien. Indem der Gesetzgeber sie in dieser Vorschrift aufgeführt hat, besteht insoweit sowohl eine demokratische Legitimation als auch eine rechtliche Bindungswirkung. Soweit die Klägerin meint, es liege eine unzulässige dynamische Verweisung auf eine Vielzahl von - möglicherweise immer wieder geänderten - Arzneibüchern der Mitgliedstaaten vor, jedenfalls soweit § 4 Abs. 26 AMG im Rahmen des § 28 TFG herangezogen werde,
98vgl. auch Spickhoff, ZMGR 2019, 106 (112),
99vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dynamische Verweisungen widersprechen nicht dem Gebot der Rechtsklarheit und sind zulässig, wenn der Gesetzeber den Inhalt seiner Vorschriften trotz Verweisung selbst festlegt und nicht der Entscheidung Dritter unterwirft.
100Vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2019 - 1 BvL 1/18 u. a. -, NJW 2019, 3054 = juris Rn. 57, m. w. N.
101Das ist hier der Fall. Mit § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG werden nicht Entscheidungen an andere Stellen ausgelagert. Vielmehr greift der Gesetzgeber lediglich für die Beschreibung von homöopathischen Zubereitungsverfahren mit den Arzneibüchern auf sachverständige Äußerungen zurück. Diese sind überdies nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Bezirksregierung in der Berufungsverhandlung auch nicht ständigen Änderungen unterworfen, weil sie ihren Ursprung im Wesentlichen im 19. Jahrhundert in den Lehren Samuel Hahnemanns haben.
102Im Übrigen hat die Klägerin nicht aufgezeigt und ist auch nicht erkennbar, wie das Begriffsmerkmal „homöopathisch“ in § 28 TFG bestimmt werden soll, wenn man nicht auf ein Zubereitungsverfahren im Sinne des § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG zurückgreift. Dass jedes Eigenblutprodukt eines Homöopathen erfasst werden sollte, erscheint nach den obigen Ausführungen zu dieser Vorschrift fernliegend. Für die in der Berufungsverhandlung vertretene Auffassung der Klägerin, es müsse auf die Gebräuchlichkeit der Eigenblutbehandlung abgestellt werden,
103so auch Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage 2018, § 28 Rn. 3,
104die ggf. durch Sachverständige festzustellen wäre, ist schon keine gesetzliche Grundlage erkennbar.
105(2) An dem danach erforderlichen homöopathischen Zubereitungsverfahren, das im Europäischen Arzneibuch oder in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschrieben ist, fehlt es hier in Bezug auf die von der Klägerin hergestellten Eigenblutprodukte, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Die Klägerin mischt das dem Patienten entnommene Blut lediglich mit einem Sauerstoff-Ozon-Gemisch. Weder das Eigenblut selbst noch das Eigenblutpräparat wird einer homöopathischen Technik unterzogen. Die Eigenbluttherapien weisen keinen Bezug auf zu den Herstellungsregeln der Arzneibücher und es fehlt auch an den ansonsten üblichen Festlegungen (etwa zu den Mengenverhältnissen bei der Potenzierung oder zum Verschüttelungsprozess).
106Vgl. auch die gemeinsame Stellungnahme von BfArM, Paul-Ehrlich-Institut und Robert-Koch-Institut vom 28. Februar 2018, S. 1 f.
107c. Ob auch der vom Beklagten im Berufungsverfahren geltend gemachte Verstoß gegen § 13 Abs. 2b Satz 2 Nr. 3 AMG i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 3, § 4 Abs. 14 AMG die Untersagung trägt, bedarf danach keiner Entscheidung mehr.
1082. Die Untersagungsverfügung in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids ist auch nicht ermessensfehlerhaft ergangen. Die Bezirksregierung N. hat das ihr in § 69 Abs. 1 AMG eingeräumte Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise ausgeübt.
109Insbesondere ist der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG, die auch die von der Klägerin angeführte Therapiefreiheit einschließt, verhältnismäßig. Er dient dem legitimen Zweck des Gesundheitsschutzes und ist zur Erreichung dieses Ziels auch geeignet und erforderlich. Soweit die Klägerin darauf verweist, milderes Mittel sei eine Untersagung unter dem Vorbehalt des Nachweises der entsprechenden Fähigkeiten im Hinblick auf die Blutentnahme im Rahmen der Eigenbluttherapie, ist das schon im Transfusionsgesetz nicht vorgesehen. Es bleibt auch gänzlich unklar, auf welcher Grundlage und an welchen Kriterien gemessen ein solcher Nachweis erbracht werden sollte. Ob damit Infektionsrisiken vergleichbar effektiv wie bei der Wahrung des Arztvorbehalts verhindert werden könnten, ist zudem zweifelhaft.
110Der Eingriff ist schließlich angemessen. Angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne, ist eine freiheitseinschränkende Regelung, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin steht nicht außer Verhältnis zu den damit verfolgten Gemeinwohlbelangen. Auf die von der Klägerin geltend gemachte therapeutische Wirkung und die Nutzen-Risiko-Bilanz der Eigenbluttherapie kommt es für die Frage nicht an, ob bei der gebotenen Abwägung der Berufsfreiheit der Klägerin Vorrang vor dem Gesundheitsschutz zu gewähren ist, der mit der hier nur in Rede stehenden Untersagung der Blutentnahme erreicht werden soll. Die weiter angeführte Therapiefreiheit besteht nicht „unabhängig von Fesseln normierender Vorschriften“ (Gerichtsakte Blatt 157), sondern nur im Rahmen des geltenden Rechts und bleibt bei Wahrung des Arztvorbehalts überdies erhalten. Soweit die Klägerin darauf verweist, Heilpraktiker verfügten über die für die Durchführung der Eigenbluttherapie erforderlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten und schuldeten eine fachgerechte medizinische Heilbehandlung sowie die Beachtung hygienischer Vorschriften, lässt sich damit die Unangemessenheit der Untersagung nicht begründen. Denn nach der Entscheidung des Gesetzgebers sind Eigenblutbehandlungen durch Heilpraktiker nicht generell vom Anwendungsbereich des Gesetzes und damit vom Arztvorbehalt ausgenommen, sondern nur, soweit es sich um homöopathische Eigenblutprodukte handelt. Diese Entscheidung für eine eng begrenzte Ausnahme lässt sich auch damit rechtfertigen, dass Heilpraktiker nicht über eine mit einem niedergelassenen Arzt vergleichbare medizinische Ausbildung verfügen, auch wenn sie denselben hygienischen Anforderungen unterliegen mögen, wie die Klägerin betont.
111Die Untersagung ist schließlich nicht im Hinblick auf deren wirtschaftliche Auswirkungen für die Klägerin unverhältnismäßig im engeren Sinne. Ob solche angesichts der gesetzgeberischen Grundentscheidungen im Transfusionsgesetz überhaupt eine Unverhältnismäßigkeit begründen können, kann offen bleiben. Jedenfalls reicht der Vortrag, dass dem gesamten Berufsstand der Heilpraktiker eine effektive Therapiemöglichkeit entzogen werde und Heilpraktiker teilweise bis zu 80 % ihres Umsatzes mit der Eigenbluttherapie erwirtschafteten, nicht aus, um im konkreten Einzelfall der Klägerin eine Unverhältnismäßigkeit des behördlichen Einschreitens zu begründen. Dass die Klägerin selbst derartige Einbußen hätte, trägt sie nicht substantiiert vor. Es ist ferner nichts dafür erkennbar, dass ihr auch ohne die bisher durchgeführten Eigenblutbehandlungen keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten verblieben. Auf das Selbstbestimmungsrecht ihrer Patienten und deren Befugnis, eine Behandlungsmethode zu wählen, kann sich die Klägerin schon nicht berufen, weil es sich dabei nicht um ihr zustehende Rechte handelt. Im Übrigen bleibt bei Wahrung des Arztvorbehalts die Therapiemöglichkeit mit den von der Klägerin angebotenen Eigenblutbehandlungen bestehen.
112B. Die auf §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 und 63 VwVG NRW gestützte Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 der Ordnungsverfügung ist ebenfalls rechtmäßig. Der Senat nimmt auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug.
113Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
114Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 und § 709 Satz 2 ZPO.
115Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt. Sowohl der Begriff der Spende gemäß § 2 Nr. 1 TFG und damit der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 TFG als auch der Begriff des homöopathischen Eigenblutprodukts im Sinne des § 28 TFG lassen sich im Wege der Auslegung aus dem Gesetz heraus bestimmen, ohne dass es dazu der Klärung im Revisionsverfahren bedürfte.
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