Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 8 A 513/19
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das ohne mündliche Verhandlung ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17. Januar 2019 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das Betreten ihres Anlagengrundstücks am 10. Juli 2018 durch Mitarbeiter der Bezirksregierung Düsseldorf sowie die dabei erfolgte Anfertigung von Lichtbildern rechtswidrig waren.
3Die Klägerin betreibt auf dem vorgenannten Anlagengrundstück ein Sonderabfall-Zwischenlager (Lagerung besonders überwachungsbedürftiger
Die Bezirksregierung führt im Rahmen der Anlagenüberwachung regelmäßig Vor-Ort-Besichtigungen durch. Dabei behält sie sich, gestützt auf den Erlass „Risikobasierte Planung und Durchführung von medienübergreifenden Umweltinspektionen“ (im Folgenden: Umweltinspektionserlass),
5- siehe hinsichtlich des Zeitpunkts der streitbefangenen Vor-Ort-Besichtigung den Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV NRW) in der Fassung vom 29. Mai 2015, nunmehr den Erlass des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MULNV NRW) in der Fassung vom 17. September 2021 -
6vor, den Anlagenbetreibern die konkreten Termine, auch wenn diese nicht durch einen konkreten Verdacht für das Vorliegen von Unregelmäßigkeiten veranlasst sind, nicht vorher mitzuteilen, wobei nach Ziffer 4.2 des Umweltinspektionserlasses die unangekündigten (Regel-)Inspektionen einen Anteil von ca. 25 % ausmachen sollen.
7Eine unangekündigte Vor-Ort-Besichtigung auf dem Anlagengrundstück der Klägerin erfolgte am 8. Mai 2015 durch zwei Mitarbeiter der Bezirksregierung, Frau I. und Herrn T. . Der seinerzeit vor Ort anwesende Betriebsleiter, Herr X. , erklärte den Behördenmitarbeitern, dass die Klägerin mit der Begehung des Anlagengrundstücks bis zum Eintreffen eines Mitarbeiters aus der Genehmigungsabteilung in M. nicht einverstanden sei. Da die Behördenmitarbeiter dessen Eintreffen nicht abwarten wollten, führten sie die Anlagenbegehung selbstständig und ohne Begleitung eines Vertreters der Klägerin durch (vgl. den Vermerk über die Anlagenüberwachung am 8. Mai 2015). Hierbei wurden verschiedene Mängel der Anlage bzw. im Betriebsablauf festgestellt und entsprechende Lichtbilder gefertigt. Im Nachgang drohte die Bezirksregierung der Klägerin durch Bescheid vom 19. Mai 2015 die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 20.000,‑ Euro für den Fall an, dass diese „ab sofort der Ziffer 1.7 der Genehmigung vom 15.12.2004 […] nicht vollständig nachkommen“ sollte. Diesen Bescheid hob das Verwaltungsgericht Düsseldorf auf eine entsprechende Klage der Klägerin durch Gerichtsbescheid vom 21. April 2016 (3 K 3886/15) auf und stellte zugleich fest, dass die Anlagenbegehung am 8. Mai 2015 durch die Mitarbeiter der Bezirksregierung rechtswidrig gewesen sei; sie sei unverhältnismäßig gewesen, da sie zuvor nicht angemeldet worden sei. Nach Zulassung der Berufung gegen den vorgenannten Gerichtsbescheid durch den erkennenden Senat (8 A 999/16) nahm die Klägerin ihre Klage noch vor der anberaumten mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 22. Januar 2018 zurück, nachdem sich aus ihrer Sicht ‑ die zwischenzeitlich durchgeführten Vor-Ort-Kontrollen waren jeweils angekündigt worden - die Überwachungspraxis der Bezirksregierung so entwickelt habe, dass für sie zukünftig aller Voraussicht nach kein Anlass bestehen werde, das Betreten ihres Anlagengrundstücks zu verweigern. Nachdem der Beklagte der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen hatte, stellte der Senat das Verfahren ein und erklärte den Gerichtsbescheid vom 21. April 2016 durch Beschluss vom 13. Februar 2018 für wirkungslos. Schriftverkehr oder mündliche Absprachen darüber, wie bei Vor-Ort-Kontrollen der betreffenden Anlage zukünftig generell verfahren werden sollte, waren der Klagerücknahme nicht vorausgegangen.
8Am 10. Juli 2018 suchten erneut zwei Mitarbeiter der Bezirksregierung, Herr T. und Herr B. , das Anlagengrundstück der Klägerin ohne vorherige Ankündigung auf. In dem hierzu angefertigten Vermerk führte Herr T. aus, dass die Vor-Ort-Besichtigung im Rahmen des IED‑Überwachungsprogramms erfolgt sei (Anm.: IED ist die Abkürzung für Industrial Emissions Directive; hierbei handelt es sich um die englischsprachige Bezeichnung der Industrieemissions-Richtlinie). Auf eine vorherige Ankündigung sei verzichtet worden, da nach dem „Überwachungserlass“ des MULNV NRW vom 16. Mai 2018 - gemeint ist ein Erlass des Ministeriums, der sich mit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf auseinandersetzt und die nachgeordneten Behörden auffordert, dieser nicht zu folgen (vgl. Beiakte 2, Blatt 1) - auch unangekündigte Überwachungen durchgeführt werden sollten und die letzten drei Überwachungen vorher bekannt gegeben worden seien. Dass eine Inspektion spätestens am 18. Juli 2018 hätte erfolgen müssen, sei der Klägerin wegen der Kenntnis des Datums der letzten Überwachung (18. Juli 2016) sowie des Überwachungsintervalls von zwei Jahren bekannt. Zu Beginn der Inspektion hätten sich die Behördenmitarbeiter bei dem Niederlassungsleiter, Herrn T. , angemeldet. Dieser habe auf die „üblichen Regelungen“ bei der Klägerin verwiesen, womit nach Ansicht des Vermerkverfassers die vorherige Anmeldung gemeint gewesen sei. Er habe daraufhin auf den vorgenannten „Erlass“ verwiesen und auf die Durchführung der Inspektion bestanden. Herr T. , der einen anderen Termin gehabt habe, habe seinen Vertreter, Herrn X. , gebeten, die Anlage mit den Behördenmitarbeitern zu begehen, was sodann geschehen sei. Zum Schluss der Anlagenbegehung habe der Geschäftsführer der Klägerin angerufen und mitteilen lassen, dass dem Vermerkverfasser Hausverbot erteilt werde. Da die Begehung zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen gewesen sei, sei auf den Erlass einer mündlichen Duldungsverfügung verzichtet und die Inspektion beendet worden. Während dieser Umweltinspektion wurden auch Lichtbilder gefertigt.
9Mit Schreiben vom 18. Juli 2018 an die Bezirksregierung rügte die Klägerin die am 10. Juli 2018 durchgeführte Inspektion, insbesondere den Umstand der unterbliebenen vorherigen Ankündigung. Dabei verwies sie u. a. darauf, dass Herr T. den Behördenmitarbeitern mitgeteilt habe, dass er weder mit der beabsichtigten Anlagenbegehung noch mit der Anfertigung von Lichtbildern einverstanden gewesen sei. Hierauf entgegnete die Bezirksregierung mit Schreiben vom 26. Juli 2018, auf der Grundlage des aus dem behördlichen Vermerk über die Anlagenbegehung am 10. Juli 2018 ersichtlichen Sachverhalts ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Herr T. mit dem Betreten der Anlage oder mit dem Fotografieren nicht einverstanden gewesen sei. Er habe vielmehr seinen Vertreter gebeten, die Behördenmitarbeiter bei der Begehung zu begleiten und Fragen zu beantworten. Zudem habe Herr T. , nachdem der Geschäftsführer der Klägerin, Herr Dr. T. M. , im Rahmen der am 3. März 2018 in einer anderen Anlage der Klägerin durchgeführten Umweltinspektion das Fotografieren akzeptiert habe, davon ausgehen dürfen, dass dies für alle weiteren Anlagen der Klägerin gelte. Mit Schreiben vom 6. September 2018 wies die Klägerin erneut darauf hin, dass Herr T. kein Einverständnis für das Betreten des Anlagengrundstücks erteilt habe. Er habe lediglich Herrn X. zur Begleitung der illegalen Anlagenbegehung abgestellt, nachdem Herr T. sich unter Verweis auf den neuen Erlass nicht habe aufhalten lassen. Zudem habe Herr T. Herrn T. ausdrücklich auf das Fotografierverbot hingewiesen, entsprechende Schilder seien unübersehbar in der Anlage ausgehängt. Von einem stillschweigenden Einvernehmen könne deshalb nicht ausgegangen werden.
10Am 13. August 2018 fand eine weitere Vor-Ort-Besichtigung der Anlage der Klägerin statt, die die Bezirksregierung als „2. Teil der Umweltinspektion“ bezeichnete. Auf Grundlage der Inspektionen vom 10. Juli und 13. August 2018 fertigte sie unter dem 12. Oktober 2018 einen Umweltinspektionsbericht an. Dieser hält als Ergebnis verschiedene als „geringfügig“ und als „erheblich“ deklarierte Mängel fest. Dieser zur Veröffentlichung im Internet bestimmte Umweltinspektionsbericht ist Gegenstand des beim Verwaltungsgericht Düsseldorf anhängigen Klageverfahrens (3 K 9484/18). Auf den zugleich gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gab das Verwaltungsgericht dem Beklagten durch Beschluss vom 8. Januar 2019 (3 L 3420/18) auf, den Umweltinspektionsbericht vom 12. Oktober 2018 nur mit (näher geregeltem) eingeschränktem Inhalt zu veröffentlichen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beklagten wies der Senat durch Beschluss vom 28. August 2020 (8 B 128/19) zurück.
11Die Klägerin hat am 22. Oktober 2018 Klage erhoben, mit der sie die Feststellung begehrt, dass das Betreten ihres Anlagengrundstücks am 10. Juli 2018 durch Mitarbeiter der Bezirksregierung Düsseldorf sowie die dabei erfolgte Anfertigung von Lichtbildern rechtswidrig waren. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände des konkreten Einzelfalls sei die Bezirksregierung nicht berechtigt gewesen, das Anlagengrundstück unangemeldet und ohne Gestattung zu betreten. Im Regelfall sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Ankündigung der Inspektion geboten, nicht zuletzt um dem Anlagenbetreiber zu ermöglichen, an der Inspektion mit verantwortlichen Personen aus der Geschäftsführung, Niederlassungs- oder Betriebsleitung teilnehmen zu können. Weder in dem Behördenvermerk über den Inspektionstermin noch aus dem Verwaltungsvorgang ergebe sich ein plausibler Grund für die nicht erfolgte Ankündigung. Darüber hinaus sei die Anlagenbegehung am 10. Juli 2018 auch deswegen rechtswidrig gewesen, weil die Bezirksregierung eine schriftliche oder mündliche Verfügung, den Zutritt zu gestatten, nicht erlassen habe. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil der Niederlassungsleiter, Herr T. , das für das Betreten des Anlagengrundstücks notwendige Einverständnis nicht erteilt habe. Auf die Nebenbestimmung Nr. 1.7 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 15. Dezember 2004 könne die Anlagenbegehung nicht gestützt werden, da diese lediglich deklaratorisch das wiederhole, was § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ohnehin bereits vorsehe. Unabhängig davon enthalte diese Nebenbestimmung lediglich eine Verpflichtung zur Gestattung, nicht jedoch die Gestattung selbst. Mangels Vorliegens einer gegenwärtigen Gefahr hätten auch die Voraussetzungen für einen Sofortvollzug nach § 55 Abs. 2 VwVG NRW nicht vorgelegen. Die Anfertigung von Lichtbildern anlässlich des Inspektionstermins am 10. Juli 2018 sei ebenfalls rechtswidrig gewesen. Eine entsprechende Zustimmung sei den Behördenmitarbeitern nicht erteilt worden. Eine Ermächtigungsgrundlage, Lichtbilder ohne Zustimmung des Anlagenbetreibers anzufertigen, ergebe sich weder aus § 52 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 BImSchG noch aus §§ 24, 26 VwVfG NRW. Das Fotografieren von betrieblichen Einrichtungen der Betriebsstätte ohne Erlaubnis beeinträchtige das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Unternehmens. Zu berücksichtigen sei, dass die im Rahmen einer Umweltinspektion gegen den Willen des Anlagenbetreibers aufgenommenen Fotos Gegenstand der Überwachungsakte würden und damit grundsätzlich auf der Grundlage von Umweltinformationsansprüchen jedermann zur Einsicht zur Verfügung stünden. Es sei außerdem nicht auszuschließen, dass das nicht genehmigte Fotografieren der Überwachungsbehörde eine Einsichtnahme in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ermögliche.
12Die Klägerin hat beantragt,
13festzustellen, dass das Betreten des Anlagengrundstücks der Klägerin durch Mitarbeiter der Bezirksregierung am 10. Juli 2018 rechtswidrig gewesen ist,
14festzustellen, dass das Fotografieren am Betriebsstandort nach dem Betreten des Anlagengrundstücks der Klägerin durch Mitarbeiter der Bezirksregierung am 10. Juli 2018 rechtswidrig gewesen ist.
15Der Beklagte hat beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Die Begehung des Anlagengrundstücks am 10. Juli 2018 sei mit Zustimmung des Niederlassungsleiters erfolgt. Eine explizite Aussage, dass den Behördenmitarbeitern der Zutritt zum Gelände der Klägerin nicht gestattet werde, sei nicht getätigt worden. Anderenfalls wäre eine mündliche Ordnungsverfügung erlassen worden. Selbst wenn eine Zustimmung zur Anlagenbegehung nicht vorgelegen habe, sei die Durchführung der unangekündigten Überwachung gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG zulässig gewesen. Das behördliche Zutrittsrecht hänge weder davon ab, ob konkrete Anhaltspunkte vorlägen, die ein behördliches Einschreiten notwendig machten, noch von einer vorgeschalteten Ankündigung. Sinn und Zweck der Überwachungspflicht nach § 52 BImSchG sei es, zu überprüfen, ob der Betreiber einer nach § 4 BImSchG genehmigten Anlage die erforderlichen gesetzlichen Vorgaben zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt einhalte. Diesem Zweck liefe es zuwider, wenn eine unangekündigte Überwachung nur in konkreten Ausnamefällen und bei einem konkreten Verdacht durchgeführt werden dürfte. Auch das Anfertigen der Lichtbilder sei rechtmäßig erfolgt. Auf Nachfrage von Herrn T. habe der Vertreter des Niederlassungsleiters, Herr X. , das Fotografieren erlaubt. Außerdem habe der Geschäftsführer der Klägerin, Herr Dr. T. M. , das Fotografieren bei einer Umweltinspektion im März 2018 an einem anderen Standort der Klägerin akzeptiert. Insofern hätten die Behördenmitarbeiter davon ausgehen dürfen, dass dieser mit den Fotografien einverstanden sei. Hinzu komme, dass in der Anfertigung der Fotodokumentation kein Eingriff in die Grundrechte der Klägerin liege. Selbst wenn man von einem Grundrechtseingriff ausginge, wäre dieser gerechtfertigt. Die Aufnahme der Lichtbilder als Abbild der Anlage sei allein im Rahmen der Überwachungstätigkeit zu Dokumentationszwecken erfolgt und vom weit auszulegenden Prüfungsrecht nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG umfasst.
18Durch das ohne mündliche Verhandlung ergangene Urteil vom 17. Januar 2019 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Bezirksregierung könne sich für das unangekündigte Betreten des Anlagengrundstücks nicht auf eine taugliche Ermächtigungsgrundlage berufen. Die Regelung des § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG schreibe der Behörde nicht stets eine vorherige Anmeldung oder stets die zwingende Anwesenheit des Anlagenbetreibers vor. Andererseits erlaube sie wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht generell unangekündigte Besichtigungen. Dies komme etwa dann in Betracht, wenn ansonsten die berechtigte Gefahr bestünde, dass der Zweck der Besichtigung vereitelt werden würde. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Auch der Erlass, auf den sich die Vertreter der Bezirksregierung berufen hätten, sowie die Nebenbestimmung Nr. 1.7 der Anlagengenehmigung vom 15. Dezember 2004 seien keine tauglichen Ermächtigungsgrundlagen gewesen. Mangels vollziehbarer Grundverfügung gegenüber der Klägerin sei auch kein Fall des sog. gestreckten Verfahrens gemäß § 55 Abs. 1 VwVG NRW anzunehmen; die Voraussetzungen des sog. sofortigen Vollzugs nach § 55 Abs. 2 VwVG NRW lägen mangels Eilbedürftigkeit nicht vor. Infolge dessen unterlägen auch die während der rechtswidrigen Anlagenbegehung gefertigten Fotos einem Verwertungsverbot.
19Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor: Die Behördenmitarbeiter hätten aufgrund des Verhaltens des Herrn T. davon ausgehen dürfen, dass dieser mit der Durchführung der Inspektion einverstanden sei. Zudem sei das Betreten des Anlagengrundstücks der Klägerin am 10. Juli 2018 von der Ermächtigungsgrundlage des § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG gedeckt. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass der Gesetzgeber von einer Pflicht zur Duldung der Überwachungsmaßnahme ausgegangen sei. Eine Duldung beinhalte schon dem allgemeinen Sprachgebrauch nach gerade nicht das Einbezogenwerden in eine Entscheidung oder einen Überwachungsvorgang. Daher könne die Überwachungsmaßnahme zum einen nicht vom Willen des Anlagenbetreibers abhängen; zum anderen setze § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG auch nicht generell voraus, dass der Anlagenbetreiber auf die Überwachungsmaßnahme vorbereitet sei, diese also mit zeitlichem Vorlauf anzukündigen wäre. Eine andere Auslegung werde dem Sinn und Zweck der Überwachungsnorm nicht gerecht. Das Betretungsrecht solle der zuständigen Behörde eine wirksame Überwachungstätigkeit ermöglichen. Es diene der Informationsgewinnung und letztlich der Beurteilung, ob die zu überprüfende Anlage den rechtlichen Vorgaben entsprechend betrieben werde und die von ihr ausgehenden potentiellen Gefahren in einem zu akzeptierenden Ausmaß blieben. Die Ankündigung der Überwachung biete dem Anlagenbetreiber die Möglichkeit zur gezielten Vorbereitung des angekündigten Überwachungstermins. Die Erfahrungen langjähriger behördlicher Überwachungspraxis zeigten, dass eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Rechtsverstößen für die Überwachungsbehörde im Vorfeld einer Inspektion kaum erkennbar sei. Zudem habe eine neueste Auswertung von Umweltinspektionen bei Anlagen, die - wie diejenige der Klägerin - in den Anwendungsbereich der Industrieemissions-Richtlinie fielen, durch das MULNV NRW ergeben, dass bei unangekündigten Umweltinspektionen an solchen Anlagen verhältnismäßig mehr Mängel und zudem eine verhältnismäßig höhere Mängelschwere festgestellt würden als bei angekündigten Umweltinspektionen. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Bundes-Immissionsschutzgesetzes seien unangekündigte, anlasslose Kontrollen durch die Überwachungsbehörden die Regel und nicht die Ausnahme, so im Gewerbe-, Arzneimittel-, Gaststätten- und Lebensmittelrecht. Die unangekündigte Umweltinspektion am 10. Juli 2018 sei auch im Übrigen verhältnismäßig gewesen. Der Überwachungstermin habe der turnusmäßigen Überwachung der Anlage der Klägerin, die nach den entsprechenden Überwachungsplänen alle zwei Jahre zu überwachen sei, gedient. Die damit verbundene Belastung der Klägerin stehe nicht außer Verhältnis zum verfassungsrechtlichen Gewicht des mit der immissionsschutzrechtlichen Überwachung verfolgten Zwecks und den damit verbundenen Interessen der Allgemeinheit. Der Schutz von Leib und Leben genieße in der verfassungsrechtlichen Werteordnung einen besonders hohen Rang und sei höher anzusiedeln als der Schutz der Klägerin vor Störungen ihres Besitzes. Aufgrund der Qualität der Anlage als potentielle Gefahrenquelle könne vom Anlagenbetreiber auch verlangt werden, jederzeit eine befähigte Person zur Verfügung zu stellen, die über die erforderlichen Fachkenntnisse zur Erklärung der Abläufe verfüge sowie über Spezialkenntnisse über den jeweiligen Betrieb. Eine unangekündigte Kontrolle der Anlage stelle somit für den Anlagenbetreiber aus betriebsorganisatorischen Gründen keine besondere Herausforderung dar. Die Anfertigung von Lichtbildern im Rahmen der Anlagenbegehung am 10. Juli 2018 sei ebenfalls rechtmäßig erfolgt. Die Ermächtigung hierfür folge aus § 52 BlmSchG und sei Teil des weit auszulegenden Überwachungs- und Prüfungsrechts der Überwachungsbehörde. Die Anfertigung von Lichtbildern sei zwingend notwendig, um eine Überwachungstätigkeit zu gewährleisten. Zudem sei die Behörde in einem sich ggf. anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren verpflichtet, das Vorliegen rechtswidriger Zustände nachzuweisen. Hierfür dienten die Fotografien ebenfalls.
20Im Hinblick auf die derzeitige Gefährdung durch das Coronavirus seien die Kontrollen zuletzt stets zuvor angekündigt worden, weil den Anlagenbetreibern Gelegenheit zu einer angemessenen Vorbereitung, insbesondere mit Blick auf erforderliche Mindestabstände bei Gesprächen, gegeben werden solle. Grundsätzlich halte der Beklagte aber an der Auffassung fest, dass es in einem gewissen Umfang auch unvermutete Kontrollen geben müsse.
21Der Beklagte beantragt,
22das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17. Januar 2019 zu ändern und die Klage abzuweisen.
23Die Klägerin beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Eine Einverständniserklärung mit der Anlagenbegehung am 10. Juli 2018 habe Herr T. nicht abgegeben. Die Begleitung der Behördenvertreter durch den stellvertretenden Niederlassungsleiter, Herrn X. , sei lediglich aus Sicherheitsaspekten erfolgt. Damit sei das Betreten des Anlagengrundstücks nicht im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG gestattet gewesen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch heiße „gestatten“ so viel wie „einwilligen, dass jemand etwas tut oder lässt“, und damit ein Mehr in Richtung des Zutrittgewährens gegenüber dem bloßen Geschehenlassen. Zudem ermächtige § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG die zuständige Behörde jeweils (nur) zu verhältnismäßigen Maßnahmen. Das behördliche Betreten einer Betriebsstätte im Rahmen einer unangekündigten Überwachung stelle einen intensiveren (Grund-)Rechtseingriff dar als das Betreten bei einer angekündigten Überwachung. Werde der Überwachungstermin angekündigt, könne der Anlagenbetreiber seine Terminplanung mit entsprechendem Vorlauf von vornherein an den Eckdaten des beabsichtigten behördlichen Überwachungstermins ausrichten und damit einhergehende Betriebsbeeinträchtigungen mittels betriebsorganisatorischer Maßnahmen zumindest minimieren. Daher müsse der Überwachungstermin im Hinblick auf den Grundsatz der Erforderlichkeit angekündigt werden, soweit der Zweck des Zutritts- und Prüfungsrechts dadurch nicht vereitelt werde. Auch der Richtliniengeber der Industrieemissions-Richtlinie scheine in Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 von dem angekündigten Überwachungstermin als Regelfall auszugehen. Ferner sei zu beachten, dass der Anlagenbetreiber im Hinblick auf seine betriebliche Organisationshoheit grundsätzlich einen Anspruch darauf habe, diejenigen natürlichen Personen (insbesondere Geschäftsführer, bestimmte verantwortliche bzw. mit besonderer Fachkunde ausgestattete Mitarbeiter, wie Niederlassungsleiter, Betriebsleiter und/oder Umweltbeauftragte sowie externe Personen wie z. B. vom Anlagenbetreiber beauftragte externe Sachverständige oder Rechtsanwälte) zu bestimmen, die an einem konkreten behördlichen Überwachungstermin teilnehmen sollen. Dies sei dem Anlagenbetreiber jedoch nur dann möglich, wenn ihm der Überwachungstermin rechtzeitig vorher durch die Behörde angekündigt werde. Daher bedürfe jeder behördliche Verzicht auf die Ankündigung eines Überwachungstermins stets einer besonderen Rechtfertigung im Einzelfall. Ein sachlicher Grund für den Ankündigungsverzicht sei hier nicht gegeben und von der Bezirksregierung in ihren Verwaltungsvorgängen auch nicht dokumentiert. Darüber hinaus seien unangekündigte Vor-Ort-Besichtigungen im Vergleich zu angekündigten nicht besser geeignet, dem Überwachungszweck zu dienen. Bezüglich der vom Beklagten vorgelegten Auswertungen von Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie in Nordrhein-Westfalen stehe bereits die Repräsentativität der Erhebung bzw. die Vergleichbarkeit der erhobenen Daten in Frage. Insbesondere sei nicht ersichtlich, welche Anlagen jeweils konkret betroffen gewesen und welche Mängel aus welchen Gründen angeblich jeweils festgestellt worden seien. Insoweit liege aber die Annahme nicht fern, dass die angeblich geringere „Mängelquote“ bei angekündigten behördlichen Überwachungen gerade auf Selbstkorrekturen der Anlagenbetreiber zurückzuführen seien, die diese anlässlich der behördlichen Ankündigung vornähmen. Soweit der Beklagte einen Vergleich zu dem Vollzug anderer Überwachungsbehörden anstelle, verkenne er, dass sowohl die Klägerin als auch das Verwaltungsgericht nicht davon ausgingen, das Bundes-Immissionsschutzgesetz lasse ausnahmslos nur angekündigte Überwachungstermine zu. Die Anfertigung von Lichtbildern bzw. das Erstellen einer Fotodokumentation sei ebenfalls ohne das Einverständnis der Klägerin erfolgt. Ein solches Einverständnis könne nicht aus dem Schweigen des stellvertretenden Niederlassungsleiters, Herrn X. , abgeleitet werden. Zudem habe der Niederlassungsleiter, Herr T. , die Mitarbeiter der Bezirksregierung ausdrücklich auf das (diesen bekannte) Fotografierverbot hingewiesen, ein Verbotsschild sei darüber hinaus auch unübersehbar in der Anlage ausgehängt. Auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für das Fotografieren von Zuständen auf dem Anlagengelände, das einen Grundrechtseingriff darstelle, könne sich der Beklagte ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Insbesondere stelle § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG keine solche dar, da dort das Erstellen von Fotodokumentationen nicht erwähnt sei. Selbst wenn man hiervon ausginge, habe es hier jedenfalls an der zur Überwindung des ausgesprochenen Fotografierverbots erforderlichen behördlichen Verfügung gefehlt. Der Anlagenbetreiber könne unproblematisch eigene Fotos anfertigen, worin notwendig kein Eingriff in seine Rechte zu sehen wäre. Die behördliche Dokumentation eines Kontrolltermins könne zudem schriftlich erfolgen, indem die Behörde während des Termins entsprechende Notizen fertige, womit ebenfalls kein Eingriff in Rechte des Anlagenbetreibers verbunden sei. In der Vergangenheit seien behördliche Umweltinspektionen auch unproblematisch ohne das begleitende Anfertigen von Fotos durch die Überwachungsbehörde ausgekommen.
26In der am 27. August 2021 durchgeführten mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Rücknahme der Klage erklärt. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat mit Schriftsatz vom 7. September 2021 mitgeteilt, dass sie der Klagerücknahme nicht zustimme. Der Senat hat durch Beschluss vom 8. September 2021 die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und den Beteiligten unter Berücksichtigung der Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung rechtliche Hinweise erteilt.
27Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, ferner die beigezogenen Gerichtsakten 3 K 3886/15 VG Düsseldorf (8 A 999/16 OVG), 3 K 9484/18 VG Düsseldorf und 3 L 3420/18 VG Düsseldorf (8 B 128/19 OVG) verwiesen.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die nicht wirksam zurückgenommene (dazu I.) Klage der Klägerin hat weder mit dem ersten (dazu II.) noch mit dem zweiten Feststellungsantrag (dazu III.) Erfolg.
30I. Das gerichtliche Verfahren ist nicht durch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2021 erklärte Klagerücknahme beendet worden. Diese Prozesserklärung ist nicht wirksam geworden, da der Beklagte mit Schriftsatz vom 7. September 2021 erklärt hat, der Klagerücknahme nicht zuzustimmen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Klagerücknahme in zweiter Instanz setzt stets die Einwilligung des Beklagten voraus, auch wenn das Verwaltungsgericht - wie hier - ohne mündliche Verhandlung entschieden hat.
31Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 125 Rn. 30.
32Dementsprechend war die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (vgl. Beschluss vom 8. September 2021) und über die Berufung durch Urteil zu entscheiden.
33II. Der erste Feststellungsantrag ist zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.).
341. Die mit dem ersten Klageantrag begehrte Feststellung, dass das Betreten des Anlagengrundstücks der Klägerin durch Mitarbeiter der Bezirksregierung am 10. Juli 2018 rechtswidrig war, ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
35a) Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Beteiligten dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt. Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 ‑ 8 C 19.09 -, juris Rn. 24, m. w. N.
37Das erste Feststellungsbegehren der Klägerin bezieht sich auf das am 10. Juli 2018 erfolgte Betreten ihres Anlagengrundstücks durch zwei Mitarbeiter der Bezirksregierung. Hierbei handelt es sich um ein konkretes Rechtsverhältnis, auf das eine öffentlich-rechtliche Norm (§ 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG bzw. § 47 Abs. 3 Satz 2 KrWG) Anwendung findet. Es besteht auch eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Beteiligten über die Rechtmäßigkeit der Vor-Ort-Besichtigung, namentlich, ob es einer vorherigen Ankündigung des konkreten Termins bedurfte.
38Für die begehrte Feststellung besteht auch das gemäß § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse. Hinsichtlich der nicht erfolgten Ankündigung des konkreten Termins bzw. des - die Richtigkeit ihres Vortrags unterstellt - fehlenden Einverständnisses mit der Anlagenbegehung durch die Klägerin folgt das besondere Feststellungsinteresse aus der Wiederholungsgefahr, also der konkret absehbaren Möglichkeit, dass in naher Zukunft und unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleiche oder gleichartige Maßnahme des Beklagten zu erwarten ist, die die Klägerin beschwert.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2021 ‑ 1 C 13.19 -, juris Rn. 16, m. w. N.
40Die Bezirksregierung ist gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1b BImSchG zur regelmäßigen Überwachung der Anlage der Klägerin verpflichtet. Hierzu gehören insbesondere Vor-Ort-Besichtigungen (vgl. § 52 Abs. 1b Satz 2 BImSchG). Diese hat die Bezirksregierung Düsseldorf in der Vergangenheit ohne vorherige Ankündigung durchgeführt und behält sich dies unter Verweis auf den Umweltinspektionserlass auch für die Zukunft vor.
41Das Feststellungsinteresse ist nicht deshalb ganz oder teilweise entfallen, weil die zurückliegenden Regelkontrollen nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten stets zuvor angekündigt worden waren. Denn der Umstand, dass die Mitarbeiter der Bezirksregierung derartige Kontrollen derzeit zuvor ankündigen, beruht nicht auf einer Änderung der Rechtsauffassung des Beklagten, sondern dient mit Blick auf die Corona-Pandemie der Reduzierung von Infektionsgefahren, weil dem Anlagenbetreiber so Gelegenheit gegeben werden soll, bei Besprechungen für die Einhaltung der nötigen Maßnahmen Sorge zu tragen. Die Änderung der Verwaltungspraxis ist daher nach gegenwärtigem Sachstand lediglich vorübergehender Natur.
42Darüber hinaus folgt das Feststellungsinteresse - auch bezüglich der übrigen Einzelfallumstände der am 10. Juli 2018 durchgeführten Anlagenbegehung - aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Das Betreten bzw. Besichtigen des Anlagengrundstücks erledigt sich mit Beendigung der Vor-Ort-Besichtigung und damit typischerweise derart kurzfristig, dass sie ohne die Annahme eines Feststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnte.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 ‑ 8 C 14.12 -, juris Rn. 31 f., m. w. N.
44b) Die Klägerin ist auch in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO,
45vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2018 - 3 C 21.16 -, juris Rn. 21,
46klagebefugt, da nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass das Betreten des Anlagengrundstücks am 10. Juli 2018 rechtswidrig war und sie in ihren Grundrechten verletzte.
47c) Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht auch nicht die in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO angeordnete Subsidiarität entgegen. Diese Vorschrift regelt das Verhältnis der Feststellungsklage zur Gestaltungs- oder Leistungsklage. Einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW in Form einer Duldungsverfügung hat die Bezirksregierung - wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - am 10. Juli 2018 weder ausdrücklich noch konkludent erlassen. Auch der bloße Hinweis in Teil 3 „Nebenbestimmungen und Hinweise“ Nr. 1.7 des Genehmigungsbescheides 15. Dezember 2004 auf die Pflichten des Anlagebetreibers nach § 52 Abs. 2 BImSchG stellt - wovon die Bezirksregierung inzwischen ebenfalls ausgeht - keine eigenständige Grundlage für eine zwangsweise Durchsetzung einer verweigerten Vor-Ort-Besichtigung dar, macht mithin den Erlass einer Duldungsverfügung vor Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln nicht entbehrlich.
482. Der erste Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, weil das Betreten ihres Anlagengrundstücks am 10. Juli 2018 durch zwei Mitarbeiter der Bezirksregierung rechtmäßig war.
49Entsprechend dem Vorbringen der Beteiligten hat das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der an diesem Tag erfolgten Anlagenbegehung an den Anforderungen des § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG gemessen. Da dessen Voraussetzungen vorlagen (dazu a)), kann dahinstehen, ob die Bezirksregierung Düsseldorf das Anlagengrundstück der Klägerin auch auf der Grundlage des § 47 Abs. 3 Satz 2 KrWG betreten durfte (dazu b)).
50a) Die am 10. Juli 2018 durchgeführte, der Klägerin zuvor nicht angekündigte Vor-Ort-Besichtigung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1b, Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG.
51aa) § 52 Abs. 1 Satz 1 BImSchG begründet eine allgemeine Überwachungspflicht hinsichtlich der Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen. Anlagen, die - wie diejenige der Klägerin (vgl. Ziffer 5.5 des Anhangs I der Industrieemissions-Richtlinie: zeitweilige Lagerung von gefährlichen Abfällen mit einer Gesamtkapazität von über 50 t) - in den Anwendungsbereich der Industrieemissions-Richtlinie fallen, die in ihrem Art. 23 die Regelung und Durchführung von routinemäßigen sowie nicht routinemäßigen Umweltinspektionen vorschreibt, unterliegen gemäß § 52 Abs. 1b Satz 1 BImSchG der regelmäßigen Überwachung durch die zuständige Behörde, die hierfür Überwachungspläne und Überwachungsprogramme gemäß § 52a BImSchG aufstellt. Zu dieser regelmäßigen Überwachung gehören gemäß § 52 Abs. 1b Satz 2 BImSchG u. a. Vor-Ort-Besichtigungen.
52Zur effektiven Durchführung der (regelmäßigen) Überwachung verpflichtet § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG Eigentümer und Betreiber von Anlagen sowie die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, auf denen solche Anlagen betrieben werden, den Angehörigen der zuständigen Behörde und deren Beauftragten Zutritt zu den Grundstücken zu gestatten. Das hiermit korrespondierende behördliche Betretungsrecht beinhaltet nicht nur eine passive Pflicht, das Betreten zu dulden, sondern erfordert - im Sinne von „ermöglichen“ - unter Umständen auch aktive Mitwirkungshandlungen des Verpflichteten, etwa indem verschlossene Türen geöffnet oder andere dem Zugang entgegenstehende Hindernisse beseitigt werden.
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2021 ‑ 8 B 165/21 -, juris 13 f.; Kenyeressy, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, 2021, § 52 Rn. 74; Lechelt, in: Führ, GK‑BImSchG, 2. Aufl. 2019, § 52 Rn. 46; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 63 (Stand der Kommentierung: Januar 2014); Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 52 BImSchG Rn. 47 (Stand der Kommentierung: 1. November 2010).
54Neben der Begehung als solcher umfasst das Zutrittsrecht auch das Recht zur visuellen Wahrnehmung der für die Überwachungstätigkeit erforderlichen Informationen. § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG regelt damit eine allgemeine Betretungs- und Besichtigungsbefugnis der zuständigen Behörden.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1999 ‑ 8 C 12.98 -, juris Rn. 39; OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2021 - 8 B 165/21 -, juris 15 f.; Mösbauer, NVwZ 1985, 457 (459); Lechelt, in: Führ, GK-BImSchG, 2. Aufl. 2019, § 52 Rn. 45; Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 52 Rn. 41; Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 52 BImSchG Rn. 47 (Stand der Kommentierung: 1. November 2010); Schwertner, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 10 (Stand der Kommentierung: 1. Juli 2021).
56Dabei hängt das der Behörde vom Gesetzgeber eingeräumte Betretungs- und Besichtigungsrecht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht von einem positiven Willensakt des Anlagenbetreibers im Sinne einer Entscheidung ab, die Kontrolle zu billigen oder mit ihr einverstanden zu sein. Die Gestattungspflicht zielt stattdessen (lediglich) auf ein tatsächliches Verhalten des Kontrollierten, die Kontrolle nicht zu verhindern bzw. ‑ soweit eine Mitwirkung beispielsweise durch Öffnen von Türen oder Behältern, durch Vorlage von Unterlagen oder nach § 52 Abs. 2 Satz 4 BImSchG durch Bereitstellung von Arbeitskräften etc. erforderlich ist - mitzuwirken. Eine Auslegung, nach der eine Kontrolle von einer ausdrücklichen bzw. konkludenten Zustimmung des Kontrollierten abhängig wäre, entspricht weder dem Sinn und Zweck der Regelung noch der damit verfolgten Intention des Gesetzgebers. § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG ist seit seiner Verkündung am 21. März 1974 (BGBl. I S. 721) unverändert geblieben und entspricht dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14. Februar 1973 (BT‑Drs. 7/179, S. 13; dort noch als § 44 BImSchG geführt). Der Gesetzesbegründung zufolge verpflichtet diese Vorschrift „die Eigentümer und Betreiber von Anlagen sowie die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, auf denen solche Anlagen betrieben werden, die nach diesem Gesetz erforderlichen Überwachungsmaßnahmen zu dulden und ggf. zu fördern. Zu diesem Zweck haben sie den Zutritt zu den Grundstücken und die Vornahme von Prüfungen zu gestatten, Auskünfte zu erteilen, Unterlagen vorzulegen sowie die erforderliche Hilfe zu leisten.“ (BT‑Drs. 7/179, S. 47). Der Gesetzgeber wollte den in § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG verwendeten Begriff der Gestattung damit nicht im Sinne einer Zustimmung verstanden wissen; vielmehr sollte mit dieser Vorschrift zuvörderst (lediglich) eine Duldungspflicht statuiert werden.
57Ein in diesem Sinne passives Hinnehmen des Betretens des Anlagengrundstücks schließt es nicht aus, dass der Pflichtige hiermit nicht einverstanden ist, sich aber in Kenntnis seiner Duldungspflicht entscheidet, an der Vor-Ort-Inspektion mitzuwirken. Erst dann, wenn der Pflichtige den Behördenmitarbeitern den Zutritt und die Besichtigung verweigert, indem er z. B. ein Hausverbot ausspricht, Tore oder Türen nicht öffnet oder den Zutritt anderweitig verwehrt, bedarf es eines die gesetzliche Duldungspflicht des § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG konkretisierenden Verwaltungsakts, der entweder unmittelbar auf die vorgenannte Vorschrift, die eine Befugnisnorm darstellt,
58vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1999 ‑ 8 C 12.98 -, juris Rn. 39; Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 52 Rn. 59; Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 52 BImSchG Rn. 16 (Stand der Kommentierung: 1. November 2010); Schwertner, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 27 (Stand der Kommentierung: 1. Juli 2021); Mösbauer, NVwZ 1985, 457 (459),
59oder auf § 52 Abs. 1 Satz 2 BImSchG gestützt werden kann,
60so Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 19 (Stand der Kommentierung: Januar 2014), wonach der Gesetzgeber mit § 52 Abs. 1 Satz 2 BImSchG klargestellt habe, dass § 52 Abs. 1 BImSchG nicht lediglich eine Aufgaben-, sondern auch eine Befugnisnorm sei; a. A. - mit Verweis auf das Gesetzgebungsverfahren - Lechelt, in: Führ, GK-BImSchG, 2. Aufl. 2019, § 52 Rn. 20, m. w. N.; Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 52 Rn. 5; Betensted/Grandjot/Waskow, ZUR 2013, 395 (402),
61und der im Wege des Verwaltungszwangs vollstreckt werden kann.
62Eine andere Auslegung des in § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG verwendeten Begriffs der Gestattung folgt nicht aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Industrieemissions-Richtlinie. Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Betreiber den zuständigen Behörden jede notwendige Unterstützung dabei gewähren, etwaige Vor-Ort-Besichtigungen und Probenahmen durchzuführen und die zur Erfüllung ihrer Pflichten im Rahmen dieser Richtlinie erforderlichen Informationen zu sammeln. Die in Art. 23 der Industrieemissions-Richtlinie geregelten Vorgaben hat der nationale Gesetzgeber im Jahr 2013 (vgl. das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen vom 8. April 2013, BGBl. I S. 734) durch Ergänzungen des § 52 BImSchG sowie durch Einfügung des § 52a BImSchG umgesetzt (vgl. BT-Drs. 17/10486, S. 9 f., 23 f.).
63Zur Entstehungsgeschichte des § 52 BImSchG in seiner heutigen Fassung vgl. Kenyeressy, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, 2021, § 52 Rn. 5 ff.
64Eine Änderung oder Anpassung der in § 52 Abs. 2 BImSchG normierten Pflichten hielt der Gesetzeber auch mit Blick auf Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Industrieemissions-Richtlinie offenbar nicht für erforderlich. Eine Verpflichtung der zuständigen Behörde, den Termin der Vor-Ort-Besichtigung im Regelfall vorher anzukündigen, lässt sich der vorgenannten Vorgabe entgegen der Auffassung der Klägerin weder ausdrücklich noch sinngemäß entnehmen. Soweit es dort heißt:
65„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Betreiber den zuständigen Behörden jede notwendige Unterstützung dabei gewähren, etwaige Vor-Ort-Besichtigungen und Probenahmen durchzuführen und die zur Erfüllung ihrer Pflichten im Rahmen dieser Richtlinie erforderlichen Informationen zu sammeln“,
66folgen aus der Richtlinie keine über die gesetzliche Regelung in § 52 BImSchG hinausgehenden Anforderungen an die Art und Weise der Durchführung. Unionsrechtlich geboten ist danach die Regelung einer Mitwirkungspflicht des Anlagenbetreibers durch den nationalen Gesetzgeber, nicht aber die Regelung einer Pflicht der Behörde, die (routinemäßige) Kontrolle anzukündigen. Zwar wird es zutreffen, dass beispielsweise die Kontrolle von im Betrieb zu führenden Aufzeichnungen schneller und effektiver erfolgen kann, wenn die Umweltinspektion angekündigt worden ist. Es liegt aber mindestens ebenso auf der Hand, dass die nach Art. 23 Abs. 6 der Industrieemissions-Richtlinie bei jeder Vor-Ort-Besichtigung zu treffenden Feststellungen darüber, ob die Genehmigungsauflagen eingehalten werden, am ehesten realitätsgetreu sind, wenn sie auf einer vom Anlagenbetreiber nicht erwarteten Inspektion beruhen. Die Industrieemissions-Richtlinie dient der Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus (vgl. Erwägungsgrund 44) und nicht einer Entlastung der mit der Überwachung betrauten Behörden; dass die effektive Durchführung der Inspektionen einen hohen Personalaufwand erfordert, war dem Richtliniengeber bewusst (vgl. Erwägungsgrund 26).
67Weitere Voraussetzungen stellt § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG auf der Tatbestandsseite nicht auf. Insbesondere bedarf es bei der hier in Rede stehenden regelmäßigen (routinemäßigen) Überwachung keines Verdachts, dass rechtswidrige Zustände vorliegen. Die Regelung ist Ausfluss der gesetzgeberischen Entscheidung, unter das Immissionsschutzrecht fallende Anlagen aufgrund ihrer potentiellen Gefährlichkeit einem besonderen Überwachungsregime zu unterstellen, um Gefahren frühzeitig und umfassend erkennen zu können.
68Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Juni 2015 ‑ 8 B 555/15 -, n. v., Seite 4 des Beschlussabdrucks, unter Verweis u. a. auf BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1992 - 7 C 22.91 -, juris Rn. 14; Hess. VGH, Urteil vom 17. März 1999 ‑ 5 UE 2898/96 -, juris Rn. 40; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 60 (Stand der Kommentierung: Januar 2014); Kenyeressy, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, 2021, § 52 Rn. 17.
69bb) Mangels näherer Bestimmung der Art und Weise sowie der Häufigkeit der Vor-Ort-Besichtigungen ist der Überwachungsbehörde insoweit ein Handlungsspielraum eingeräumt, den sie nach pflichtgemäßen Ermessen auszufüllen hat.
70Vgl. generell zur Durchführung der Überwachung nach § 52 BImSchG auch Kenyeressy, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, 2021, § 52 Rn. 17.
71Die für Verwaltungsakte geltenden Grundsätze (vgl. § 40 VwVfG NRW) finden insoweit auf sonstiges Verwaltungshandeln wie insbesondere Realakte entsprechende Anwendung.
72Vgl. Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 40 Rn. 11; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 40 Rn. 47.
73Das gilt auch für die nach Maßgabe von § 114 Satz 1 VwGO eingeschränkte gerichtliche Überprüfung.
74Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 114 Rn. 50.
75Für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie wird das Ermessen der Überwachungsbehörde hinsichtlich des Überwachungsintervalls durch § 52a Abs. 3 und 4 BImSchG eingeschränkt.
76Einschränkungen des behördlichen Zutrittsrechts nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG können sich vor allem aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, an dessen Anforderungen sich jedes staatliche Handeln auszurichten hat. Die Entscheidung der Überwachungsbehörde, die Durchführung einer Kontrolle im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen regelmäßigen Anlagenüberwachung (Vor-Ort-Besichtigung nach § 52 Abs. 1b, Abs. 2 BImSchG) dem Betreiber einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie nicht vorher anzukündigen, ist im Regelfall verhältnismäßig und bedarf nach dem Sinn und Zweck der Kontrolle keiner einzelfallbezogenen und - mangels Anwendbarkeit des nur für schriftliche bzw. schriftlich bestätigte Verwaltungsakte geltenden § 39 Abs. 1 VwVfG NRW - auch keiner schriftlichen Begründung.
77Unangekündigte Kontrollen sind zur Erreichung ihres Zwecks nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich und in aller Regel verhältnismäßig.
78Der behördlichen Vor-Ort-Besichtigung kommt im Rahmen der (regelmäßigen) Anlagenüberwachung eine zentrale Bedeutung zu, weil Feststellungen, ob die Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der hierauf gestützten Verordnungen eingehalten werden (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 BImSchG), vielfach nur bzw. erst durch eine Inaugenscheinnahme der Anlage bzw. des Anlagenbetriebs möglich sind. Auch die in § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ausdrücklich genannte Ermittlung von Emissionen und Immissionen erfordert regelmäßig das behördliche Betreten des Anlagengrundstücks. Demgemäß bildet die Vor-Ort-Besichtigung und damit einhergehend das behördliche Zutrittsrecht einen unverzichtbaren Bestandteil der behördlichen Überwachung bei der Erfüllung des mit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz verfolgten Schutzzwecks (vgl. § 1 BImSchG).
79Gerade weil die Vor-Ort-Besichtigung (und die dabei gewonnenen Informationen) ihrer Natur nach nur eine Momentaufnahme darstellen kann, ist es unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der behördlichen Überwachung von maßgeblicher Bedeutung, dass die Überwachungsbehörde solche Zustände auf dem Anlagengrundstück vorfindet, die den Anlagenzustand sowie die Betriebsverhältnisse möglichst realitätsnah abbilden. Hierfür sind unangekündigte Kontrollen durch die Überwachungsbehörde eine wesentliche Voraussetzung; angekündigte Kontrollen erweisen sich hingegen nicht als in gleicher Weise wirksam. Dies zeigt sich exemplarisch an der von der Bezirksregierung im Berufungsverfahren vorgelegten Auswertung (mit Stand vom 28. Oktober 2020) des MULNV NRW, wonach bei unangekündigten Umweltinspektionen an Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie verhältnismäßig mehr Mängel und zudem eine verhältnismäßig höhere Mängelschwere festgestellt wurden als bei angekündigten Umweltinspektionen. Dafür, dass diese Auswertung nicht repräsentativ ist, bestehen mit Blick auf die Anzahl der Vor-Ort-Besichtigungen (4.233 angekündigt, 620 unangekündigt) keine begründeten Anhaltspunkte; auch die Klägerin belässt es insoweit bei der nicht weiter begründeten Rüge der fehlenden Repräsentativität. Insofern ist auch der Hinweis der Bezirksregierung darauf, dass eine vorherige Ankündigung des Überwachungstermins dem Anlagenbetreiber die Möglichkeit zur gezielten Vorbereitung der Umweltinspektion biete, ohne weiteres nachvollziehbar. Demgemäß sind angekündigte Kontrollen grundsätzlich nicht in gleicher Weise geeignet, den Zweck der Anlagenüberwachung zu erreichen wie unangekündigte (unvermutete) Kontrollen.
80Es entspricht vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass mit einer unangekündigten Besichtigung die größtmögliche Effektivität einer Überwachungsmaßnahme zu erreichen ist,
81vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27. Januar 2004 - 9 S 1343/03 -, juris Rn. 4 ff., zum Betretungs- und Besichtigungsrecht nach § 64 Abs. 4 Nr. 1 AMG,
82wenn die vorherige Ankündigung einer - wie hier - ordnungsrechtlich veranlassten Kontrolle eines Geschäftsbetriebs nicht sogar regelmäßig als zweckwidrig angesehen werden muss.
83Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1998 ‑ 1 B 5.98 -, juris Rn. 7, zu Kontrollen nach § 22 Abs. 2 GaststättenG.
84In Anbetracht der vorstehend beschriebenen Bedeutung der Vor-Ort-Besichtigung für die Anlagenüberwachung ist die Überwachungsbehörde auch dann nicht zu einer vorherigen Ankündigung verpflichtet, wenn der Zweck des Zutritts- und Prüfungsrechts dadurch nicht vereitelt wird.
85So aber VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Februar 2017 - 3 K 3004/15 -, juris Rn. 24 f.; Kenyeressy, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, 2021, § 52 Rn. 58; Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 52 Rn. 46; Lechelt, in: Führ, GK-BImSchG, 2. Aufl. 2019, § 52 Rn. 45, jeweils m. w. N.
86Dagegen spricht nicht zuletzt, dass selbst bei einer zu einem konkreten Zweck geplanten Kontrolle stets auch die Gesamtanlage in den Blick genommen werden muss, d. h. dass die Mitarbeiter der Überwachungsbehörde augenfällige Verstöße gegen Genehmigungsauflagen und Rechtsvorschriften, die Sicherheits- oder Umweltgefahren verursachen können, zur Kenntnis nehmen und in dem zu erstellenden Bericht vermerken müssen. Dies zugrunde gelegt ist eine Begrenzung der Umweltinspektion auf einen bestimmten, vorher festgelegten Zweck allenfalls theoretischer Natur.
87Die Annahme einer regelmäßig bestehenden Verpflichtung, Routinekontrollen anzukündigen, hätte zur Folge, dass die Überwachungsbehörden nur in Fällen auf eine vorherige Ankündigung verzichten könnten, in denen ihnen hinreichend konkrete Anhaltspunkte auf einen nicht gesetzeskonformen Anlagenbetrieb bekannt werden (z. B. aufgrund von (Nachbar)Beschwerden oder anderweitiger Hinweise). Die Funktion der Überwachung (im Sinne einer Beobachtung und Informationsgewinnung) besteht aber gerade auch in der verdachtsunabhängigen, anlasslosen Kontrolle und setzt nicht das Vorliegen einer Gefahr (im polizeirechtlichen Sinne) voraus. Anderenfalls liefe die Möglichkeit zur Durchführung unvermuteter Kontrollen, die zu einer effektiven Anlagenüberwachung unerlässlich sind, und damit auch der vom Gesetzgeber mit § 52 BImSchG beabsichtigte Kontrollzweck weitgehend leer. Dies gilt in gleicher Weise für regelmäßige Kontrollen nach § 52 Abs. 1b BImSchG.
88Schutzwürdige Interessen des Anlagenbetreibers gebieten in der Regel ebenfalls keine Ankündigung anlassloser Kontrollen. Betriebliche oder sonstige Belange des Anlagenbetreibers werden durch nicht angekündigte Kontrollen objektiv nicht übermäßig (unverhältnismäßig i. e. S.) beeinträchtigt. Das gilt mit Blick auf alle hier in Betracht kommenden Grundrechtsgewährleistungen (etwa Art. 13, 14, 2 Abs. 1 GG).
89Zum - bei prinzipieller Einbeziehung von Geschäfts- und Betriebsräumen in den Schutzbereich des Art. 13 GG - geringeren Schutzbedürfnis derartiger Räume, weshalb behördliche Betretungsrechte für Routinekontrollen keinen Eingriff i. S. d. Art. 13 Abs. 3 GG darstellen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 1971 ‑ 1 BvR 280/66 -, juris Rn. 38 ff.; BVerwG, Urteil vom 5. November 1987 ‑ 3 C 52.85 -, juris Rn. 25 ff.
90Eine übermäßige, durch den Kontrollzweck nicht gerechtfertigte Störung der Betriebsabläufe kann im Einzelfall durch die konkrete Gestaltung der Art und Weise der Kontrolle ausreichend vermieden werden. Dazu gehört auch, dass sich die die Kontrolle durchführenden Behördenmitarbeiter zu Beginn der Inspektion bei der an dem betreffenden Tag vor Ort anwesenden, für den Betrieb der Anlage verantwortlichen, das Hausrecht ausübenden Person anmelden und die weiteren für den kontrollierten Betrieb maßgeblichen Sicherheitsvorschriften, z. B. das Anlegen von Schutzausrüstung, beachten.
91Vgl. zu Lebensmittelkontrollen nach § 41 Abs. 3 Nr. 1 LMBG (nunmehr: § 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LFGB): BVerwG, Urteil vom 5. November 1987 ‑ 3 C 52.85 -, juris Rn. 31.
92Die Einhaltung der maßgeblichen Sicherheitsvorschriften kann von den mit der Überwachung betrauten, fachlich mit Anlagen der zu kontrollierenden Art vertrauten Mitarbeitern regelmäßig ohne weiteres erwartet werden. Dies vorausgeschickt kann die Notwendigkeit einer vorherigen Ankündigung von Vor-Ort-Inspektionen auch nicht mit der Erwägung begründet werden, dass Anlagen, die in den Anwendungsbereich der Industrieemissions-Richtlinie fallen, anders als sonstige (Gewerbe-)Betriebe ein hohes Gefährdungspotential und damit zugleich eine erhöhte Sensibilität gegenüber Störungen durch betriebsfremde Einflüsse aufweisen.
93Eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung durch unangemeldete Kontrollen folgt schließlich nicht daraus, dass gemäß § 52a Abs. 5 BImSchG nach jeder Vor-Ort-Besichtigung einer Anlage ein Bericht mit den relevanten Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und der Nebenbestimmungen nach § 12 BImSchG sowie mit Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind, erstellt wird (Satz 1) und dieser Bericht innerhalb von vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung der Öffentlichkeit nach den Vorschriften über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen ist (Satz 3). Zweck des Zugänglichmachens der Berichte ist die Information der Öffentlichkeit - also auch möglicher Kunden und Geschäftspartner - unter anderem darüber, ob das Unternehmen seinen Verpflichtungen aus dem Genehmigungsbescheid nachkommt. Der Inhalt des Berichts kann daher einen wettbewerbsrelevanten Eindruck über die Zuverlässigkeit des Unternehmens vermitteln.
94Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. August 2020 - 8 B 1564/19 -, juris Rn. 12 und vom 30. Oktober 2014 - 8 B 721/14 -, juris Rn. 11.
95Sind die in dem Bericht vermerkten Beanstandungen berechtigt, muss der Anlagenbetreiber dies hinnehmen und zum Anlass nehmen, zukünftig jederzeit für einen genehmigungskonformen Zustand und Betrieb seiner Anlage Sorge zu tragen, der keinen Anlass zu Beanstandungen gibt. Sind die bei einer Vor-Ort-Kontrolle zunächst vermerkten Beanstandungen hingegen unberechtigt, bedarf es nicht - wie die Klägerin meint - zur effektiven Wahrnehmung ihrer Rechte einer Hinzuziehung von bestimmten Vorstandsmitgliedern, Sachverständigen und Rechtsanwälten schon bei der Umweltinspektion. Denn abgesehen von der offenkundig ohnehin bestehenden Verwaltungspraxis, bei der unangekündigten Kontrolle nicht zu klärende Fragen in einem mit den maßgeblichen Ansprechpartnern vereinbarten Folgetermin zu erörtern, werden die Inspektionsberichte vor ihrer Veröffentlichung im Internet zunächst dem Anlagenbetreiber übermittelt (vgl. § 52a Abs. 5 BImSchG), wodurch er Gelegenheit zur Stellungnahme und Ausräumung etwaiger Missverständnisse erhält. Zudem steht dem Anlagenbetreiber - wie sich nicht zuletzt am Beispiel der Klägerin zeigt (vgl. insoweit die Beschlüsse gleichen Rubrums des Verwaltungsgerichts vom 8. Januar 2019 ‑ 3 L 3420/18 - sowie nachgehend des erkennenden Senats vom 28. August 2020 ‑ 8 B 128/19 -) gegen die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts effektiver Rechtsschutz zur Verfügung.
96Vgl. im Einzelnen zu den Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts: OVG NRW, Beschluss vom 28. August 2020 - 8 B 1564/19 -, juris Rn. 5 ff.
97cc) Ausgehend von diesen Maßstäben war die von zwei Behördenmitarbeitern der Bezirksregierung am 10. Juli 2018 durchgeführte Vor-Ort-Besichtigung auf dem Anlagengrundstück der Klägerin rechtmäßig.
98aaa) Die Behördenmitarbeiter haben sich an den Vorgaben des zur Zeit der Kontrolle geltenden Umweltinspektionserlasses des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz vom 26. Juni 2015- V-1/V-7-1034 -) orientiert, der in Bezug auf die hier in Rede stehenden Routinekontrollen in Ziffer 4.2 ausführt:
99„Unangemeldete Kontrollen bergen zwar das Risiko, dass zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Besichtigung das Betriebsgelände bzw. bestimmte Anlagen nicht zugänglich oder aber verantwortliche bzw. auskunftsfähige Personen nicht vor Ort sind. Allerdings ermöglicht eine unangemeldete behördliche Inaugenscheinnahme des Betriebsgrundstücks und der Einrichtungen einen wirklichkeitsgetreuen Einblick in die Betriebsführung und den Anlagenzustand. Darauf deutet die merklich erhöhte Mängelquote bei den bisher unangemeldet durchgeführten Inspektionen hin. In den anlagenbezogenen Überwachungsprogrammen sollen die Umweltschutzbehörden daher anstreben, zumindest 25 % der jährlich durchgeführten Umweltinspektionen unangemeldet durchzuführen.“
100Die so begründete und zumindest auch im behördlichen Interesse (Beschleunigung, schnelle Verfügbarkeit von Unterlagen und Anwesenheit kompetenter Ansprechpartner) liegende Verwaltungspraxis im Land Nordrhein-Westfalen, Kontrollen zumeist anzukündigen und (nur) mindestens 25 % der Kontrollen unangekündigt durchzuführen, begegnet nach den vorstehenden Ausführungen keinen durchgreifenden Bedenken.
101bbb) Die vor Ort anwesenden Behördenmitarbeiter haben sich am 10. Juli 2018 ordnungsgemäß beim Niederlassungsleiter angemeldet und darauf hingewiesen, zu welchem Zweck sie das Anlagengrundstück betreten/besichtigen möchten.
102Vgl. zum Recht des Verpflichteten, darüber zu entscheiden, wer die dem Publikumsverkehr nicht eröffneten Betriebs- und Geschäftsräume betreten darf, und zu erfahren, welche Personen zu welchem Zweck sich in diesen Räumen aufhalten (Informationsrecht), BVerwG, Urteil vom 5. November 1987 - 3 C 52.85 -, juris Rn. 22.
103ccc) Der zwischen den Beteiligten nicht einheitlich beantworteten Frage, ob der Niederlassungsleiter, Herr T. , den vor Ort anwesenden Behördenmitarbeitern das Einverständnis mit der Anlagenbegehung erteilt hatte bzw. ob diese berechtigterweise von einem Einverständnis durch die Klägerin ausgehen durften, brauchte der Senat nicht weiter nachzugehen. Zwischen den Beteiligten ist jedenfalls unstreitig, dass die Klägerin die Anlagenbegehung nach Hinweis auf die Rechts- bzw. Erlasslage - und im Übrigen auch in Kenntnis dessen, dass die Bezirksregierung den vorangegangenen Streitfall zum Anlass genommen hatte, ein Zwangsgeld anzudrohen - zunächst faktisch geduldet, an der Betriebsbegehung durch Begleitung der Behördenmitarbeiter mitgewirkt und diesen erst nach etwa 45 Minuten telefonisch ein Hausverbot erteilt hat. Diesem Hausverbot sind die Behördenmitarbeiter auch unstreitig umgehend nachgekommen, indem sie das Betriebsgelände verlassen haben. Auf ein eventuell nicht vorhandenes Einverständnis der Klägerin bzw. eine fehlende Billigung der Maßnahme kam es nach der vorstehenden Auslegung des Begriffs des Gestattens in § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG für die Rechtmäßigkeit der Anlagenbegehung nicht an.
104ddd) Die Vor-Ort-Besichtigung war auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie nicht zuvor angekündigt wurde. Dass die Bezirksregierung Düsseldorf entgegen den vorstehenden Ausführungen ausnahmsweise verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin von dem Termin vorab in Kenntnis zu setzen, kann auf der Grundlage ihres Vorbringens nicht festgestellt werden.
105Zwar wäre es hilfreich gewesen, wenn die Bezirksregierung die Klägerin nach der überraschenden Klagerücknahme in dem vorangegangenen Verfahren 8 A 999/16 darauf hingewiesen hätte, dass sie ihre Rechtsauffassung und ihre Verwaltungspraxis nicht geändert hatte. Die erneute Durchführung einer unangekündigten Kontrolle erwies sich aber auch nicht als treuwidrig, weil die Überwachungsbehörde der Klägerin keinen Anlass zu der Annahme gegeben hatte, dass die Verwaltungspraxis generell oder gar bezogen auf die Anlagen der Klägerin geändert worden sei. Allein daraus, dass mehrere Kontrollen angekündigt worden waren, konnte die Klägerin eine diesbezügliche Erwartung bei objektiver Betrachtung nicht ableiten.
106Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Rechtsposition der Klägerin ist nicht darin zu sehen, dass infolge der unterbliebenen Ankündigung eine Teilnahme derjenigen Personen nicht möglich war, die nicht (während der gesamten Anlagenbegehung) vor Ort waren und auch nicht kurzfristig anreisen konnten. Zwar dürfte die Klägerin aufgrund ihres Hausrechts grundsätzlich verlangen können, dass sich die Behördenmitarbeiter auf dem Anlagengrundstück nicht unbegleitet bewegen. Ein entsprechendes Verlangen wäre nicht ohne weiteres von dem behördlichen Zutrittsrecht gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG gedeckt. Das ist hier auch nicht geschehen; der Betriebsleiter war anwesend und hat die Behördenmitarbeiter begleitet.
107Aus ihrem Hausrecht bzw. ihrer betrieblichen Organisationshoheit folgt indes kein Anspruch der Klägerin darauf, dass ihr die Teilnahme von Personen ermöglicht wird, die an dem jeweiligen Termin nicht vor Ort sind und deren Anreise einen nicht lediglich geringen zeitlichen Aufwand erfordert. Die Anlagenbegehung und ‑besichtigung ist wesentlicher Bestandteil der behördlichen Anlagenüberwachung und damit als hoheitliche Maßnahme zu qualifizieren. Demgemäß obliegt es allein der Überwachungsbehörde, in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens darüber zu entscheiden, welche im Lager des Verpflichteten stehenden Personen ihr bei der Vor-Ort-Besichtigung unterstützend zur Seite stehen (müssen). Hiervon geht ersichtlich auch der Gesetzgeber aus, wenn er in § 52 Abs. 2 Satz 3 BImSchG den Betreiber von Anlagen, für die ein Immissionsschutzbeauftragter oder ein Störfallbeauftragter bestellt ist, verpflichtet, diesen auf Verlangen der zuständigen Behörde zu Überwachungsmaßnahmen nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG hinzuzuziehen. Dass unangekündigte Vor-Ort-Besichtigungen für die Überwachungsbehörde mit dem Risiko verbunden sind, bei ihrer Durchführung auf sich möglicherweise ergebende Fragen keine qualifizierten Antworten zu erhalten, weil eine mit dem entsprechenden, insbesondere technischen Sachverstand ausgestattete Person ortsabwesend ist und/oder wegen anderweitiger, im betrieblichen Interesse unaufschiebbarer Verpflichtungen an der Anlagenbegehung nicht teilnehmen kann, ändert an dem vorstehenden Befund nichts. In einem solchen Fall ist es der Überwachungsbehörde lediglich verwehrt, allein hieraus für den Anlagenbetreiber negative Schlussfolgerungen abzuleiten.
108Die Unverhältnismäßigkeit der unangekündigten Vor-Ort-Besichtigung folgt auch nicht aus dem Hinweis der Klägerin, eine vorherige Ankündigung eröffne dem Anlagenbetreiber die Möglichkeit, die mit der Durchführung der Anlagenbegehung einhergehenden Betriebsbeeinträchtigungen mittels betriebsorganisatorischer Maßnahmen möglichst zu vermeiden bzw. diese zumindest abzumildern. Die Überwachungsbehörde ist bei der Durchführung der Überwachungsmaßnahme bereits aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, auf die berechtigten Belange des Anlagenbetreibers Rücksicht zu nehmen. Hieraus folgt, dass sich die betrieblichen Beeinträchtigungen, die mit der behördlichen Anlagenbegehung einhergehen, auf das aus dem Zweck der Maßnahme ergebende Mindestmaß zu beschränken haben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten der beiden Behördenmitarbeiter am 10. Juli 2018 diesen Rahmen verlassen hatte, hat die Klägerin nicht benannt. Sie drängen sich auch mit Blick auf die Dauer der Inspektion von etwa 45 Minuten sowie die Anzahl der vor Ort anwesenden Behördenmitarbeiter nicht auf. Es ist im Übrigen nicht geltend gemacht und nach Aktenlage auch auszuschließen, dass eine Unverhältnismäßigkeit der streitbefangenen Vor-Ort-Besichtigung aus einer überzogenen Häufigkeit der Inspektionen der betreffenden Anlage folgt.
109b) Ob das Betreten und Besichtigen des Anlagengrundstücks der Klägerin auch auf der Grundlage des § 47 Abs. 3 Satz 2 KrWG - das von der Klägerin betriebene Sonderabfall-Zwischenlager fällt jedenfalls gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 KrWG in den Geltungsbereich des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, so dass die Klägerin neben immissionsschutzrechtlichen Anforderungen auch abfallrechtliche Verpflichtungen treffen - erfolgen durfte, braucht in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen nicht weiter vertieft zu werden. Diese Überwachungsvorschrift, die selbstständig neben § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG steht,
110vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 9 (Stand der Kommentierung: Januar 2014); Lechelt, in: Führ, GK-BImSchG, 2. Aufl. 2019, § 52 Rn. 135,
111regelt ebenfalls das behördliche Betretungs- und Besichtigungsrecht der zuständigen Überwachungsbehörde. Im Hinblick auf die hier in Rede stehende Pflicht zur vorherigen Ankündigung der Vor-Ort-Besichtigung dürfte § 47 Abs. 3 Satz 2 KrWG, um auch überraschende Kontrollen zu ermöglichen, keine anderen Anforderungen aufstellen als § 52 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BImSchG.
112Vgl. OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 5. September 2014 - OVG 11 N 118.12 -, juris Rn. 17; Beckmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 47 KrWG Rn. 66 (Stand der Kommentierung: April 2013).
113III. Der zweite Feststellungsantrag ist zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.).
1141. Die mit dem zweiten Klageantrag begehrte Feststellung, dass das Fotografieren am Betriebsstandort nach dem Betreten des Anlagengrundstücks der Klägerin durch Mitarbeiter der Bezirksregierung am 10. Juli 2018 rechtswidrig war, ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insoweit gelten die unter II. 1. gemachten Ausführungen entsprechend.
1152. Der zweite Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, weil das Anfertigen von Lichtbildern zu Dokumentationszwecken während der Anlagenbegehung am 10. Juli 2018 rechtmäßig war.
116Dabei kann dahinstehen, ob - was wiederum zwischen den Beteiligten umstritten ist - die Lichtbilder im (konkludenten) Einverständnis der Klägerin angefertigt wurden. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, bedurfte die Anfertigung der Lichtbilder einer Ermächtigungsgrundlage (dazu a)), die hier vorliegt (dazu b)). Auch im Übrigen begegnet die Anfertigung der Lichtbilder im vorliegenden Einzelfall keinen Rechtmäßigkeitsbedenken (dazu c)).
117a) Die Anfertigung von Lichtbildern während einer Vor-Ort-Besichtigung durch die Überwachungsbehörde bedarf jedenfalls dann einer Ermächtigungsgrundlage, wenn sie gegen den Willen des Hausrechtsinhabers erfolgt. Insoweit liegt ein Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 Abs. 1 GG vor. Im Interesse eines wirksamen Schutzes der Wohnung legt das Bundesverfassungsgericht diesen Begriff weit aus und zählt hierzu auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume einschließlich des umfriedeten Besitztums. Das Grundrecht gewährleistet den Schutz gegen Eingriffe in die Entscheidung des Hausrechtsinhabers über das Zutrittsrecht im Einzelnen und über die Zweckbestimmung des Aufenthalts.
118Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 1998 ‑ 1 BvF 1/91 -, juris Rn. 134, m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 25. August 2004 - 6 C 26.03 -, juris Rn. 23.
119Auch eine Kommanditgesellschaft wie die Klägerin kann über Art. 19 Abs. 3 GG Trägerin des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG sein.
120Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1976 ‑ 2 BvR 294/76 -, juris Rn. 29, m. w. N.
121Daher kann offen bleiben, ob die Anfertigung der Lichtbilder darüber hinaus - wie die Klägerin meint - auch in ihr durch Art. 14 GG gewährleistetes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. in ihre durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit - insoweit übersieht die Klägerin allerdings, dass die Lichtbilder zu Dokumentationszwecken angefertigt wurden und nicht der Ausspähung dienen sollten - bzw. in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht eingriff.
122b) Für das Anfertigen der Lichtbilder steht eine taugliche Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass das Anfertigen der Lichtbilder bzw. das Erstellen einer Fotodokumentation - im Gegensatz etwa zu § 64 Abs. 4 Nr. 1 AMG - nicht ausdrücklich in § 52 Abs. 2 BImSchG aufgeführt ist. Die Befugnis der Überwachungsbehörde, im Rahmen der Vor-Ort-Besichtigung Lichtbilder anzufertigen, ist aber auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Wortlaut des § 52 BImSchG von dem Besichtigungsauftrag bzw. der Besichtigungsermächtigung gedeckt, wenn und soweit die Lichtbilder der Dokumentation der Kontrolle sowie der Plausibilisierung etwaiger Beanstandungen dienen.
123Vgl. zu diesem Erfordernis mit Blick auf die Veröffentlichung eines etwaigen Mängelberichts nach § 52a Abs. 5 BImSchG OVG NRW, Beschlüsse vom 28. August 2020 - 8 B 128/19 -, n. v. Seite 4 f. des Beschlussabdrucks, und ‑ 8 B 1564/19 -, juris Rn. 5 ff.
124Lichtbilder sind dazu bestimmt und hierfür auch besonders geeignet, die während der Anlagenbesichtigung (im Sinne einer Inaugenscheinnahme) optisch wahrgenommenen tatsächlichen Verhältnisse bildlich - als ausgedrucktes bzw. digital gespeichertes Foto - festzuhalten. Der ihnen damit zukommende Dokumentationszweck erfüllt dabei zwei Funktionen: Zum einen dienen Lichtbilder der Überwachungsbehörde als Gedächtnisstütze bei der sich anschließenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage bezüglich der tatsächlichen Verhältnisse „vor Ort“. Zum anderen dienen sie der Beweissicherung für ein sich ggf. anschließendes (verwaltungs)gerichtliches Verfahren.
125Demgemäß bedarf die Anfertigung von Lichtbildern im Rahmen eines Überwachungstermins - analog dem behördlichen Betretungsrecht - auf Tatbestandsseite keiner Zustimmung durch den Anlagenbetreiber.
126c) Die Anfertigung der Lichtbilder während der Vor-Ort-Besichtigung am 10. Juli 2018 begegnet auch im Übrigen keinen Bedenken hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit.
127aa) Der von der Klägerin angesprochene Aushang, dass auf dem Anlagengrundstück ein Fotografierverbot gelte, richtete sich bei objektiver Auslegung generell an betriebsfremde Besucher. Ausgehend davon, dass bei früheren Anlagenbegehungen unstreitig auch bereits Fotos aufgenommen worden waren, war schon nicht davon auszugehen, dass sich das Fotografierverbot auch an Behördenmitarbeiter in Ausübung der Besichtigungsbefugnis nach § 52 Abs. 2 BImSchG richten sollte. Jedenfalls aber bedurfte es nach den vorstehenden Ausführungen nicht des ausdrücklichen Einverständnisses der Klägerin. Dass sich die vor Ort anwesenden Personen - hier der Niederlassungsleiter und der Betriebsleiter - der Anfertigung von Fotos in einer Weise entgegengestellt hätten, die den Erlass einer Ordnungsverfügung nebst Zwangsmittelandrohung erforderlich gemacht hätten, ist dem insoweit von den Beteiligten unstreitig vorgetragenen Sachverhalt nicht zu entnehmen.
128bb) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann ebenfalls nicht festgestellt werden.
129Die Anfertigung von Lichtbildern ist geeignet, um eine rechtssichere Dokumentation des Anlagenzustandes zu gewährleisten. Bedenken gegen die Erforderlichkeit dieser Maßnahme bestehen nicht. Eine rein schriftliche Dokumentation des Kontrolltermins ist nicht gleich geeignet, den genannten Zweck der Beweissicherung zu erreichen. Lichtbilder können unbeteiligten Dritten, namentlich den in einem gerichtlichen Verfahren zur Entscheidung berufenen Spruchkörpern, die vor Ort vorgefundenen Zustände im Regelfall besser vermitteln als eine schriftliche Dokumentation, die typischerweise den Detailreichtum eines (Farb)Lichtbildes nicht vollständig erfassen (können) wird. Die von der Klägerin ferner angesprochene Anfertigung eigener Lichtbilder stellt - abgesehen davon, dass sich dem Senat der sich aus einer solchen Vorgehensweise ergebende tatsächliche oder rechtliche Vorteil für die Klägerin nicht erschließt - ebenfalls kein gleich geeignetes Mittel dar. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es allein der Überwachungsbehörde und nicht dem Anlagenbetreiber obliegt, darüber zu entscheiden, welche Zustände sie auf dem Anlagengrundstück zur Beweissicherung mittels Lichtbildern festhält. Daher erscheint es wenig praktikabel, wenn die Behördenvertreter die Mitarbeiter der Klägerin für die Anfertigung jedes einzelnen Lichtbildes ersuchen müssten; dies gilt in besonderem Maße, wenn es genauer Vorgaben bedarf, was genau und aus welchem Winkel es aufgenommen werden soll. Neben einer Verzögerung der Durchführung der Kontrolle birgt eine solche Vorgehensweise zudem ersichtlich ein gewisses Konfliktpotential für den Fall, dass die Anfertigung der Lichtbilder nicht in einer nach Auffassung der Überwachungsbehörde hinreichenden Art und Weise erfolgt.
130Die Anfertigung der Lichtbilder am 10. Juli 2018 war auch angemessen. Der damit verbundene Eingriff in die Rechtsposition der Klägerin erweist sich hinsichtlich seiner Intensität und Qualität als gering. Denn durch die angefertigten Lichtbilder werden lediglich diejenigen Zustände und Verhältnisse fotografisch festgehalten, die die vor Ort anwesenden Behördenmitarbeiter visuell ohnehin wahrgenommen haben. Daher kommt der rechtssicheren Dokumentation der tatsächlichen Vor-Ort-Verhältnisse, die im Übrigen auch im wohlverstandenen Rechtsschutzinteresse der Klägerin ist, eine höhere Bedeutung zu. Etwas anderes folgt nicht aus dem Hinweis der Klägerin, behördliche Umweltinspektionen seien in der Vergangenheit ohne das begleitende Anfertigen von Lichtbildern durch die Überwachungsbehörde ausgekommen. Allein aus dem Umstand, dass die Überwachungsbehörden von den ihnen durch das Gesetz eröffneten Befugnissen in der Vergangenheit nicht in einer Weise Gebrauch gemacht haben, wie dies offenbar gegenwärtig erfolgt, lassen sich keine Anhaltspunkte gegen die Angemessenheit einer behördlichen Maßnahme ableiten. Vielmehr dürfte die von der Klägerin angesprochene Entwicklung der Überwachungspraxis auch darauf zurückzuführen sein, dass die nach jeder Vor-Ort-Besichtigung zu erstellenden und der Öffentlichkeit zugänglich zu machenden Umweltinspektionsberichte vermehrt zur gerichtlichen Überprüfung gestellt wurden bzw. werden, weshalb die in diesen Verfahren zur Plausibilisierung etwaiger Beanstandungen verpflichteten Überwachungsbehörden vermehrt von ihrer Befugnis, Lichtbilder anzufertigen, Gebrauch machen.
131Es kann hier dahin stehen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen bei Vor-Ort-Besichtigungen auch Fotos von Personen angefertigt werden dürften. Denn das ist hier ausweislich der in der Verwaltungsakte enthaltenen Fotodokumentation nicht geschehen.
132Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot folgt auch nicht aus dem Hinweis der Klägerin, dass die angefertigten Lichtbilder Gegenstand der Überwachungsakte würden, grundsätzlich auf der Grundlage von Umweltinformationsansprüchen jedermann zur Einsicht zur Verfügung stünden und eine Einsichtnahme in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ermöglichten. Das von der Klägerin damit angesprochene Geheimhaltungsinteresse wird in ausreichender Weise durch das Umweltinformationsgesetz des Bundes (UIG) bzw. dasjenige des Landes Nordrhein-Westfalen (UIG NRW) geschützt. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG ist der Antrag auf Zugänglichmachung einer Umweltinformation abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden (Nr. 1) oder durch das Bekanntgeben Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden oder die Informationen dem Steuergeheimnis oder dem Statistikgeheimnis unterliegen (Nr. 3), es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 UIG sind die Betroffenen vor der Entscheidung über die Offenbarung der durch § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 UIG geschützten Informationen anzuhören. Im Anwendungsbereich des UIG NRW gilt derselbe einfachgesetzliche Schutzmechanismus, weil § 9 Abs. 1 UIG über § 2 Satz 3 UIG NRW Anwendung findet. Abgesehen davon hat die Klägerin auch nicht substantiiert vorgetragen, dass die am 10. Juli 2018 angefertigten Lichtbilder Darstellungen enthalten, die als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zu qualifizieren sind.
133Vgl. zur Auslegung dieser Begriffe: BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2017 - 7 C 31.15 -, juris Rn. 64 f., m. w. N.
134Entsprechendes würde gelten, wenn - was aber hier nicht der Fall ist - auf den Fotos auch die Gesichter von Personen zu sehen wären.
135Die Kostenentscheidung folgt für beide Instanzen aus § 154 Abs. 1 VwGO.
136Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
137Die Revision wird mit Blick auf die Fragen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen regelmäßige Umweltinspektionen nach § 52 BImSchG vorher anzukündigen sind und ob diese Rechtsgrundlage auch eine Befugnis zur Anfertigung von Fotos umfasst, wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
138Rechtsmittelbelehrung
139Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu.
140Die Revision ist bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils schriftlich einzulegen. Die Revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die Revision innerhalb der Frist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich eingelegt wird. Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
141Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich einzureichen.
142Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung ‑‑ ERVV –) wird hingewiesen.
143Im Revisionsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Revision. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).
144Dr. Kleinschnittger Dr. Rolfsen Dr. Lier
145Ferner ergeht ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter folgender
146B e s c h l u s s :
147Der Streitwert wird - nach Anhörung der Beteiligten und zugleich unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung - für beide Instanzen auf 10.000,- Euro festgesetzt.
148G r ü n d e :
149Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 1 und Abs. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Dabei bemisst der Senat das Interesse der Klägerin an den beiden Feststellungsanträgen unter Berücksichtigung der Nr. 1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 mit jeweils 5.000,- Euro.
150Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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