Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (8. Senat) - 8 A 10717/16

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die Zulassung einer Abweichung von Zielen des Einheitlichen Regionalplans Rhein-Neckar durch den Beklagten zugunsten der Beigeladenen.

2

Die Beigeladene plant die Durchführung einer Erkundungsbohrung zur Erdöl- und Gasaufsuchung im Außenbereich nordwestlich der Ortslage der Gemeinde O. zwischen den Landesstraßen L … im Westen und L … im Osten. Vorgesehen ist ein etwa 1,5 ha großer Bohrplatz, der bei Nichtfündigkeit komplett zurückgebaut werden soll. Bei wirtschaftlicher Fündigkeit soll der Bohrplatz zum dauerhaften Förderplatz umgerüstet werden. Die Beigeladene knüpft damit an eine bereits seit Jahren erfolgende Öl- und Gasaufsuchung in der Region des mittleren Oberrheingrabens an. Der vorgesehene Standort der Bohrlokation ist im Einheitlichen Regionalplan Rhein-Neckar 2020 mit den Zielfestlegungen „Grünzäsur“ und „Vorranggebiet Landwirtschaft“ ausgewiesen.

3

Mit Schreiben vom 25. November 2014 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten die Zulassung der Abweichung von diesen Zielen des Raumordnungsplanes. Ausweislich der Antragsunterlagen war für die Bestimmung des Standortes maßgeblich, dass keine konkurrierenden Oberflächennutzungen wie beispielsweise die Ausweisung eines Landschaftsschutzgebietes vorliegen durften und die Erkundungsbohrungen technisch sicher und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand durchgeführt werden können. Der vorgesehene Abstand von etwa 1.000 m zum Zielgebiet im Bereich der Ortschaft O. erfülle diese Voraussetzungen. Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz sprach sich in einer Stellungnahme vom 19. Dezember 2014 gegen die beantragte Zielabweichung aus. Auch der Verband Region Rhein-Neckar wandte sich ebenfalls gegen die Zulassung einer Zielabweichung und verwies darauf, dass besser geeignete Standorte westlich der L … als Alternative in Betracht gezogen werden sollten. Mit Bescheid vom 30. Januar 2015 ließ der Beklagte die beantragte Zielabweichung zu. Zur Begründung führte er aus, dass erst die im Zusammenhang mit der Aufsuchung des Feldes R. erfolgten seismischen Untersuchungen Hinweise auf eine Lagerstätte am Standort O. ergeben hätten. Hierdurch seien veränderte Tatsachen entstanden, die bei der Erstellung des Einheitlichen Regionalplans Rhein-Neckar nicht mehr hätten berücksichtigt werden können. Die Abweichung von den Zielen der Raumordnung sei unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar. Der Einheitliche Regionalplan Rhein-Neckar spreche sich in Grundsatz 2.4.1.4 dafür aus, das Aufsuchen und Gewinnen von Energierohstoffen wie Erdöl, Erdgas und Erdwärme weiter zu fördern und sicherzustellen. Aufgrund der Standortgebundenheit des Rohstoffs ergebe sich ein eng begrenzter Suchraum. Alternative Bohrstandorte schieden aus, da sie bebaut seien oder ein hohes naturschutzfachliches Konfliktpotential aufgewiesen hätten. Alle weiteren Flächen innerhalb eines Suchradius von 1.000 m lägen entweder im Vorranggebiet Grundwasserschutz oder ebenfalls in einem Vorranggebiet für die Landwirtschaft. Der Landepunkt selbst liege innerhalb eines Landschaftsschutzgebietes. Der 1,5 ha große Bohrplatz führe nicht zu einer Beeinträchtigung des umliegenden Gebiets. Er führe auch nicht zu einem bandartigen Zusammenwachsen der Ortslagen O. und W.. Eine raumbedeutsame Beeinträchtigung des Vorranggebietes Landwirtschaft sei ebenso wenig anzunehmen wie negative Auswirkungen auf die Grünzäsur. Insoweit werde der Einheitliche Regionalplan nicht in seinen Grundzügen berührt.

4

Die Kläger, allesamt Anwohner der Ortslage O., erhoben am 26. Februar 2015 gegen den Zielabweichungsbescheid Widerspruch. Zu dessen Begründung stellten sie darauf ab, ihr Rechtsbehelf sei zulässig, da im Rahmen der Abwägung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Raumordnungsgesetz – ROG – bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen öffentliche und private Belange gegeneinander und untereinander abzuwägen seien. Die Voraussetzungen für einen Zielabweichungsbescheid lägen nicht vor. So habe sich das Erfordernis eines Zielabweichungsverfahrens bereits vor der Genehmigung und Verbindlicherklärung des Einheitlichen Regionalplans Rhein-Neckar ergeben. Der Zielabweichungsbescheid berühre verschiedene Belange, die ihre rechtlich geschützten Interessen beträfen. So würden verschiedene umweltrelevante Schutzgüter nicht hinreichend berücksichtigt. Weiterhin würden grundrechtlich geschützte Rechtsgüter wie Gesundheit und Eigentum beeinträchtigt. Im Hinblick auf mögliche Grundrechtsbeeinträchtigungen seien die von der Anlage ausgehenden Immissionen, etwa Gefahrstoffe bei der Verbrennung von Beigasen sowie die Gefahr der Freisetzung natürlicher Radioaktivität und der Verseuchung des Grundwassers, zu berücksichtigen. Zudem sei mit Hebungen, Senkungen oder Erdbeben zu rechnen.

5

Mit Widerspruchsbescheiden vom 19. Mai 2015 wies der Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung stellte er im Wesentlichen darauf ab, dass die Widersprüche unzulässig seien. Den Klägern fehle die erforderliche Widerspruchsbefugnis. Eine subjektive Rechtsstellung der Kläger werde durch die Zielabweichungsentscheidung nicht berührt. Der Zielabweichungsbescheid treffe keine abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens. Die Entscheidung suspendiere lediglich von den betroffenen Zielen der Raumordnung. § 10 Abs. 6 Landesplanungsgesetz – LPlG – könne nicht als drittschützend angesehen werden. Auch die Ziele, von denen befreit werde, seien nicht dazu bestimmt, den Interessen der Kläger zu dienen. Die Kläger könnten des Weiteren nicht auf die Notwendigkeit einer Umweltprüfung abstellen. Bei dem Zielabweichungsverfahren handele es sich nicht um ein UVP-pflichtiges Vorhaben.

6

Am 15. Juni 2015 haben die Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung sie ergänzend zu ihrem Vortrag im Widerspruchsverfahren dargelegt haben, dass die Klage zulässig sei, da sie klagebefugt seien. Ihnen komme das bei der Zielabweichungsentscheidung zu berücksichtigende Schutzgut Mensch zugute. Der Zielabweichungsentscheidung komme unmittelbare Wirkung zu, da die Beigeladene auf dieser Grundlage die vorgesehene Explorationsbohrung ohne wesentlich weitere Entscheidung durchführen könne. Zudem werde der konkrete Standort für die Erkundungsbohrung festgelegt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass keine Standortalternativen geprüft worden seien. Zudem habe die Beigeladene das Erfordernis einer umfassenden Ermittlung der betroffenen Belange im Vorfeld der Abwägung bei Erstellung des Raumordnungsplanes dadurch umgangen, dass sie die beabsichtigte Exploration nicht bereits zum Gegenstand des Raumordnungsverfahrens gemacht habe. Hierdurch sei die eigentlich vorgesehene Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit bei Änderung eines Regionalplans nach § 7 Abs. 2 ROG unterblieben. Jedenfalls müsse die Vorschrift des § 7 Abs. 2 ROG im Rahmen der Zielabweichung analog angewandt werden. Die Klagebefugnis ergebe sich weiterhin daraus, dass sie Beeinträchtigungen durch die Aufhebung der Zielbindung nicht mehr in späteren Verfahrensabschnitten geltend machen könnten. Sie könnten schließlich auch darauf abstellen, dass eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung unterblieben sei. Der Standort der Bohranlage werde durch die Zielabweichungsentscheidung abschließend festgelegt. Die Klage erweise sich auch als begründet, da die Voraussetzungen für die Zulassung einer Zielabweichung nicht vorlägen. Die Entscheidung lasse unberücksichtigt, dass der Grundsatz 132 des LEP IV eine Abwägung hinsichtlich der konkreten Standortwahl erfordere.

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Die Kläger haben beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2015 „Bohrplatzerrichtung und Durchführung der Explorationsbohrung O. 1 hier: Abweichung von Zielen des Einheitlichen Regionalplans Rhein-Neckar“ in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 19. Mai 2015 aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat darauf abgestellt, dass die Klage bereits unzulässig sei. Die Kläger könnten nicht geltend machen, durch den Zielabweichungsbescheid in ihren Rechten verletzt zu sein. Die Ziele „Vorranggebiet Landwirtschaft“ und „Grünzäsur“, von denen der Zielabweichungsbescheid suspendiere, dienten nicht dazu, Interessen der Kläger zu schützen. Zu berücksichtigen sei, dass Anlass für das Zielabweichungsverfahren die Änderung des Hauptbetriebsplans für die Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen im Erlaubnisfeld R. und für die Aufsuchung und Gewinnung im Bewilligungsfeld R. S. gewesen sei. Die Explorationsbohrung „O. 1“ sei Teil dieser Ergänzung. Die Zielabweichungsentscheidung beschränke sich in diesem Zusammenhang darauf, eine Abweichung von den genannten raumordnerischen Zielen für die Bohrplatzeinrichtung und Durchführung der Explorationsbohrung zu erteilen. Ein privater Eigentümer werde durch die Grundzüge oder Ziele der Raumordnung weder unmittelbar berechtigt noch verpflichtet. Die Kläger zählten nicht zu dem Personenkreis, der die für die Entscheidung maßgeblichen Ziele der Raumordnung zu beachten habe. Die Zielabweichungsentscheidung begründe auch keine Präklusionswirkung für weitere die Explorationsbohrung betreffende Entscheidungen. Soweit die Kläger rügten, dass eine raumordnerische Prüfung nicht stattgefunden habe, ergebe sich hieraus keine Rechtswirkung ihnen gegenüber, da dieser Prüfung keine Außenwirkung zukomme. Auch wenn eine Änderung des Raumordnungsplanes erfolgt wäre, wären private Belange der Kläger nicht in die Abwägungsentscheidung eingeflossen. Eine Umweltprüfung sei nach § 9 ROG lediglich bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen vorgesehen.

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Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,

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die Klage abzuweisen.

14

Sie hat darauf abgestellt, dass die Klage bereits unzulässig sei, da es den Klägern an der erforderlichen Klagebefugnis fehle. Die Vorschrift des § 10 Abs. 6 LPlG entfalte keinen Drittschutz. Im Rahmen der Zielabweichungsentscheidung seien lediglich öffentliche Interessen zu berücksichtigen. Auch die Ziele des Einheitlichen Regionalplanes, von denen die Abweichung zugelassen worden sei, dienten nicht dem Schutz Dritter. Aus Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention könnten die Kläger ebenfalls keine Klagebefugnis ableiten, da sie nicht zum Ausdruck gebracht hätten, dass eine Vorschrift des Umweltrechts der Europäischen Union verletzt sei. Soweit die Kläger auf die bergrechtliche Erlaubnis Bezug nähmen, enthalte diese keine Entscheidung über die Zulassung eines Aufsuchungsbetriebes. In dem hierfür erforderlichen Betriebsplanverfahren würden die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen hingegen von der zuständigen Bergbehörde geprüft. Die Zielabweichungsentscheidung enthalte auch keine abschließende Festlegung des Standortes der Explorationsbohrung. Den Klägern stehe im Hinblick auf die Zielabweichungsentscheidung zudem kein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung zu, so dass sie sich nicht darauf berufen könnten, dass keine Standortalternativen geprüft worden seien. Die Vorschriften über das raumordnerische Verfahren seien im Hinblick auf die Zielabweichungsentscheidung nicht anwendbar. Die Kläger würden auch nicht rechtsschutzlos gestellt. Insbesondere stünden die Zielabweichungsentscheidung und das bergrechtliche Zulassungsverfahren nebeneinander. Eine Umweltprüfung sei nicht durchzuführen gewesen.

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Mit Urteil vom 4. Juli 2016 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

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Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass den Klägern die erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO fehle. Die Kläger könnten nicht geltend machen, durch den angefochtenen Zielabweichungsbescheid in ihren Rechten verletzt zu sein. Das Erfordernis einer Verletzung in eigenen Rechten sei nicht nach den Vorschriften des Umweltrechtsbehelfsgesetzes entbehrlich. Vielmehr könnten sich auch nach diesen Vorschriften Individualkläger nur dann auf eine Verletzung von Verfahrensvorschriften berufen, wenn sie durch das der Umweltverträglichkeitsprüfung oder der Vorprüfung unterliegende Vorhaben möglicherweise in materiellen Rechten verletzt seien. Den Zielen der Raumordnung, von denen abgewichen werde, komme gleichermaßen keine unmittelbare Außenwirkung zu. Der Zielabweichungsbescheid erlaube nicht, das geplante Vorhaben unmittelbar zu realisieren. Die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen in einem bestimmten Feld werde erst auf der Grundlage eines zugelassenen Betriebsplans möglich. Den Klägern stehe im Zusammenhang mit dem Zielabweichungsbescheid auch kein Beteiligungsrecht zu, das verletzt sein könnte. Eine förmliche Beteiligung sei nach § 10 Abs. 6 LPlG i.V.m. § 6 Abs. 2 ROG nicht vorgesehen. Auch eine Beteiligung nach § 7 Abs. 2 ROG komme nicht in Betracht. Aus § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG ergebe sich bei Privaten ein subjektives Recht auf gerechte Abwägung ihrer eigenen privaten Belange. Der Plangeber eines Raumordnungsverfahrens könne sich indessen darauf beschränken, private Belange nur in einer pauschalen, typisierenden Art und Weise zu berücksichtigen. Ungeachtet dessen könnten die Grundsätze nicht auf das Zielabweichungsverfahren übertragen werden. Durch die Zielfestsetzung werde das Grundstückseigentum der Kläger nicht betroffen. Den Zielen der Raumordnung komme auch keine unmittelbare Außenwirkung zu. Die Zulassung einer Zielabweichung erfordere auch nicht die vorherige Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Auch hinsichtlich der Frage der ordnungsgemäßen Ermessensausübung müssten sich die Kläger auf eine Betroffenheit in eigenen Rechten berufen können. Unbeachtlich sei die Frage der Berücksichtigung von Standortalternativen. Im Übrigen habe der Beklagte die Standortfrage bei seiner Entscheidung in den Blick genommen. Soweit die Kläger schließlich darauf abstellten, dass ein nicht ordnungsgemäßes Verfahren gewählt worden sei, sei zu berücksichtigen, dass auch das Ergebnis eines Raumordnungsverfahrens nicht selbstständig vor Gericht angreifbar sei.

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Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung machen die Kläger geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht ihre Klagebefugnis und damit die Zulässigkeit der Klage verneint. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 24. Juni 2015 – 8 B 315/15 –) könnten sich auch private Antragsteller unabhängig von einer Betroffenheit in eigenen Rechten auf eine zu Unrecht unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung berufen. Die Zulässigkeit einer analogen Anwendung der Vorschriften über das Raumordnungsverfahren ergebe sich daraus, dass im Rahmen des Raumordnungsverfahrens Private zu beteiligen seien, während dies bei der Zielabweichung nicht der Fall sei. Insbesondere werde § 7 Abs. 2 ROG verletzt, wenn statt eines eigentlich erforderlichen Raumordnungsverfahrens lediglich ein Zielabweichungsverfahren durchgeführt werde. Weiterhin hätte zwingend eine Standortalternativenprüfung durchgeführt werden müssen. Da diese unterblieben sei, sei ihnen eine Beteiligungsmöglichkeit verwehrt worden Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass von dem Zielabweichungsbescheid eine Vorwirkung im Hinblick auf die Realisierung des Vorhabens ausgehe. Eine derart weitgehende Änderung von Nutzung und Funktion der vorgesehenen Flächen könne nicht im Wege der Zielabweichung erfolgen. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen das Landesentwicklungsprogramm vor, wonach die Förderung der im Oberrheingraben vorhandenen Vorkommen möglichst dort erfolgen solle, wo wirtschaftlich bedeutsame Lagerstätten vorhanden seien und die Beeinträchtigung für Mensch und Natur am geringsten sei.

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Die Kläger beantragen,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 4. Juli 2016 den Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2015 – Bohrplatzerrichtung und Durchführung der Explorationsbohrung „O. 1“ hier: Abweichung von Zielen des Einheitlichen Regionalplans Rhein-Neckar gemäß § 6 Abs. 2 ROG i.V.m. § 10 Abs. 6 Landesplanungsgesetz – und die Widerspruchsbescheide vom 19. Mai 2015 aufzuheben.

20

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

22

Er legt dar, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen habe. So sei bereits der sachliche Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes im Falle der Kläger nicht eröffnet, da hinsichtlich der Zielabweichung keine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung bestehe. Auch kenne das Zielabweichungsverfahren keine Öffentlichkeitsbeteiligung. Der Zielabweichungsbescheid bilde keine hinreichende Grundlage, um das Vorhaben zu realisieren. Hierfür sei ein zugelassener Betriebsplan erforderlich. Aufgrund der Standortgebundenheit des Rohstoffs entstehe lediglich ein eng begrenzter Suchraum für den Bohrstandort. Alternative Standortflächen seien nicht in Betracht gekommen. Auch seien keine Beteiligungsrechte der Kläger verletzt worden. Gegenstand des Verfahrens sei der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung einer Zielabweichung gewesen. Hingegen sei die Änderung des Raumordnungsplans nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

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Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Sie führt aus, dass das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen davon ausgehe, dass kein von der Klagebefugnis losgelöster Aufhebungsanspruch Einzelner existiere. Auch der Europäische Gerichtshof stelle nicht in Frage, dass der Zugang zu einer gerichtlichen Entscheidung von einer möglichen Verletzung in eigenen Rechten abhängig gemacht werden könne. Eine drittschützende Norm, auf die sich die Kläger stützen könnten, sei nicht erkennbar. Mit der Zielabweichung werde der Standort für eine Exploration nicht endgültig festgelegt. Die von der Abweichungsentscheidung betroffenen Ziele seien nicht geeignet, den Klägern eine subjektive Rechtstellung zu vermitteln. Die Zielabweichungsentscheidung wirke sich nicht auf das Interessengeflecht der gesamten Planung aus. § 7 Abs. 2 ROG finde im Zielabweichungsverfahren keine Anwendung. Die Ziele „Vorranggebiet Landwirtschaft“ und „Grünzäsur“ dienten nicht subjektiven Rechten der Kläger. Die Frage der UVP-Pflichtigkeit werde bei der Entscheidung über die bergrechtliche Zulässigkeit der Explorationsbohrung berücksichtigt.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Behördenakten sowie die Plansätze und die Begründung des Einheitlichen Regionalplans Rhein-Neckar verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

28

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

29

Den Klägern fehlt die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis.

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1. Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Anfechtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.

31

Die Kläger können sich indessen weder auf eine gesetzliche Ausnahmeregelung noch darauf berufen, durch die Zielabweichungsentscheidung des Beklagten möglicherweise in subjektiven Rechten verletzt zu sein. Ist der jeweilige Kläger nicht selbst Adressat eines Verwaltungsaktes, sondern lediglich als Dritter betroffen, so ist für die Klagebefugnis erforderlich, dass er die Verletzung einer Vorschrift behauptet, die seinem Schutz als Dritter zu dienen bestimmt ist und dass eine Verletzung dieser Norm zumindest möglich erscheint. Die Anfechtungsklage ist in diesem Fall unzulässig, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 C 36.13 –, BVerwGE 151, 138 und juris, Rn. 14; VGH BW, Urteil vom 11. April 2014 – 5 S 534/13 –, NVwZ-RR 2014, 634 und juris, Rn. 33).

32

2. Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten für ihre Klagebefugnis nicht darzutun ist und sie ihr Klagerecht aus § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz – UmwRG – mit der Rüge herleiten können, dass der Beklagte bei seiner Entscheidung eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt hat.

33

a) Nach § 4 Abs. 1 UmwRG kann auf die Klage einer anerkannten Vereinigung die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG unter anderem dann verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaurechtlicher Vorhaben oder nach landesrechtlichen Vorschriften erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (Buchst. a) oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit (Buchst. b) weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG gilt diese Regelung auch für Rechtsbehelfe anderer Beteiligter nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO, also insbesondere für Rechtsbehelfe natürlicher Personen.

34

b) Im Falle der Kläger kommt ein Rückgriff auf die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG schon aus mehreren Gründen nicht in Betracht.

35

Zunächst ist der Anwendungsbereich des UmwRG auf Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, gegen Genehmigungen für Anlagen sowie gegen Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz beschränkt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG). Mit dem hier angegriffenen Zielabweichungsbescheid ist jedoch keine Vorhabenzulassung erfolgt.

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Des Weiteren gilt der Aufhebungsanspruch in § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG lediglich bei Fehlern gegen Bestimmungen nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung – UVPG –. Die hier angegriffene Entscheidung unterliegt indes nicht der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Denn diese ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UVPG nur im Rahmen verwaltungsbehördlicher Verfahren durchzuführen, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen. Wie oben ausgeführt, fehlt es hier an einer solchen Vorhabenzulassung. Der Beklagte hat nicht über die Zulässigkeit eines Vorhabens entschieden. Vielmehr hat er lediglich die Stellen, die über die Zulässigkeit einer Explorationsbohrung zu entscheiden haben, von der Bindung an die betroffenen Ziele der Raumordnung nach § 4 Abs. 1 Raumordnungsgesetz – ROG – befreit.

37

Schließlich kann das von der Klägerin reklamierte weite Klagerecht auch nicht aus einem Rückgriff auf die Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen hergeleitet werden. Denn die im Urteil vom 25. Februar 2015 (– 8 A 959/10 –, UPR 2015, 518 und juris, Rn. 53) bejahte Klagebefugnis für Angehörige der betroffenen Öffentlichkeit auch ohne Geltendmachung einer Verletzung in materiellen Rechten bezieht sich auf die Klage gegen eine Vorhabenzulassung (Genehmigung von Windenergieanlagen) und wird mit einer europarechtlich gebotenen Ausdehnung des Klagerechts bei Fehlern der Umweltverträglichkeitsprüfung begründet. Beide Aspekte sind hier bei der Anfechtung einer Zielabweichung nicht berührt.

38

Darüber hinaus hat der Senat bereits - im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - entschieden, dass der in § 4 Abs. 1 und Abs. 3 UmwRG eingeräumte absolute Aufhebungsanspruch ausschließlich die Begründetheit eines Rechtsbehelfs betrifft und den Kreis der nach nationalem Recht Klagebefugten nicht erweitert (Beschluss vom 13. Mai 2014 – 8 B 10342/14.OVG –, DVBl. 2014, 1074 und juris, Rn. 21). Durch das UmwRG wird eine von der tatsächlichen Betroffenheit in eigenen Rechten unabhängige Rügebefugnis im Rahmen der Begründetheit geschaffen, auf die sich der Kläger nur berufen kann, wenn er nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 – 9 A 30.10 –, in DVBl. 2012, 501 und juris, Rn. 20 ff.; Urteil vom 17. Dezember 2013 – 4 A 1.13 –, BVerwGE 148, 353 und juris, Rn. 41; Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 C 36.13 –, BVerwGE 151, 138 und juris, Rn. 34; VGH BW, Urteil vom 11. April 2014 – 5 S 534/13 –, NVwZ-RR 2014, 634 und juris, Rn. 42).

39

c) Selbst wenn man dem gedanklichen Ansatz der Kläger folgte und die Vorschriften über die Aufstellung und Änderung von Raumordnungsplänen analog für die Entscheidung des Beklagten heranzöge, wäre der Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes nicht eröffnet.

40

Das Umweltrechtsbehelfsgesetz findet nämlich keine Anwendung auf Pläne und Programme nach § 3 Abs. 1a UVPG, die nach Anlage 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung einer Strategischen Umweltprüfung bedürfen. Hierzu gehören nach Nr. 1.5 der Anlage 3 zum UVPG auch die Raumordnungsplanungen nach § 8 ROG. Pläne und Programme, für die das UVPG eine Strategische Umweltprüfung vorschreibt, fallen nicht in den Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2016, § 1 UVPG, Rn. 23; Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann, Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, 4. Aufl. 2012, § 1 UVPG, Rn. 19).

41

3. Die hiernach für die Klagebefugnis erforderliche Möglichkeit einer Rechtsverletzung kann der Rechtsgrundlage für die Zulassung einer Zielabweichung in § 10 Abs. 6 Satz 1 Landesplanungsgesetz – LPlG – i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 1 Raumordnungsgesetz – ROG – nicht entnommen werden. Diese Regelung lässt keinen drittschützenden Charakter erkennen.

42

Nach § 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG kann die obere Landesplanungsbehörde im Benehmen mit den fachlich berührten Stellen der oberen Verwaltungsebene und der jeweiligen Planungsgemeinschaft die Abweichung von einem Ziel des regionalen Raumordnungsplans zulassen, wenn diese aufgrund veränderter Tatsachen oder Erkenntnisse unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und der regionale Raumordnungsplan in seinen Grundzügen nicht berührt wird. Antragsbefugt sind dabei insbesondere die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie die öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts, die das Ziel der Raumordnung zu beachten haben (§ 10 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 8 Abs. 3 Satz 2 LPlG sowie § 5 Abs. 1 ROG). Eine rechtliche Wirkung kommt der Zielabweichungsentscheidung hiernach einerseits gegenüber der Gemeinde zu, die gemäß § 1 Abs. 4 BauGB die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen hat. Weiterhin sind hiervon öffentliche Stellen betroffen, die gemäß § 4 Abs. 1 ROG die Ziele der Raumordnung bei ihren Planungen und Maßnahmen sowie ihren Entscheidungen über raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen zu beachten haben. Inhalt der Zielabweichungsentscheidung ist, dass ein an sich verbindliches Ziel der Raumordnung in einem konkreten Einzelfall und für ein bestimmtes Vorhaben suspendiert wird (vgl. Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, Stand: Oktober 2016, § 6, Rn. 184; OVG RP, Urteil vom 15. Februar 2012 – 8 A 10965/11.OVG –, DVBl. 2012, 511 und juris, Rn. 33 f.). Rechtliche Wirkungen entfaltet der Zielabweichungsbescheid gleichermaßen für den Fall, dass Personen des Privatrechts ein Zielabweichungsverfahren beantragen, gegenüber diesen Antragstellern (vgl. Schmitz, a.a.O., § 6 ROG, Rn. 188). Dass der Entscheidung über die Zulassung einer Zielabweichung indessen grundsätzlich Drittschutz zukommt, kann der Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG nicht entnommen werden.

43

4. Eine mögliche Beeinträchtigung der Rechte der Kläger ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Ziele der Raumordnung, von denen eine Abweichung zugelassen wird, bestimmt wären, ihre individuellen Belange zu schützen (vgl. hierzu OVG RP, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 8 C 10150/10.OVG –, LKRZ 2011, 33 und juris, Rn. 83; Urteil vom 15. Oktober 2008 – 1 A 10388/08 –, DVBl. 2009, 386 und juris, Rn. 54; BVerwG, Urteil vom 5. November 2009 – 4 C 3.09 –, BVerwGE 135, 209 und juris, Rn. 14).

44

a) Einer drittschützenden Wirkung von Zielen der Raumordnung zugunsten Privater stehen bereits grundsätzliche Erwägungen entgegen. Anknüpfungspunkt für einen möglichen Drittschutz ist der Umstand, dass nach § 7 Abs. 2 ROG bei der Aufstellung der Raumordnungspläne die öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen sind. Dabei ist bei der Festlegung von Zielen der Raumordnung abschließend abzuwägen.

45

Indessen entfalten die Ziele der Raumordnung gegenüber privaten Grundstückseigentümern grundsätzlich keine unmittelbaren Rechtswirkungen. Sie sind vielmehr von öffentlichen Stellen bei ihren Planungen, insbesondere auch bei Planfeststellungen zu beachten. Der private Eigentümer wird durch sie aber weder unmittelbar berechtigt noch verpflichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Januar 2003 – 4 CN 8.01 –, BVerwGE 117, 313 und juris, Rn. 30; OVG RP, Beschluss vom 2. April 2014 – 1 C 10676/13.OVG –, juris, Rn. 13). Für das Abwägungsgebot des § 7 Abs. 2 ROG folgt hieraus, dass der Plangeber sich wegen des groben Rasters der raumordnerischen Abwägung und der damit verbundenen Ungenauigkeiten darauf beschränken kann, private Belange nur in einer pauschalen, typisierenden Art und Weise als Gruppenbelange zu berücksichtigen. Darüber hinausgehende individuelle Betroffenheiten sind im Regelfall nicht Gegenstand der Abwägung im Rahmen eines regionalen Raumordnungsplans. Sie bleiben vielmehr der Feinsteuerung im Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans bzw. der Genehmigung eines Einzelvorhabens vorbehalten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. März 2016 – 4 BN 41.15 –, juris, Rn. 8; OVG RP, Beschluss vom 2. April 2014, a.a.O., juris, Rn. 16; VGH BW, Urteil vom 10. Februar 2016 – 8 S 1477/15 –, juris, Rn. 84; OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Juli 2015 – 12 KN 220/14 –, NVwZ-RR 2016, 238 und juris, Rn. 16). Danach kann aber im Regelfall nicht angenommen werden, dass die Ziele der Raumordnung dazu bestimmt sind, die Rechte eines individuell bestimmbaren Kreises Dritter zu schützen.

46

b) Im Falle der Zielfestlegungen des Einheitlichen Regionalplanes Rhein-Neckar, von denen der Beklagte eine Abweichung zugelassen hat, ergeben sich keine Hinweise darauf, dass in Abweichung von dieser Regel individuelle Belange der Anwohner der Ortslage O. ausnahmsweise berücksichtigt werden sollten.

47

aa) So kommt dem im Plansatz 2.1.2 umschriebenen Ziel der „Grünzäsuren“ die Aufgabe zu, städtebauliche Freiräume zu schaffen, die von Bebauung freizuhalten sind, und damit eine bandartige Siedlungsentwicklung zu verhindern. Grünzäsuren entfalten gegenüber regionalen Grünzügen eine gesteigerte Wirkung. Während privilegierte raumbedeutsame Vorhaben in Regionalen Grünzügen zulässig sind, steht die Festlegung einer Grünzäsur auch solchen Vorhaben als öffentlicher Belang entgegen (Einheitlicher Regionalplan Rhein-Neckar, Begründung zu Plansatz 2.1.3, 53 f.) Die Grünzäsuren sollen darüber hinaus die Funktion einer Klimaschneise sicherstellen. Es sollen Lebens- und Vernetzungsräume für Tiere und Pflanzen geschaffen sowie siedlungsnahe Erholungszonen ermöglicht werden. Hiernach dient die entsprechende Zielsetzung aber alleine dazu, öffentliche, überindividuelle Belange zu schützen. Auch die Gewährleistung siedlungsnaher Erholungszonen ist kein Belang, der dem Einzelnen individuell zugerechnet werden kann. Vielmehr sollen die Erholungsbereiche für die Bevölkerung insgesamt und damit im öffentlichen Interesse freigehalten werden.

48

bb) Auch in dem in Plansatz 2.3.1.2 formulierten Ziel eines „Vorranggebietes Landwirtschaft“ kommt kein Schutz rechtlicher Interessen der Kläger zum Ausdruck. Mit der Ausweisung eines Vorranggebietes für die Landwirtschaft sollen vielmehr Flächen für die landwirtschaftliche Bodennutzung gesichert werden. Eine außerlandwirtschaftliche Nutzung ist in diesen Bereich nicht zulässig. Ausnahmsweise zulässig sind technische Infrastrukturen und Verkehrs- sowie Windenergieanlagen, die aufgrund besonderer Standortanforderungen nur im Außenbereich realisiert werden können. Die Vorranggebiete für die Landwirtschaft sollen im Geltungsbereich des Einheitlichen Regionalplans Rhein-Neckar insbesondere den neben dem Obst- und Weinbau stark ausgeprägten Sonderkulturanbau sichern und seine Weiterentwicklung ermöglichen (Einheitlicher Regionalplan Rhein-Neckar, Begründung zu Plansatz 2.3.1.2, 80 f.).

49

Die Zielfestlegungen, von denen eine Abweichung gestattet wurde, verfolgen hiernach gesamträumliche Ansätze und lassen nicht die Intention des Schutzes einzelner Privater erkennen.

50

5. Die Kläger können eine mögliche Rechtsverletzung auch nicht aus der Überlegung herleiten, dass die Entscheidung des Beklagten über die Zulassung einer Zielabweichung hinausgegangen sei und er tatsächlich eine Änderung des Raumordnungsplanes vorgenommen habe oder dass damit ein Änderungsverfahren umgangen worden sei.

51

Wie zuvor bereits ausgeführt, wäre hierfür nach § 7 Abs. 2 ROG eine Abwägung erforderlich gewesen, bei der die öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen gewesen wären. Abgesehen davon, dass auch bei dieser Abwägung private Belange nur in einer pauschalen, typisierenden Art und Weise als Gruppenbelange und nicht als individuelle Belange zu berücksichtigen sind (vgl. oben Ziffer 4 Buchst.a), können die Vorschriften über die Aufstellung regionaler Raumordnungspläne auf die Entscheidung über die Abweichung von einem Ziel eines solchen Plans nach § 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG weder unmittelbar noch entsprechend angewendet werden.

52

a) Eine unmittelbare Anwendung scheitert bereits daran, dass der Beklagte für die Aufstellung oder Änderung eines regionalen Raumordnungsplanes sachlich nicht zuständig wäre. Die regionalen Raumordnungspläne werden nämlich nach § 10 Abs. 1 LPlG von den Planungsgemeinschaften für die jeweilige Region erarbeitet.

53

Hinzu kommt, dass die beiden Entscheidungsformen sich strukturell grundlegend voneinander unterscheiden. So ist die Zielabweichungsentscheidung gerade keine Planungsentscheidung, sondern steht im Ermessen der oberen Landesplanungsbehörde. Im Gegensatz zu einer Planungsentscheidung, die als zukunftsbezogene Gestaltung komplexer Sachverhalte final programmiert ist, ist die Zielabweichungsentscheidung konditional angelegt (vgl. OVG RP, Urteil vom 15. Februar 2012 – 8 A 10965/11.OVG –, DVBl. 2012, 511 und juris, Rn. 41; Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, Stand: Oktober 2016, § 6, Rn. 133;). Der Beklagte verfolgt mit seiner Entscheidung keine eigenständige umfassende Planung, sondern prüft lediglich, inwieweit das beabsichtigte Vorhaben sich trotz Abweichens von bestimmten Zielen der Raumordnung mit der Grundkonzeption des Raumordnungsplanes als verträglich erweist.

54

b) Da somit bei der Entscheidung über die Zulassung einer Zielabweichung keine mit der Planänderung vergleichbare Sach- und Interessenlage (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 35.12 –, BVerwGE 148, 13 und juris, Rn. 36) als Voraussetzung für eine analoge Anwendung der Regelung besteht, kann § 7 Abs. 2 ROG ungeachtet der Frage einer planwidrigen Regelungslücke auch nicht entsprechend auf den Fall der Zielabweichung angewendet werden.

55

c) Die Kläger können sich daher auch nicht darauf berufen, dass der Beklagte die eigentlich bei der Aufstellung eines Raumordnungsplans vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 6 Abs. 4 LPlG zu Unrecht unterlassen hätte. Nach dieser Vorschrift ist der Entwurf des Raumordnungsplanes zur Beteiligung der Öffentlichkeit mit Begründung und Umweltbericht für die Dauer von sechs Wochen bei allen unteren Landesplanungsbehörden öffentlich auszulegen. Eine vergleichbare Regelung sieht indessen das Landesplanungsgesetz für die Entscheidung über die Zulassung einer Zielabweichung nicht vor, so dass eine entsprechende Beteiligungsmöglichkeit im Falle der Entscheidung des Beklagten von vornherein nicht bestand.

56

6. Die Kläger können zur Begründung ihrer Klagebefugnis auch nicht darauf abstellen, dass anstelle des Zielabweichungsverfahrens eigentlich ein Raumordnungsverfahren nach § 17 LPlG einschlägig gewesen wäre.

57

Raumordnungsverfahren und Zielabweichungsverfahren stehen nicht in einem gegenseitigen Rangverhältnis. Vielmehr kommen ihnen völlig unterschiedliche Funktionen zu. Das Raumordnungsverfahren dient nach § 17 Abs. 2 LPlG der Prüfung, ob raumbedeutsame Planungen oder Maßnahmen mit den Erfordernissen der Raumordnung übereinstimmen (Nr. 1) und wie raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen unter Gesichtspunkten der Raumordnung aufeinander abgestimmt oder durchgeführt werden können (Raumverträglichkeitsprüfung) (Nr. 2). Das Zielabweichungsverfahren ermöglicht hingegen die Überwindung eines im Einzelfall entgegenstehenden Ziels der Raumordnung. Hiermit führt dieses Verfahren die Vereinbarkeit von Planungen und Maßnahmen mit den Zielen der Raumordnung herbei, ohne den entgegenstehenden Raumordnungsplan zu ändern. Das Raumordnungsverfahren soll im Gegensatz dazu gerade die Übereinstimmung von raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen mit dem in einem Raumordnungsplan festgelegten Erfordernissen der Raumordnung feststellen (vgl. zum Vorstehenden: Schmitz, a.a.O., § 15 ROG Rn. 96). Da dem Vorhaben der Beigeladenen unstreitig Ziele der Raumordnung entgegenstanden, war in ihrem Fall ungeachtet der Frage, ob ein Raumordnungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen, ein Zielabweichungsverfahren unentbehrlich.

58

6. Eine mögliche Rechtsverletzung können die Kläger schließlich auch nicht daraus herleiten, dass der Zielabweichungsbescheid bereits einzelne Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Erkundungsbohrung bzw. einer möglichen späteren Förderung vorwegnehmen und verbindlich festlegen würde und hierdurch der Rechtsschutz gegen das Einzelvorhaben eingeschränkt wäre.

59

Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass der angefochtene Bescheid des Beklagten die Zulässigkeit einer Zielabweichung lediglich für die Bohrplatzerrichtung und die Durchführung einer Explorationsbohrung erklärt, nicht jedoch für eine sich hieran anschließende dauerhafte Förderung. Im Übrigen ist der Zielabweichungsbescheid seinem Inhalt nach darauf beschränkt, dass er für dieses Vorhaben eine Abweichung von den raumordnerischen Zielen „Vorranggebiet für die Landwirtschaft“ und „Grünzäsur“ zulässt. Darüber hinausgehend begründet er keine Rechte der Beigeladenen für die Durchführung der Explorationsbohrung. Die Zulassung des Einzelvorhabens unterliegt vielmehr den Vorschriften über den Betriebsplan nach den §§ 50 ff. Bundesberggesetz, die die bergbaulichen Tätigkeiten und Einrichtungen einer Genehmigungspflicht in einem besonderen Verfahren unterwerfen (vgl. Piens, in: Piens/Schulte/Kravitzthum, Bundesberggesetz, 2. Aufl. 2013, § 51 Rn. 21; Hammerstein, in: Boldt/Weller/Kühne/von Maßenhausen, Bundesberggesetz, 2. Aufl. 2016, Vorbem. §§ 50 bis 57 c Bundesberggesetz, Rn. 9 ff.). Erst mit der Zulassung des Betriebsplanes wird für den Bergbautreibenden verbindlich festgelegt, ob und in welchem Umfang ein Abbau zugelassen und damit verwirklicht werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2006 – 7 C 11.05 –, BVerwGE 126, 205 und juris, Rn. 21; Sächsisches OVG, Urteil vom 9. April 2015 – 1 C 26/14 –, ZfBR 2015, 244 und juris, Rn. 70, 73).

60

Auch was die Standortfrage angeht, enthält der Zielabweichungsbescheid keine abschließende Festlegung. Selbst wenn sich das Vorhaben aus tatsächlichen Gründen auf den bei der Entscheidung über die Zielabweichung vorgesehenen Standort konzentrieren sollte, wird im Hinblick auf den beantragten Standort lediglich entschieden, dass dort eine Abweichung von den betroffenen Zielen der Raumordnung zugelassen ist. Der Zielabweichungsbescheid trifft hingegen keine Aussage darüber, ob das Vorhaben insgesamt an diesem Standort zulässig ist. Die Standortfrage wird nur im Hinblick auf die betroffenen Ziele der Raumordnung geprüft.

61

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Den Klägern waren gemäß § 162 Abs. 3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Dies entspricht der Billigkeit, da sie sich durch Antragstellung am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

62

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

63

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO hierfür genannten Gründe vorliegt. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 UmwRG den Kreis der nach nationalem Recht Klagebefugten erweitert, ist in der Rechtsprechung des BVerwG bereits geklärt. Soweit die Kläger das Vorliegen der Klagebefugnis daraus ableiten, dass der Rechtsschutz gegen Betriebspläne unzureichend ausgeprägt sei und deshalb eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen den Zielabweichungsbescheid eröffnet werden müsse, ist diese Frage nicht entscheidungserheblich. Vielmehr kann eine Ausweitung des Rechtsschutzes in diesem Fall nur im Verfahren gegen den Betriebsplan selbst geltend gemacht werden.

Beschluss

64

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 45.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).

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