Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 D 10/20.NE
Tenor
Der Bebauungsplan Nr. 113 "T.-------gasse " ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Antragstellerin zuvor Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 113 "T.-------gasse " der Antragsgegnerin.
3Die Antragstellerin ist je zur Hälfte Eigentümerin der Grundstücke Gemarkung C. , Flur 8, Flurstücke 46 und 67 (postalische Anschrift: T1.----------straße 10 in C. ). Das Flurstück 46 ist mit einem von ihr und ihrem Ehemann bewohnten Einfamilienhaus bebaut und grenzt mit seiner Süd- und Ostgrenze unmittelbar an das Plangebiet an. Das Plangebiet liegt ebenfalls an der T1.----------straße (Gemarkung C. , Flur 8, Flurstück 101). Die Größe des Plangebietes beträgt ca. 8.631 m². Das Plangebiet grenzt im Osten an einen Friedhof und im Süden, Westen und Norden an Wohnbauflächen bzw. das benachbarte Schulgelände. Im Nordosten liegen weitere Grünlandbereiche. Das Plangebiet stellt sich als innerörtliches Grünland dar (Fettweide, ehemalige Baumschule, Gärten). Der Bebauungsplan besteht aus zwei fest miteinander verbundenen Blättern und setzt u. a. ein allgemeines Wohngebiet, private Verkehrsflächen mit besonderer Zweckbestimmung und Parkplatzflächen fest. In Nr. 1.5 der textlichen Festsetzungen heißt es: "Die Nutzung der Stellplatzflächen des Parkplatzes P-01 ist im Nachtzeitraum (22:00 - 06:00 Uhr) unzulässig." Im Regionalplan für den Regierungsbezirk L. , Teilabschnitt Region B. , ist das Plangebiet als allgemeiner Siedlungsbereich dargestellt. Im Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin (Stand 18.3.1976) wurde der nördliche Teilbereich des Plangebietes als allgemeines Wohngebiet und der überwiegende sonstige Teil des Plangebietes als Grünfläche mit der Zweckbestimmung Friedhof dargestellt. Seit der am 1.4.2020 bekannt gemachten Anpassung des Flächennutzungsplanes im Wege der Berichtigung gemäß § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB stellt der Flächennutzungsplan das gesamte Plangebiet als Wohnbaufläche dar.
4Das Planaufstellungsverfahren verlief folgendermaßen: Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 8.5.2018 die Aufstellung des Bebauungsplans im Wege des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB und die Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 BauGB und der Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 1 BauGB im Zeitraum vom 7.2.2019 bis einschließlich den 7.3.2019. Die Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 30.1.2019. Die Interessengemeinschaft "Anlieger T1.----------straße ", der auch die Antragstellerin angehört, nahm mit Schreiben vom 5.3.2019 umfassend Stellung. Am 13.6.2019 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die förmliche Behördenbeteiligung und die Durchführung der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans gemäß § 3 Abs. 2 BauGB. Die Bekanntmachung unter Angabe des Auslegungszeitraums vom 2.7.2019 bis einschließlich zum 9.8.2019 erfolgte am 25.6.2019 im Amtsblatt der Antragsgegnerin und durch Aushang. Unter dem 6.8.2019 machte die Antragstellerin als Teil der Interessengemeinschaft umfangreiche Einwendungen geltend. In seiner Sitzung am 17.9.2019 beschloss der Rat der Antragsgegnerin erstmalig, den Bebauungsplanentwurf samt Begründung erneut öffentlich auszulegen. Die Bekanntmachung der erneuten öffentlichen Auslegung des Entwurfs zum Bebauungsplan gemäß § 3 Abs. 2 BauGB und gemäß § 4 Abs. 2 BauGB im Zeitraum vom 26.9.2019 bis einschließlich dem 26.10.2019 erfolgte im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 18.9.2019 und durch Aushang. Daraufhin erhob die Antragstellerin als Teil der Interessengemeinschaft mit weiterem Schriftsatz vom 10.10.2019 Einwendungen und legte Fotos von einer Begehung am 10.9.2019 vor. In seiner Sitzung vom 5.11.2019 schloss der Rat der Antragsgegnerin mit der Beigeladenen einen städtebaulichen Vertrag mit Regelungen über die Einbringung von lebensraumverbessernden Maßnahmen für den Hirschkäfer ab. Am 19.11.2019 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die zweite erneute öffentliche Auslegung des Entwurfs zum Bebauungsplan Nr. 113 sowie die Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange. Die Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt vom 20.11.2019 unter Angabe des Auslegungszeitraums vom 28.11.2019 bis einschließlich 6.1.2020 und durch Aushang. Mit Schreiben vom 4.1.2020 erhob die Antragstellerin als Teil der Interessengemeinschaft erneut Einwendungen unter Bezugnahme auf die naturschutzfachlichen Anmerkungen von Dr. N. T2. vom 3.1.2020. Am 4.2.2020 fasste der Rat der Antragsgegnerin den Satzungsbeschluss. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte am 7.2.2020 im Amtsblatt der Antragsgegnerin und durch Aushang.
5Die Antragstellerin hat am 10.2.2020 den Normenkontrollantrag gestellt.
6Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Der Antrag sei zulässig. Ihre Antragsbefugnis ergebe sich aus ihrer Stellung als Eigentümerin des unmittelbar an das Plangebiet angrenzenden Hausgrundstücks. Nach den Ergebnissen des vorliegenden Schallgutachtens drohten nachts Überschreitungen der Vorgaben der TA Lärm. Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Dem Bebauungsplan stehe das Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG entgegen, so dass dieser nicht erforderlich sei. Die Sachverhaltsermittlung zur Prüfung der artenschutzrechtlichen Belange sei unzureichend. Die artenschutzrechtliche Beurteilung fuße überwiegend auf den Angaben zu den Arten im Landesinformationssystem für das Messtischblatt I. , welches aber keine Gewähr für seine Vollständigkeit übernehme, und einer einmaligen Begehung der Örtlichkeit am 25.6.2018, bei der keine Kartierung zum Artenvorkommen stattgefunden habe. Auf dieser Basis sei es unmöglich, die zu berücksichtigenden Arten festzulegen und abzuschätzen, ob von den naturschutzrechtlichen Verboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG europäisch geschützte FFH Anhang IV-Arten und europäische Vogelarten betroffen seien. Die Unzulänglichkeit der Bestandserfassung zeige sich darüber hinaus auch darin, dass der Gutachter in der artenschutzrechtlichen Prüfung „weitere Fledermausarten“ im Sinne einer gesamten Gruppe geprüft und eine pauschale Unbedenklichkeitsbescheinigung für alle Arten ausgesprochen habe. Der Bebauungsplan verstoße zudem gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Der Flächennutzungsplan weise das Plangebiet als Grünfläche aus. Die Bindung an das Entwicklungsgebot sei nicht nach § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB eingeschränkt. Es handele sich hier um keinen Bebauungsplan der Innenentwicklung. Vielmehr greife der Bebauungsplan auf den Außenbereich zu. Der textlichen Festsetzung Nr. 1.5 fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage. Es handele sich insbesondere um keine nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB zulässige Festsetzung. Ihr fehle der bodenrechtliche Bezug. Sie knüpfe lediglich an das Verhalten von Menschen an. Dies führe auch zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Zudem sei die Planung abwägungsfehlerhaft. Es liege ein Verstoß gegen § 1a Abs. 3 BauGB vor, da es an der Sicherung der Ausgleichsmaßnahmen zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses fehle. Die in der Planung aufgenommenen Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen hätten nur als Hinweise Eingang in den Bebauungsplan gefunden. Damit seien sie rechtlich nicht verbindlich. Es bestünde keine einer Festsetzung gleichwertige Sicherung der Ausgleichsmaßnahmen. Insbesondere genüge alleine die Absicherung im Rahmen des städtebaulichen Vertrages nicht. Dieser stelle nur eine schuldrechtliche Absicherung und keine den Festsetzungen im Bebauungsplan vergleichbare dingliche Sicherung dar. Ein weiterer Abwägungsfehler liege in der fehlerhaften Ermittlung der von den Stellplätzen zu erwartenden Lärmbelastungen für ihr Grundstück. Auch die Festsetzung des Plangebiets als allgemeines Wohngebiet sei abwägungsfehlerhaft, da sie gegen die materiell-rechtlichen Anforderungen verstoße.
7Die Antragstellerin beantragt,
8den Bebauungsplan Nr. 113 "T.-------gasse "
9der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.
10Die Antragsgegnerin beantragt,
11den Antrag abzulehnen.
12Sie trägt im Wesentlichen vor: Der Normenkontrollantrag sei unbegründet. Der Bebauungsplan sei vollzugsfähig. Die Durchführung der Planung führe insbesondere nicht zu einem Verstoß gegen die Verbote des § 44 BNatSchG. Erforderlich sei lediglich eine überschlägige Ermittlung und Bewertung in Bezug auf den Artenschutz. Eine diesen Anforderungen entsprechende Untersuchung habe sie durchgeführt. Auch liege kein Verstoß gegen das Entwicklungsgebot vor. Der Bebauungsplan habe vor Änderung des Flächennutzungsplans nach § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB aufgestellt werden können. Es handele sich um eine Planung der Innenentwicklung. Das Plangebiet werde von Bebauung umgeben. Entscheidend für die Beurteilung als Innenentwicklung sei, ob nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung der siedlungsstrukturellen Gegebenheiten das betreffende Gebiet dem Siedlungsbereich zuzurechnen sei. Bei der textlichen Festsetzung Nr. 1.5 handele es sich um eine „bauliche und sonstige technische Vorkehrung" im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB. In welcher Weise die Umsetzung sichergestellt werde, sei in der Baugenehmigung zu regeln. Der Bebauungsplan sei auch nicht abwägungsfehlerhaft. Die mit der Umsetzung der Planung einhergehenden Lärmbelastungen seien in dem Gutachten des Büros T3. hinreichend untersucht worden. Eine detailliertere Untersuchung erfolge auf der Vollzugsebene. Dies sei auch zulässig. Konfliktlösungsmaßnahmen müssten nicht zwingend auf der Planungsebene getroffen werden. Unter Berücksichtigung des Maßes der Unterschreitung im Tageszeitraum von 6 dB(A) seien zur Überschreitung des Immissionsrichtwerts Steigerungen des Lärms um den Faktor 4 erforderlich. Szenarien mit derartig hohen Belastungen seien nach den Festsetzungen des Plans unrealistisch. Ein Pflegewohnheim sei in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Es liege kein Verstoß gegen § 1a Abs. 3 BauGB vor. Die durchzuführenden Ausgleichsmaßnahmen seien hinreichend gesichert. Die Umsetzung der Maßnahme M1 werde auf der Vollzugsebene im Rahmen der Baugenehmigung geregelt. Eine dingliche Sicherung der Maßnahme M3 sei nicht erforderlich, da die außerhalb des Plangebiets liegenden Brutstätten auf Grundstücken der Stadt lägen. Dies sei im städtebaulichen Vertrag geregelt.
13Die Beigeladene stellt keinen Antrag und trägt vor: Der Normenkontrollantrag sei unbegründet. Der Bebauungsplan sei erforderlich und vollzugsfähig. Im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans sei eine Artenschutzprüfung der Stufe I durchgeführt worden. Konkrete Anhaltspunkte für das Vorkommen planungsrelevanter Arten hätten sich im Ergebnis ausschließlich hinsichtlich des Hirschkäfers ergeben. Zum Schutz des Hirschkäfers seien insgesamt fünf Bruthilfen im Plangebiet sowie im Nahbereich des Plangebietes vorgesehen und inzwischen umgesetzt worden. Für zwei der fünf Maßnahmen seien Festsetzungen sowie vertragliche Regelungen getroffen worden. Für die drei weiteren Maßnahmen gebe es tragfähige vertragliche Regelungen. Diese Maßnahmen würden auf Eigentumsflächen der Antragsgegnerin als Plangeberin umgesetzt. Soweit die Maßnahmen auf den Flächen im Plangebiet umzusetzen seien, stünden diese in ihrem Eigentum. Außerhalb des Plangebiets gewährleiste das gemeindliche Eigentum die dauerhafte Vertragserfüllung. Einer dinglichen Sicherung bedürfe es deshalb nicht. Die Maßnahmen für die Hirschkäfer seien auch schon vor Satzungsbeschluss durch Baulasten gesichert worden. Die Voraussetzungen für einen Bebauungsplan der Innenentwicklung gemäß § 13a BauGB lägen vor. Wie der Ortstermin gezeigt habe, liege das Plangebiet innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Ob die Vorschrift des § 13a BauGB die Überplanung eines „Außenbereichs im Innenbereich“ erlaube, habe das Bundesverwaltungsgericht bisher zwar ausdrücklich offengelassen, jedoch sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass eine Anwendung jedenfalls dann in Betracht komme, wenn die fraglichen Flächen auf allen Seiten von Bebauung umgeben und nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung des siedlungsstrukturell Gegebenen noch dem Siedlungsbereich zuzurechnen seien. So sei es hier. Aus einer möglichen Unwirksamkeit der textlichen Festsetzung Nr. 1.5 folge allenfalls eine Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans. Hätte die Plangeberin den unterstellten Mangel erkannt, hätte sie den Bebauungsplan ohne diese Festsetzung als Satzung beschlossen. Der Plan bewirke dennoch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung, da die Lärmbelange ohnehin im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen seien. Im Übrigen sei der Lärmkonflikt auf der Genehmigungsebene tragfähig gelöst worden. Es liege auch kein Abwägungsfehler hinsichtlich des Immissionsschutzes vor. Die Plangeberin habe sich darauf verlassen dürfen, dass mögliche (Lärm-) Konflikte auf Vollzugsebene gelöst würden.
14Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 7.10.2021 besichtigt. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die dazu gefertigte Niederschrift und die Lichtbilder Bezug genommen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Vorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
17Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
18Der Antrag ist zulässig.
19Die Antragstellerin ist antragsbefugt.
20Antragsbefugt ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Ein Antragsteller genügt seiner Darlegungspflicht nur, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO.
21Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.1.2018- 4 BN 33.17 ‑, BRS 86 Nr. 192, m. w. N.
22Macht ein Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks- wie hier die Antragstellerin - eine Verletzung des Abwägungsgebots aus § 1 Abs. 7 BauGB geltend, muss er einen eigenen Belang benennen, der nach Lage der Dinge von der planenden Gemeinde bei der Abwägung zu beachten war. Nicht jeder Belang ist in der Abwägung zu beachten, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Im Weiteren können alle (betroffenen) Interessen unbeachtet bleiben, die entweder objektiv geringwertig oder aber - sei es überhaupt, sei es im gegebenen Zusammenhang - nicht schutzwürdig sind.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9.10.2018
24- 2 D 22/17.NE -, BRS 86 Nr. 191 = BauR 2019, 508, m. w. N.
25Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ist danach mit Blick auf ihr Vorbringen zu bejahen, die angegriffene Planung setze unmittelbar an ihrer Grundstücksgrenze Parkplatzflächen fest, deren Betrieb zu ihr Grundstück nicht nur unerheblich beeinträchtigenden Lärmimmissionen führe. Die dem Satzungsbeschluss zugrunde liegende schalltechnische Untersuchung (Gutachten 2019 1581 zu den Auswirkungen eines möglichen Immissionskonfliktes ausgelöst durch den Neubau eines Pflegewohnstifts mit Stellplätzen in Verbindung mit der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 113 "T.-------gasse " in C. des Büros Dr.-Ing. T3. und Partner vom 14.6.2019; im Folgenden: Schallgutachten) gelangt unter Nr. 1.3 zu dem Ergebnis, dass eine uneingeschränkte Nutzung der an das Grundstück der Klägerin (Flurstück 46) angrenzenden 23 Stellplätze in der lautesten Nachtstunde zu einer Überschreitung des Immissionsgrenzwertes am Wohnhaus der Klägerin führen würde.
26Der Antrag ist auch fristgerecht innerhalb eines Jahres nach der erfolgten Bekanntmachung des Bebauungsplans gestellt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
27Der Antragstellerin fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für den Normenkontrollantrag.
28Für das Rechtsschutzinteresse reicht es aus, dass sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Antragsteller von Nutzen sein kann. Es genügt, wenn - im Sinne einer tatsächlichen Prognose - zu erwarten ist, dass die Gemeinde einen neuen Plan mit möglicherweise für den Antragsteller günstigeren Festsetzungen aufstellen wird.
29Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.12.2012 - 7 D 64/10.NE -, BRS 81 Nr. 21 = BauR 2013, 917; BVerwG, Urteil vom 13.12.2018 - 4 CN 3.18 -, BRS 86 Nr. 33 = BauR 2019, 813.
30Es erscheint hier nicht ausgeschlossen, dass sich die Antragsgegnerin mit Blick auf die gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit des Bebauungsplans für den Erlass eines neuen Bebauungsplans entscheidet, der für die Antragstellerin günstigere Festsetzungen, z. B. zur Anlage der Parkplatzflächen, enthält.
31Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Bebauungsplan leidet an zwei durchgreifenden Mängeln, die jeweils zu seiner Gesamtunwirksamkeit führen.
32Für die textliche Festsetzung Nr. 1.5 zur Unzulässigkeit der Nutzung der Stellplatzflächen des Parkplatzes P-01 im Nachtzeitraum (22:00 - 6:00 Uhr) fehlt die Rechtsgrundlage.
33Die textliche Festsetzung kann nicht auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB - die hier allein in Betracht kommende Rechtsgrundlage - gestützt werden. Nach dieser Vorschrift können im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben, festgesetzt werden.
34Um „bauliche und sonstige technische Vorkehrungen“ im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB handelt es sich nur dann, wenn diese die nach dem Bebauungsplan zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB selbst betreffen. Nur in diesem Fall bezieht sich die entsprechende Festsetzung auf eine städtebaulich relevante Bodennutzung. Betriebliche Regelungen, die sich - etwa durch Festsetzung von Nutzungs- oder Betriebszeiten - allein auf Betriebsabläufe erstrecken oder eine persönliche Verhaltenspflicht des Betriebsinhabers regeln, sind nicht in diesem Sinne städtebaulich relevant; sie können in einen Bebauungsplan allenfalls als Hinweis aufgenommen werden.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.12.2010 - 2 D 64/08.NE -, BRS 76 Nr. 38 = juris, m. w. N.;Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2021, § 9 Rn. 209; Gierke, in: Brügelmann, BauGB, Stand: Januar 2021, § 9 Rn. 1060.
36Dies gilt auch mit Blick auf den durch das BauGB-Änderungsgesetz 2017 in § 9 Abs. 1 Nr. 24 3. Fallgruppe BauGB aufgenommenen Zusatz "einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben". Auch damit sind keine Reglungen zu Nutzungszeiten, sondern nur bauliche Maßnahmen, z. B. aktive oder passive Lärmschutzmaßnahmen, gemeint.
37Vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2021, § 9 Rn. 212a.
38Davon ausgehend fehlt es der hier in Rede stehenden Festsetzung über die Unzulässigkeit der Nutzung der Stellplatzfläche P-01 im Nachtzeitraum an einem bodenrechtlichen Bezug. Durch sie wird allein die Nutzung des Parkplatzes P-01 geregelt. Die Umsetzung dieser Regelung durch bauliche Anlagen (z. B. eine Schranke) bleibt dem Genehmigungsverfahren vorbehalten. Baulicher oder technischer Natur ist die in Rede stehende textliche Festsetzung des Bebauungsplans damit nicht.
39Die Unwirksamkeit der textlichen Festsetzung Nr. 1.5 des Bebauungsplans führt auch zur Gesamtunwirksamkeit des Plans.
40Aus der Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen folgt dann keine Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans, wenn die übrigen, mit keinen durchgreifenden Mängeln behafteten Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte.
41Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.4.2013 - 4 BN 22.13 -, BRS 81 Nr. 77 = juris; OVG NRW, Urteil vom 10.2.2022 - 7 D 260/20.NE -, juris, m. w. N.
42Jedenfalls an letzterem fehlt es vorliegend. Mit der in Rede stehenden textlichen Festsetzung sollte ausweislich der Planbegründung dem Interesse der angrenzenden Wohnbebauung am Schutz vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen Rechnung getragen werden. In der Planbegründung (siehe dort 10.4) wird hierzu ausgeführt, die Immissionsbelastungen durch die Nutzung der Stellplätze und der Erschließung seien unter Berücksichtigung der Belastungszahlen des Verkehrsgutachtens in Verbindung mit dem Emissionsmodell und unter Berücksichtigung der schriftlichen Festsetzungen aus dem Bebauungsplan (keine Nutzung im Nachtzeitraum für P-01) in Anlehnung an die TA Lärm in der vorliegenden Situation konfliktfrei zu realisieren. Sie ist in diesem Zusammenhang ersichtlichwesentlicher Baustein der angestrebten Bewältigung des Lärmkonflikts in der besonders störungsempfindlichen Nachtzeit.
43Die Plangeberin hätte bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Nutzungszeitbeschränkung auch nicht ohne Weiteres darauf vertrauen können, dass eine entsprechende Regelung im Baugenehmigungsverfahren nachgeholt werden könnte. Eine entsprechende Nutzungsbeschränkung in der Baugenehmigung unmittelbar auf die Richtwerte der TA Lärm zu stützen, scheidet hier schon deshalb aus, weil weder die von der Beigeladenen geplante und inzwischen zumindest im Rohbau errichtete Seniorenwohnanlage noch ein sonstiges durch den Bebauungsplan zugelassenes Wohnbauvorhaben dem Anwendungsbereich der TA Lärm unterfällt.
44Die TA Lärm findet - wie die Gutachter zutreffend zugrunde gelegt haben - keine unmittelbare Anwendung. Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans sollen die neu erschlossenen Wohnflächen einen Standort für eine Nachverdichtung in Form einer senioren- und altersgerechten Pflegewohneinrichtung ermöglichen. Nach dem Verkehrsgutachten zur Errichtung eines Pflegwohnstifts in C. vom 4.6.2019 sieht das städtebauliche Konzept ein Pflegewohnstift mit 90 Betten und 13 angeschlossenen Wohneinheiten für klassisches "Service-Wohnen" vor. Bei dem Pflegewohnstift als Pflegewohnheim handelt es sich entweder um ein Wohngebäude im Sinne des § 3 Abs. 4 BauNVO,
45vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.11.2016 - 7 A 774/15 -, BRS 84 Nr. 132 = BauR 2017, 216,
46oder jedenfalls um eine Anlage für soziale Zwecke im Sinne von Nr. 1 Satz 2 Buchst. h) TA Lärm, so dass die TA Lärm (in beiden Fällen) keine unmittelbare Anwendung findet.
47Vgl. Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 1.9.2021, Band IV, 3.1 TA Lärm Nr. 1 Rn. 21 f.; Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, 13. Auflage, Vorbem. §§ 2-9, Rn. 14.
48Ungeachtet dessen sollte ausweislich des vorliegenden Lärmgutachtens durch die in Rede stehende Nutzungsbeschränkung ein den einschlägigen Nachtrichtwert um 2 dB(A) unterschreitender Beurteilungspegel sichergestellt und damit ein - gemessen an den Vorgaben der TA Lärm - besserer Lärmschutz bewirkt werden.
49Hinsichtlich der im Baugenehmigungsverfahren gebotenen Prüfung des Rücksichtnahmegebotes ist im Übrigen in Rechnung zu stellen, dass eine Konfliktlösung im Baugenehmigungsverfahren voraussetzt, dass der zugrunde liegende Bebauungsplan für sie noch offen ist. Je konkreter eine Festsetzung ist, umso geringer ist die Gestaltungsfreiheit für den Betroffenen und damit auch der Spielraum für die Anwendung des § 15 BauNVO. Nur soweit der Bebauungsplan selbst noch keine abschließende planerische Entscheidung enthält, ermöglicht § 15 BauNVO eine "Nachsteuerung" im Baugenehmigungsverfahren.
50Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.3.1989 - 4 NB 8.89 -, BRS 49 Nr. 44 = BauR 1989, 306.
51Hier legt der Bebauungsplan die Lage der Stellplatzflächen sowie die Zu- und Abfahrt zu diesen Flächen im Einzelnen fest. Ob eine solche Planung, die bei Annahme einer sich lediglich auf Ziffer 1.5 der textlichen Festsetzungen beschränkenden Teilunwirksamkeit verbliebe, einem auf das Rücksichtnahmegebot gestützten Verbot der nächtlichen Nutzung der Stellplatzflächen des Parkplatzes P-01 noch zugänglich wäre, erscheint zumindest zweifelhaft.
52Der Plan leidet zudem hinsichtlich der rechtlichen Sicherung der auf dem Vorhabengrundstück im Bereich FB 2 vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen an einem beachtlichen Mangel der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB i. V. m. § 1a Abs. 3 BauGB, der ebenfalls zur Gesamtunwirksamkeit des Planes führt.
53Die Antragsgegnerin war bei der Planaufstellung an die Vorgaben des § 1a Abs. 3 BauGB gebunden. § 13a Abs. 2 Nr. 4 BauGB war entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hier nicht einschlägig.
54Die Voraussetzungen für die Aufstellung des Bebauungsplanes der Innenentwicklung nach § 13a BauGB im beschleunigten Verfahren lagen hier nicht vor.
55Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB kann ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden.
56Der Begriff der Innenentwicklung ist nicht legal definiert. Er nimmt bewusst nicht die herkömmliche Abgrenzung von Innen- und Außenbereich auf, sondern wird vom Gesetzgeber als städtebaufachlicher Terminus vorausgesetzt. Seine Interpretation durch die Gemeinde unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, einen Beurteilungsspielraum hat die Gemeinde nicht. Mit § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB knüpft der Gesetzgeber an die ältere Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB an, wonach mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden soll und dabei zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Maßnahmen der Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen sind. Er grenzt Bebauungspläne der Innenentwicklung von Bebauungsplänen ab, die gezielt Flächen außerhalb der Ortslagen einer Bebauung zuführen, und will mit § 13a Abs. 1 BauGB Planungen fördern, die der Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und dem Umbau vorhandener Ortsteile dienen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB). Als Gebiete, die für Bebauungspläne der Innenentwicklung in Betracht kommen, werden beispielhaft die im Zusammenhang bebauten Ortsteile im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB, innerhalb des Siedlungsbereichs befindliche brachgefallene Flächen sowie innerhalb des Siedlungsbereichs befindliche Gebiete mit einem Bebauungsplan, der infolge notwendiger Anpassungsmaßnahmen geändert oder durch einen neuen Bebauungsplan abgelöst werden soll, genannt (vgl. Bundestags-Drucksache 16/2496 S. 12 zu Nr. 8 und Absatz 1). Mit dem beschleunigten Verfahren und den damit verbundenen Verfahrenserleichterungen, u. a. dem Verzicht auf die Durchführung einer Umweltprüfung (§ 13a Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB) sowie der Eingriffs-Ausgleich-Fiktion des § 13a Abs. 2 Nr. 4 BauGB für die Fälle des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB, will der Gesetzgeber einen Anreiz dafür setzen, dass die Gemeinden von einer Neuinanspruchnahme von Flächen durch Überplanung und Zersiedlung des Außenbereichs absehen und darauf verzichten, den äußeren Umgriff vorhandener Siedlungsbereiche zu erweitern. Diese gesetzgeberische Intention hat in § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB durch die Nennung der Wiedernutzbarmachung von Flächen und der Nachverdichtung als spezielle Maßnahmen der Innenentwicklung beispielhaft ihren Niederschlag gefunden. Darüber hinaus werden aber auch "andere Maßnahmen der Innenentwicklung" genannt. "Innenentwicklung" ist deshalb der Oberbegriff, der die Anwendung des beschleunigten Verfahrens eröffnet. Für die Anwendbarkeit des beschleunigten Verfahrens gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB kommt es daher nicht darauf an, wie die Gemeinde die von ihr mit dem Bebauungsplan beabsichtigten Maßnahmen bezeichnet, sondern allein darauf, ob sie damit "Innenentwicklung" im Sinne dieser Vorschrift betreibt. Mit dem Tatbestandsmerkmal der Innenentwicklung beschränkt § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB seinen räumlichen Anwendungsbereich. Innenentwicklung ist nur innerhalb des Siedlungsbereichs zulässig; das gilt ausweislich der Gesetzesbegründung auch für die Änderung oder Anpassung von Bebauungsplänen (BT-Drs. 16/2496 S. 12). Überplant werden dürfen Flächen, die von einem Siedlungsbereich mit dem Gewicht eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils umschlossen werden. Die äußeren Grenzen des Siedlungsbereichs dürfen durch den Bebauungsplan nicht in den Außenbereich erweitert werden. Die Grenzen des Siedlungsbereichs werden nicht durch Planung bestimmt; die Planung findet diese in der jeweiligen Örtlichkeit vor. Dass es für die Bestimmung der Grenzen des Siedlungsbereichs auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt, zeigen - neben den in der Gesetzesbegründung beschriebenen Anwendungsfällen - die gesetzlichen Beispielsfälle der Wiedernutzbarmachung von Flächen und der Nachverdichtung, die an einen ehemals oder aktuell noch vorhandenen Baubestand anknüpfen. Darin kommt zum Ausdruck, dass für die Innenentwicklung auf solche Flächen zugegriffen werden soll, die bereits baulich in Anspruch genommen wurden und ihre bodenrechtliche Schutzwürdigkeit durch die damit einhergehende Versiegelung jedenfalls teilweise schon verloren haben. Für dieses enge Verständnis streitet auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollte das beschleunigte Verfahren für einen Bebauungsplan gelten, der "der Innenentwicklung dient" (BT-Drs. 16/2496 S. 5). Im Gesetzgebungsverfahren ist der Wortlaut geändert worden, um sicherzustellen, dass nicht auch solche Bebauungspläne als Pläne der Innenentwicklung gelten, die Bauland im bisherigen Außenbereich ausweisen und sich damit mittelbar positiv auf die Innenentwicklung auswirken (vgl. BT-Drs. 16/3308 S. 17).
57Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.6.2020- 4 CN 5.18 -, BRS 88 Nr. 34 = BauR 2020, 1726 und vom 27.8.2020 - 4 CN 4.19 -, BRS 88 Nr. 36 = BauR 2021, 47, jeweils m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 10.2.2022 - 7 D 260/20.NE -, juris; Külpmann, in: Bischopink/Külpmann/Wahlhäuser, Der sachgerechte Bebauungsplan, 5. Auflage 2021, Rn. 360.
58Der Plan betrifft nach diesen Grundsätzen keine Maßnahme der Innenentwicklung im Sinne von § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB.
59Die Anwendbarkeit des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB scheitert hier daran, dass die Planung eine Außenbereichsinsel umfasst, die bislang baulich nicht in Anspruch genommen worden war und ihre bodenrechtliche Schutzwürdigkeit durch eine (teilweise) Versiegelung bisher nicht verloren hatte.
60Von einer Außenbereichsinsel ist auszugehen, wenn der Bereich, um den es geht, zwar auf allen vier Seiten von Bebauung umgeben ist, die bestehende Freifläche aber so groß ist, dass sich ihre Bebauung nicht als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung aufdrängt. Dagegen liegt eine Baulücke - und damit ein Innenbereich im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB - vor, wenn das Baugrundstück noch durch die den Rahmen für die Umgebungsbebauung bildende Bebauung (vor-) geprägt wird. Wesentliche Kriterien sind der Grundstückszuschnitt und die Struktur der Umgebungsbebauung. Die Umgebungsbebauung muss das Grundstück in einer Weise prägen, dass eine Bauleitplanung nicht erforderlich ist, weil die bereits vorhandene Bebauung die unerlässlichen Grenzen selbst setzt. Daran fehlt es, wenn eine Fläche wegen ihrer Größe einer von der Umgebung gerade unabhängigen geordneten städtebaulichen Entwicklung und Beplanung fähig ist. Für die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich und damit auch zwischen Baulücke und Außenbereichsinsel ist maßgeblich, ob das unbebaute Grundstück, das sich an einen Bebauungszusammenhang anschließt, diesen Zusammenhang fortsetzt oder ihn unterbricht. Das wiederum hängt davon ab, inwieweit nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung die aufeinanderfolgende Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Die Frage, ob ein Grundstück im Bebauungszusammenhang liegt, ist daher nicht ausschließlich danach zu beurteilen, ob es von Bebauung umgeben ist. Erforderlich ist vielmehr weiter, dass das Grundstück selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bildet, also selbst an dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt. Mit den Merkmalen der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das unbebaute Grundstück gedanklich übersprungen werden kann, weil es ein verbindendes Element gibt, nämlich die Verkehrsanschauung, die das unbebaute Grundstück als eine sich zur Bebauung anbietende „Lücke“ erscheinen lässt. Dabei ist die Frage, ob ein Bebauungszusammenhang besteht, nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Wertung und Bewertung des im Einzelfall gegebenen konkreten Sachverhalts zu entscheiden.
61Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.8.2020 - 2 D 27/19.NE -, BRS 88 Nr. 31 = BauR 2021, 474, m. w. N.
62Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem bislang unbebauten Plangebiet mit seiner Größe von über 8.000 m² nicht mehr nur um eine Baulücke, sondern um eine Außenbereichsinsel im Innenbereich. Nach dem Eindruck des Berichterstatters im Ortstermin, den er dem Senat vermittelt hat, nimmt das Grundstück aufgrund seiner Größe nicht mehr an dem es umgebenden Bebauungszusammenhang teil. Dem steht bereits die Größe der bisherigen Freifläche im Verhältnis zur Umgebungsbebauung entgegen. Die sich an das Plangebiet anschließende Bebauung in Richtung Süden und Westen ist durch Wohnnutzung mit üblichen Grundstücksgrößen geprägt. Im Norden schließt sich eine unbebaute - die Außenbereichsinsel vergrößernde - Freifläche an. Im Osten grenzt das Plangebiet an ein großes Friedhofsgelände.
63Nach der Aktenlage handelt es sich bei der gesamten Plangebietsfläche auch um eine bislang unversiegelte und damit bodenrechtlich schutzwürdige Fläche des Außenbereichs im oben angesprochenen Sinne. Nach den Aufstellungsvorgängen wurde die Plangebietsfläche bislang im Wesentlichen von einer Baumschule genutzt. Dass dort jemals eine Bebauung existierte, ist nicht ersichtlich und haben weder die Antragsgegnerin noch die Beigeladene - auch nicht in der mündlichen Verhandlung - geltend gemacht.
64Der Rat der Antragsgegnerin musste sich hiervon ausgehend im Zeitpunkt der abschließenden Abwägungsentscheidung Gewissheit darüber verschaffen, dass die rechtlichen Anforderungen an die Sicherung der Durchführung der vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erfüllt waren. Diese Voraussetzungen lagen indessen nicht vollständig vor.
65Begründet ein Bebauungsplan die bauplanerische Zulässigkeit von Eingriffen in Natur und Landschaft, ist ein durch § 1a BauGB gesetzlich vorgeprägtes Entscheidungsprogramm abzuarbeiten und über ein Folgenbewältigungsprogramm abwägend zu entscheiden. In erster Linie ist zu prüfen, ob das Integritätsinteresse von Natur und Landschaft einschließlich der besonders geschützten Arten aus gewichtigen Gründen zurückgestellt werden kann. Dabei ist insbesondere das naturschutzrechtliche Vermeidungsgebot zu beachten. Ist der Eingriff nach Art und Ausmaß unvermeidbar, ist darüber zu befinden, ob und in welchem Umfang Ausgleich beziehungsweise Ersatz zu leisten und damit dem Vermeidungsgebot beziehungsweise dem Kompensationsinteresse von Natur und Landschaft Rechnung zu tragen ist. Ist die landesrechtliche Eingriffsregelung einschlägig, so ist regelmäßig ein vollständiger Ausgleich des Eingriffs gefordert. Der Ausgleich ist angemessen zu sichern. Ist ein vollständiger Ausgleich nicht möglich, bedarf es einer weitergehenden Abwägung nach Maßgabe der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung.
66Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.12.2017 - 10 D 97/15.NE -, NuR 2018, 138 = juris, m. w. N.
67Der Plangeber hat beim Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in seinen in § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a BauGB bezeichneten Bestandteilen verschiedene Handlungsoptionen. Nach § 1a Abs. 3 Satz 2 BauGB erfolgt der Ausgleich im Rahmen von Bebauungsplänen durch geeignete Festsetzungen nach § 9 BauGB als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich. Nach Maßgabe des § 1a Abs. 3 Satz 3 BauGB kann eine solche Festsetzung auch an anderer Stelle als an dem Ort des Eingriffs erfolgen. Anstelle von Festsetzungen können gemäß § 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB auch vertragliche Vereinbarungen nach § 11 BauGB oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen getroffen werden. Soweit der Plangeber einen Ausgleich durch Festsetzungen in einem Bebauungsplan an anderer Stelle durchführen will als auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, kann er diese Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1a Satz 1 BauGB sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Eingriffsbebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan vornehmen.
68Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.7.2018 - 7 D 11/16.NE -, BRS 86 Nr. 13 = BauR 2019, 200.
69§ 1a Abs. 3 BauGB stellt die sonstigen geeigneten Maßnahmen gleichwertig neben Darstellungen und Festsetzungen im Rahmen der Bauleitplanung und vertragliche Vereinbarungen, weshalb auch dann, wenn sich der Plangeber zur Bewältigung des Ausgleichs - wie hier - für sonstige geeignete Maßnahmen entscheidet, ein Mindestmaß an rechtlicher Bindung der Gemeinde zu verlangen ist. Das Erfordernis einer hinreichenden rechtlichen Sicherung der Ausgleichsmaßnahmen soll verhindern, dass sich die Gemeinde von einseitigen Erklärungen, die einen bestimmten Ausgleich in Aussicht stellen, im Nachhinein wieder lossagt oder sie zunächst zum Ausgleich bereitgestellte Flächen später anderweitig verwendet. Dieser Ungewissheit eines späteren Sinneswandels der zuständigen Stellen muss der Plangeber in angemessener Weise Rechnung tragen, ohne dass das Gesetz ihn hierzu auf ein bestimmtes Vorgehen festlegt. Der Rat muss sich im Zeitpunkt der abschließenden Abwägungsentscheidung Gewissheit darüber verschaffen, dass die rechtlichen Voraussetzungen der nach § 1a Abs. 3 Sätze 2 bis 4 BauGB gewählten Form der Sicherung der Durchführung vorgesehener Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen tatsächlich vorliegen.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.2002 - 4 CN 1.02 -, BRS 65 Nr. 20 = BauR 2003, 209; OVG NRW, Urteil vom 5.12.2017 - 10 D 97/15.NE -, NuR 2018, 138 = juris; Bay. VGH, Urteil vom 5.10.2021 - 15 N 21.1470 -, juris.
71Für die Wahrung der erforderlichen Sicherung ist es regelmäßig erforderlich, dass sich die für den Ausgleich vorgesehene Fläche im Eigentum der Gemeinde befindet oder in sonstiger Weise zumindest ein für die Zeit der vorgesehenen Durchführung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen geltendes Verfügungsrecht der Gemeinde über diese Fläche besteht.
72Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.12.2017 - 10 D 97/15.NE -, NuR 2018, 138 = juris; Bay. VGH, Urteil vom 5.10.2021 - 15 N 21.1470 -, juris, m. w. N.; Wahlhäuser in: Bischopink/Külpmann/
73Wahlhäuser, Der sachgerechte Bebauungsplan, 5. Auflage, 2021, Rn. 1086 sowie Kuschnerus in der 4. Auflage, 2010, Rn. 594, beide m. w. N.
74Verpflichtet sich - wie hier - ein Dritter der Gemeinde gegenüber vertraglich zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen, verlangt eine hinreichende rechtliche Sicherung der im einzelnen bezeichneten Ausgleichsmaßnahmen, dass über die vertragliche Vereinbarung hinaus sowohl eine dingliche Berechtigung des Dritten als auch der Gemeinde selbst an der zum Ausgleich vorgesehenen Fläche besteht.
75Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.12.2017 - 10 D 97/15.NE -, NuR 2018, 138 = juris.
76Jedenfalls an einer solchen dinglichen Berechtigung der Antragsgegnerin hinsichtlich der im Plangebiet durchgeführten Ausgleichsmaßnahmen auf dem Flurstück 101 (ehemals Flurstück 14) in Gestalt der zwei Brutgruben, etwa in Form einer Grunddienstbarkeit zulasten des Vorhabengrundstücks, fehlte es vorliegend. Dies haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Frage gestellt. Die ausschließliche Sicherung dieser Maßnahmen durch den städtebaulichen Vertrag gewährleistet gerade nicht den Fortbestand der Brutgruben zum Beispiel im Falle des Eigentümerwechsels. Dem städtebaulichen Vertrag kommt mithin keine einer Festsetzung im Bebauungsplan vergleichbare Sicherungsfunktion zu.
77Der danach gegebene Abwägungsmangel ist nach Maßgabe von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 BauGB beachtlich. Er ist auch nicht nach § 215 Abs. 1 BauGB unbeachtlich geworden, weil er von der Antragstellerin rechtzeitig, nämlich mit der Antragsbegründung, hinreichend gerügt worden ist.
78Der Mangel führt nach den oben aufgezeigten Grundsätzen auch zur Gesamtunwirksamkeit des Planes, weil nicht angenommen werden kann, dass die Antragsgegnerin bei zutreffender Beurteilung der Ausgleichsmaßnahmen nach Maßgabe des § 1a Abs. 3 BauGB auf eine den rechtlichen Voraussetzungen genügende Sicherung der Ausgleichsmaßnahmen auf dem Vorhabengrundstück verzichtet hätte.
79Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
80Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
81Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
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