Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 D 153/20.NE
Tenor
Der Bebauungsplan Nr. 2 A „Gewerbestandort M. “ der Stadt Q. ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Ur-teils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
2Die Antragstellerinnen wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. 2 A "Gewerbestandort M. " der Antragsgegnerin (im Folgenden: Bebauungsplan).
3Die Antragstellerin zu 2. ist Eigentümerin des Grundstücks „Auf der Q1. 1“ in Q. , auf dem die Antragstellerin zu 1. eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Glasrecyclinganlage betreibt. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes, ebenso wie es im Geltungsbereich des Vorgängerplanes Nr. 2 „Industrie- und Gewerbegebiet Q. -M. “ lag, der seit dem Jahr 1977 Geltung beanspruchte.
4Der Bebauungsplan umfasst ein knapp 140 ha großes Gebiet im Norden des Ortsteils M. der Antragsgegnerin. Es wird im Osten durch die Eisenbahnlinie C. -O. , im Westen durch die B 482 und im Süden durch die L 770 begrenzt, wobei der Geltungsbereich im Südwesten teilweise auch südlich der L 770 bis etwa zum Siedlungsrand verläuft. Jenseits der B 482 befindet sich weiter westlich das Kohlekraftwerk I. , zu dem eine ehemalige Kraftwerkssiedlung gehört, die heute als ungebundene Wohnsiedlung fortexistiert. Zum Zeitpunkt der Planaufstellung wies das Gebiet ausweislich der Planbegründung eine lockere Bauweise mit Gewerbe-, Industrie- und Handwerksbetrieben in unterschiedlicher Größe auf, wobei insbesondere die Zuordnung der bestehenden Betriebe zu den Kategorien „Gewerbebetrieb“ einerseits und „Industriebetrieb“ andererseits zwischen den Beteiligten umstritten ist. Zwischen den gewerblich genutzten Flächen befanden sich vereinzelte landwirtschaftliche Flächen. Im Westen und Süden sind im Plangebiet zwei Lebensmitteldiscounter vorhanden, eine größere Fläche im Süden wird zur Nutzung von Solarenergie sowie für eine Biogasanlage genutzt. Neben den Siedlungsbereichen von M. im Süden befindet sich nordwestlich des Plangebietes der Ortsteil K. sowie im Osten die Ortschaft H. -W. .
5Für den Geltungsbereich des Bebauungsplanes galt zuvor der im Jahr 1977 rechtsverbindlich gewordene Bebauungsplan Nr. 2 „Industrie- und Gewerbegebiet M. -H. -W. “. Dieser setzte überwiegend nach damaligen Abstandsklassen gegliederte Industriegebiete nach § 9 BauNVO und an den nördlichen, östlichen und südlichen Rändern bandartig Gewerbegebiete fest. Das Betriebsgrundstück der Antragstellerin war teilweise als Industriegebiet und teilweise als Gewerbegebiet ausgewiesen. Die im Bebauungsplan festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen waren mit Stand 2017 etwa zur Hälfte durch Gewerbe- und Industriebetriebe in Anspruch genommen. Ca. 43 ha waren hingegen unbebaut.
6Der Regionalplan für den Regierungsbezirk E. – Teilabschnitt Oberbereich C. – weist das Areal als Bereich für gewerbliche und industrielle Nutzungen (GIB) aus. Hierbei handelt es sich um den einzigen GIB im Stadtgebiet Q. . Lediglich der Bereich südlich der L 770 ist im Regionalplan als allgemeiner Siedlungsbereich (ASB) dargestellt. Der Flächennutzungsplan der Stadt Q. weist gewerbliche Bauflächen, teilweise mit Nutzungseinschränkungen, aus.
7Der angefochtene Bebauungsplan setzt als Art der baulichen Nutzung für das gesamte Plangebiet nach Abstandsklassen gegliederte Gewerbegebiete fest, wobei Anlagen der Abstandsklassen I bis III im gesamten Plangebiet ausgeschlossen sind und Betriebe der Abstandsklasse IV im Wesentlichen im Zentrum sowie im Nordwesten des Plangebietes gegenüber dem Kraftwerk I. zu finden sind. Nach Osten und Norden ist jenseits der Bahnlinie halbkreisförmig eine Fläche für Landwirtschaft um die Gewerbegebietsflächen vorgesehen. Die Grundflächenzahl wird durchweg mit 0,8 festgesetzt, die Gebäudehöhe weitestgehend mit einer Höhe von 63 m über NHN, lediglich im südlichen Bereich mit 53 m über NHN, was einer Gebäudehöhe von ca. 20 bzw. ca. 10 m entspricht. Die überbaubaren Grundstücksflächen werden durch Baugrenzen festgelegt, die mit wenigen Ausnahmen eine vollständige Bebauung der jeweiligen Gewerbegebietsflächen zulassen und nur zu den Erschließungsstraßen einen Abstand einhalten. Nach den textlichen Festsetzungen sind in den Gewerbegebieten die Nutzungen (nur) nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauNVO, ggf. beschränkt durch die Gliederung nach Abstandsklassen, allgemein zulässig. Ausnahmsweise zugelassen sind u. a. Einzelhandelsbetriebe mit nicht nahversorgungsrelevantem und/oder nicht zentrenrelevantem Hauptsortiment. Unzulässig sind im gesamten Plangebiet Beherbergungs- und Bordellbetriebe, Biogasanlagen, Freiflächen-Photovoltaikanlagen, Störfallbetriebe und Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen oder Betriebsinhaber, Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge, Vergnügungsstätten sowie Einzelhandelsbetriebe mit nahversorgungsrelevanten und/oder zentrenrelevanten Kernsortimenten. Für die bereits im Plangebiet vorhandenen Einzelhandelsbetriebe findet sich unter C.2.6 eine Fremdkörperfestsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO wonach sie unter Beibehaltung ihres genehmigten Sortiments und der genehmigten Verkaufsfläche sowie ohne Vergrößerung der Verkaufsfläche erneuert werden können. Änderungen sowie Erweiterungen des genehmigten Sortiments in Bezug auf nahversorgungsrelevante und/oder zentrenrelevante Sortimente sind innerhalb der Verkaufsfläche unzulässig.
8Zum Planungsanlass und den Zielen der Planung heißt es in der Planbegründung, die Antragsgegnerin habe gemeinsam mit den anderen kreisangehörigen Städten und Gemeinden des Kreises N. -M1. ein kreisweites Gewerbe- und Industrieflächenentwicklungskonzept erarbeitet, dessen Notwendigkeit sich aus dem Landesentwicklungsplan 2017 und der sich hieraus ergebenden Anpassungsnotwendigkeit auch an den Regionalplan ergeben habe. Ziel sei eine bedarfsgerechte und flächensparende Planung neuer GIB und deren Darstellung vor dem Hintergrund regionaler Abstimmung im Sinne interkommunaler Zusammenarbeit/Bündelung von Kräften. Dabei seien die im Kreisgebiet vorhandenen Gewerbe- und Industriegebiete untersucht worden. Nicht alle zurzeit dargestellten/ausgewiesenen GIB-Standorte erfüllten die Ansprüche der Definition eines regionalplanerischen GIB. Namentlich habe diese Analyse gezeigt, dass u. a. der für die Stadt Q. im Regionalplan dargestellte Standort M. nicht dem Anforderungsprofil eines solchen regionalplanerischen GIB entspreche. Der deutlich überwiegende Teil der Grundstücke bzw. des Nettobaulandes werde nicht im Sinne eines Industriegebietes genutzt. In dem ca. 140 ha großen Plangebiet, das auf einer Fläche von rund 93 ha Betriebsansiedlungen zulasse, fänden sich umfänglich Gewerbebetriebe, die auch in einem Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO zulässig wären. Zudem habe die Analyse des Entwicklungskonzeptes gezeigt, dass in der Stadt Q. kein (zusätzlicher) Bedarf an GIB zu rechtfertigen sei. Die Antragsgegnerin sehe vor diesem Hintergrund planerischen Handlungsbedarf, weil aufgrund der absehbar nicht möglichen Entwicklung weiterer Wirtschaftsflächen im Stadtgebiet die noch vorhandenen Reserven in den bestehenden Gewerbegebieten nach Möglichkeit mit arbeitsplatzintensiven Gewerbebetrieben belegt werden sollten. Dies betreffe gerade die Reserveflächen am Standort in M. , weil nur noch innerhalb dieser Reserveflächen eine gewerbliche Entwicklung überhaupt noch vollzogen werden könne. Sie verfolge daher das Ziel, den vorhandenen Bebauungsplan Nr. 2 dahingehend zu überarbeiten, dass anstelle eines Industriegebietes bei vollständiger Beibehaltung der nutzbaren Flächen nunmehr ausschließlich Gewerbegebiete festgesetzt werden sollten. Bestehende (Industrie-)Betriebe erführen durch die zukünftige Festsetzung eines Gewerbegebiets aufgrund der heute bestehenden Genehmigung „keinen Nachteil“. Aus Immissionsschutzgründen werde eine Gliederung nach Abstandsklassen festgesetzt, um die in der Umgebung vorhandenen schutzbedürftigen Nutzungen nicht übermäßig zu belasten. Die ursprünglichen Immissionsschutzfestsetzungen entsprächen nicht mehr dem heute üblichen Standard. Bei der Planung sei maßgeblich berücksichtigt worden, dass in einem Industriegebiet die Arbeitsplatzdichte in der Regel deutlich niedriger sei als in einem Gewerbegebiet. Zudem gebe es bei einem Industriegebiet im Allgemeinen negative Auswirkungen auf die Vermarktung angrenzender Gewerbegebiete. Zugleich entspreche sie damit aktuellen Begehren von Betrieben, die sich in absehbarer Zeit im Gewerbegebiet M. ansiedeln wollten. Hierzu gehörten u. a. eine Fahrzeughalle zur Lagerung von Oldtimern, eine Landmaschinenreparatur, Kunststoffverarbeitung sowie die Lagerung von Waren für den Innenausbau. Für die Unterbringung industriegebietstypischer Betriebe sei das Plangebiet hingegen nicht weiter geeignet. Dies ergebe sich aus der hier eher schutzwürdigen Nutzung und der städtebaulichen Zielsetzung, am Standort M. Gewerbeflächen für das örtliche Gewerbe vorzuhalten. Die privaten Belange der vier im Plangebiet vorhandenen Industriebetriebe seien mit den öffentlichen Belangen abgewogen worden. Im Ergebnis habe sich gezeigt, dass mit der Aufstellung des Bebauungsplanes für die ansässigen Betriebe keine Reduzierung der ausgeübten Nutzung erfolge, sondern ggf. ausschließlich eine mögliche betriebliche Entwicklungsperspektive beschränkt werde. Damit werde indes keine Rechtsposition der Betriebe verletzt. Gleichwohl sei das Interesse dieser Betriebe in die Gesamtabwägung eingestellt worden, namentlich dann, wenn eine Existenzgefährdung geltend gemacht werde. Diese sei hier indes nicht zu erkennen. Im Bauleitplanverfahren hätten nur zwei Betriebe eine Entwicklungsperspektive vorgetragen. Diese sei aber in keinem Fall im Bauleitplanverfahren „substantiiert beantragt“ worden. Dem allgemeinen städtebaulichen Ziel dienten dabei insbesondere auch die weiteren feinsteuernden Ausschlüsse von Nutzungen, die grundsätzlich in einem Gewerbegebiet zulässig seien könnten. Um den Interessen der Bestandsbetriebe Rechnung zu tragen, sei für die beiden Lebensmitteldiscounter und den vorhandenen Baumarkt eine eingeschränkte Fremdkörperfestsetzung erfolgt. Hingegen sei Gleiches für die Industriebetriebe nicht erforderlich gewesen, weil insoweit der Schutz der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausreiche. Nach § 16 Abs. 5 BImSchG bedürfe es einer Genehmigung nicht, wenn eine genehmigte Anlage oder Teile einer genehmigten Anlage im Rahmen der erteilten Genehmigung ersetzt oder ausgetauscht werden sollten. Änderungen, Erweiterungen oder Nutzungsänderungen, die immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig seien, seien hingegen nicht gewünscht und würden deshalb auch nicht durch eine Fremdkörperfestsetzung ermöglicht. Im Weiteren heißt es zur Bestandssituation in der Planbegründung, die Betriebsstruktur in dem Plangebiet sei im Wesentlichen durch Gewerbebetriebe gekennzeichnet, die dem Grunde nach als nicht erheblich belästigend einzuordnen seien. Vielfach seien sogar Betriebe vorhanden, die das Wohnen nicht wesentlich störten. Lediglich die Betriebe E1. 36 (Betrieb zur Lagerung von Abfällen, u. a. von Bauschuttschmelzgranulat, Grünschnitt und Altholz, außerdem für eine Brecheranlage), Auf der Q1. 1 (Betrieb zur Altglasaufbereitung), J.----------straße 7/E1. 30 (Autosammelplatz/Autoverwertung) und An der X. 38 (Anlage zur Lagerung von Abfällen) seien Betriebe, die außerhalb von Industriegebieten unzulässig seien. Insgesamt sei von einer Flächennutzung von 8 ha durch industriegebietsaffine Betriebe und Anlagen auszugehen. Diese Betriebe würden auf den immissionsschutzrechtlich genehmigten Bestand gesetzt, hätten jedoch keine weiteren Betriebseinschränkungen zu erwarten. Die vorhandenen Gewerbebetriebe hätten sich in Kenntnis eines Industriegebietes und einer vorhandenen bzw. möglichen Nachbarschaft von industriegebietstypischen Betrieben in diesem angesiedelt. Die faktische Situation werde durch den Bebauungsplan nicht geändert. Ein Abwehranspruch von zukünftig hinzutretenden Gewerbebetrieben gegen die in geringem Umfang vorhandenen ggf. industriegebietstypischen Betriebe bestehe nicht, da hier das Rücksichtnahmegebot gelte. Die Belange des Immissionsschutzes seien durch die Gliederung nach der Abstandsliste gesichert. Sie seien ergänzend gutachterlich untersucht worden. Das Gutachten der B. GmbH von 14. August 2017 habe im Sinne einer Plausibilitätsprüfung die Machbarkeit eines Gewerbegebietes und dem darin zu berücksichtigenden Emissionsverhalten der zulässigen Betriebe mit Blick auf die relevanten Immissionsorte bestätigt. Nach der Untersuchung seien den Betriebsflächen in typisierender Weise flächenhafte Immissionspegel zugeordnet worden. Betriebe, die industriegebietstypische Immissionspegel in Ansatz bringen könnten, seien berücksichtigt worden. Die Untersuchung habe gezeigt, dass das neue Planungsrecht eine lärmkonfliktfreie Nachbarschaft mit der umgebenden Wohnbebauung bewirken werde. Wegen des Kraftwerks I. als Störfallbetrieb sei von der ursprünglich vorgesehenen Zulässigkeit betriebsbezogenen Wohnens im Plangebiet generell Abstand genommen worden.
9Das Verfahren zur Neuaufstellung des Bebauungsplanes Nr. 2 A nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:
10In seiner Sitzung vom 15. Dezember 2016 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Aufstellung des angegriffenen Bebauungsplanes und den zugehörigen Planentwurf. Zugleich beschloss er eine Satzung über die Anordnung einer Veränderungssperre für das Gebiet des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes. Einen hiergegen gerichteten Normenkontrollantrag eines Drittunternehmens hat der Senat mit Urteil vom 8. Mai 2018 abgelehnt (2 D 44/17.NE).
11Die frühzeitige Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange fand in der Zeit vom 10. August bis 20. September 2017 statt. Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgte in Form einer Informationsveranstaltung vom 21. September 2017.
12In seiner Sitzung vom 22. März 2018 beschloss der Rat der Antragsgegnerin über die in der frühzeitigen Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung eingegangenen Stellungnahmen und die seitens der Verwaltung vorgeschlagenen Planänderungen hinsichtlich des ersten Entwurfs sowie die öffentliche Auslegung der Planunterlagen. Diese erfolgte im Zeitraum vom 4. Juni 2018 bis 9. Juli 2018, parallel wurden die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange förmlich beteiligt. Am 4. Juli 2019 beschloss der Rat der Antragsgegnerin über die in der förmlichen Beteiligung eingegangenen Einwände und Stellungnahmen sowie einen geänderten Planentwurf und dessen erneute Offenlage. Im Kern betrafen die Änderungen die nunmehr aufgenommene eingeschränkte Fremdkörperfestsetzung für die bestehenden Einzelhandelsbetriebe. Die erneute Offenlage fand im Zeitraum vom 22. Juli 2019 bis 30. August 2019 statt. Parallel wurden die Behörden und Träger öffentlicher Belange beteiligt.
13Die Antragstellerinnen bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen erhoben in allen Phasen der Öffentlichkeitsbeteiligung Einwände gegen die beabsichtigte Bauleitplanung. Sie hätten bereits mit Schreiben vom 6. Februar 2017 im Anschluss an ein Gespräch vom 20. Januar 2017 sowie mit weiteren Schreiben vom 26. April 2017 und 21. Juni 2017 deutlich gemacht, dass sie sich mit der Glasaufbereitungsanlage in einem stark durch Verdrängungswettbewerb gekennzeichneten Markt bewegten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, bedürfe es daher insbesondere auch der kurzfristigen Einführung neuer Verfahren oder Betriebsweisen, die Änderungen im Genehmigungsregime bedingten. Insoweit seien die Standortsicherheit und die Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens stark gefährdet, durch die Neuplanung trete eine Existenzbedrohung ein. Nicht zuletzt in einem persönlichen Gespräch sei von ihnen eingehend dargestellt worden, dass und warum der Standort einer Glasaufbereitungsanlage geeignet sein müsse, dem Anlagenbetreiber die Möglichkeit zu bieten, auf Einflüsse des Marktes schnell zu reagieren. Die von der Antragsgegnerin eingenommene immissionsschutzrechtliche Sichtweise zur Notwendigkeit von Genehmigungs- oder auch Anzeigeverfahren verkenne, dass es bei Industrie- oder Entsorgungsanlagen immer auch Änderungen gebe, die zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Standortsicherung notwendig seien, die aber eines Genehmigungsverfahrens bedürften. Solche Änderungen wären künftig nicht mehr zulässig. Zugleich handele es sich um eine sehr kapitalintensive Anlage, die einen für den laufenden Betrieb und mögliche Änderungen/Erweiterungen gesicherten Standort benötige. Dagegen lasse sich auch nicht vorbringen, dass bisher nur der westliche Teil des Betriebsgrundstücks als Industriegebiet planerisch ausgewiesen sei. Die bisherige geteilte Ausweisung habe der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Anlage nicht im Wege gestanden. Nach Osten hin hätten sie durch aufwändige umweltschutztechnische Maßnahmen dafür Sorge getragen, dass notwendige nachbarschützende Standards mehr als eingehalten würden. Wichtig und entscheidend sei jedoch, dass neben dem Teil ihres Grundstücks, der als Industriegebiet ausgewiesen sei, in alle anderen Richtungen eine großflächige Industriegebietsausweisung bestanden habe, die es sicherstelle, dass sich dort nichts entwickle, was die Standortsicherheit ihrer Anlage beeinträchtige. Beispielsweise sei es nicht akzeptabel, wenn sich in der unmittelbaren oder mittelbaren Nachbarschaft gewerbegebietstypische Nutzungen ansiedeln könnten, die ihrerseits gegenüber Störungen empfindlich seien, wie etwa Dentallabore, Verwaltungen oder auch Lebensmittelbetriebe. Sie rege daher an, es für ihr Grundstück und die Umgebung bei der Industriegebietsfestsetzung zu belassen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es nur sehr wenige für die Ansiedlung bzw. den Betrieb von Abfallbehandlungsanlagen geeignete Standorte gebe. Ausweichmöglichkeiten bestünden deshalb nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres. Der Standort biete auch die Möglichkeit, die Glasrecyclinganlage an veränderte Anforderungen des Marktes anzupassen, z. B. eine tiefergehende Sortierung von Autoscheiben oder Aufbereitung der aus den Autoscheiben anfallenden PVB-Folien. Darüber hinaus biete er die Möglichkeit, auch andere Entsorgungsaktivitäten wie etwa das Kunststoffrecycling hier durchzuführen. Hierfür wären ggf. Genehmigungsverfahren erforderlich, die aber ohne eine planerische Standortsicherheit nicht aussichtsreich zu führen wären. Angesichts dessen sei nicht nachvollziehbar, dass in der Entwurfsbegründung ausgeführt werde, Entwicklungsperspektiven seien bislang nicht substantiiert beantragt worden. Die konkreten Erweiterungsinteressen seien der Stadt bekannt. Dass ein Antrag gestellt werden müsse, damit diese Interessen im Rahmen der Bauleitplanung überhaupt Berücksichtigung finden sollten, könne nicht gefordert werden. Denn vor dem Hintergrund der Veränderungssperre sei die Einleitung eines zeit- und kostenintensiven immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens zur Umsetzung der geplanten Änderungen derzeit offensichtlich aussichtslos. Zudem sei die Bestandsaufnahme der Antragsgegnerin fehlerhaft. Sie habe erheblich zu wenige Flächen mit industrieller Nutzung hinterlegt. In ein Industriegebiet gehörten nicht nur immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtige Anlagen, sondern auch sonstige Betriebe, die ein gewisses Störpotential hätten. Das habe die Antragsgegnerin nicht beachtet. Das Gebiet werde entgegen der Annahme der Antragsgegnerin in vielfältiger Weise durch Anlagen geprägt, die auf Grundlage einer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz betrieben würden und/oder aufgrund ihres Emissionsverhaltens auf ein Industriegebiet angewiesen seien - so etwa die Firmen K1. L. Absatzmulden und Transporte GmbH, die Firma L1. Bohrunternehmungen GmbH und die N1. N2. GmbH (eine Spedition). Weiter gehöre hierzu der ausgedehnte Betrieb der Firma H1. J1. GmbH & Co KG. Hierbei handele es sich um eine Spedition mit entsprechendem Anlagenlärm und erheblichem An- und Abfahrtsverkehr auch zur Nachtzeit. Dieser sei sehr störintensiv und aufgrund seines Störgrades ebenfalls nur in einem Industriegebiet zulässig. Auch das Unternehmen X1. Kunststofftechnik sei augenscheinlich immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig. Zudem werde das gesamte Gebiet durch die hohen Bauwerke und Auswirkungen des Großkraftwerkes I. nachhaltig geprägt. Durch die Bebauungsplanung würden die bereits im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung dargelegten ernsthaften Erweiterungsinteressen planungsrechtlich unzulässig. Es könne daher keine Rede davon sein, dass die bestehenden Betriebe aufgrund ihrer bestehenden Genehmigung keine Nachteile erführen, wie die Antragsgegnerin in ihrer ersten Abwägung ausgeführt habe. Ergänzend sei schließlich auszuführen, dass es falsch sei, wenn die Antragsgegnerin die Auffassung vertrete, neu heranrückende Gewerbebetriebe würden in eine vorbelastete Situation einrücken und deshalb nicht schutzwürdiger sein als in einer Umgebung, die nach wie vor als Industriegebiet ausgewiesen wäre. Dies sei schon deshalb nicht richtig, weil andere Immissionsrichtwerte gälten, je nachdem, ob es sich um ein Industrie- oder Gewerbegebiet handele. Bestenfalls könne hier eine Zwischenwertbildung erfolgen, die jedoch gleichfalls zu einem Nachteil für sie führte. Schließlich verstoße die Planung auch gegen die Vorgaben des einschlägigen Regionalplans.
14In seiner Sitzung vom 19. Dezember 2019 beschloss der Rat der Antragsgegnerin über die im Verfahren der Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden und Träger öffentlicher Belange eingegangenen Stellungnahmen auf der Grundlage der Ratsvorlage 186/2019 und den Bebauungsplan als Satzung. In der Abwägung der Einwände der Antragstellerinnen führt die Vorlage u. a. aus, deren Betrieb genieße Bestandschutz. Es werde deshalb etwa weiterhin möglich sein, auf der Grundlage der bestehenden Anlagengenehmigung ggf. den Bau weiterer Versiegelungsflächen auf dem bisher bestehenden Grundstück vor- oder weitere aufzubereitende Abfallarten hinzuzunehmen. Eine Reduzierung der ausgeübten Nutzung erfolge nicht. Zudem befinde sich die Anlage bereits jetzt teilweise in einem Gewerbegebiet. Die Bestandserfassung sei nicht zu beanstanden. So sei etwa die Spedition N2. kein bundesimmissionsschutzpflichtiger Betrieb „und somit nicht industriegebietspflichtig“. Im Übrigen sei auf der Grundlage der herangezogenen Bau- und Anlagengenehmigungen nicht ersichtlich, dass weitere Betriebe auf eine Industriegebietsfestsetzung angewiesen seien. Das geltend gemachte „gewisse Störpotential“ reiche zu einer entsprechenden Feststellung nicht aus. Vor dem Hintergrund der ihr bekannten Bau- und Anlagengenehmigungen seien auch die weiter angeführten Betriebe allesamt in der Bestandsaufnahme soweit gerechtfertigt als industriegebietstypische, nach dem BImSchG oder dem Abfallrecht genehmigte Betriebe ausgewiesen worden. Demgegenüber seien die weiteren genannten Firmen nachweislich keine BImSchG-pflichtigen Betriebe und somit nicht industriegebietspflichtig. Feststellungen zum Betrieb X1. enthält die Abwägung nicht. Auch sei zu befürchten, dass aufgrund der heute zulässigen und teilweise ausgenutzten Möglichkeit zur Ansiedlung von abfallaffinen Betrieben das Plangebiet und der Standort eine Prägung erführen, die es zukünftig erschwere bis unmöglich mache, Gewerbebetriebe des produzierenden Sektors an dem Standort anzusiedeln. Verstöße gegen die Regionalplanung seien tatsächlich nicht gegeben. Die Planung bewege sich im Rahmen der Ziele des Regionalplans, sofern es sich bei den Vorgaben überhaupt um solche handeln sollte.
15Der Bebauungsplan wurde zunächst am 16. Januar 2020 im Amtlichen Kreisblatt des Kreises N. -M1. sowie am selben Tage im Internet bekannt gemacht. Eine erneute rückwirkende Bekanntmachung erfolgte aufgrund einer Bekanntmachungsanordnung vom 7. Oktober 2020 am 15. Oktober 2020 im Amtlichen Kreisblatt des Kreises N. -M1. sowie im Internet.
16Am 6. August 2020 haben die Antragstellerinnen die vorliegenden Normenkontrollanträge gestellt. Zur Begründung führen sie unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Einwände im Aufstellungsverfahren im Wesentlichen aus, der angegriffene Bebauungsplan leide an durchgreifenden formellen und materiellen Mängeln. In formeller Hinsicht liege ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB infolge einer fehlerhaften Bekanntmachung der Offenlage vor. Eine der Hauptsatzung entsprechende ortsübliche Bekanntmachung der Auslegung habe nicht stattgefunden. Nach § 14 Abs. 1 der Hauptsatzung der Stadt Q. in der Fassung vom 22. Dezember 2016 müssten gesetzlich vorgeschriebene öffentliche Bekanntmachungen durch die Bereitstellung im Internet vollzogen werden. Hier sei die öffentliche Bekanntmachung indes im Amtsblatt für den Kreis N. -M1. erfolgt. Diese Form der Bekanntmachung sei in der Hauptsatzung nicht vorgesehen und damit unzulässig. § 4 Abs. 1 Satz 1 BekanntmVO NRW erlaube es lediglich, zwischen den dort genannten Bekanntmachungsformen alternativ zu wählen. An die in der Hauptsatzung vorgegebene Bekanntmachungsform sei die Gemeinde jedoch im Anschluss gebunden. Die Befugnis zu einer Art Ersatzbekanntmachung bestehe nicht. Dies habe die Antragsgegnerin hier im gesamten Aufstellungsverfahren einschließlich des Satzungsbeschlusses und dessen Bekanntmachung nicht beachtet. Die Regelungen über die Bekanntmachung sollten Rechtssicherheit gewährleisten und nicht Verwirrung stiften. Die entgegen § 14 der Hauptsatzung erfolgte Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung und des Satzungsbeschlusses im Amtsblatt für den Kreis N. -M1. seien danach rechtswidrig. Dies gelte umso mehr, als die Antragsgegnerin diese Bekanntmachungen ersichtlich als maßgebliche Bekanntmachungsform angesehen habe. Dies werde nicht nur daran deutlich, dass nur diese Bekanntmachung in den Aufstellungsvorgängen dokumentiert sei, sondern auch durch den Hinweis darauf, dass die Unterlagen zusätzlich in das Internet eingestellt würden. Insoweit handele es sich nach der Bekanntmachung nur um eine ergänzende Nutzung der elektronischen Medien, nicht um die eigentliche Bekanntmachung. Der Satzungsbeschluss sei ebenfalls nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Eine Einladung zur Ratssitzung lasse sich nicht feststellen, zumindest sei die Tagesordnung nicht ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden. Zudem sei der Satzungsbeschluss selbst nicht hinreichend bestimmt. Ihm lasse sich nicht entnehmen, in welcher Fassung der mehrfach geänderte Planentwurf tatsächlich als Satzung beschlossen worden sei. Schließlich fehle es aus den bereits zu § 3 Abs. 2 BauGB genannten Gründen an einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses. Darüber hinaus verfehle die Bekanntmachung den erforderlichen Hinweiszweck. Es fehle an einem Hinweis darauf, dass die Möglichkeit der Einsichtnahme in den Bebauungsplan und die Begründung für jedermann bestehe. Die Annahme der Antragsgegnerin, nach § 10 Abs. 3 S. 3 BauGB komme es nur auf die Angabe des Ortes der möglichen Einsichtnahme an, nicht aber auf einen Hinweis auf das grundsätzliche Bestehen einer Einsichtnahmemöglichkeit, gehe fehl. Auch die Bekanntmachungsanordnung selbst sei fehlerhaft, weil sich ein Hinweis auf § 7 Abs. 6 GemO NRW nur im Bekanntmachungstext selbst, nicht aber in der Bekanntmachungsanordnung finde.
17Darüber hinaus sei der Bebauungsplan materiell fehlerhaft. Ihm fehle bereits die städtebauliche Erforderlichkeit. In der Satzungsbegründung werde insoweit dargelegt, dass Anlass und Grundlage des Bebauungsplanverfahrens der „Fachbeitrag zur Wirtschaftsflächenentwicklung“ (Gewerbe- und Industrieflächenentwicklungskonzept) für das Kreisgebiet N. -M1. sei. Ein überörtliches, durch Zusammenwirken mehrerer Planungsträger entwickeltes Gewerbe- und Industrieflächenentwicklungskonzept für ein Kreisgebiet könne nicht zur Begründung der städtebaulichen Erforderlichkeit einer kommunalen Bauleitplanung herangezogen werden, ohne dass der jeweilige Plangeber hierzu (zumindest ergänzend) eigene Erwägungen anstelle. Dass die Planbegründung auf die fehlende Verbindlichkeit hinweise, reiche insoweit nicht aus. Dies habe die Antragsgegnerin nicht gehindert, eine Selbstverpflichtung anzunehmen. Zudem beruhe die Planung in einer ihre Rechtfertigung ausschließenden Weise auf einer veralteten und fehlerhaften Bestandsaufnahme zu den derzeitigen Nutzungen im Plangebiet. Hier sei eine Bestandserhebung aus Anfang 2017 einem Satzungsbeschluss vom 19. Dezember 2019 zugrundegelegt worden, ohne dass die Antragsgegnerin überprüft hätte, ob diese nach mehr als 2 Jahren noch aktuell sei. Schwerer wiege indes, dass die Antragsgegnerin nicht ordnungsgemäß ermittelt habe, welche der vorhandenen Betriebe in ein Industriegebiet gehörten. Dies sei nicht nur für immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtige Anlagen der Fall, sondern für alle erheblich belästigenden Gewerbebetriebe unabhängig von ihrer Genehmigung. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit habe insoweit nur indizielle Wirkung. Demgegenüber habe die Antragsgegnerin ihrer Abwägung und der Bestandserfassung rechtsfehlerhaft zugrunde gelegt, dass „industriegebietstypisch“ und „immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig“ letztlich Synonyme seien. Zumindest der im Nordwesten des Plangebietes vorhandene große Speditionsbetrieb mit intensivem Lkw-Verkehr sowie die Spedition in unmittelbarer Umgebung ihres Betriebsgrundstückes seien aufgrund ihres Emissionsverhaltens als auf ein Industriegebiet angewiesener Gewerbebetrieb anzusehen. Die Spedition H1. weise erhebliche Dimensionen auf. Es gebe einen intensiven Lkw-Verkehr und einen mehrschichtigen Betrieb, der sich auch auf die Nachtzeit erstrecke. Ausweislich seines Internetauftritts verfüge das Unternehmen über einen Fuhrpark von ca. 90 Sattelzugmaschinen. Hinzu trete eine Gabelstaplervermietung und eine Lkw-Waschanlage. Die Annahme der Antragsgegnerin, Speditionsbetriebe seien im Rahmen einer typisierenden Betrachtung generell als gewerbegebietstypische und nicht als industriegebietstypische Nutzungen einzustufen, sei in dieser Form unzutreffend. Speditionen fielen wegen des unterschiedlichen Störgrades der jeweiligen Betriebsform je nach dem konkreten Typ unter den Begriff der nicht erheblich belästigenden Gewerbebetriebe oder aber unter den Begriff der erheblich belästigenden Gewerbebetriebe. Zumindest das Unternehmen „X1. Kunststofftechnik“ müsse wohl sogar auf immissionsschutzrechtlicher Grundlage betrieben werden, sei von der Antragsgegnerin aber gleichwohl den normalen Gewerbebetrieben zugeordnet worden. Allein der Umstand, dass hier ein vereinfachtes Verfahren nach § 19 BImSchG erfolgt sein solle oder hätte erfolgen können, ändere hieran nichts. Im Übrigen sei nach der im Internet einsehbaren Betriebsbeschreibung davon auszugehen, dass hier ein Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG erforderlich gewesen sei. Auch bei einer tatsächlichen Betrachtung sei nicht zweifelhaft, dass es sich bei der Produktion von Systemlösungen aus PMA-Harzen in einer 4.000 m² großen Betriebsstätte mit einer Kapazität von 5.500 t pro Jahr und deren anschließendem Vertrieb mit dem damit einhergehenden Fahrzeugverkehr um einen erheblich belästigenden Gewerbebetrieb handele. Dass das Bohrunternehmen L1. nicht einem Industriegebiet zugeordnet werden müsse, sei gleichfalls nicht verständlich. Bei einer korrekten Bestandsaufnahme hätten mithin zahlreiche weitere Flächen einer industriegebietstypischen Nutzung zugeordnet werden müssen. Darüber hinaus weise die Bebauungsplanung durchgreifende Abwägungsfehler auf. Dies ergebe sich bereits aus der fehlerhaften städtebaulichen Bestandsaufnahme. Die fehlende Berücksichtigung gleich mehrerer Betriebe, die tatsächlich nur in einem Industriegebiet angesiedelt werden könnten, hätten sie bereits im Beteiligungsverfahren detailliert dargelegt. Dies habe die Antragsgegnerin gleichwohl nicht berücksichtigt. Zudem werde das gesamte Plangebiet durch die hohen Bauwerke und die Immissionen des Großkraftwerks I. geprägt. Dieses Kohlekraftwerk sei dort seit 1950 ansässig. Der prägenden Wirkung lasse sich nicht entgegenhalten, dass es sich vom Plangebiet aus gesehen auf der anderen Seite der B 482 befinde. Diese Straße habe hier wegen der enormen Dimensionen des Kraftwerks keine trennende Wirkung. Darüber hinaus leide die Bebauungsplanung an einer Abwägungsfehleinschätzung. Insbesondere ihre Interessen an der weiteren Ausnutzung und Entwicklung des vorhandenen Betriebes seien nicht ordnungsgemäß eingestellt worden. Trotz der von ihnen bereits während der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung dargelegten Erweiterungsinteressen habe sich die Antragsgegnerin in ihrer Abwägung darauf zurückgezogen, dass solche Interessen „im Bauleitplanverfahren substantiiert beantragt“ werden müssten, um dort Berücksichtigung finden zu können. Dies sei nicht haltbar. Sie hätten bereits frühzeitig konkrete Vorstellungen zur absehbaren künftigen Entwicklung ihres Betriebes dargelegt. Diese seien zweifelsfrei planungsrechtlich relevant, von der Antragsgegnerin aber ignoriert worden. Diese konkreten Erweiterungsinteressen seien auf Entwicklungsmöglichkeiten angewiesen, die jeweils einer Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG bedürften. Solche Änderungen seien ihnen nunmehr unmöglich. Durch den Verlust von Entwicklungsmöglichkeiten sei der Betriebsstandort in seiner Wettbewerbsfähigkeit mit vergleichbaren Unternehmen der Glasrecyclingwirtschaft stark eingeschränkt und sogar kurzfristig in seiner Existenz bedroht, zumal der Markt derzeit von Überkapazitäten geprägt sei. Ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, insbesondere das der Antragstellerin zu 1., umfasse nicht nur das Interesse an der weiteren ungestörten Ausnutzung des vorhandenen Betriebszustandes, sondern auch die Möglichkeit einer zukünftigen Betriebsausweitung jedenfalls im Rahmen einer normalen Betriebsentwicklung. Es handele sich bei ihren Darlegungen auch nicht um unverbindliche Absichtserklärungen, wie die Antragsgegnerin meine. Sie habe bereits im Aufstellungsverfahren konkrete Erweiterungsinteressen wie z. B. eine geänderte bzw. erweiterte Betriebsweise der Anlage durch die Aufbereitung von PVB-Folie aus Sicherheitsglas oder die Hinzunahme neuer Glassorten sowie die Kapazitätserweiterung und die Aufnahme neuer Abfallschlüsselnummern in den Input-Katalog benannt. Zur Realisierung der beabsichtigten Erweiterung seien bereits Gespräche mit der Bezirksregierung E. als zuständiger Genehmigungsbehörde geführt worden. Hiervon habe die Antragsgegnerin auch Kenntnis gehabt. Zudem habe sie deutlich gemacht, dass sie spezifisch auf eine gewisse Flexibilität in der Betriebsentwicklung angewiesen sei. Insbesondere habe sie dargelegt, aus welchen Gründen bestimmte Erweiterungen ihres Betriebes erst recht kurzfristig benannt und durchgeführt werden könnten. Auf der Grundlage des Bebauungsplans stehe zudem nunmehr die gesamte Umgebung ihrer Anlage bzw. ihres Grundstücks für Betriebe offen, die ihrerseits empfindlich auf eine Anlage zur Lagerung und Behandlung von mineralischen Abfällen reagierten. Die Umgebung habe sich damit zwangsläufig zu ihrem Nachteil verschlechtert. Die Ansiedlung von neu heranrückenden, besonders störempfindlichen Gewerbebetrieben werde Rücksichtnahmepflichten auslösen, die sie in der jetzigen Ausrichtung ihres Unternehmens schlichtweg nicht gewährleisten könnten. Ihre Existenz sei mithin gefährdet. Der schlichte Hinweis der Planbegründung, die vorhandenen Betriebe würden aufgrund ihrer bestehenden Genehmigung keine Nachteile erfahren, greife deshalb erheblich zu kurz. Die Antragsgegnerin verkenne, dass der anlagenbezogene Bestandsschutz durch den Vorbehalt nachträglicher Anordnungen von Anfang an eingeschränkt und durch dynamische Betreiberpflichten gekennzeichnet sei. Insoweit müsse der geringere Immissionsrichtwert eines Gewerbegebietes zukünftig von ihnen möglicherweise beachtet werden und seien weitere betriebsbeschränkende Auflagen zu erwarten. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus der Stellungnahme der Bezirksregierung E. vom 6. Juli 2018. Ausgehend hiervon liege auch eine Abwägungsdisproportionalität vor. Ihre Bestandsinteressen seien nicht mit dem erforderlichen Gewicht in die Abwägung eingestellt worden. Diese Interessen bräuchten nicht hinter das Interesse der Antragsgegnerin, weitere Grundstücke für gewerbliche Nutzungen zu verzeichnen und zahlreiche Arbeitsplätze anzusiedeln, zurückzutreten. Konkrete Ansiedlungsinteressen habe die Antragsgegnerin nicht aufgezeigt, arbeitsplatzintensive Gewerbebetriebe könnten auch nur schwer mit der vorhandenen industrietypischen Gebietsstruktur vereinbart werden. Es treffe so schlicht nicht zu, dass Gewerbebetriebe in einem Gewerbegebiet nicht störempfindlich seien bzw. sein könnten. Dies ergebe sich nicht schon daraus, dass in einem Gewerbegebiet belästigende Gewerbebetriebe zulässig seien. Denn der Belästigungsgrad eines Industriegebietes und –betriebes sei jedenfalls erheblich höher. Auf der anderen Seite könne der seit Jahrzehnten angesiedelte Betrieb ebenso wie weitere industriegebietstypische Betriebe im Plangebiet nur mit enormen Kosten in Millionenhöhe an einen anderen Standort verlagert werden. Solche Standorte gebe es im Stadtgebiet im Übrigen nunmehr überhaupt nicht mehr. Schließlich verstoße die Planung gegen bindende Vorgaben der Regionalplanung, worauf nicht zuletzt die Bezirksregierung E. als Regionalplanungsbehörde in mehreren Stellungnahmen im Aufstellungsverfahren hingewiesen habe. Konkret gehe es insoweit um die Ziele 1, 2 und 4 des Regionalplans „Teilabschnitt Oberbereich C. “ unter B.I.5. Nach Ziel 4 sollten bei Zurücknahmen und Erweiterungen gewerblicher Bauflächen diese so geplant werden, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gewerbegebiets- und Industriegebietsreserven erhalten bleibe. Dem widerspreche die vollständige Zurücknahme von Industriegebietsausweisungen im gesamten Stadtgebiet. Dass es hier von vornherein kein für die Ansiedlung von Industriebetrieben geeignetes Baugebiet gebe, treffe nicht zu. Das Gegenteil belege der – in Teilen auch umgesetzte - Bebauungsplan Nr. 2. Der Stellungnahme der Bezirksregierung E. vom 19. September 2017 sei insoweit nichts hinzuzufügen. Eine hinreichende Auseinandersetzung hiermit bzw. mit den Zielen der Raumordnung sei im Aufstellungsverfahren nicht erfolgt.
18Die Antragstellerinnen beantragen,
19den Bebauungsplan Nr. 2 A „Gewerbestandort M. “ der Stadt Q. für unwirksam zu erklären.
20Die Antragsgegnerin beantragt,
21die Anträge abzulehnen.
22Die Anträge seien unbegründet. Der Bebauungsplan leide an keinen formellen Mängeln. Eine unzureichende Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung bzw. des Satzungsbeschlusses liege nicht vor. Sie habe die Anforderungen des § 14 Abs. 1 S. 1 ihrer Hauptsatzung beachtet. Zwar treffe es zu, dass jeweils zusätzlich eine Bekanntmachung im Amtsblatt für den Kreis N. -M1. erfolgt sei. Maßgeblich sei jedoch, dass eine Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung und des Satzungsbeschlusses tatsächlich (auch) unter https://www.xxxxAmtliche-Bekanntmachungen stattgefunden habe. Diese Bekanntmachungen seien noch heute abrufbar. Darüber hinaus gehe die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans im Internet auch ausdrücklich aus der Bekanntmachung im Amtsblatt für den Kreis N. -M1. hervor. Dort heiße es ausdrücklich: „Die Bekanntmachung kann unter https://www.xxxAmtliche-Bekanntmachungen eingesehen werden“. Darüber hinaus sei entgegen der Annahme der Antragstellerinnen die nachrichtliche Hinweisbekanntmachung durch Aushang erfolgt, wie sich aus der Anlage zur Antragserwiderung ergebe. Der Satzungsbeschluss selbst sei nicht zu beanstanden. Die Einberufung des Rates sei ebenso ordnungsgemäß erfolgt wie die öffentliche Bekanntmachung der Tagesordnung. Der Satzungsbeschluss sei auch hinreichend bestimmt. Es stehe außer Zweifel, dass er sich auf die Fassung des Bebauungsplanes beziehe, die dem Rat zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses vorgelegen und die der Bürgermeister im Anschluss ausgefertigt habe. Ein Verstoß gegen § 10 Abs. 3 Satz 3 BauGB liege ebenfalls nicht vor. Nach dessen klaren Wortlaut sei lediglich darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden könne. Dagegen sei es nicht erforderlich, ausdrücklich zu betonen, dass dies jedermann offenstehe. Der Umstand, dass die Möglichkeit der Einsichtnahme für jedermann zu bestehen habe, sei allein Gegenstand bzw. Folge der in § 10 Abs. 3 Satz 2 BauGB normierten Bereithaltungspflicht der Gemeinde. Sie gehöre demnach zum 2. Teil der Ersatzverkündung. Dementsprechend müsse auf die Möglichkeit der Einsichtnahme für jedermann in der Bekanntmachung nicht hingewiesen werden; sie müsse vielmehr vom Tage der Bekanntmachung an tatsächlich bestehen. Schließlich seien die Anforderung des § 2 Abs. 4 Nr. 3 BekanntmVO erfüllt. Zwar werde der Normtext des § 7 Abs. 6 GemO NRW in der Bekanntmachungsanordnung nicht wiedergegeben. Dies sei jedoch in der Bekanntmachung selbst geschehen. Die Bekanntmachungsanordnung wiederum nehme hierauf ausdrücklich Bezug. Damit sei der Sinn und Zweck der Norm erfüllt. Durch die Unterschrift des Bürgermeisters unter die Hinweise und der auf diese bezugnehmenden Bekanntmachungsanordnung werde deutlich, dass er die uneingeschränkte Verantwortung für die Bekanntmachung übernehme.
23Der Bebauungsplan weise auch keine durchgreifenden materiellen Mängel auf. Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen sei an seiner städtebaulichen Erforderlichkeit nicht zu zweifeln. Sie habe ihr planerisches Ermessen nicht überschritten. Insbesondere treffe es nicht zu, dass sie keine eigenen Erwägungen zur städtebaulichen Erforderlichkeit angestellt, sondern unbesehen das überkommunale Gewerbe- und Industrieflächenentwicklungskonzept übernommen habe. Sie habe an der Erstellung des Konzepts mitgearbeitet und dieses deshalb auch inhaltlich mitentwickelt und getragen. Der Plangeber habe aufgrund der Erstellung des Gewerbe- und Industrieflächenentwicklungskonzeptes einen Handlungsbedarf speziell für die Stadt Q. gesehen und sich im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens dazu entschieden, die planungsrechtliche Grundlage für arbeitsplatzintensive Gewerbebetriebe zu schaffen. Er habe das Konzept mithin nicht ohne eigene Erwägungen übernommen, sondern in seinen gemeindlichen Willen aufgenommen und darauf aufbauend Städtebaupolitik betrieben. Die Bestandsaufnahme für das Plangebiet sei nicht zu beanstanden. Bei dieser Frage handele es sich indes ohnehin nur um eine solche der Abwägung. Unbeschadet dessen gingen die Einwände der Antragstellerinnen ins Leere. Zutreffend sei zwar, dass sie der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit eine gewisse Indizwirkung im Sinne eines sachgerechten Ausgangspunktes für die Frage, ob der Betrieb auf ein Industriegebiet angewiesen sei, zugemessen habe. Insofern stellten die Ermittlungen tatsächlich zulässigerweise im Ausgangspunkt auf die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ab. Dass sie jedoch davon ausgegangen sei, einem Industriegebiet seien sonstige (immissionsschutzrechtlich) genehmigungsfreie Betriebe mit erheblichem Störpotenzial niemals zuzuordnen, lasse sich den Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen. So heiße es in der Begründung ausdrücklich, die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht einer Anlage sei lediglich ein Indiz dafür, dass diese nur in einem Industriegebiet realisiert werden könne, und weiter: „Vom Gewerbegebiet im eigentlichen Sinne unterscheidet sich ein Industriegebiet durch die Ansiedlung von Betrieben, die ein ortsunübliches Maß an Umweltbelastung (wie Lärm, Staub, Geruch) produzieren, und darum von Wohngebieten ferngehalten werden sollen.“ Daraus ergebe sich, dass sie durchaus anhand eines Störpotenzials und nicht ausschließlich anhand einer etwaigen Genehmigungsfreiheit entschieden habe, ob ein Betrieb eines Gewerbe- oder Industriegebiets bedürfe. Ausgehend von diesem zutreffenden rechtlichen Ansatzpunkt sei die rechtliche Einordnung der vorhandenen Betriebe nicht zu beanstanden. Namentlich bedürften die von den Antragstellerinnen angeführten Speditionsbetriebe keines Industriegebiets. Bei solchen Betrieben handele es sich nach der Rechtsprechung um solche, die typischerweise in einem Gewerbegebiet allgemein zulässig seien. Auch die tatsächliche Nutzung insbesondere der Spedition H1. lasse nicht darauf schließen, dass diese nur in einem Industriegebiet zulässig sei. Aufgrund dessen liege in der Bestandsaufnahme auch kein Abwägungsfehler. Soweit die Antragstellerinnen in diesem Zusammenhang wiederholt rügten, die Nutzungsaufstellung sei veraltet, blieben sie bereits jeglichen Vortrag schuldig, inwieweit sich hier planungsrelevante Veränderungen ergeben haben sollten. Im Übrigen seien solche aufgrund der bereits mit dem Aufstellungsbeschluss verhängten Veränderungssperre letztlich ausgeschlossen. Neben den bereits angesprochenen Speditionen, die nicht auf ein Industriegebiet angewiesen seien, handele es sich auch bei den weiteren von den Antragstellerinnen genannten Betrieben um lediglich nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe. Dies gelte für das Bohrunternehmen, da die emissionsträchtigen Tätigkeiten nicht auf dem Betriebsgrundstück stattfänden, wie für das Unternehmen der Kunststofftechnik. Selbst wenn dieses auf immissionsschutzrechtlicher Grundlage betrieben werde, sei die Durchführung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens nicht erforderlich gewesen. Tatsächlich verfüge diese Firma indes über keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Diese habe sich im Aufstellungsverfahren auch nicht gemeldet und eingewandt, in einem Gewerbegebiet nicht zulässig zu sein. Mit den von den Antragstellerinnen genannten Betrieben lasse sich eine Industriegebietstypik mithin nicht begründen. Auswirkungen des Kraftwerks I. habe der Plangeber hinreichend berücksichtigt. Dieses präge das Plangebiet nicht in einer Weise, wie es den Antragstellerinnen vorschwebe, zumal hier die zwischen dem Kraftwerk und dem Plangebiet verlaufende B 482 eine trennende Wirkung entfalte. Eine Abwägungsfehleinschätzung sei ihr ebenfalls nicht unterlaufen. Die Interessen insbesondere der Antragstellerin zu 1. seien hinreichend berücksichtigt worden. Diese habe im Aufstellungsverfahren jedoch lediglich unklare und unverbindliche Absichtserklärungen abgegeben. Sie habe gerade keine konkreten Entwicklungsabsichten benannt und sich im Wesentlichen auf ein Flexibilitätsbedürfnis berufen. Die mit der Antragsbegründung erneut vorgetragenen betrieblichen Entwicklungen seien auch aus Sicht der Antragstellerinnen nur Möglichkeiten. Sie hätten selbst deutlich gemacht, dass hier noch keine konkreten Pläne vorlägen. Offenbar handele es sich hier lediglich um einen Wunsch, zumal sie im Weiteren wieder ihr Flexibilitätsbedürfnis herausstelle. Aufgrund dessen sei es ihr auch nicht möglich gewesen, einen Erweiterungstatbestand im Rahmen einer Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO zu formulieren. Sie, die Antragsgegnerin, sei im Planungsprozess durchaus bereit gewesen, zugunsten der Antragstellerin zu 1. eine Fremdkörperfestsetzung zu treffen. Dies sei auf Bl. 8a des Hefters IX ausdrücklich festgehalten. Aufgrund der Tatsache, dass diese ihr aber keine verbindlichen Erweiterungsmöglichkeiten erläutert oder diese substantiiert beantragt habe, habe sie den Erweiterungstatbestand gar nicht formulieren können. Soweit die Antragstellerinnen die Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit geltend machten, genüge der Hinweis, dass ein Gewerbetreibender keinen Anspruch darauf habe, dass sich die vorhandene Wettbewerbssituation nicht verschlechtere, weil mit neuer Konkurrenz ständig gerechnet werden müsse. Das Bauplanungsrecht sei wettbewerbsneutral. Auch die Interessen an der weiteren Ausnutzung des vorhandenen Betriebes habe sie ordnungsgemäß abgewogen. Hiergegen spreche zunächst nicht die von den Antragstellerinnen ins Feld geführte Stellungnahme der Bezirksregierung E. vom 6. Juli 2018 (VIII/19 a). Diese habe gerade nicht die hier in Rede stehende Ausnutzung der bestehenden Betriebe thematisiert. Im Übrigen gebe es zwar dynamische Betreiberpflichten. Diese seien hier jedoch nicht verändert worden, da die Antragstellerinnen über eine Genehmigung verfügten, die eine Anlage betreffe, die zumindest teilweise in einem Industriegebiet liege und deshalb nur in diesem Rahmen dynamische Betreiberpflichten kenne. Im Übrigen seien Gewerbebetriebe nicht besonders störempfindlich. Vor heranrückenden Gewerbebetrieben müsse sich der Betrieb der Antragstellerin zu 1. damit nicht fürchten. Schließlich bestehe auch keine Abwägungsdisproportionalität. Ihr Interesse, weitere Grundstücke für gewerbliche Nutzungen zu verzeichnen und dadurch zahlreiche Arbeitsplätze anzusiedeln, überwiege das Interesse der Antragstellerinnen. Die Neuplanung verstoße auch nicht gegen Ziele der Raumordnung. Ziel 1 des Regionalplans werde gewahrt, weil durch die vollständige Überplanung als Gewerbegebiet gerade neue, sich gegenseitig störende gewerbliche und industrielle Nutzungen innerhalb des GIB verhindert würden. Ziel 2 werde durch den Bebauungsplan verwirklicht. Bei dem sog. Ziel 4 handele es sich bereits mangels abschließender Abgewogenheit auf der Ebene des Regionalplans nicht um ein Ziel im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG. Zudem lasse es der Regionalplan danach im Einzelfall zu, dass in einer Kommune überhaupt kein Industriegebiet festgesetzt werde, weil und wenn es dafür keine geeigneten Flächen gebe. Auch aus einer Zusammenschau der Ziele 1, 2 und 4 folge nichts anderes. Soweit die Antragstellerinnen meinten, dass durch die Begriffe „gewerblich/industriell“ ein Mischverhältnis zwischen diesen Nutzungsstrukturen erreicht werden solle, gehe dies fehl. Der erkennende Senat habe in seinem Urteil vom 8. Mai 2018 festgestellt, dass Bereiche für gewerbliche und industrielle Nutzungen Industrie- und Gewerbegebiete gleichermaßen und gewissermaßen undifferenziert erfassten.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens 2 D 153/20.NE sowie auf die beigezogenen Aufstellungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Die Normenkontrollanträge der Antragstellerinnen haben Erfolg.
27I. Die Anträge sind zulässig, namentlich sind die Antragstellerinnen antragsbefugt. Die Antragstellerin zu 2. ist Eigentümerin eines Grundstücks im Plangebiet, auf dem die Antragstellerin zu 1. aufgrund einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ein Glasrecyclingunternehmen betreibt. Die bisher für Teile dieses Grundstücks geltende Festsetzung eines Industriegebiets wird durch den angegriffenen Bebauungsplan zu ihrem Nachteil durch eine Gewerbegebietsausweisung ersetzt.
28II. Die Anträge sind auch begründet. Der Bebauungsplan Nr. 2 A „Gewerbestandort M. “ weist mehrere formelle und materielle, jeweils für sich genommen durchgreifende, die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans begründende Mängel auf.
291. Der Bebauungsplan ist jedenfalls deshalb formell fehlerhaft, weil er nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist. Weder lässt sich feststellen, dass die Ausfertigung des Bebauungsplanes vor der Anordnung seiner Bekanntmachung erfolgte (dazu a) noch ist diese Bekanntmachung selbst ordnungsgemäß erfolgt. Gleiches gilt für die Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 und § 4a Abs. 3 BauGB (dazu b). Angesichts dessen kann dahinstehen, ob die weiteren von den Antragstellerinnen gerügten formellen Mängel bestehen, wofür aus Sicht des Senats allerdings nach überschlägiger Betrachtung nichts Durchgreifendes spricht. Gegebenenfalls mag die Antragsgegnerin bei einer etwaigen Neuplanung die Monita der Antragstellerinnen vorsorglich aufgreifen.
30a) Die Bekanntmachung des Bebauungsplanes am 15. Oktober 2020 erweist sich schon deshalb als durchgreifend fehlerhaft, weil sich nicht feststellen lässt, dass der Bebauungsplan vor der Anordnung seiner Bekanntmachung ordnungsgemäß ausgefertigt wurde.
31Voraussetzung für die Bekanntmachung einer Rechtsnorm ist, dass der Inhalt der bekanntzumachenden Norm feststeht. Ein Bebauungsplan muss deshalb vor seiner Bekanntmachung ausgefertigt werden, damit die Identität des Norminhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen feststeht. Der Bekanntmachungsakt beginnt mit der Unterzeichnung der Bekanntmachung durch das zuständige Gemeindeorgan (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 BekanntmVO NRW). Infolgedessen ist es notwendig, dass der Ausfertigungsvermerk vor der Bekanntmachung unterzeichnet wird. Nur diese Reihenfolge genügt dem genannten Zweck der Ausfertigung, die Identität des Norminhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen sicherzustellen. Das zuständige Gemeindeorgan muss sich vor der Unterzeichnung der Bekanntmachung vergewissern, dass die Planurkunde den richtigen Inhalt hat. Auf den (späteren) Zeitpunkt, zu dem das Amtsblatt erscheint, oder in dem die öffentliche Bekanntmachung auf andere Weise vollzogen wird (vgl. § 4 Abs. 1 BekanntmVO NRW), kommt es hingegen nicht an.
32Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1999 – 4 B 129.98 -, BRS 62 Nr. 29 = juris Rn. 5 f.; OVG NRW, Urteile vom 10. Mai 2019 – 7 A 1419/17 -, BauR 2019, 1563 = juris Rn. 43 f., vom 22. März 2019 – 7 D 39/17.NE -, juris Rn. 33, vom 6. September 2018 - 7 D 10/16.NE -, BauR 2018, 1974, m. w. N., vom 22. Februar 2018 - 7 D 26/15.NE -, BauR 2018, 775, und vom 26. Februar 2015 – 2 D 1/13.NE -, BRS 83 Nr. 6 = juris Rn. 66.
33Für das nordrhein-westfälische Landesrecht ist dabei in der Rechtsprechung geklärt, dass es mangels ausdrücklicher normativer Vorgaben für die Ausfertigung von Bebauungsplänen ausreichend, aber auch erforderlich ist, wenn eine Originalurkunde geschaffen wird, auf welcher der (Ober-)Bürgermeister als Vorsitzender des Rates zeitlich nach dem Ratsbeschluss und vor der Verkündung der Satzung schriftlich bestätigt, dass der Rat an einem näher bezeichneten Tag diesen Bebauungsplan als Satzung beschlossen habe.
34Vgl. OVG NRW, Urteile vom 8. März 2017 – 10 D 6/16.NE –, juris, Rn. 22 ff., und vom 19. November 2015 – 10 D 84/13.NE –, juris, Rn. 51.
35An einer entsprechenden schriftlichen Bestätigung des Bürgermeisters vor Unterzeichnung der Bekanntmachung(sanordnung) am 7. Oktober 2020 fehlt es hier. Die Planurkunde, auf der die original unterzeichneten Verfahrensvermerke aufgedruckt sind, enthält zwar am unteren rechten Rand unter der Überschrift „Ausfertigung“ den vom Bürgermeister am 6. Oktober 2020 unterzeichneten Vermerk: „Hiermit wird bestätigt, dass der Bebauungsplan Nr. 2A Gewerbestandort M. mit dem Beschluss des Rates der Stadt Q. vom 19.12.2019 übereinstimmt und die die gesetzlichen Verfahrensvorschriften (handschriftlich ergänzt) eingehalten worden sind.“ Zugleich findet sich jedoch in der Leiste der Verfahrensvermerke (links Mitte) der Vermerk: „Dieser Plan ist gem. § 10 BauGB und § 7 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.07.94 (GV NRW S. 666) vom Rat der Stadt Q. am 19.12.2019 als Satzung beschlossen worden“. Dieser ist indes erst am 8. Oktober 2020 unterzeichnet worden.
36Jedenfalls in der Gesamtschau ist allein letzterer, nach der Bekanntmachung unterzeichnete Vermerk aber die Ausfertigung im Rechtssinne. Anders als dieser bezieht sich der mit „Ausfertigung“ bezeichnete Vermerk gerade nicht auf die Planurkunde, sondern allgemein auf den Bebauungsplan Nr. 2 A. Zudem wäre der am 8. Oktober 2020 erfolgte Bestätigungsvermerk unter der Annahme, der am 6. Oktober 2020 unterzeichnete sei bereits die Ausfertigung, objektiv überflüssig, während bei dem hier vertretenen Verständnis der am 6. Oktober 2020 unterschriebene Vermerk eigenständige Bedeutung als die für ein rechtmäßiges Bekanntmachungsverfahren ebenfalls erforderliche,
37vgl. dazu nur OVG NRW, Urteil vom 10. Mai 2021 – 2 D 112/19.NE -, BauR 2021, 1788 = juris Rn. 22 ff., m. w. N.,
38Bestätigung nach § 2 Abs. 3 BekanntmVO hat. Zumindest fehlt es aber an der für die Ausfertigung als Teil des formellen Aktes des Inkraftsetzens einer Rechtsnorm in besonderem Maße erforderlichen Eindeutigkeit des Ausfertigungsvermerks. Da die Bekanntmachungsanordnung genau zwischen den beiden Unterschriftsdaten liegt, lässt sich damit die Einhaltung der erforderlichen Reihenfolge hier in jedem Fall nicht feststellen.
39Dahingestellt bleiben kann mithin, ob der am 6. Oktober 2020 unterzeichnete Vermerk bei isolierter Betrachtung noch als ordnungsgemäße Ausfertigung verstanden werden könnte.
40Dagegen OVG NRW, Urteile vom 8. März 2017 – 10 D 6/16.NE -, juris Rn. 30, und vom 19. November 2015 – 10 D 84/13.NE -, juris Rn. 51; offener OVG NRW, Urteil vom 21. Juni 2016 – 2 D 56/14.NE -, juris Rn. 70 ff.
41b) Auch die Bekanntmachung des Bebauungsplans selbst genügt nicht rechtsstaatlichen Anforderungen. Gleiches gilt im Übrigen für die Offenlegungsbekanntmachungen nach §§ 3 Abs. 2, 4a Abs. 3 BauGB.
42Rechtsnormen sind in einer Weise der Öffentlichkeit bekanntzumachen, dass sich die Betroffenen in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt verlässlich Kenntnis verschaffen können.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2017 – 7 D 100/15.NE –, juris, Rn. 35 ff. m. w. N.
44Das wiederum setzt notwendig die Festlegung, Beachtung und Erkennbarkeit des Bekanntmachungsmediums und bei – unterstellt zulässiger – Wahl mehrerer Bekanntmachungsorte/-formen eine – erkennbare – Priorisierung voraus. Dem ist hier nicht genügt.
45Nach § 14 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin in der nach der Bestätigung der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung zum Zeitpunkt der Bekanntmachung geltenden Fassung hatten Bekanntmachungen – ausschließlich - im Internet zu erfolgen. Auf sie ist durch Aushang an den Verwaltungsgebäuden in Q. (T.------straße ) und M. (C1.-------straße ) jeweils hinzuweisen.
46Tatsächlich finden sich in den Aufstellungsvorgängen im Ordner „Bekanntmachungen“ aber jeweils nur die Veröffentlichungen im Kreisblatt. Dies lässt darauf schließen, dass die Stadt diese Bekanntmachung als maßgeblich angesehen hat – zumindest musste nach außen dieser Eindruck entstehen, zumal ausdrücklich auf die ergänzende Einstellung von Unterlagen im Internet hingewiesen wurde. Hierzu passt auch, dass § 14 Abs. 2 der Hauptsatzung genau dieses Vorgehen inzwischen vorschreibt. Die Vertreter der Antragsgegnerin haben zudem in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass dieses Verfahren bewusst gewählt wurde, weil Zweifel daran bestanden hätten, ob das Baugesetzbuch eine ausschließliche (Ersatz-)Bekanntmachung im Internet zugelassen hätte. Dies trifft in der Sache zwar – insbesondere für die Bekanntmachungen nach §§ 3 Abs. 2, 4a Abs. 3 BauGB – zu,
47vgl. in diesem Zusammenhang Nds. OVG, Beschluss vom 4. Mai 2012 – 1 MN 218/11 -, DVBl. 2012, 777 = juris Rn. 29 ff.; Urteil vom 29. Mai 2018 – 1 KN 53/17 u. a. -, BauR 2018, 1377 = juris Rn. 17 ff.; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 4a Rn. 34; Stock, ebd., § 10 Rn. 112a; Korbmacher, in: Brügelmann, BauGB § 4a Rn. 21; Schrödter/ Wahlhäuser, in: Schrödter, BauGB-Kommentar, 9. Aufl. 2019, § 3 Rn. 62 ff.; Köster, ebd, § 4a Rn. 20; Schrödter/Kukk, ebd., § 10 Rn. 46,
48rechtfertigte aber jedenfalls nicht die Bekanntmachung im Amtlichen Kreisblatt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Bekanntmachung gab es diese Bekanntmachungsalternative im Amtsblatt rechtlich nicht – die Stadt durfte sie mithin auch nicht wählen, selbst wenn ihre Zweifel berechtigt gewesen sein sollten. In diesem Fall hätte sie vielmehr auf eine Änderung der Hauptsatzung dringen müssen – wie es im März 2021 offenbar auch geschehen ist.
49Allein die „freihändige“ Wahl einer in der Hauptsatzung nicht vorgesehenen Bekanntmachungsform führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Denn sie beeinträchtigt den Zweck der Bekanntmachung, nämlich Rechtssicherheit und -klarheit zu schaffen, entscheidend. Durch das von der Antragsgegnerin gewählte Verfahren käme ein Bürger sicher nicht auf die Idee, es könnte andere, möglicherweise frühere – z. B. für Fristen maßgebliche – Bekanntmachungen an anderer Stelle geben.
50Hinzu kommt, dass objektiv nicht erkennbar war, dass die Bekanntmachung im Internet die eigentliche Bekanntmachung sein könnte. Diese Annahme lag gerade aufgrund ihres im Amtsblatt ausdrücklich als ergänzend bezeichneten Charakters mehr als fern. Im Übrigen bleibt die Frage offen, warum in diesem Fall die maßgebliche Bekanntmachung in den Aufstellungsvorgängen nicht dokumentiert wurde. In dem mit „Bekanntmachungen“ bezeichneten Unterordner II befinden sich ausschließlich die Abdrucke im Amtlichen Kreisblatt. Die Hinweise auf öffentliche Bekanntmachungen der Stadt Q. im Internet sind demgegenüber erst mit der Antragserwiderung vom 8. April 2021 teilweise vorgelegt worden.
51Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ergibt sich nichts anderes aus dem Hinweis in der Offenlegungsbekanntmachung im Kreisblatt des Kreises N. -M1. , wonach „die Bekanntmachung unter https://www.xxxAmtliche-Bekanntmachungen eingesehen werden“ kann. Zum einen findet sie sich erst nach dem Zusatz, dass die Aufstellungsunterlagen zusätzlich in das Internet eingestellt worden seien. Dass der zweite Hinweis dann so verstanden werden könnte oder sollte, dass es sich um die maßgebliche Bekanntmachung handele, liegt deshalb schon systematisch fern. Im Übrigen spricht auch die Formulierung selbst gegen ein solches Verständnis. Denn die Bekanntmachung kann danach dort nur „eingesehen“ werden. Träfe die Annahme der Antragsgegnerin zu, hätte es hingegen heißen müssen, die Bekanntmachung sei dort „erfolgt“. Bezeichnenderweise fehlt ein solcher Hinweis schließlich bei der Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses im Kreisblatt.
52Schließlich haben die Vertreter der Antragsgegnerin selbst in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass dort ein solches Verständnis gerade nicht vertreten wurde. Angesichts dessen ist auszuschließen, dass die Einstellung in das Internet mit dem für das wirksame Inkraftsetzen einer Rechtsnorm erforderlichen Bekanntmachungswillen erfolgt sein könnte.
53Selbst wenn dies indes anders beurteilt werden könnte, änderte dies nichts an dem Bekanntmachungsmangel, weil auch die Bekanntmachung im Internet selbst nach den vorgelegten Dokumenten nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 1 der Hauptsatzung entsprochen hat. Denn die – wie gesagt - erst mit der Antragserwiderung vom 8. April 2021 vorgelegten Vermerke enthalten nur die Bestätigung, dass der Hinweis auf die Internetbekanntmachung „im Aushangkasten am Verwaltungsgebäude M. /Q. “ – also Einzahl - ausgehängt worden sei. § 14 Abs. 1 der Hauptsatzung der Stadt Q. verlangt indes einen Aushang an zwei Verwaltungsgebäuden, nämlich in Q. -M. und am Verwaltungsgebäude „Q. “. Dass dies hier geschehen und mit dem Querstrich ein doppelter Aushang bestätigt worden sein sollte, lässt sich wiederum nicht mit der für das Inkrafttreten einer Rechtsnorm erforderlichen Eindeutigkeit bestimmen; im Gegenteil ist ein solches Verständnis, das die Verwendung des Plural voraussetzte, nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Bestätigung ausgeschlossen. Zugleich ist nicht anzunehmen, dass die Antragsgegnerin auf die von den Antragstellerinnen erhobene Rüge nur eine solche Bestätigung vorgelegt hätte, wenn es ihrer zwei gegeben hätte. Hiergegen spricht im Übrigen, dass hinsichtlich der ebenfalls bemängelten ordnungsgemäßen Einberufung der Ratssitzungen jeweils beide Aushangnachweise beigebracht wurden.
542. Der Bebauungsplan Nr. 2 A „Gewerbestandort M. “ der Antragsgegnerin erweist sich zudem als materiell - durchgreifend - fehlerhaft. Er ist zwar städtebaulich erforderlich (dazu unter a), jedoch leidet er an mehreren, jeweils für sich genommen durchgreifenden beachtlichen Abwägungsfehlern (dazu unter c). Ob er mit Vorgaben der Raumordnung vereinbar ist, bedarf angesichts dessen keiner abschließenden Entscheidung (dazu b).
55a) Der Bebauungsplan ist in seiner Grundkonzeption im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich gerechtfertigt.
56Was im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen Konzeption der Gemeinde. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die „Städtebaupolitik“ zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind in aller Regel nur solche Bauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan, der aus tatsächlichen oder Rechtsgründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt, die Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht zu erfüllen vermag. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung lediglich eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die nur grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Sie betrifft die generelle Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung. Dafür ist das Abwägungsgebot maßgeblich, das im Hinblick auf gerichtliche Kontrolldichte, Fehlerunbeachtlichkeit und heranzuziehende Erkenntnisquellen abweichenden Maßstäben unterliegt. Deswegen kann die Abgewogenheit einer Bauleitplanung und ihrer Festsetzungen nicht bereits zum Maßstab für deren städtebauliche Erforderlichkeit gemacht werden.
57Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. März 2013 - 4 C 13.11 -, BauR 2013, 1399 = juris Rn. 9, und vom 27. März 2013 - 4 CN 6.11 -, BauR 2013, 1402 = juris Rn. 9, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 BN 15.99 -, BRS 62 Nr. 19 = juris Rn. 4.
58Gemessen daran ist der angegriffene Bebauungsplan dem Grunde nach städtebaulich gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen steht dem zunächst nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin sich bei ihrer Planung auch (genauer wohl: maßgeblich) an dem auf Kreisebene erarbeiteten Gewerbe- und Industrieflächenkonzept orientiert hat. Denn zumindest ihre (weiteren) Überlegungen zur nicht zu erwartenden Ausweisung weiterer GIB-Flächen im gegenwärtig erarbeiteten Regionalplan und zur beabsichtigten vorrangigen Ansiedlung arbeitsplatzintensiver Gewerbebetriebe sind hiervon unabhängig und grundsätzlich im Rahmen des § 1 Abs. 6 Nr. 8 BauGB tragfähige Überlegungen.
59Zweifel an der städtebaulichen Erforderlichkeit mögen vor diesem Hintergrund zwar durchaus bestehen. So ist die Überlegung, der Regionalplan werde keine weiteren GIB-Flächen ausweisen, zwar vor dem Hintergrund der weiträumig seit Jahrzehnten nicht einmal annähernd ausgenutzten entsprechenden Angebote im Stadtgebiet nicht unplausibel, allerdings nur schwer mit den weiteren Angaben der Antragsgegnerin zum Verständnis ihrer – so nicht vertretbaren und einen Abwägungsmangel begründenden (siehe unten) – Ausführungen in der Planbegründung zu vereinbaren, das Plangebiet werde nicht im Sinne eines regionalplanerischen GIB genutzt, weil sich überwiegend nur Gewerbebetriebe hier befänden. Danach soll es auf Regionalplanebene für (wie hier eingeschränkte) Gewerbegebiete in Zukunft die Kategorie eines besonderen ASB geben und die GIB-Flächen deshalb vorrangig Industriegebiete aufnehmen. Dies habe man – missverständlich – für die Planbegründung vorweggenommen. Dann wäre aber zumindest die Frage zu beantworten gewesen, ob solche besonderen ASB im Stadtgebiet in Betracht kommen, weil ein Gewerbegebiet wie das hier geplante gerade nicht mehr auf ein GIB angewiesen wäre.
60Hinzu kommt, dass sich der von der Antragsgegnerin angenommene Umplanungsbedarf für das gesamte Gebiet angesichts des Umstandes, dass bisher ohnehin nur etwa die Hälfte der Flächen baulich genutzt wird – und zwar augenscheinlich sowohl in den bisherigen Industriegebieten als auch in den bisherigen Gewerbegebieten –, nicht ohne weiteres erschließt, zumal es sich bei den zur Planrechtfertigung genannten Betrieben jedenfalls in Teilen (Fahrzeughalle für Oldtimer, Warenlagerung für den Innenausbau) um zwar flächenintensive, aber nicht eben arbeitsplatzintensive Tätigkeiten handelt und alle genannten Betriebe sich auch ohne Umplanung hier ansiedeln könnten, was vergleichbare Betriebe, etwa der Kunststoffverarbeitung, ohnehin bereits getan haben. Warum es gleichwohl erforderlich sein könnte, weitere Flächenreserven auch zulasten der ansässigen Betriebe schon jetzt zu schaffen bzw. zu sichern, hat die Antragsgegnerin indes nicht weiter dargelegt.
61Diese Aspekte führen indes (noch) nicht zu einem groben planerischen Missgriff, sondern lassen sich eher dem Bereich der Abwägung zuordnen und dort sachgerecht behandeln.
62Gleiches gilt schließlich für die von den Antragstellerinnen in der Sache zu Recht angeführten Defizite der Bestandserfassung. Diese führen jedenfalls nicht auf eine so grundlegende Fehleinschätzung der planerischen Ausgangslage, dass hierauf aufbauend überhaupt keine Neuplanung mit einer Gewerbegebietsausweisung hätte erfolgen dürfen. Das hat der Senat bereits in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 8. Mai 2018 – 2 D 44/17.NE -, BRS 86 Nr. 48 = juris Rn. 61 ff., ausgeführt. Daran ist auch im Lichte der im Hauptsacheverfahren gewonnenen neuen Erkenntnisse im Grundsatz festzuhalten. Selbst unter Berücksichtigung der Einwände der Antragstellerinnen dürfte zumindest eine weitgehende Rückführung der Industriegebiete zu Gewerbegebieten nach § 1 Abs. 3 BauGB möglich sein.
63b) Demgegenüber mag offenbleiben, ob die Bebauungsplanung mit den Zielen der Raumordnung vereinbar ist bzw. – dies letztlich als eine Frage der Abwägung – den regionalplanerischen Grundsätzen ausreichend Rechnung trägt. In diesem Zusammenhang hat der Senat in seinem Urteil vom 8. Mai 2018 ausgeführt:
64„Ebenso wenig erscheint ein Verstoß gegen bindende Ziele der Raumordnung vorprogrammiert. Es ist bereits zweifelhaft, ob die von der Antragstellerin unter Bezugnahme auf in der ablehnenden Stellungnahme der Bezirksregierung E. vom 19. September 2017 angeführten Regelungen des Regionalplans für den Regierungsbezirk E. – Teilabschnitt Oberbereich C. – tatsächlich den Charakter von – verbindlichen – Zielen der Raumordnung haben. In diesem Zusammenhang spricht allerdings Vieles dafür, dass es jedenfalls an der abschließenden Abgewogenheit der Bestimmungen im Hinblick auf die mit den „Soll-Festlegungen“ zwangsläufig verbundenen Ausnahmemöglichkeiten fehlt, wie bereits die Antragsgegnerin zutreffend eingewandt hat.
65Dies bedurfte hier indes keiner abschließenden Betrachtung, weil raumordnerische Vorgaben unter dem Gesichtspunkt der Darstellung des Gebietes als GIB durch die geplanten Änderungen letztlich nicht betroffen sind. Denn mit dieser Vorgabe werden durch Bauleitpläne festzusetzende Industrie- und Gewerbegebiete gleichermaßen und gewissermaßen undifferenziert erfasst. Allein in diesem Spektrum bewegen sich aber die geplanten Änderungen. Da die Antragsgegnerin auch eine vollständige Überplanung zumindest beabsichtigt, werden auch nicht zwangsläufig neue, sich gegenseitig störende gewerbliche/industrielle Mischnutzungen innerhalb eines GIB geschaffen. Schließlich ist auch eine Genehmigungsbedürftigkeit des umstrittenen Bebauungsplans durch die Bezirksregierung nicht ersichtlich. Ihre gegenteilige Auffassung hat die Antragstellerin auch nicht näher ausgeführt. Vorstehende Überlegungen gelten angesichts des noch einmal geringeren Detaillierungsgrades des LEP erst recht für die vorgebrachten landesplanerischen Bedenken.“
66Ob hieran auch unter Berücksichtigung der vertiefenden Ausführungen der Antragstellerinnen insbesondere im Hinblick auf Ziel 4 des Gebietsentwicklungsplanes für den Regierungsbezirk E. – Teilabschnitt Oberbereich C. “ festzuhalten wäre – und ob in diesem Fall die Antragsgegnerin zumindest den dortigen Grundsätzen hinreichend Rechnung getragen hat –, bedarf vor dem Hintergrund der feststehenden formellen und materiellen Mängel des Bebauungsplans und angesichts des Umstandes, dass sich der Regionalplan im Verfahren der Neuaufstellung befindet, sodass absehbar eine etwaige Neuplanung der Antragsgegnerin auf andere raumordnerische Vorgaben träfe, indes keiner abschließenden Entscheidung. Der Senat weist allerdings vorsorglich daraufhin, dass zumindest die Auseinandersetzung mit Ziel 4 – sei es als Ziel, sei es als Grundsatz der Raumordnung – nicht hinreichend erscheint. Der Verweis darauf, der Regionalplan lasse es im Einzelfall auch zu, dass in einer Kommune überhaupt kein Industriegebiet festgesetzt werde, weil und wenn es hierfür gemeindeweit keine geeigneten Flächen gebe, dürfte für die Antragsgegnerin nicht gelten und die Änderungsplanung nicht rechtfertigen. Denn es ist weder ersichtlich noch nachvollziehbar dargelegt, warum das die ersatzlose Streichung eines langjährigen Industriegebiets, das zumindest in Teilen – und offenbar konfliktfrei - industriegebietstypisch genutzt wird, rechtfertigen könnte.
67b) Der Bebauungsplan weist aber jedenfalls mehrere für sich genommen durchgreifende Abwägungsmängel auf. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Bestandserfassung ist so defizitär (dazu aa). Darüber hinaus ist die Antragsgegnerin auch in rechtlicher Hinsicht von einem fehlerhaften Verständnis der planerischen Ausgangssituation ausgegangen (dazu bb). Im Anschluss hat sie die allgemeinen Folgen ihrer Planung für die bestehenden, nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigten Betriebe nicht zutreffend abgewogen (dazu cc); namentlich greift der angenommene Konfliktlösungsmechanismus jedenfalls in der dargelegten Form zu kurz (dazu dd). Zusätzlich hat sie die betrieblichen Interessen der Antragstellerinnen selbst (insbesondere der Antragstellerin zu 1.) – ebenso wie diejenigen der Antragstellerinnen im Verfahren 2 D 140/20.NE (Urteilsabdruck S. 48 ff.), was für den Erfolg der Antragstellerinnen im hiesigen Verfahren schon ausreichte - fehlerhaft erfasst (dazu ee) und bewertet (dazu ff).
68§ 1 Abs. 7 BauGB verlangt bei der Aufstellung eines Bebauungsplans die gerechte Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander. Die gerichtliche Kontrolle dieser von der Gemeinde vorzunehmenden Abwägung hat sich darauf zu beschränken, ob in die Abwägung an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge eingestellt werden musste, ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden ist und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. Hat die Gemeinde diese Anforderungen an ihre Planungstätigkeit beachtet, wird das Abwägungsgebot nicht dadurch verletzt, dass sie bei der Abwägung der verschiedenen Belange dem einen den Vorzug einräumt und sich damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.
69Vgl. grundlegend: BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1969 - 4 C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 ff. = juris Rn. 29, und vom 5. Juli 1974 ‑ 4 C 50.72 ‑, BVerwGE 45, 309 ff. = juris Rn. 45.
70Wird ein Bebauungsplan geändert, so ist zudem das Interesse der Planbetroffenen an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes abwägungserheblich. Zwar gewährt das Baugesetzbuch keinen Anspruch auf den Fortbestand eines Bebauungsplans. Änderungen des Bebauungsplans sind nicht ausgeschlossen. Die Planbetroffenen besitzen jedoch regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die ortsrechtlichen Festsetzungen des Plans nicht ohne Berücksichtigung ihrer Belange geändert werden. Nimmt der Plangeber Veränderungen bestehender Festsetzungen vor, muss er sich im Klaren darüber sein, dass er damit möglicherweise in das ursprüngliche planerische Konzept eingreift und es bedarf ggf. besonderer Überlegungen, ob diese Änderungen sachgerecht sind. Denn der ursprüngliche Bebauungsplan einschließlich sämtlicher Festsetzungen war seinerseits Gegenstand einer wohlabgewogenen Planung. Greift der Änderungsplan zudem in ein bestehendes Recht zur Bebauung ein, bedarf es besonderer Sorgfalt bei der Abwägung. Denn der normativen Entziehung oder Beschränkung desselben kommt erhebliches Gewicht zu, das sich im Rahmen der Abwägung auswirken muss. Beim Erlass wie bei der Änderung eines Bebauungsplans muss im Rahmen der planerischen Abwägung das private Interesse am Erhalt bestehender baulicher Nutzungsrechte mit dem öffentlichen Interesse an der gewollten städtebaulichen Neuordnung des Plangebiets abgewogen werden. Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass sich der Entzug der baulichen Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine (Teil-)Enteignung auswirken kann.
71Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2002 ‑ 1 BvR 1402/01 ‑, BRS 65 Nr. 6 = juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2010 - 10 D 92/08.NE -, juris Rn. 40; Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Aufl. 2010, Rn. 372 ff.
72Die Verpflichtung des Rates, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange in einer Weise zum Ausgleich zu bringen, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht, kann die Prüfung ernsthaft in Betracht kommender Standort- und Ausführungsvarianten erforderlich machen.
73Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. August 2021 – 10 D 106/14.NE -, ZNER 2021, 512 = juris Rn. 84, m. w. N.
74Handelt es sich um ein bebautes Gebiet, ist der abzuändernde Bebauungsplan also (zumindest partiell) umgesetzt, bedarf es zudem einer sorgfältigen Aufnahme und Ermittlung des vorhandenen Bestandes und sodann einer hierauf aufbauenden Bewertung der planbedingten Änderungen.
75Vgl. dazu nur OVG NRW, Urteile vom 28. September 2021 – 2 D 121/20.NE -, juris Rn. 74, vom 9. Oktober 2017 – 2 D 98/15.NE -, juris Rn. 74, und vom 25. November 2009 - 10 D 93/07.NE -, juris; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB - Kommentar, Stand Mai 2015, § 1 Rn. 195, 207 m. w. N.; Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Aufl. 2010, Rn. 374.
76Zu den zu beachtenden Belangen zählt dabei auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Abwägungsbeachtlich ist daher nicht nur das Interesse an der weiteren Ausnutzung des vorhandenen Betriebszustandes, sondern auch das Bedürfnis nach einer künftigen Betriebsausweitung im Rahmen einer normalen Betriebsentwicklung. Damit sind jedenfalls solche Fälle abwägungsbeachtlich, in denen diese Entwicklung bereits konkret ins Auge gefasst ist oder bei realistischer Betrachtung bei den von dem Betriebsinhaber aufzuzeigenden betrieblichen Entwicklungsmöglichkeiten naheliegt. Das Interesse des Betriebsinhabers, sich alle Entwicklungen und Entwicklungsmöglichkeiten offenzuhalten, reicht indes ebenso wenig aus wie unklare oder unverbindliche Absichtserklärungen.
77Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 5. September 2000 – 4 B 56.00 -, BRS 63 Nr. 107 = juris Rn. 6 ff., OVG NRW, Beschlüsse vom 28. März 2019 – 2 B 1425/18.NE -, BauR 2019, 1274 = juris Rn. 33, und vom 14. Juli 2010 – 2 B 637/10.NE -, juris Rn. 13, sowie Urteil vom 22. Mai 2000 – 10a D 139/98.NE -, BauR 2001, 84.
78Ob diese für den Fall einer an einen Planaußenlieger heranrückenden Wohnbebauung entwickelten Grundsätze ohne Abstriche auf den hier vorliegenden Fall eines im Plangebiet tätigen Betriebes übertragbar sind, für den die planungsrechtlichen Grundlagen unmittelbar verändert werden, ist zwar nicht zweifelsfrei, hier aber nicht entscheidungserheblich, weil die Antragsgegnerin bereits diesen jedenfalls geltenden Abwägungsmaßstäben nicht gerecht geworden ist.
79aa) Ausgehend hiervon ist bereits die von der Antragsgegnerin vorgenommene Bestandsermittlung defizitär und konnte deshalb einer rechtmäßigen Abwägungsentscheidung so nicht zugrunde gelegt werden.
80Entgegen dem wiederholten Vorwurf der Antragstellerinnen spricht allerdings nichts dafür, dass sie veraltet sein könnte. Zwar trifft es zu, dass die Erfassung der vorhandenen Nutzungen auf dem Stand des Jahres 2017 ist und zum maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses mithin bereits mindestens zwei Jahre alt war. Dass es in dieser Zeit relevante Änderungen in den vorhandenen Nutzungen gegeben haben könnte, ist aber mindestens unwahrscheinlich, nachdem die Antragsgegnerin bereits mit dem Aufstellungsbeschluss eine Veränderungssperre für das gesamte Plangebiet beschlossen hatte. Dementsprechend haben die Antragstellerinnen auch auf konkreten Vorhalt der Antragsgegnerin kein Beispiel für relevante neue, geänderte oder aufgegebene Nutzungen im Plangebiet zwischen 2017 und 2019 benannt.
81Demgegenüber hat die Antragsgegnerin aber nicht ausreichend ermittelt und/ oder dokumentiert, in welchem Umfang die im Plangebiet konkret vorhandenen Nutzungen einem Industriegebiet oder einem Gewerbegebiet zuzuordnen sind. Aus den Aufstellungsvorgängen ergibt sich bereits nicht mit hinreichender Eindeutigkeit, worauf die der Planung zugrunde gelegte Nutzungskartierung genau beruht. Es wird nur auf die „bekannten“ Vorhaben- und Anlagengenehmigungen verwiesen (etwa IX/13a). Ob damit gemeint ist, dass für alle vorhandenen Betriebe entsprechende Genehmigungen eingesehen wurden oder lediglich die tatsächlich bekannten (aber nicht unbedingt vollständigen), ist den Aufstellungsvorgängen mangels näherer Erläuterung nicht zu entnehmen. In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter der Antragsgegnerin hierzu ergänzend ausgeführt, Genehmigungsvorgänge seien „so weit wie möglich“ beschafft worden. In welcher Breite dies die vorhandenen Nutzungen erfasst hat und ob damit zumindest alle für die Zuordnung zu Gewerbe- oder Industriebetrieben problematischen Unternehmen erfasst wurden, erschließt sich auch daraus genau so wenig wie aus der Dokumentation und konnte vom Rat entsprechend auch nicht zugrundegelegt werden. Gewisse Zweifel an einer insoweit ausreichenden Ermittlungstiefe bleiben insbesondere hinsichtlich des von den Antragstellerinnen bereits im Aufstellungsverfahren thematisierten kunststoffverarbeitenden Betriebes X1. . Hierzu verhalten sich die Aufstellungsvorgänge – insbesondere die Abwägungen – anders als für andere Betriebe mit keinem Wort, während im gerichtlichen Verfahren hierzu zunächst eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung bzw. Anzeige jedenfalls unterstellt („Selbst wenn dieses auf immissionsschutzrechtlicher Grundlage betrieben wird“) und erst mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021 das Vorliegen (nur) einer Baugenehmigung mitgeteilt wurde.
82Schwerer wiegt indes, dass die Kategorisierung der Antragsgegnerin, jedenfalls soweit sie in den Aufstellungsvorgängen dokumentiert ist, die so unzulässige Gleichung, dass ein industriegebietstypischer Betrieb ein immissionsschutzrechtlich (oder abfallrechtlich) genehmigungsbedürftiger Betrieb sei und insbesondere alle (nur) baurechtlich genehmigten Betriebe in einem Gewerbegebiet angesiedelt werden könnten, zugrunde gelegt hat. Das greift jedenfalls zu kurz, wie Antragserwiderung selbst einräumt. Nicht anders kann aber jedenfalls die wiederholte Aussage in der Schlussabwägung in der kumulierten Auseinandersetzung mit den Einwänden u. a. der Antragstellerinnen aus der förmlichen und der erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung verstanden werden, in denen die Antragsgegnerin wörtlich ausführt: „Die Firma K1. L. Absetzmulden und Transporte GmbH, Firma L1. Bohrunternehmung GmbH, Firma N1. N2. GmbH (Spedition) sind nachweislich kein BImSch-pflichtiger Betrieb und somit nicht ,industriegebietspflichtig‘“ (etwa IX/13aR, 26aR und 35a, Hervorhebung nur hier). Eine solche Gleichsetzung ist aber schon mit Blick auf § 15 Abs. 3 BauNVO unzulässig.
83Vgl. dazu etwa Pützenbacher, in: Bönker/Bischopink, BauNVO-Kommentar, 2. Aufl. 2018, § 15 Rn. 185 ff.; Roeser, in König/Roeser/Stock, BauNVO-Kommentar, 4. Aufl. 2018, § 15 Rn. 48 ff.
84Ausgehend hiervon ist es zumindest in sich schlüssig, wenn auch nicht richtig, dass sie die einzelnen Betriebe nicht weiter betrachtet hat. Soweit die Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang betont haben, man habe die Genehmigungsbasis lediglich als Indiz und grobe Richtschnur, nicht aber als alleiniges Kriterium herangezogen, lässt sich dies den Aufstellungsvorgängen nicht entnehmen. Zu keinem der von den Antragstellerinnen konkret benannten Betrieben findet sich eine Auseinandersetzung, die über die zuvor genannte rein schematische Differenzierung hinausginge.
85Die von der Antragsgegnerin angeführte Passage der Planbegründung, die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht einer Anlage sei lediglich ein Indiz dafür, dass diese nur in einem Industriegebiet realisiert werden könne und sich ein Industriegebiet vom Gewerbegebiet im eigentlichen Sinne durch die Ansiedlung von Betrieben, die ein ortsunübliches Maß an Umweltbelastung (wie Lärm, Staub, Geruch) produzierten und darum von Wohngebieten ferngehalten werden sollten, unterscheide, ist insoweit ebenfalls unergiebig. Allenfalls lässt sie sich in der Weise verstehen, dass die Antragsgegnerin es für möglich gehalten hat, dass auch immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Betriebe im Einzelfall einen geringeren, gewerbegebietsverträglichen Störgrad haben können, dies hier aber in keinem Fall feststellen konnte. Konkrete Prüfungen sind allerdings nicht dokumentiert. Jedenfalls finden sich aber weder theoretische noch tatsächliche Anhaltspunkte für Untersuchungen in die „andere Richtung“, also dafür, dass auch ein nur baurechtlich genehmigter Betrieb im Einzelfall ein industriegebietstypisches Störpotenzial haben kann.
86Hierzu hätte indes nicht nur aufgrund der vor allem von den Antragstellerinnen im Aufstellungsverfahren konkret benannten Betriebe Veranlassung bestanden, zumal gerade bei den von ihr zentral genannten Logistikbetrieben die Zuordnung zu einer Gebietskategorie nach der Baunutzungsverordnung auch nach der Rechtsprechung u. a. des erkennenden Gerichts von den Umständen des Einzelfalls abhängt,
87vgl. zuletzt OVG NRW, Urteil vom 8. April 2021 - 2 D 96/18.NE -, juris Rn. 52 ff.,
88sondern insbesondere aufgrund des von der Antragsgegnerin selbst eingeholten Sachverständigengutachtens der B. GmbH vom 14. August 2017. Denn dieses bestätigt aufgrund eigener fachkundiger Bewertung, dass jedenfalls teilweise den angeführten Betrieben ein industriegebietstypisches Störpotential zuzuordnen ist. Das gilt namentlich für die von den Antragstellerinnen konkret angeführte und beschriebene Spedition H1. , der wie auch anderen Betrieben das Emissionskontingent eines Industriebetriebes (65 dB/m²) zugeordnet wird. Grund hierfür ist in allen diesen Fällen laut Gutachten, dass diese Betriebe „nach unserer fachlichen Auffassung GI-typisch“ sind (Gutachten S. 3, VII/66 ff.). Dies trifft danach auch auf den weiteren, von den Antragstellerinnen nicht thematisierten Betrieb X2. Tierfutter (X3. ) zu (Gutachten S. 9). Dort heißt es ausdrücklich, der Betrieb habe einen GI-Störgrad, angesetzt wird weiter „sicherheitshalber“ auch ein 24h-Betrieb. Eine (fundierte) Auseinandersetzung hiermit ist den Aufstellungsvorgängen nicht zu entnehmen. Auch den im Rahmen der Behörden- und Trägerbeteiligung eingegangenen detaillierten Stellungnahmen der IHK P. zu C. und des Kreises N. -M1. , die ebenfalls eine unzureichende Bewertung der vorhandenen Nutzungen als industriegebietstypisch gerügt hatten, hat die Antragsgegnerin nichts Konkretes entgegen gesetzt.
89Soweit in der mündlichen Verhandlung das Vorgehen letztlich damit gerechtfertigt wurde, die vorhandenen Betriebe hätten eine Bringschuld, wenn sie sich in der vorgenommenen Zuordnung nicht wiederfänden, sodass davon ausgegangen werden könne, sie seien mit der Eingruppierung für sich einverstanden, wenn sie sich nicht meldeten, mag das für die subjektive Abwägung individueller Belange der einzelnen Betriebe tragfähig sein, nicht jedoch für die objektiv erforderliche sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung, um die es an dieser Stelle geht. Die nicht zuletzt für die Antragstellerinnen relevante Frage nach der objektiven Charakteristik, die sich aus dem Bestand ergibt, kann nicht allein oder maßgeblich nach der Beteiligungs- oder Duldungsbereitschaft der ortsansässigen Betriebe beantwortet werden.
90Allgemein entsteht auch der Eindruck, das Ausmaß industriegebietstypischer Nutzungen werde möglichst verharmlost. So ist irritierend häufig von „geringfügiger“ Ansiedlung von Industriebetrieben die Rede. Dies erscheint angesichts der Tatsache, dass selbst nach Erhebung der Antragsgegnerin mindestens 8 ha (also etwa 1/5 der bisher im Plangebiet überhaupt baulich genutzten Fläche) von industrietypischen (oder ähnlichen) Betrieben genutzt werden, kaum als eine tatsachengestützte Qualifikation, zumal weitere nicht in ein Gewerbegebiet „passende“ Betriebe wie Biogasanlage, Solaranlage oder großflächiger Einzelhandel (Baumarkt) nicht unwesentliche weitere Flächen beanspruchen.
91bb) Zudem ist die Antragsgegnerin ausweislich der Planbegründung auch in rechtlicher Hinsicht von fehlerhaften Annahmen ausgegangen. Nach den an prominenter Stelle auf den Seiten 1 und 2 der Planbegründung „Planungsanlass, Ziel und Erforderlichkeit der Planung“ zu findenden grundlegenden Ausführungen hat sie ein Planungsbedürfnis gerade auch mit Blick auf die übergeordnete Regionalplanung gesehen, weil das Plangebiet nicht dem Anforderungsprofil des im Regionalplan an dieser Stelle dargestellten GIB entspreche. Zur Begründung wird sodann angeführt, dass der deutlich überwiegende Teil der Grundstücke bzw. des Nettobaulandes durch Gewerbebetriebe genutzt werde und deshalb nicht im Sinne eines GIB genutzt werde. Diese Schlussfolgerung ist indes schlicht falsch, weil – wie die Antragserwiderung an anderer Stelle heraushebt und auch in der Abwägung der Antragsgegnerin zum nicht gegebenen Widerspruch der Planung zu den raumordnungsrechtlichen Vorgaben angeführt wird (etwa IX/39aR) – die regionalplanerische Vorgabe eines Bereichs für gewerbliche und industrielle Nutzungen Industrie- und Gewerbegebiete gleichermaßen und gewissermaßen undifferenziert erfasst. Die Ansiedlung von Gewerbebetrieben in einem GIB ist also kein Widerspruch zu derartigen Ausweisungen, sondern gerade zielkonform.
92Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die in der mündlichen Verhandlung hierzu gegebene Erläuterung, der Plangeber habe gewissermaßen im Vorgriff bereits eine künftige Feindifferenzierung des Ausweisungsinstrumentariums der Regionalplanung zugrunde gelegt, zwar zutreffen mag, in der Begründung aber so nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck kommt. Im Gegenteil dürfte dann bei einer zugrunde zu legenden GIB-Ausweisung ein großflächiges (eingeschränktes) Gewerbegebiet erst recht nicht in Betracht kommen.
93cc) Darüber hinaus liegt der Abwägung eine fehlerhafte Bewertung der Planungsfolgen jedenfalls für die Betriebe zugrunde, die bisher im Plangebiet aufgrund einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung tätig sind.
94(1) So hat die Antragsgegnerin bereits grundlegend deren Situation verkannt, indem sie durchgängig in der Abwägung von der frühzeitigen bis zur erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung und in der Planbegründung an besonders exponierter Stelle (dort S. 2) hervorgehoben und der Planung zugrunde gelegt hat, diese Betriebe erführen durch die Festsetzung (nur noch) eines Gewerbegebietes aufgrund ihrer heute bestehenden Genehmigung „keinen Nachteil“. Das ist selbst dann falsch, wenn die Auffassung der Antragsgegnerin zum Umfang des § 16 Abs. 5 BImSchG und zu nicht erforderlichen weitergehenden Festsetzungen zuträfe (was – wie nachfolgend ausgeführt wird - indes gerade nicht der Fall ist). Denn selbstverständlich ist allein der Verlust von Entwicklungsmöglichkeiten oder betrieblichen Freiheiten, selbst wenn sie sich noch nicht zu einem abwägungserheblichen Belang verdichtet haben sollten, ein Nachteil für die betroffenen Unternehmen. Mit dieser apodiktischen Feststellung hat sich die Antragsgegnerin damit den Zugang zu einer abwägungsgerechten Planung verstellt.
95(2) Dies ist im vorliegenden Zusammenhang umso schwerwiegender, als die Antragsgegnerin zugleich die Rechtsposition der Industrieunternehmen im Hinblick auf ihre zukünftigen betrieblichen Optionen, insbesondere die Anlagenerneuerung, in mehrfacher Hinsicht rechtlich unzutreffend eingeschätzt hat. So ist sie davon ausgegangen, dass eine vollständige oder teilweise Erneuerung von Anlagen oder Anlagenteilen für diese Betriebe von § 16 Abs. 5 BImSchG ohne Weiteres gedeckt sei und diese daher – anders als etwa bei Gewerbebetrieben – keiner Genehmigung bedürften. Da nur eine solche Erneuerungsmöglichkeit vom Plangeber gewünscht sei, könne es damit sein Bewenden haben und eine Regelung, wie sie für die ortsansässige Einzelhandelsbetriebe nach § 1 Abs. 10 BauNVO getroffen worden sei, sei insoweit nicht erforderlich. Damit hat sie die rechtliche Ausgangslage allerdings verkannt und ist so zugleich zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung gelangt, indem sie zumindest in Teilen im bisherigen Industrie- und Gewerbegebiet unzulässige großflächige Einzelhandelsbetriebe besser gestellt hat als die bisher dort zulässigen Industriebetriebe.
96Denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass § 16 Abs. 5 BImSchG die Pflicht, für den Austausch oder Ersatz von Anlagen oder Anlagenteilen eine Baugenehmigung einzuholen, nicht einschränkt oder gar aufhebt. Auch im Fall eines Wiederaufbaus einer etwa nach einem Brandereignis zerstörten Anlage entbindet § 16 Abs. 5 BImSchG lediglich von der Pflicht, ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen, nicht jedoch von der Beachtung anderer behördlicher Genehmigungserfordernisse. Mit anderen Worten hat § 16 Abs. 5 BImSchG keine Konzentrationswirkung.
97So BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 4 C 12.10 -, BVerwGE 141, 293 = juris Rn. 15 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 5. April 2019 – 22 CS 18.2572, 22 CS 19.23 -, ZUR 2019, 491 = juris Rn. 51, Jarass, BImSchG-Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 16 Rn. 21 m. w. N.
98Aufgrund der geänderten Gebietsfestsetzung ist es aber jedenfalls den Industriebetrieben unmöglich, eine für die Neuerrichtung von Anlagenteilen im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen oder für die Wiedererrichtung ihres Betriebes im Falle eines Unglücks erforderliche Baugenehmigung zu erhalten. Gegebenenfalls wären sie aus Rechtsgründen nicht einmal in der Lage, Anforderungen der Immissionsschutzbehörde, die gewährleisten sollen, dass die Anlage auf dem Stand der Technik weiterbetrieben wird, zu erfüllen, weil und soweit dies mit baurechtlich genehmigungsbedürftigen Arbeiten verbunden ist. All dies hat die Antragsgegnerin in ihre Abwägung offenkundig nicht gesehen und damit die auf dem Spiel stehenden Belange aller nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigten ortsansässigen Betriebe, unter anderem auch des Unternehmens der Antragstellerin zu 1., fundamental fehlerhaft eingeschätzt und damit nicht ordnungsgemäß abgewogen.
99In diesem Zusammenhang kommt hinzu, dass die Antragsgegnerin die Reichweite der vorhandenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für den Normalbetrieb ebenfalls nicht zutreffend erfasst hat. Sie ist erklärtermaßen davon ausgegangen, dass etwa die Errichtung weiterer baulicher Anlagen im Rahmen der erteilten Anlagengenehmigung auch nach der Neuplanung ebenso zulässig bliebe wie beispielsweise die Einbeziehung weiterer Abfallarten, soweit sie mit den genehmigten vergleichbar sind. Dies trifft indes ebenfalls nicht zu. Hierbei handelt es sich um eine immissionsschutzrechtlich bzw. abfallrechtlich genehmigungsbedürftige Änderung, die aufgrund der Neuplanung nicht mehr zulässig ist. Diese Auffassung vertritt offenbar zumindest die Bezirksregierung E. als zuständige Genehmigungsbehörde. Auch insoweit ist die Antragsgegnerin also von falschen Annahmen ausgegangen.
100(3) Schließlich hat die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Bestands- bzw. Entwicklungsinteressen der vorhandenen Industriebetriebe sich im Kern darauf beschränkt, bestandsschützende Festsetzungen innerhalb der umfassenden Gewerbegebietsausweisung zu prüfen. Jedenfalls nicht mehr ernsthaft erwogen hat sie im Anschluss an die Bestandsaufnahme, ob nicht zumindest Teile der bisher als Industriegebiet festgesetzten Bereiche auch in Zukunft mit dieser Festsetzung fortgeführt werden könnten, ohne die Planungsziele zu gefährden. Erwogen worden ist offenbar allein, für die jeweiligen Betriebsgrundstücke eine anlagenbezogene Industriegebietsausweisung vorzunehmen. Dies hat die Antragsgegnerin – als solches nachvollziehbar – wegen des dann entstehenden Flickenteppichs für nicht vorzugswürdig gehalten. Die Alternative einer flächenbezogenen Ausweisung unter Einbeziehung möglicherweise auch einzelner, nicht oder noch nicht durch Industriebetriebe genutzter Grundstücke ist allerdings offenbar aus dem Blick geraten. Eine solche, noch mit dem Aufstellungsbeschluss und im Verfahren der Veränderungssperre stets betonte Möglichkeit lag aber zumindest in dem Bereich nahe, in dem sich bereits bisher in nennenswertem Umfang selbst nach Auffassung der Antragsgegnerin auf ein Industriegebiet angewiesene Betriebe befinden, also im Nordwesten des Plangebietes.
101Nimmt man hinzu, dass sich hier mit einer nach den Feststellungen des Gutachters einem Industriegebiet zuzuordnende Spedition ein weiterer auf eine solche Gebietsausweisung angewiesener Betrieb befindet, wäre hier dem Bestand entsprechend ohne Weiteres ein Industriegebiet festsetzungsfähig gewesen. Denn dadurch wären zugleich die mit der Planung verfolgten Ziele der Antragsgegnerin allenfalls in einem untergeordneten Umfang berührt gewesen. Dieses in der Nähe zum Kraftwerk I. und in großer Entfernung zu den nächstgelegenen Siedlungsbereichen situierte Gebiet ist – wie nicht zuletzt das Gutachten gezeigt hat – im Hinblick auf industriegebietstypische Immissionen unbedenklich. Zugleich lässt sich hier aufgrund der bestehenden baulichen Ausnutzung die gewünschte Ansiedlung von Gewerbebetrieben ohnehin kaum realisieren. Dies setzte zumindest in weiten Teilen die Aufgabe der bisherigen Betriebe voraus, die die Antragsgegnerin mit der vorliegenden Planung indes erklärtermaßen nicht forcieren will. Diese Betriebe sollen nach ihrer Vorstellung vielmehr durch die Neuplanung „keinen Nachteil“ erleiden.
102dd) Im Rahmen der Betrachtung der Konsequenzen für die bestehenden Industriebetriebe hat die Antragsgegnerin schließlich auch deren reines Bestandsinteresse im Hinblick auf die Neuansiedlung von Gewerbebetrieben in einem infolge der angegriffenen Bauleitplanung ausgewiesenen (eingeschränkten) Gewerbegebiet nicht hinreichend erfasst. Sie ist vielmehr davon ausgegangen, auch insoweit werde sich für die bestehenden Betriebe nichts ändern und hat dies wie folgt begründet:
103„Das Plangebiet stellt heute eine Nachbarschaft von Industriegebiet und Gewerbegebiet dar. Vorhandene Gewerbebetriebe haben sich in Kenntnis eines Industriegebietes und einer vorhandenen bzw. möglichen Nachbarschaft von industriegebietstypischen Betrieben in diesem angesiedelt. Gleichfalls haben sich in geringfügigem Umfang Industriebetriebe im festgesetzten Industriegebiet angesiedelt, in Kenntnis einer festgesetzten Nachbarschaft von gleichfalls Industriegebiet.
104Ein „Gebietsbewahrungsanspruch“, der den in dem Plangebiet ansässigen Industriebetrieben die Möglichkeit einräumt, sich gegen eine gebietsfremde Nutzung zur Wehr zu setzen, wird nicht verletzt. Zudem gibt es keinen „Plangewährleistungsanspruch“ in dem Sinne, dass ein bisheriger Bebauungsplan mit seinem konkreten Inhalt auf Dauer aufrechtzuerhalten ist und umgesetzt werden muss.
105Zwar entfaltet § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO über das darin enthaltene Rücksichtnahmegebot eine nachbarschützende Wirkung und beinhaltet auch insofern Nachbarschutz, als die Vorschrift einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der gebietstypischen Prägung (hier: als Industriegebiet) enthält. Die Maßstäbe des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gelten dabei jedoch für alle Nutzungen in dem Baugebiet. Hieraus ergibt sich also kein Abwehranspruch eines industriegebietstypischen Betriebes gegen einen gewerbegebietstypischen Betrieb innerhalb eines Industriegebietes mit der Begründung, dass dieser einen „Schutzanspruch“ gegenüber einem Industriebetrieb reklamieren könnte. Der Gewerbebetrieb ist innerhalb eines Industriegebietes ebenso zulässig wie der Industriebetrieb.
106So verhält es sich im Umkehrschluss auch bei der Festsetzung von Gewerbegebiet anstatt von Industriegebiet. Die faktische Situation wird durch den Bebauungsplan nicht verändert. Die in geringem Umfang vorhandenen gegebenenfalls industriegebietstypischen Betriebe sind in ihrem Bestand innerhalb des zukünftigen Gewerbegebietes gesichert. Ein Abwehranspruch von zukünftig hinzutretenden Gewerbebetrieben gegen diese vorhandenen und genehmigten Industriebetriebe besteht nicht, da hier ebenso das Rücksichtnahmegebot gilt.“ (Planbegründung S. 8, in der Sache schon die Abwägung zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung S. I/62a)
107Diese Annahme greift jedenfalls deshalb zu kurz, weil die Antragsgegnerin übersehen hat, dass die bisherige Situation (Gewerbe im Industriegebiet) sich grundlegend anders darstellt als die zukünftige (Industrie im Gewerbegebiet). Denn in dem einen Fall handelt es sich um zwei Betriebsformen, die gleichermaßen in dem festgesetzten Gebiet zulässig sind, während zukünftig nur noch eine der beiden konkurrierenden Betriebsformen im Plangebiet zulässig wäre und sich deshalb auf ihre planungsrechtliche Zulässigkeit exklusiv berufen könnte. Demgegenüber sind die vorhandenen Industriebetriebe planungsrechtlich in keiner Weise abgesichert, für sie gilt – wie ausgeführt - nicht einmal eine Fremdkörperfestsetzung. Ob und inwieweit sie mit Erfolg zukünftig eine Rücksichtnahme von planungsrechtlich allgemein zulässigen Nutzungen einfordern könnten, ist angesichts dessen zumindest fraglich, zumal der von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang herangezogene § 15 Abs. 1 BauNVO eine grundsätzliche Gebietsverträglichkeit voraussetzt, die nunmehr für die industriegebietstypischen Betriebe nicht mehr besteht. Der von der Antragsgegnerin ohne weitere Plausibilisierung in den Raum gestellte „Umkehrschluss“ greift so jedenfalls zu kurz.
108Dies gilt umso mehr, als sich der Schutzanspruch im Plangebiet – offenbar entgegen der Annahme der Antragsgegnerin – verändert. Denn zukünftig gelten insoweit die im Verhältnis zum Industriegebiet niedrigeren Immissionsrichtwerte eines Gewerbegebietes, auf die sich insbesondere neue Unternehmen berufen könnten. Insofern trifft die Befürchtung der Antragstellerinnen, es könnten sich stärker immissionssensible Betriebe ansiedeln, zu. Hierauf müssten sich auch die vorhandenen Industriebetriebe einstellen. Selbst wenn ihnen in den ihnen erteilten Genehmigungen – wofür allerdings nichts Greifbares ersichtlich oder von der Antragsgegnerin ermittelt worden ist – bisher industriegebietstypische Immissionen ausdrücklich zugestanden sein sollten, erscheint das planerische Vertrauen darauf, dass sich hieran zukünftig nichts ändern wird, nicht verlässlich. Dass es etwa beim Austausch von Anlagenteilen nicht zur Aktivierung dynamischer Betreiberpflichten im Hinblick auf die Einhaltung der nunmehr geltenden Immissionsrichtwerte eines Gewerbegebietes kommen können sollte, erscheint vielmehr als eine eher gewagte Hypothese.
109ee) Vor diesem Hintergrund hat die Antragsgegnerin schließlich auch die konkreten betrieblichen Interessen der Antragstellerinnen nicht hinreichend gewürdigt.
110Sie hat die schon im Aufstellungsverfahren vorgetragenen Erweiterungsinteressen, wonach die Antragstellerin zu 1. die Ausweitung der Betriebstätigkeit auf die Aufbereitung von PVB-Folien aus Sicherheitsverglasungen (etwa bei Autoscheiben) oder die Aufnahme neuer Glassorten plane bzw. hierauf angewiesen sei, nicht hinreichend in ihre Abwägung eingestellt.
111Sie hat vielmehr an die Konkretisierung in der gegebenen Situation unangemessen hohe, letztlich nicht sinnvoll zu erfüllende Anforderungen gestellt. Dabei hat sie die Darstellung der Antragstellerinnen letztlich als Wunschvorstellungen (ab)qualifiziert und deren allgemeinem Flexibilitätsbedürfnis zugeordnet. Diese Wertung erscheint unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin bewusst – und zulässiger Weise – herbeigeführten planerischen Ausgangslage jedenfalls deutlich überzogen. Wie und auf welche Weise entsprechende Erweiterungen der Anlage bzw. Ergänzungen der Betriebsabläufe stattfinden sollen, wäre in einer Anlagengenehmigung darzulegen, zu der es hier schon aufgrund der Veränderungssperre nachvollziehbarerweise nicht gekommen ist. Zudem ist jedenfalls die Antragsgegnerin von einem weitergehenden „Antragserfordernis“ ausgegangen, wobei völlig unklar ist, wie (und warum) in einem Bauleitplanverfahren entsprechende „Anträge“ gestellt werden könnten.
112Jenseits dessen hat sich die Antragsgegnerin nicht mit der weiteren Argumentation auseinandergesetzt, dass es sich hier um betriebstypische, also übliche und naheliegende Entwicklungsmöglichkeiten handelt. Auch bei den geltend gemachten Belangen der Flexibilität und der erforderlichen Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit spricht alles dafür, dass sie sich im Rahmen der jedenfalls abwägungserheblichen normalen Betriebsentwicklung des ausgeübten Gewerbebetriebes bewegen. Sie wären also zumindest sorgfältig abzuwägen gewesen wäre. Dass dies nicht geschehen ist, stellt auch die Antragserwiderung nicht in Abrede.
113Insoweit erscheinen namentlich die Erwägungen zu den Wettbewerbsaspekten verkürzt, wenn nicht neben der Sache liegend. Die Antragsgegnerin hat sich insoweit letztlich darauf zurückgezogen, das Bauplanungsrecht sei wettbewerbsneutral. Ein Gewerbetreibender habe keinen Anspruch darauf, dass sich die vorhandene Wettbewerbssituation nicht verschlechtere, weil mit neuer Konkurrenz ständig gerechnet werden müsse. Das geht an der Sache vorbei. Denn den Antragstellerinnen geht es nicht darum, einen Konkurrenzbetrieb und dessen Ansiedlung zu verhindern.
114Zu einer solchen Fallgestaltung vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 2 D 91/14.NE -, BRS 83 Nr. 173 Rn. 40 ff., m. w. N.
115Vielmehr haben sie gewissermaßen ihr eigenes Überlebensinteresse an einem fairen Wettbewerb geltend gemacht. Mit dem Bedürfnis nach Konkurrenzschutz hat das nichts zu tun, vielmehr verhält sich die Antragsgegnerin – den Einwand der Antragstellerinnen als richtig unterstellt, wogegen die Antragsgegnerin wiederum nichts vorträgt – hier nicht wettbewerbsneutral, sondern machte es den Antragstellerinnen jedenfalls schwerer, im Wettbewerb zu bestehen.
116ff) Ausgehend von dieser unzureichenden Erfassung der Interessenlage der Antragstellerinnen hat die Antragsgegnerin schließlich auch die Möglichkeiten, die widerstreitenden Interessen in einen abwägungsgerechten Ausgleich zu bringen, nicht hinreichend gesehen bzw. berücksichtigt. Neben den bereits unter cc) und dd) allgemein betrachteten Aspekten ist etwa die Annahme, eine Fremdkörperfestsetzung sei nicht in Betracht gekommen, verkürzt und so nicht nachvollziehbar.
117In diesem Zusammenhang mag dahinstehen, ob die gerade auch im gerichtlichen Verfahren betonte Bereitschaft, eine solche Festsetzung zu treffen, tatsächlich in dieser Form bestanden hat. So trifft es zwar zu, dass in der Abwägung die Feststellung enthalten ist, sie, die Antragsgegnerin, sei zu einer entsprechenden Festsetzung bereit, aber nicht in der Lage gewesen. Diese Passage findet sich indes erst nach den grundsätzlichen Klarstellungen, dass weitergehende Fremdkörperfestsetzungen nicht geboten seien. Den berechtigten Eigentümer- und Betreiberinteressen sei im Rahmen des Planungskonzeptes durch die Möglichkeiten des § 16 Abs. 5 BImSchG ausreichend Rechnung getragen. Deshalb benötigten die im Plangebiet liegenden immissionsschutzrechtlich genehmigten Betriebe keine Fremdkörperfestsetzung. „Eine Fremdkörperfestsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO für immissionsschutzrechtlich genehmigten Betriebe ist nur dann erforderlich, wenn man über die Bestandsabsicherung hinaus Änderungen, Erweiterungen und Nutzungsänderungen des Betriebes ermöglichen will; denn diese bestandserweiternden Möglichkeiten sind von § 16 Abs. 5 BImSchG nicht gedeckt. Dieses zu ermöglichen, ist aber nicht die städtebauliche Zielsetzung der Stadt Q. . Daher wird dem Bestand der oben genannten Betriebe und Anlagen ausschließlich die Möglichkeit einer „Erneuerung“ eingeräumt.“ (IX/7a f., Hervorhebung nur hier)
118Jedenfalls mit Blick auf den Vortrag der Antragstellerinnen kann indes keine Rede davon sein, dass eine Fremdkörperfestsetzung etwa für eine beschränkte Erweiterung – einen entsprechenden Willen vorausgesetzt – von vornherein nicht möglich gewesen wäre. In diesem Zusammenhang hat die Antragsgegnerin erneut zu Unrecht und letztlich allein auf einen fehlenden „substantiierten Antrag“ im Planungsverfahren abgestellt. Aufgrund der Tatsache, dass die Antragstellerinnen ihr aber keine verbindlichen Erweiterungsmöglichkeiten erläutert oder diese substantiiert beantragt habe, habe sie den Erweiterungstatbestand gar nicht formulieren können. Damit ist sie den Belangen der Antragstellerinnen nicht gerecht geworden. Es wäre jedenfalls grundsätzlich unter der gebotenen Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerinnen möglich gewesen, zumindest den Einsatz weiterer Ausgangsstoffe oder einen Austausch im Rahmen der genehmigten Kapazitäten oder auch eine begrenzte Kapazitätserhöhung im Rahmen einer Fremdkörperfestsetzung zuzulassen. Ob dies im konkreten Fall planerisch möglich gewesen wäre, hat die Antragsgegnerin nicht einmal im Ansatz geprüft und ist so ihrer Verpflichtung zu einer gerechten Abwägung nicht gerecht geworden.
119Dass sie in diesem Zusammenhang ihren Blickwinkel unzutreffend auf eine Fremdkörperfestsetzung verengt und nicht einmal erwogen hat, es aufgrund der geltend gemachten betrieblichen Interessen der Antragstellerinnen bereichsweise bei einer Industriegebietsfestsetzung zu belassen, kommt als allgemeiner Abwägungsmangel hinzu. Probleme mit der Definition von Zulässigkeiten nach § 1 Abs. 10 BauNVO hätten sich so jedenfalls nicht ergeben. Die noch mit dem Aufstellungsbeschluss ausdrücklich nicht ausgeschlossene und im Verfahren um die Rechtmäßigkeit der verhängten Veränderungssperre (2 D 44/17.NE) stets als offen betonte Entscheidung, ob die Industriegebiete ganz oder teilweise zurückgenommen würden bzw. werden könnten, taucht in der eigentlichen Planung auch an dieser neuralgischen Stelle als Option letztlich ohne eigenständige Begründung nicht mehr ernsthaft auf.
120gg) Die vorstehenden Mängel der Abwägung führen jeweils für sich genommen zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt.
121Die Unwirksamkeit eines Teils eines Bebauungsplans führt nur dann (ausnahmsweise) nicht zu dessen Unwirksamkeit insgesamt, wenn die übrigen Festsetzungen auch ohne den unwirksamen Teil sinnvoll bleiben und nach dem mutmaßlichen Willen des Plangebers mit Sicherheit anzunehmen ist, dass er sie auch ohne den unwirksamen Teil getroffen hätte. Die teilweise Aufhebung des Bebauungsplans darf das Plankonzept nicht verfälschen. Im Zweifel hat das Gericht der Gemeinde durch Aufhebung des Bebauungsplans insgesamt die Möglichkeit zu einer neuen planerischen Gesamtentscheidung zu eröffnen.
122Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 – 4 C 21.07 –, BVerwGE 133, 310 = juris, Rn. 30.
123Die aufgezeigten Mängel betreffen den Kern der planerischen Konzeption der Antragsgegnerin und ihre konkrete Umsetzung, namentlich die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung. Die übrigen Festsetzungen des Planes sind ohne diese Gebietsausweisung nicht lebensfähig und damit sinnlos.
124Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
125Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
126Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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