Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 A 11109/12

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13.09.2012 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Bescheid vom 08.07.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 04.03.2010 werden dahin abgeändert, dass dem Kläger die Nutzung der dort genannten Grundstücke zur Anlage von Stellplätzen untersagt wird, soweit die Zahl der Stellplätze von insgesamt 91 überschritten wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben die Beklagte und die Beigeladene zu je 1/10 und der Kläger zu 4/5 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge des Klägers tragen dieser zu 4/5 und die Beklagte und die Beigeladene zu je 1/10. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge der Beklagten und der Beigeladenen tragen diese jeweils zu 1/5 und der Kläger zu 4/5.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Beteiligten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht zuvor der gegnerische Beteiligte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Nutzungsuntersagung.

2

Er nutzt die in seinem Eigentum stehenden Grundstücke Flur ... Parz. Nr. .../..., Flur ... Parz. Nr. .../... sowie ... und die gepachteten Grundstücke Flur ... Parz. Nr. ..., ...und ... für den Betrieb eines Hotels (A... Hotel F...). Nach dem Vorbringen der Beteiligten genehmigte die Kreisverwaltung des Rhein-Hunsrück-Kreises durch Bescheid vom 09.08.2005 die Anlage von 53 Stellplätzen auf den Grundstücken Flur ... Parz. Nr. .../..., Flur ... Parz. Nr. .../... sowie ...

3

Der Kläger beantragte am 30.01.2009 eine Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 66 LBauO für die Errichtung einer Stellplatzanlage mit insgesamt 81 Stellplätzen auf dem genannten Grundstück, das nicht im Geltungsbereich eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes liegt. Mit Bescheid vom 07.04.2009 erteilte die beklagte Baugenehmigungsbehörde die Genehmigung zur Errichtung von 27 Stellplätzen für PKW und lehnte die Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die 54 weiteren Stellplätze unter Hinweis auf die Satzung der Ortsgemeinde Lautzenhausen über die Herstellung von Stellplätzen und Garagen vom 20.08.2008 – StellplS – ab. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger rechtzeitig Widerspruch ein.

4

Nachdem im Rahmen zweier Ortsbesichtigungen festgestellt worden war, dass der Kläger auf den genannten Grundstücken insgesamt 149 bzw. 114 PKW abgestellt hatte, erließ die Beklagte unter dem 08.07.2009 eine teilweise Nutzungsuntersagung, mit dem Kläger die Nutzung der Stellplatzanlage in folgendem Umfang untersagt wurde:

5

Grundstück Flur 1 Parz. Nr. 70/10

soweit mehr als 18 Stellplätze

Grundstück Flur 6 Parz. Nr. 23/1

soweit mehr als 5 Stellplätze

Grundstück Flur 6 Parz. Nr. 26

soweit mehr als 30 Stellplätze

Grundstück Flur 6 Parz. Nr. 21

und 22 soweit mehr als 27 Stellplätze

Grundstück Flur 6 Parz. Nr. 25

in vollem Umfang

insgesamt

soweit mehr als 80 Stellplätze.

6

Gegen die Nutzungsuntersagung legte der Kläger rechtzeitig Widerspruch ein.

7

Mit Bescheid vom 18.01.2010 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers gegen die Ablehnung der Baugenehmigung ab und erteilte ihr für die Errichtung von insgesamt weiteren 81 Stellplätzen eine Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Dem Bescheid waren folgende Hinweise beigefügt:

8

„…Die Prüfung beschränkt sich hierbei auf die Zulässigkeit des Vorhabens nach den Bestimmungen des Baugesetzbuches (BauGB) und der sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften außerhalb des materiellen Bauordnungsrechts. Wir weisen deshalb ausdrücklich darauf hin, dass

9

- diese Genehmigung nur eine begrenzte Feststellungswirkung hat und dementsprechend auch nur ein begrenzter Vertrauensschutz zugunsten des Bauherrn begründen kann.
- die Verantwortung für die Einhaltung auch der nicht geprüften Bestimmungen des materiellen Bauordnungsrechts (insbesondere der LBauO) beim Bauherrn und den von ihm bestellten Personen liegt …

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Wichtiger Hinweis:

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Die Genehmigung berücksichtigt nicht die Festsetzung der Satzung der Ortsgemeinde Lautzenhausen über die Herstellung von Stellplätzen und Garagen vom 20.08.2008 (StellplS). Diese ist jedoch bei der Ausführung des Bauvorhabens zu beachten. Wir verweisen insoweit auf unsere Nutzungsuntersagung vom 08.07.2009, die weiterhin zu beachten ist …“

12

Der Widerspruch gegen die Nutzungsuntersagung vom 08.07.2009 blieb ohne Erfolg. Im Widerspruchsbescheid vom 04.03.2010 hieß es zur Begründung im Wesentlichen, die Nutzungsuntersagung wegen materieller Illegalität aufgrund des Widerspruchs zur Stellplatzsatzung der Ortsgemeinde Lautzenhausen sei nicht zu beanstanden.

13

Auf die dagegen gerichtete Anfechtungsklage des Klägers hat das Verwaltungsgericht Koblenz den Bescheid vom 08.07.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 04.03.2010 durch Urteil vom 13.09.2012 aufgehoben. In den Gründen dieser Entscheidung heißt es im Wesentlichen, die Stellplatzsatzung der beigeladenen Ortsgemeinde sei unwirksam. Mit der Regelung des § 2 Abs. 3 StellplS habe die Beigeladene den ihr verfassungsgerichtlich vorgegebenen Kompetenzrahmen verlassen. Es handele sich hier um ein Verbot gewerblicher Stellplatzvermietung und somit um eine bodenrechtliche Regelung. Ortsgemeinden seien aber nicht befugt, bodenrechtliche Regelungen im Rahmen bauordnungsrechtlicher Vorschriften zu erlassen, selbst wenn sie damit im weitesten Sinne gestalterische Ziele mit verfolgten. Das von der Beigeladenen mit der Stellplatzsatzung verfolgte Ziel, ein bestimmtes Gebiet von gewerblich vermieteten Stellplätzen freizuhalten, sei einerseits schon deshalb dem Bauplanungsrecht zuzuordnen, weil damit Grund und Boden der Betroffenen unmittelbar zum Gegenstand einer rechtlichen Ordnung gemacht würden. Das vorgenannte Ziel sei andererseits deshalb dem Planungsrecht zuzuordnen, weil es mit bauplanungsrechtlichen Instrumenten zu erreichen sei. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO können nämlich die Art der zulässigen bzw. nicht zulässigen Nutzung differenziert geregelt werden. Stelle man auf die für die Stellplätze benötigten Flächen ab, so böten § 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 6 BauNVO eine bauplanungsrechtliche Möglichkeit festzulegen, an welchen Stellen in einem Plangebiet Stellplätze zulässig sind oder nicht. Es sei unerheblich, ob bauordnungsrechtliche Ziele vor-, gleich- oder nachrangig gegenüber planungsrechtlichen verfolgt würden. Eine gestalterische Zielsetzung rechtfertige es nicht, dass die Beigeladene die ihr über § 88 Abs. 3 Nr. 3 LBauO zugebilligten Kompetenzen überschreite in dem sie bauplanungsrechtlich agiere. Überdies sei es nicht zutreffend, wenn der Senat in seinem Urteil vom 03.11.2011 davon ausgehe, dass die Beigeladene vorrangig ihr Ortsbild schützen wolle. Aus Satzungstext und Begründung sowie den Verfahrensablauf ergebe sich vielmehr, dass die Beigeladene zumindest mit gleicher Intensität die dörfliche Struktur habe schützen wollen; der Begriff der Siedlungsstruktur habe aber auch städtebaulichen Charakter.

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Selbst wenn man unterstelle, dass das Verbot gewerblich genutzter Stellplätze in § 2 Abs. 3 StellplS vom Inhalt her verfassungskonform auf eine Ermächtigung stützen könnte, dürfte es im nördlichen Bereich der H...straße, also etwa ab der südlichen Einmündung der Straße „A... F...platz“ (Parzelle ...), nicht angewendet werden. Denn der räumliche Anwendungsbereich der Stellplatzsatzung überschreite jedenfalls insoweit den in § 88 Abs. 3 Nr. 3 LBauO vorgegebenen Rahmen. Es sei nämlich zu prüfen, ob eine Satzung insgesamt oder bezogen auf ihren räumlichen Geltungsbereich erfolge. Das in § 2 Abs. 3 StellplS enthaltene Verbot sei jedenfalls im nördlichen Bereich der H...straße nicht erforderlich. Nach § 88 Abs. 3 Nr. 3 LBauO sei die Reglementierung von Stellplätzen nur zulässig, wenn Bedürfnisse des Verkehrs oder städtebauliche Belange dies erforderten. Zu der Frage, ob die Stellplatzsatzung der Beigeladenen im gesamten Bereich erforderlich sei, verhalte sich das genannte Urteil des Senats nicht. Eine dahingehende Prüfung wäre ohnehin nicht möglich gewesen, da bis dato nicht hinreichend klar sei, für welches Ziel die Satzung erforderlich sein solle. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Beigeladene nicht präzisiere, was sie unter dem aus ihrer Sicht zu schützenden Ortsbild verstehe. Insbesondere könne für den gesamten Geltungsbereich der Stellplatzsatzung kein typisch dörfliches oder sonstiges Ortsbild festgestellt werden, das durch abgestellte PKWs per se gestört werde.

15

Die Stellplatzsatzung könne der Vermietung von Stellplätzen schließlich deshalb nicht entgegengehalten werden, weil insoweit eine Abweichung hätte erteilt werden müssen. Die in § 4 StellplS i.V.m. § 69 LBauO genannten Voraussetzungen für eine Abweichung, für die kein gesonderter Antrag erforderlich sei, seien gegeben.

16

Ermessensfehlerhaft sei die angegriffene Nutzungsuntersagung ferner deshalb, weil sie zu Unrecht mit einem Verstoß gegen formelles Baurecht begründet worden sei.

17

Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und die Beigeladene rechtzeitig Berufung eingelegt. Eine mit Eingangsstempel versehene Berufungsbegründungsschrift befindet sich nicht bei den Gerichtsakten. Eine nicht mit Eingangsstempel versehene Berufungsbegründungsschrift zum vorliegenden Verfahren wurde bei der Akte des parallelen Verfahrens 1 A 11110/12.OVG aufgefunden.

18

Die Beklagte und die Beigeladene tragen vor, wie sich aus der vorgelegten Kopie der Entwurfsfassung der Berufungsbegründung einschließlich des auf dieser Fassung notierten Absendevermerks des Sachbearbeiters ergebe, sei die Berufungsschrift am 20.11.2012 zur Post gegeben worden. Die ordnungsgemäße Versendung der Berufungsbegründung sei somit am gleichen Tag wie in den beiden Parallelverfahren 1 A 11110/12.OVG und 1 A 11111/12.OVG erfolgt. Da im Verfahren 1 A 11111/12.OVG die Berufungsbegründung mit Eingangsstempel zu den Akten genommen worden sei, müsse die Berufungsbegründung im vorliegenden Verfahren am gleichen Tag bei Gericht eingegangen sein.

19

In der Sache beziehen sie sich zur Begründung auf den Inhalt des Urteils des Senats vom 03.11.2011 (Az.: 1 A 10417/11.OVG) und tragen ergänzend vor, das Verwaltungsgericht verkenne, dass es bei der Begrenzung der Zahl der Stellplätze primär um die Abwehr von dörflichen Verunstaltungen gehe. Die Beigeladene habe immer wieder dargelegt, dass sie mit der Stellplatzsatzung verhindern möchte, dass wesentliche Teile des Ortes zu einer Parkplatzlandschaft verkommen. Gerade darin sehe sie eine erhebliche und untypische Verunstaltung ihres örtlichen Straßen- und Ortsbildes. Damit bewege sich die Stellplatzsatzung im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 88 Abs. 3 Nr. 3 LBauO. Im Gegensatz zum Verwaltungsgericht gehe der Senat mit dem genannten Urteil zu Recht davon aus, dass durch die Stellplatzsatzung kein gänzliches Verbot gewerblicher Vermietung erfolge. Vielmehr handele es sich um eine bloße Einschränkung der Stellplatzvermietung. Im Rahmen der Richtzahlen bleibe es möglich, im Einzelfall Stellplätze anderweitig zur Verfügung zu stellen, wenn diese für die Wohnnutzung nicht gebraucht werden. Nur Mietplätze im größeren Rahmen allein für Fluggäste würden als unverträglich mit der Ortsstruktur und dem Ortsbild angesehen.

20

Die durch das Verwaltungsgericht festgestellten Ermessensfehler seien nur auf der Basis der Feststellung des Verwaltungsgerichts konsequent. Nehme man aber an, dass die Stellplatzsatzung zu Recht von einer gestalterischen Begrenzung ausgehe, bleibe für eine Abweichung auch kein Raum.

21

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13.09.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

23

Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

25

Er ist der Auffassung, die Berufung sei als unzulässig zu verwerfen, da eine Berufungsbegründungsschrift nicht rechtzeitig eingegangen sei. Eine Wiedereinsetzung sei nicht beantragt worden und könne mangels einer unverschuldeten Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch nicht gewährt werden.

26

In der Sache bezieht sich der Kläger auf das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor, die Stellplatzsatzung sei von der Beklagten bzw. der Ortsgemeinde Lautzenhausen herangezogene Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Ohne entsprechende rechtliche Grundlage werde in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers eingegriffen. Zunächst seien die Stellplätze genehmigt worden, weil der Kläger Anspruch auf Genehmigung gehabt habe. Anschließend sei die Nutzung der genehmigten Stellplätze durch die Nutzungsuntersagung eingeschränkt worden. Selbst wenn dieser Eingriff rechtmäßig wäre, könne er nicht ohne entsprechende Entschädigung vorgenommen werden.

27

Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt, dass der Geltungsbereich der Satzung nicht uneingeschränkt auf den gesamten Ortsbereich ausgedehnt werden könne. In keinem Fall könne er für den nördlichen Bereich der H...straße ausgedehnt werden. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass bereits vor der Stellplatznutzung durch den Kläger auf den in Rede stehenden Grundstücken in erheblichem Umfang Stellplätze vorhanden gewesen seien. Die Beklagte hätte ferner zwischen dem eigentlichen Ortskern und den Industrie- und Gewerbegebieten unterscheiden müssen.

28

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie aus dem Inhalt der vorliegenden Widerspruchsakte (4 Hefte). Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet worden. Zwar befindet sich bei den Akten nur die Berufungsbegründungsschrift vom 19.11.2012 die keinen Stempelaufdruck oder Vermerk aufweist, der Auskunft über den Zeitpunkt des Eingangs dieses Schreibens geben könnte. Der Senat geht aber davon aus, dass dieser Schriftsatz am 21.11.2012 und damit rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 26.11.2012 bei Gericht eingegangen ist. Dafür spricht zunächst der von der Beklagten vorgelegte Aktenauszug, der den Entwurf der Berufungsbegründungsschrift enthält, der mit Paraphen des Bürgermeisters und weiter Mitarbeiter und einem handschriftlichen Vermerk „ab 20.12.12“ versehen ist. Ferner hat der Verwaltungsangestellte W... auf Befragen in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er für die drei Verfahren 1 A 11109/12.OVG,1 A 11110/12.OVG und 1 A 11111/12.OVG jeweils die Berufungsbegründungschrift mit zwei Zweitschriften in einen Umschlag gesteckt und diesen eigenhändig zur Post gegeben habe. Der Senat sieht keine Veranlassung an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln, da es einerseits plausibel erscheint, dass der Schriftverkehr in den drei genannten parallelen Verfahren gemeinsam erledigt wird und andererseits, wie noch auszuführen sein wird, in allen drei Verfahren auch tatsächlich ein entsprechender Schriftsatz der Beklagten bei Gericht eingegangen ist.

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Da im parallelen Verfahren 1 A 11111/12.OVG die Berufungsbegründungsschrift rechtzeitig zu den Akten gelangt ist, kann daher geschlossen werden, dass in allen drei Verfahren mit gleicher Post ein Schriftsatz mit der Berufungsbegründung rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist. Darüber hinaus konnte durch Einsichtnahme in die Handakten des Prozessbevollmächtigten des Klägers in dem Verfahren 1 A 11111/12.OVG festgestellt werden, dass diesem durch das Gericht die das Verfahren 1 A 11110/12.OVG betreffende Berufungsbegründungsschrift (Schriftsatz vom 19.11.2012) zugestellt worden ist. Ausweislich der Gerichtsakten war die Geschäftsstelle durch Verfügung des Vorsitzenden (vgl. Bl. 203 GA der Gerichtsakten 1 A 11111/12.OVG) angewiesen worden, die Berufungsbegründungsschrift zum Verfahren 1 A 11111/12.OVG den dortigen Klägern zur Kenntnis zu geben. Wenn daraufhin die Geschäftsstelle irrtümlich die Berufungsbegründungsschrift zum Verfahren 1 A 11110/12.OVG übersandt hat, schließt der Senat daraus, dass auch die Berufungsbegründungsschrift im Verfahren 1 A 11110/12.OVG rechtzeitig bei Gericht eingegangen war; einen nicht eingegangenen Schriftsatz hätte der Geschäftsstellenbeamte nicht weiterleiten können. Ferner wurde eine Ausfertigung eines Berufungsbegründungsschreibens zum vorliegenden Verfahren 1 A 11109/12.OVG in der Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 A 11110/12.OVG aufgefunden; dieses Schreiben lag bei der Handakte, wie dies bei Überstücken von Schriftsätzen üblich ist.

31

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der Senat davon überzeugt, dass am 21.11.2012 und damit rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 26.11.2012 Berufungsbegründungsschriften zu sämtlichen der drei genannten parallelen Verfahren bei Gericht eingegangen sind, dass aber der Geschäftsstellenbeamte versehentlich annahm, einen Schriftsatz im Verfahren 1 A 11111/12.OVG mit mehreren Zweitschriften vor sich zu haben.

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Geht man aber davon aus, dass der rechtzeitige Eingang der Berufungsbegründungsschrift bei Gericht nicht nachgewiesen ist, so ist der Beklagten und der Beigeladenen gemäß § 60 Abs. 2 S. 4, Abs.1 und § 60 Abs. 2 S. 1 VwGO Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Voraussetzung dafür ist, dass die versäumte Rechtshandlung hier die Einreichung der die Berufungsbegründungschrift innerhalb eines Monats nachgeholt worden ist und die Berufungsführer ohne Verschulden gehindert waren, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Berufungsführer haben bereits zwei Tage, nachdem sie durch Verfügung des Vorsitzenden auf das Fehlen einer Berufungsbegründungsschrift hingewiesen worden waren eine solche nachgereicht. Der Umstand, dass eine Kopie des nur paraphierten Entwurfs der Berufungsbegründungsschrift vorgelegt worden ist, ist dabei unschädlich. Diese Kopie ist nämlich mit einem von dem postulationsfähigen Bürgermeister der Beklagten unterschriebenen Schriftsatz vorgelegt worden. Dass die Fristversäumung unverschuldet war, ergibt sich aus den Ausführungen oben, wonach die Berufungsbegründungsschrift ordnungsgemäß zur Post gegeben worden und die Fristversäumung auf einen Fehler der Geschäftsstelle des Gerichts zurückzuführen ist. Darauf, dass die Wiedereinsetzung nicht förmlich beantragt worden ist kommt es nicht an, da gemäß § 60 Abs. 2 S. 4 VwGO die Wiedereinsetzung auch von Amts wegen erteilt werden kann.

33

Die somit zulässige Berufung ist teilweise, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

34

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage nicht in vollem Umfang stattgeben dürfen.

35

Gemäß § 81 Satz 1 LBauO RP vom 24.11.1989 (GVBl. S. 365) zuletzt geändert durch Gesetz vom 09.03.2011 (GVBl. S. 47 - LBauO -) kann die Bauaufsichtsbehörde die Benutzung von baulichen Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 LBauO, die gegen baurechtliche sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften u.a. eine Nutzungsuntersagung aussprechen, wenn sich auf andere Weise rechtmäßige Zustände nicht herstellen lassen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die streitigen Stellplätze, die gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 LBauO als bauliche Anlagen gelten, verstoßen gegen die Satzung der Beigeladenen über die Herstellung von Stellplätzen und Garagen vom 28.08.2008 - StellplS -, soweit auf dem Grundstück des Klägers mehr als 91 Stellplätze angelegt worden sind.

36

Gemäß § 2 Abs. 2 StellplS i.V.m. Nrn. 6.3, 6.1 und 4.2 der Anlage zur Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 24.07.2000 - StellplVV - berechnet sich die Zahl der zulässigen Stellplätze im Falle der Kläger wie folgt:

37

Satzungsbestimmung:
§ 2 Abs. 1 StellplS i.V.m….

Gegebenheiten hier

daraus folgende
Zahl der Stellplätze

Nr. 6.3 StellplVV: Hotels,..
„…1 Stpl. je 2-6 Betten…“

90 Betten

15 - 45

„…für zugehörigen
Restaurationsbetrieb Zuschlag…
1 Stellplatz je 6-12 m² Gastraum.“

187,6 m² Gastraum
+ 63 m²
Außengastronomie
= 250,6 m²

20,89 - 41,77-

Nr. 4.2 StellplVV: „…Vortragssäle…
1 Stpl. je 5 Sitzplätze…“

20 Sitzplätze

2 - 4 

38

Insgesamt ergibt sich bei Anwendung der Stellplatzsatzung danach folgendes Zwischenergebnis:

39

Nrn. 6.3.6.3 i.V.m 6.1 und 4.2 StellplVV:

Hotel insgesamt

 37,89 - 90,77

40

Dadurch, dass § 2 Abs. 1 S. 2 StellplS die StellplatzVV zum Bestandteil der Satzung erklärt hat, ergibt sich als Stellplatzbedarf nach § 2 Abs. 1 S. 2 StellplS nur ein Rahmenwert. Zweifel an der Bestimmtheit der Norm sind aber unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 3 StellplS gleichwohl nicht begründet. Dort wird folgendes geregelt:

41

Über die in den Absätzen 1 und 2 genannten Stellplätze hinaus sind weitere Stellplätze…nicht zulässig.

42

Danach sollen Stellplätze nur insoweit verboten sein, als die Zahl der Plätze den nach Absatz 1 ermittelten Stellplatzbedarf überschreitet. Ausgehend von dem ermittelten Rahmenwert von – gerundet - 38-91 Plätzen folgt daraus für den vorliegenden Fall, dass das Verbot des § 2 Abs. 3 StellplS greift, soweit mehr als 91 Parkplätze angelegt werden sollen.

43

Die weitergehende Berufung ist unbegründet. Entgegen den Überlegungen des Verwaltungsgerichts ist die Stellplatzsatzung rechtmäßig ergangen.

44

Wie der Senat mit seinem Urteil vom 3.11.2011 (-„Lautzenhausen I“- Az.: 1 A 10417/11.OVG, NVwZ-RR 2012, 247f) ausgeführt hat, verstößt zunächst die durch § 88 Abs. 3 Nr. 3 LBauO ausgesprochenen Ermächtigung nicht gegen Bundesrecht. Im genannten Urteil heißt es dazu:

45

„…Allerdings kann insbesondere die Ortsbildgestaltung sowohl bauplanungsrechtliche als auch bauordnungsrechtliche Regelungen ermöglichen oder erforderlich machen (BVerwG vom 10.07.1997, NVwZ-RR 1998, 486). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört nämlich die Gestaltung des Ortsbildes weder allein dem bundesrechtlichen Bauplanungsrecht noch allein dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht an; sie ist vielmehr je nach „Regelungsgegenstand“ oder „Zielsetzung“ dem einen oder dem anderen Bereich zuzuordnen (vgl. BVerwG NVwZ 1993, 983; NVwZ 1994, 1010; BRS 25, Nr.127). Auch hinsichtlich der hier in den Blick zu nehmenden Begrenzung der Möglichkeit auf einem Grundstück Stellplätze anzulegen, liegt ein solcher Fall einer nahezu parallelen bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Steuerungsmöglichkeit vor : Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4, 1 BauGB kann die Gemeinde im Bebauungsplan Regelungen zu Flächen für Stellplätze treffen und gemäß § 12 Abs. 6 BauNVO insbesondere festsetzen, dass „…Stellplätze …nur in beschränktem Umfang zulässig sind, …“. § 88 Abs. 3 Nr. 2 LBauO bestimmt dagegen, dass die Gemeinden „,… die Herstellung von Stellplätzen….einschränken (können) …soweit städtebauliche Gründe dies erfordern.“ Gegenstand und Zielsetzung dieser beiden Instrumentarien sind aber nicht notwendig identisch. Während im Bebauungsplan die Freihaltung bestimmter Flächen eines Grundstücks oder allgemein die Sicherung einer bestimmten Gebietsstruktur angestrebt wird - etwa zur Sicherung der Wohnruhe oder der Qualität des Wohnumfeldes - oder zumindest Bestandteile des Orts- und Straßenbildes um ihrer städtebaulichen Qualität willen einer Regelung unterworfen werden, stehen bei der bauordnungsrechtlichen Begrenzung der Stellplätze die Abwehr von Verunstaltungen und die Wahrung ästhetischer Belange im Vordergrund. Das in § 88 Abs. 3 Nr. 3 LBauO enthaltene Tatbestandsmerkmal der städtebaulichen Gründe ist daher bundesrechtskonform einschränkend dahin auszulegen, dass hier nicht die der Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers entzogene städtebauliche Ordnung i.S. des § 8 Abs. 1 BauGB angesprochen ist, sondern die in § 5 Abs. 1 Satz 2 LBauO geregelte Pflicht des Grundstückseigentümers und Bauherrn näher ausgestaltet werden soll, wonach bauliche Anlagen - damit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 LBauO auch Stellplätze- mit Ihrer Umgebung so in Einklang zu bringen sind, dass sie u. A. das Straßen -, Orts- oder Landschaftsbild nicht verunstalten…“.

46

Daran wird festgehalten, da auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Verwaltungsgerichts und der Kläger für den Senat nicht erkennbar ist, dass der Landesgesetzgeber durch § 88 Abs. 3 Nr. 3 LBauO die bundesrechtliche Zuständigkeit für das Bodenrecht (konkurrierende Gesetzgebung, Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG), von der der Bund durch Erlass des BauGB Gebrauch gemacht hat, missachtet haben könnte. Da in der Rechtsprechung geklärt ist, dass das Baugestaltungsrecht je nach der gesetzgeberischen Zielsetzung sowohl einer bauplanungsrechtlichen als auch einer bauordnungsrechtlichen Regelung zugänglich sein kann (zuletzt BVerwGE 129, 318 ff), ist hier, auch dies wurde im Urteil „Lautzenhausen I“ bereits ausgeführt, nach dem mit der Stellplatzsatzung verfolgten Ziel zu fragen. Der Senat vermag sich daher der Überlegung des Verwaltungsgerichts, wonach das mit der Stellplatzsatzung verfolgte Ziel schon deshalb, „…dem Planungsrecht zuzuordnen [sei], weil es mit bauplanungsrechtlichen Instrumenten zu erreichen ist…“ (so offenbar auch Jeromin, LBauO, § 88 Rn 4a) nicht anzuschließen. Die hier angenommene Sperrwirkung kommt dem Festsetzungskatalog des § 9 Abs.1 BauGB nicht zu. Maßgeblich ist vielmehr der objektiv-rechtliche Regelungszweck der Satzung, wie er sich bei teleologischer Auslegung mit Rücksicht auf ihren Regelungsgegenstand und die Regelungsfolgen ergibt (vgl. BVerwGE 129, 318ff). Die hier festzustellende baupflegerische Zielsetzung (zu diesem Begriff vgl. BVerwGE 21, 251, 255), Verunstaltungen des Straßenbildes abzuwehren ist aber ein klassisches bauordnungsrechtliches Anliegen.

47

Die Stellplatzsatzung hält sich im Rahmen der Ermächtigung des § 88 Abs. 3 Nr. 3 LBauO. Der maßgebliche Regelungszweck besteht in der Verunstaltungsabwehr durch Begrenzung der übermäßigen Nutzung der Grundstücke im Geltungsbereich der Satzung für das Abstellen von Fahrzeugen. Dies folgt zunächst schon aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 StellplS,

48

Über die in den Absätzen 1 und 2 genannten Stellplätze hinaus sind weitere Stellplätze (z.B. Mietstellplätze) nicht zulässig.

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der belegt, dass Stellplätze über eine bestimmte Zahl hinaus unzulässig sein sollen. Anhaltspunkte dafür, dass hier - so die gedankliche Konstruktion des Verwaltungsgerichts - nur gewerbliche Stellplätze verboten, die nicht gewerblichen aber erlaubt sein sollen, fehlen. Die zitierte Regelung gilt allgemein für Stellplätze, Mietstellplätze werden nur in Form eines Klammerzusatzes beispielhaft angesprochen. Ebenso wenig erlaubt der Wortlaut der Norm den Schluss auf weitergehende, über die schlichte Begrenzung der Zahl der Abstellplätze hinausgehende Ziele.

50

Ein anderes Verständnis der Norm ist auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung, die sich anhand der Begründung zur Stellplatzsatzung und der Entstehungsgeschichte erkennen lassen, nicht geboten. Bereits in den Entscheidungsgründen des Urteils des Senats “Lautzenhausen I“ (vgl. S. 10f des amtlichen Umdrucks = juris, Rdnrn 25-40) war anhand von Zitaten aus der Begründung zur Stellplatzsatzung und aus den Protokollen der Sitzungen des Ortsgemeinderates, auf die das Verwaltungsgericht nicht eingeht, im Einzelnen dargelegt worden, dass mit der Satzung die übermäßige Nutzung der Grundstücke durch PKW-Stellplätze abgewehrt (gedeckelt) werden soll.

51

Zwar finden sich in der Begründung der Satzung auch Wortfolgen wie "...überwiegend dörflich geprägte Ortsstruktur (Ortsbild)...", „…das markante noch dörflich geprägte Ortsbild…“, "…kleinstrukturierte Ortslage...", "...dörfliche Gepräge und Freiräume zur dörflichen Nutzung..." und "...ortstypische Gestaltungsmerkmale des Dorfes...", die isoliert betrachtet Veranlassung geben könnten, der Satzung auch bauplanungsrechtliche Zielsetzungen zu unterstellen. Abgesehen davon, dass eine solche Interpretation im Wortlaut der Norm keine Stütze erfahren würde, lassen sich aus der Satzung und der Begründung auch keinerlei konkrete Vorstellungen von einer bestimmten städtebaulichen Qualität, die es zu schaffen oder zu erhalten gälte, erkennen. Ausgangspunkt der Überlegungen des Normgebers und Grund für den Erlass der Regelungen ist vielmehr das "Parken in Lautzenhausen" (so der Titel des vorbereitenden Arbeitskreises und Nr. 3 der Begründung) oder, wie es anderer Stelle heißt, die "Parkraumproblematik", die "Parkraumsituation in Lautzenhausen", "...Die derzeit insgesamt ca. 520 gewerblich genutzten Stellplätze..." (vgl. Nr. 3 der Begründung), "...das weitgehende Zuparken der Ortslage..." etc. Die hier erkennbare Zielrichtung des Satzungsgebers drängt sich im Übrigen bei Betrachtung der zu den Planentstehungsakten genommenen Lichtbilder und unter Berücksichtigung der ebenfalls bei den Akten befindlichen Erhebungen über die Zahl der Stellplätze geradezu auf: Zur Überzeugung des Senats werden nach den Vorstellungen des Satzungsgebers die geparkten Fahrzeuge - jedenfalls ab einer bestimmten Anzahl - als Fremdkörper angesehen oder deren Anblick - um eine ältere Formel aus der Rechtsprechung (BVerwGE 2, 172, 175f) aufzugreifen - von dem Betrachter als belastend und Unlust erregend empfunden.

52

Dem Satzungsgeber geht es demgegenüber nicht darum, etwa für einen bestimmten Baugebietstyp eine bestimmtes Maß der Nutzung zu definieren (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 12 Abs. 6 BauNVO); ein bestimmter Baugebietstyp war erkennbar nicht Gegenstand der Überlegungen. Es geht auch nicht darum, ein Grundstück insgesamt oder näher bestimmte Teilflächen von Grundstücken von der Bebauung mit Stellplätzen freizuhalten oder festzulegen, an welchen Stellen in welcher Größe Stellplätze zulässig sein sollen (§ 9 Abs. 1 Nr. 4, 10, 22 BauGB). Die Regelung zielt ferner nicht - oder allenfalls nur am Rande auch, aber nicht dem Schwerpunkt nach - darauf ab, Störungen, die auf die umliegende Bebauung ausgehen könnten (§ 9 Abs. 1 Nr. 4, 10 BauGB, § 12 Abs. 6 BauNVO), Verkehrsstörungen durch Ein- und Ausfahrten oder eine Überlastung des Straßennetzes zu vermeiden (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB, § 12 Abs. 6 BauNVO). Das Regelungsinteresse des Satzungsgebers beruht insgesamt nicht darauf, dass oder in welcher Weise das Parken Grund und Boden in Anspruch nimmt, sondern darauf, dass sich die übermäßige Nutzung der Grundstücke durch Stellplätze auf die Umgebung verunstaltend auswirkt. Soweit dabei der Begriff "Ortsbild" verwendet wird, geht es daher nicht um planungsrechtlich-städtebauliche Zielsetzungen, sondern nur um ästhetische Belange, die sich in der Formel, der Ort solle nicht zu einem großen Parkplatz verkommen, zusammenfassen lassen.

53

Ob dieses übermäßige Parken gewerblich veranlasst ist oder nicht, war dabei für die Beigeladene nebensächlich. Zwar wirken sich die streitigen Regelungen sicherlich zwangsläufig so aus, dass durch sie die gewerbliche Überlassung von Stellplätzen betroffen ist, denn ohne die gewerbliche Überlassung von Stellplätzen an Flugreisende wäre ein Regelungsbedürfnis erst gar nicht entstanden. Die Begrenzung der gewerblichen Stellplatzvermietung ist aber lediglich eine unvermeidbare (Neben-) Folge, nicht aber das Ziel der Regelung. Wäre der an den Auswirkungen für das Mietparken orientierte Ansatz des Verwaltungsgerichts richtig, müsste jede bauordnungsrechtliche Regel, die zur Ablehnung eines Bauantrages bzgl. einer gewerblichen Nutzung führt, als Regelung der Art der baulichen Nutzung verstanden und dem Bauplanungsrecht zugeordnet werden. Im Übrigen greift die Überlegung des Verwaltungsgerichts auch zu kurz, wonach ein Verbot gewerblicher Stellplätze daraus folge, dass die über den Eigenbedarf hinausgehenden Stellplätze verboten würden. Zum einen gewährt die Satzung mehr Stellplätze, als der Eigenbedarf, wie er in der Stellplatzrichtlinie definiert ist. Zum anderen ist es einem Satzungsunterworfenen, wenn er für den Eigenbedarf an Stellplätzen eine Garage errichtet, nach § 2 StellplS unbenommen, in der zulässigen Zahl gewerbliche Stellplätze zu schaffen.

54

Die Stellplatzsatzung lässt auch hinsichtlich der Abgrenzung ihres Geltungsbereichs keine Rechtsfehler erkennen. Hierzu hatte der Senat mit seinem Urteil vom 03.11.2011 (-Lautzenhausen I -Az.: 1 A 10417/11.OVG, NVwZ-RR 2012, 247f) ausgeführt:

55

„…Allerdings geht der Senat bzgl. der in § 88 Abs. 1 Nr. 1 LBauO und in den Vorgängervorschriften enthaltenen Wortfolge „...in bestimmten bebauten oder unbebauten Teilen des Gemeindegebietes ...“ in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die gestalterische Absicht, die mit dem Erlass der Satzung verfolgt wird, gebietsspezifisch sein muss. Gegenstand der Festsetzungen müssen Besonderheiten sein, die gerade für das von der Satzung erfasste Gebiet charakteristisch sind. Dagegen kann es nicht ausreichen, dass eine Gemeinde mit der Gestaltungssatzung gestalterische Absichten verfolgt, die für das gesamte Gemeindegebiet in gleicher Weise verfolgt werden könnten (vgl. Urteile des Senats vom 22.09.1988, 1 A 82/86, AS 22, 277; vom 23.10.1997, 1 C 12163/96.OVG; vom 11. März 1999, 1 C 10320/98.OVG und vom 01.10.2008, 1 A 10362/08.OVG, AS 36, 381). Diese Überlegungen, an denen der Senat festhält, gelten auch für § 88 Abs. 3 LBauO. Das Tatbestandsmerkmal „für abgegrenzte Teile des Gemeindegebietes“ beinhaltet ebenso wie in § 88 Abs.1 Nr.1 LBauO das Tatbestandsmerkmal „für abgegrenzte Teile des Gemeindegebietes“ eine Einschränkung der Ermächtigung: Örtliche Bauvorschriften der in den Nrn. 1 bis 4 des § 88 Abs. 3 LBauO genannten Art dürfen nur für bestimmte Teile des Gemeindegebietes erlassen werden. Daraus folgt umgekehrt, dass eine derartige Satzung nach dem Willen des Gesetzgebers, anders als etwa bei § 88 Abs.1 Nrn. 2, 3 und 5 - 8 LBauO, nicht für das gesamte Gemeindegebiet erlassen werden dürfen (vgl. Urteil des Senats vom 22.09.1988, 1 A 82/86, AS 22, 277). Es muss vielmehr ein teilgebietsspezifisches Konzept verfolgt werden.

56

Soweit das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Frage nach der Beachtung der Ermächtigungsgrundlage die Auffassung vertreten hat, dass die Begrenzung des Geltungsbereichs einer Satzung nicht nur rein räumlich zu verstehen sei und sich die Abgrenzung des Gebietes etwa anhand seiner Prägung durch die Art der baulichen Nutzung orientieren müsse, folgt dem der Senat nicht uneingeschränkt. Insoweit muss zwischen der Reichweite der gesetzlichen Satzungsermächtigung des § 88 Abs. 3 LBauO einerseits und der Bestimmung des Geltungsbereichs der Satzung andererseits unterschieden werden. Das Tatbestandsmerkmal „für abgegrenzte Teile des Gemeindegebiets“ des § 88 Abs. 3 LBauO verlangt nur, dass mit den Nrn. 1 bis 4 angesprochenen Regelungsmöglichkeiten ein teilgebietsspezifisches Konzept verfolgt wird. Liegt der Satzung ein solches teilgebietsspezifisches Konzept zugrunde, kann der Gemeinde nicht vorgehalten werden, sie überschreite den durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage vorgegeben Rahmen. Für die Forderung, bei der Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals die Gebietsqualität zu berücksichtigen findet sich im Gesetz keine Grundlage. Auf die davon zu unterscheidende Frage, inwieweit die Gebietsqualität bei der Abgrenzung des Geltungsbereichs der Satzung von Bedeutung sein kann, wird im Rahmen der Überprüfung der Abwägung noch einzugehen sein.

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Das danach erforderliche nachvollziehbare gestalterische Konzept für ein bestimmtes Gemeindeteilgebiet liegt aber hier zweifellos vor. Wie sich aus den vorliegenden Karten ergibt, wird von der Stellplatzsatzung der Ortskern der Ortsgemeinde Lautzenhausen erfasst, während größere Teile der Gemeinde etwa der Bereich südlich des W... Weges, die Bebauung am S...weg und insbesondere die gesamte westlich und nördlich des Plangebietes gelegene Fläche hin zum Flughafengelände nicht dem Geltungsbereich der Satzung unterfallen. Nur für diesen Bereich verfolgt die Beigeladene Ihr Konzept der Begrenzung des Mietparkens...“

58

Auch daran wird festgehalten. Die Bedenken des Verwaltungsgerichts gründen auf der Annahme, es sei nicht erkennbar, für welches Ziel die Satzung erforderlich sein solle. Wie aber bereits oben ausgeführt, ist das mit der Satzung verfolgte Ziel ebenso einfach wie naheliegend: Der Ort soll nicht zu einem großen Parkplatz verkommen. Nicht zwingend ist daher die These des Verwaltungsgerichts die Regelungen dürften „…im nördlichen Bereich der H...straße, also etwa ab der südlichen Einmündung der Straße ‘A... F...platz‘…“ wegen des Erscheinungsbildes der Umgebung als Gewerbe- und Industriegebiet “…nicht angewandt werden…“. Eben weil die Gemeinde nicht an der Erhaltung einer bestimmten Gebietsqualität (etwa Dorfgebiet) interessiert war, sondern nur das übermäßige Abstellen von PKW verhindern wollte, war es sachgerecht, nicht auf die Gebietsqualität, sondern auf die potentielle Geeignetheit von Grundstücken als Abstellfläche abzustellen. Im Bereich der vom Kläger genutzten Grundstücke ist aber das Angebot von preisgünstigen Parkplätzen für die Fluggäste wegen der geringen Entfernung zum Flughafen besonders attraktiv; gerade dieses Gebiet von der Regelung auszuschließen, wäre daher zumindest nicht naheliegend.

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Im Übrigen ist aber bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der Abgrenzung des Geltungsbereichs der Satzung und der Festlegung des Ausmaßes der Begrenzung der Zahl der Stellplätze zu berücksichtigen, dass das Gesetz mit § 88 Abs. 3 Nr. 3 LBauO der Gemeinde ein grundsätzlich weites Ermessen einräumt. Die Gemeinde ist danach ermächtigt, hinsichtlich des „Ob“ des Erlasses einer Stellplatzsatzung und des „Wie“ der reglungstechnischen Ausgestaltung der Beschränkung der Zahl der zulässigen Stellplätze ihre eigenen gestalterischen Vorstellungen zu verfolgen, was ohne Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dazu führen kann, dass eine Gemeinde eine Stellplatzsatzung erlässt, die Nachbargemeinde aber davon absieht. Die Beurteilung der Frage, was „…städtebauliche Gründe…erfordern…“ ist grundsätzlich den Gemeinden, nicht den Gerichten übertragen. Die gerichtliche Überprüfung der Stellplatzsatzung hat sich daher auf eine Abwägungskontrolle zu beschränken. Zwar findet das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB auf örtliche Bauvorschriften mangels einer Verweisung in § 88 Abs. 6 Satz 2 LBauO keine Anwendung (OVG RP, Urteile vom 14.09.2005, 8 C 10317/05 und vom 11.03.1999, 1 C 10320/98, ESOVG-RP; BVerwG, Urteil vom 16.03.1995, NVwZ 1995, 899; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Stand: 106. EL 2012, § 9 BauGB Rn. 263, m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Senats müssen aber Gestaltungssatzungen gemäß § 88 Abs. 1 Nr. 1 LBauO landesrechtlich begründet nicht nur auf sachgerechten Erwägungen beruhen, sondern auch eine angemessene Abwägung der privaten Interessen der Grundstückseigentümer und der Belange der Allgemeinheit erkennen lassen, da auch die Ordnung der Baugestaltung Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt (OVG RP, Urteil vom 01.10.2008, 1 A 10362/08.OVG; Urteil vom 05.08.1993, NVwZ-RR 1994, 429; Urteil vom 23.10.1997, 1 A 12163/96, ESOVG-RP). Dies gilt gleichermaßen für eine Gestaltungssatzung nach § 88 Abs. 3 Nr. 3 LBauO.

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Das Abwägungsgebot wäre dann verletzt, wenn entweder eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattgefunden, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt worden wäre, was nach Lage der Dinge eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten und öffentlichen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Satzung berührten privaten und öffentlichen Belange in einer Weise vorgenommen worden wäre, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Ein derartiger Abwägungsfehler ist aber hier nicht ersichtlich. Zunächst ist der Wunsch, den Ort nicht zu einem großen Parkplatz verkommen zu lassen, ein legitimes gestalterisches Ziel. Ferner ist für den Senat nicht ersichtlich, dass die mit der Stellplatzsatzung ausgesprochene Begrenzung der Zahl der Stellplätze unverhältnismäßig sein könnte. Die mit der Satzung ausgesprochene Begrenzung ist bereits deshalb maßvoll, weil sie nur das Abstellen von PKW im Freien zum Gegenstand hat und die Möglichkeit, PKW in Garagen abzustellen, unberührt lässt. Ferner wird das Abstellen von PKW nicht verboten, sondern auch insoweit nur maßvoll begrenzt, im Falle des Klägers etwa auf 80 PKW. Der Kern der den betroffenen Grundstückseigentümern zugemuteten Belastung besteht somit darin, dass die Möglichkeit der Vermietung von Stellflächen an Nutzer des Flughafens Frankfurt-Hahn eingeschränkt wird. Dass der Satzungsgeber „…die städtebaulichen und gestalterischen Belange der Ortsgemeinde höher gewichtet, als die privatwirtschaftlichen Belange Einzelner…“(vgl. Nr. 5, 4. Abs. der Begründung zur Stellplatzsatzung) ist daher rechtlich nicht zu beanstanden und stellt insbesondere eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar.

61

Es sind auch im Übrigen keine Fehler bei der Beschlussfassung über die Stellplatzsatzung feststellbar. Soweit in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde, dass sich der Gemeinderat von den Interessen der Betreiberin des nahen Flugplatzes habe leiten lassen, führt dies nicht zur Fehlerhaftigkeit der Satzung. Insoweit muss zunächst darauf hingewiesen werden, dass die Beigeladene gemäß § 88 Abs. 6 S. 2 LBauO i.V.m. § 3 BauGB verpflichtet ist, der Öffentlichkeit und damit auch der Flughafenbetreiberin Gelegenheit zu geben, ihre Belange vorzutragen. Darüber hinaus ist die Satzung nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil sich die Begrenzung der Zahl der Stellplätze im Ergebnis für die Flughafenbetreiberin als günstig auswirken mag. Da eine Untersagung bzw. Einschränkung der Herstellung von Stellplätzen zwangsläufig dem einen nützt, dem anderen ungünstig ist, genügen derartige Auswirkungen nicht um die Fehlerhaftigkeit einer derartigen Satzung zu begründen.

62

Der vom Verwaltungsgericht weiter angenommene Anspruch auf Erteilung einer Abweichung besteht nicht. Nach § 88 Abs. 7 i.V.m. § 69 Abs. 1 LBauO kommt eine Abweichung ausnahmsweise in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Mit dem Zweck der Stellplatzsatzung, der, wie ausgeführt, darin besteht, das übermäßige Parken zu verhindern, ließe es sich nicht vereinbaren, dem Begehren des Klägers nachzugeben.

63

Die Beklagte war am Erlass der mit der Klage angegriffenen Untersagungsverfügung auch nicht durch die unter dem 18.01.2010 erteilte Baugenehmigung gehindert. Mit diesem Bescheid war nämlich mehrfach und ausführlich darauf hingewiesen worden, dass mit der Genehmigung gemäß § 66 Abs. 1 LBauO keine Aussage zur bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens getroffen ist und der Kläger bei Ausführung des Vorhabens die Bestimmungen der Stellplatzsatzung zu beachten habe.

64

Schließlich kann dem Verwaltungsgericht nicht gefolgt werden, soweit es davon ausgeht, die angegriffene Nutzungsuntersagung sei ferner deshalb ermessensfehlerhaft, weil sie mit einem Verstoß gegen formelles Baurecht begründet worden ist. Dies ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Bescheid der Beklagten vom 08. Juli 2009 sich nicht allein auf einen – tatsächlich nicht vorliegenden – Verstoß gegen formelles Baurecht stützt. Auf Seite 2 des Bescheides heißt es vielmehr:

65

„… Die Anlage verstößt darüber hinaus auch gegen materielles Baurecht, da gemäß der Stellplatzsatzung nur insgesamt 80 Stellplätze zulässig sind…“.

66

Danach ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass ihr aufgrund des § 81 Satz 1 LBauO die Befugnis zum Erlass einer Nutzungsuntersagung zusteht. Worin der vom Verwaltungsgericht angenommene Ermessensfehler liegen soll, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Die vom Verwaltungsgericht vermisste „Sonderfallprüfung“ ist ausweislich des Inhalts der Begründung des Bescheides vom 08.07.2009 erfolgt. Die Beklagte ist nämlich der Frage nachgegangen, ob im Falle des Klägers ein Verzicht auf die Benutzungsuntersagung ausnahmsweise möglich sein könnte, sie sah aber „keine Anhaltspunkte … die … einen Verzicht auf die Benutzungsuntersagung rechtfertigen könnten“.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

68

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

69

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

70

Beschluss

71

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 15.684,00 € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG).

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