Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (8. Senat) - 8 A 11487/20

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Januar 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt, zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Errichtung zweier Garagenanlagen mit insgesamt zehn Stellplätzen auf dem Grundstück Flurstück-Nr. A (H.straße …) in H. Das Vorhaben betrifft den rückwärtigen Teil des Grundstücks. Das Grundstück besteht aus dem früheren Flurstück-Nr. B mit einer Größe von 1.163,75 qm im rückwärtigen Bereich (Vorhabenfläche) und dem an die H.straße angrenzenden ehemaligen Flurstück-Nr. A. Der straßenseitige Grundstücksteil ist u.a. mit einem Hinterhaus bebaut, in dem die Klägerin ein Planungsbüro betreibt. Wegen der örtlichen Verhältnisse wird auf nachfolgenden Lageplan verwiesen.

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Nur der vom Vorhaben betroffene hintere Grundstücksteil liegt im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „Z." vom 4. Oktober 1974, der u.a. ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Die Vorhabenfläche liegt außerhalb der im Plan festgesetzten Baugrenzen und unterliegt – wie auch die sonstigen Bereiche außerhalb der Baugrenzen und Baulinien auf den Grundstücken im Plangebiet – darüber hinaus folgender Textfestsetzung:

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„PRIVATE FREIFLÄCHE, VON JEDER BEBAUUUNG FREIZUHALTEN, EINBAU VON GARAGEN ERLAUBT WENN EIN VORPLATZ VON MIND. 5.00 M TIEFE VORHANDEN IST. (GEMESSEN VON DER VORDEREN GRUNDSTÜCKSGRENZE)“

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Bei einer Ortsbesichtigung am 2. Juni 2015 stellte der Beklagte neben der Umnutzung im Gebäude für das Planungsbüro auf der streitgegenständlichen Fläche einen neu angelegten Parkplatz fest. Weder für die Umnutzung noch für den Parkplatz lagen Genehmigungen vor.

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In der Folge stellte die Klägerin – anfänglich im Namen von vier Eigentümern von Grundstücken im Plangebiet – im April 2018 eine Bauvoranfrage zur Errichtung von zwei Garagenanlagen mit insgesamt zehn Stellplätzen auf dem damaligen Grundstück mit der Flurstück-Nr. B. In der Garage 1 sollen vier Stellplätze entstehen, sie hat eine Breite von 9,00 Metern und eine Länge von 12,00 Metern bei einer Höhe von 5,66 Meter. Die Garage 2 enthält sechs Stellplätze, ist 6,00 Meter lang und 16,75 Meter breit und 3,42 Meter hoch. Die Garagen sollen von der H.straße aus über den vorderen Grundstücksteil angefahren werden.

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Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. November 2018 im Wesentlichen mit der Begründung ab, das Vorhaben sei nach den Vorgaben des Bebauungsplans „Z." nicht zulässig. Die dortigen Festsetzungen seien so zu verstehen, dass lediglich die zur Straße orientierten Freiflächen mit Garagen bebaut werden dürften, sofern ein entsprechender Vorplatz angelegt werden könne, nicht aber Hinterliegergrundstücke. Eine Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO komme nicht in Betracht, weil die rückwärtigen Grundstücksbereiche von Bebauung freibleiben sollten.

8

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Der Bebauungsplan sei funktionslos, da in der Umgebung zahlreiche abweichende Vorhaben realisiert und genehmigt worden seien. Das Vorhaben füge sich nach § 34 Baugesetzbuch – BauGB – auch ein. Im Februar 2019 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch zurück. Dem Vorhaben stehe Bauplanungsrecht entgegen, denn Garagen seien nur erlaubt, wenn ein Vorplatz mit fünf Metern Tiefe vorhanden sei; dies sei nicht gewährleistet. Somit seien die Voraussetzungen des § 23 Abs. 5 Baunutzungsverordnung – BauNVO – nicht gegeben. Die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans sei nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.

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Die Klägerin hat daraufhin am 25. Februar 2019 Klage auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheids erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorgetragen hat:

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Der Bebauungsplan sei unwirksam. Es fehle der erforderliche Ausfertigungsvermerk; außerdem sei er funktionslos geworden. Eine Fülle von Einzelfällen zeige, dass der Bebauungsplan seine maßstabsgebende Kraft verloren habe. Die tatsächlichen Entwicklungen in dem betreffenden Gebiet hätten einen Zustand erreicht, der eine dauerhafte Verwirklichung der Festsetzungen des Planes ausschließe und auch ein hierauf aufbauender Vertrauenstatbestand sei nicht mehr gegeben.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 26. November 2018 und des Widerspruchsbescheids vom 14. Februar 2019 zu verpflichten, den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und erwidert:

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Der Bebauungsplan sei ordnungsgemäß ausgefertigt worden. Er sei auch nicht funktionslos. Bei den baulichen Anlagen auf privaten Freiflächen – die sich offenbar überwiegend im rückwärtigen Bereich hinter den Hauptgebäuden befänden – handele es sich nach den vorliegenden Luftbildern um kleinere genehmigungsfreie Nebenanlagen i.S.v. § 14 BauNVO, die ihm erst mit der Klagebegründung bekannt geworden seien und die nichts an den Grundzügen der Planung änderten.

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Die Beigeladene hat erstinstanzlich keinen Antrag gestellt und ergänzend vorgetragen, der Bebauungsplan „Z." sei am 17. März 1975 ausgefertigt worden. Diese Ausfertigung sei auch ordnungsgemäß nach der Genehmigung und vor Inkrafttreten des Bebauungsplans erfolgt.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Januar 2020 mit folgender Begründung abgewiesen:

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Das Bauvorhaben sei gemäß § 30 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es gegen die Festsetzungen im streitgegenständlichen Bebauungsplan verstoße. Denn im fraglichen Bereich sei eine private Freifläche, die nach den textlichen Festsetzungen von jeder Bebauung freizuhalten sei, ausgewiesen. Zwar sei auf den Freiflächen der Einbau von Garagen erlaubt, wenn ein Vorplatz von mindestens 5,00 Metern Tiefe vorhanden sei (gemessen von der vorderen Grundstücksgrenze). Dies gelte aber lediglich für zur Straße hin orientierte Freiflächen, nicht aber – wie im vorliegenden Fall – für Freiflächen auf Hinterliegergrundstücken.

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Der Bebauungsplan sei auch wirksam, denn er leide weder an einem Ausfertigungsmangel, noch sei er hinsichtlich der streitgegenständlichen Festsetzung privater Freiflächen, die von Bebauung freizuhalten seien, funktionslos geworden.

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Ungeachtet dessen wäre aber auch im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans „Z." das Vorhaben gemessen an § 34 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig. Denn es füge sich hinsichtlich der Bebauungstiefe der Grundstücke nicht in die nähere Umgebung ein. Auch sei es infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen.

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Im Juni 2020 lehnte der Beklagte einen förmlichen Antrag der Klägerin auf Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ab. Die Befreiung sei mit öffentlichen Belangen, insbesondere mit dem Planungswillen, nicht vereinbar. Wegen der Störintensität seien erhebliche bodenrechtliche Spannungen zu erwarten. Zudem sollten die Garagen außergebietlichen Stellplatzbedarf decken. Die Gemeinde habe ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB zu Recht versagt.

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Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung hält die Klägerin daran fest, dass das Vorhaben nicht gegen die Festsetzung zu den privaten Freiflächen verstoße. Deren Wortlaut gebe keine Unterscheidung zwischen den Flächen an der Straße und den Hinterliegergrundstücken her. Einzige Bedingung für die Errichtung von Garagen sei vielmehr das Einhalten eines Vorplatzes von fünf Metern. Auch die Auslegung nach Sinn und Zweck der Regelung ergebe, dass eine solche Unterscheidung nicht gewollt gewesen sei. Man habe vielmehr ein einheitliches Erscheinungsbild der straßenseitigen Bebauung angestrebt. Der Plangeber habe das Bedürfnis nach Garagen gesehen, nicht aber die Notwendigkeit, die rückwärtigen Bereiche davon freizuhalten.

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Die Zulässigkeit des Vorhabens richte sich allein nach der Freiflächenfestsetzung, die eine positive Zulassung der Garagen auf der Vorhabenfläche beinhalte. Einer (subsidiären) Einzelfallentscheidung nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO bedürfe es daher nicht, da die Festsetzung zugleich als andere Festsetzung i.S.d. § 23 Abs. 5 Satz 1 1. Hs. BauNVO anzusehen sei, die die Anlagen ausnahmsweise – bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen – positiv bzw. unmittelbar zulasse. Zudem beruft sich die Klägerin auf eine zugelassene Ausnahme (§ 23 Abs. 3 S. 3 i.V.m § 23 Abs. 2 S. 3 BauNVO).

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Hilfsweise verweist die Klägerin auf eine ihr nach § 31 Abs. 2 BauGB zustehende Befreiung. Die Grundzüge der Planung seien nicht berührt, da das Vorhaben im Verhältnis zur Planungssituation nur von untergeordneter Bedeutung sei; es liege eine besondere Einzelfallsituation vor. Die planerische Grundkonzeption bestehe in der räumlichen Einordnung der Wohnhäuser und dem Freihalten des Vorplatzes, um das „Zubauen der Vorgärten“ zu verhindern. Da die Freiflächen im Plangebiet vielfach schon bebaut seien, könne eine weitere Bebauung die Grundzüge der Planung nicht berühren. Die Sondersituation des Vorhabengrundstücks im Sinne einer atypischen Situation bestehe darin, dass der rückwärtige Bereich überplant sei und der vordere Bereich nicht. Das Grundstück „hänge“ zwischen den Gebieten, es sei nur zufällig durch Umlegungsverfahren Teil des Plangebietes geworden. Die Abweichung sei ferner auch mit öffentlichen Belangen vereinbar, da sich das Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung einfüge. Eine negative Vorbildwirkung sei nicht zu besorgen, denn im gesamten Straßengeviert seien die hinteren Bereiche weitgehend bebaut. Das Vorhaben sei auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar, denn die Nachbarn seien ausdrücklich einverstanden. Die Abweichung sei auch städtebaulich vertretbar. Gerade in Anbetracht der typischen Grundstückssituation hätte der Plan ohne Weiteres die Garagen im rückwärtigen Bereich vorsehen können; auch hätte man den streitgegenständlichen Grundstücksteil aus dem Plan ausklammern können. Äußerst hilfsweise macht die Klägerin weiter geltend, sie habe nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO einen Anspruch auf Zulassung des Vorhabens im Wege einer Einzelfallentscheidung (Ermessensreduzierung auf Null).

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Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 BauNVO sei wegen der Zulassung auch mehrerer Garagen durch die streitgegenständliche Festsetzung schon gar nicht anwendbar. Zudem sei das Grundstück mit dem Planungsbüro hier noch als Teil des Gebiets – das Straßenkarree – anzusehen, da das Gebiet bis zur H.straße als Einheit anzusehen sei. Schließlich sei der Bedarf gebietsbezogen, weil auch die vier Grundstückseigentümer des Plangebiets die Garagen nutzen wollten. Jedenfalls stehe ihr aber auch insofern eine Befreiung zu.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Januar 2020 den Bescheid vom 26. November 2018 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr den am 15. März 2018 beantragten Bauvorbescheid zu erteilen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er trägt vor, mit der Festsetzung habe man Verkehrsbehinderungen verhindern wollen, gleichzeitig habe man durch die vordere Baulinie eine definierte Raumkante schaffen wollen; die Bebauung habe sich dem damaligen städtebaulichen Leitbild entsprechend nach vorne hin orientieren sollen. Durch die Festsetzung von Freiflächen habe man die rückwärtigen Grundstücksbereiche freihalten wollen. Demnach laufe das Vorhaben der grundlegenden Plankonzeption entgegen.

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Auch § 12 Abs. 2 BauNVO stehe entgegen. Das Vorhaben diene dem Stellplatzbedarf des Büros, die vorgetragene Nutzung durch die vier Grundstückseigentümer aus der Umgebung sei allenfalls untergeordnet und zudem erst mit der Berufungsbegründung (erneut) vorgetragen worden.

33

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und trägt vor, der betroffene Grundstücksteil sei bewusst in das Plangebiet aufgenommen worden. Die streitgegenständliche Festsetzung zum Einbau von Garagen könne nur für straßenangrenzende Grundstücke gelten. Man habe einen bebauungsfreien Puffer im Blockinnenbereich bzw. eine räumliche Trennung zwischen der Bebauung an der H.straße und an der Straße „A. B.“ und dadurch Ruhe- und Erholungszonen schaffen wollen. Das klägerseits vorgetragene Einverständnis der Nachbarn sei zweifelhaft, es lägen mehrere Beschwerden vor.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungs- und Widerspruchsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Beklagte hat den von der Klägerin beantragten Bauvorbescheid gemäß § 72 S. 1 Landesbauordnung – LBauO – zur Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit ihres Bauvorhabens zu Recht abgelehnt.

37

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit setzt voraus, dass das Vorhaben den Planfestsetzungen nicht widerspricht und – was hier unproblematisch ist – die Erschließung gesichert ist (§ 30 Abs. 1 Baugesetzbuch – BauGB –). Die Vorhabenfläche liegt im Gebiet des qualifizierten Bebauungsplans „Z.“ aus dem Jahr 1974.

38

Das Bauvorhaben der Klägerin widerspricht den Festsetzungen dieses Planes und ist daher nach § 30 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig.

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1. Anders als die Klägerin meint, ergibt sich zunächst nicht bereits aus der hierfür angeführten Textfestsetzung zur Freihaltung der Fläche mit einer Erlaubnis für Garagen, dass das Vorhaben den Planfestsetzungen entspräche und infolgedessen nach § 30 Abs. 1 BauGB ohne Weiteres zulässig wäre.

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In der streitgegenständlichen Festsetzung ist keine positive Vorhabenzulassung etwa im Sinne des § 9 Abs. Nr. 1 e) BBauG 1960 („Fläche für Garagen“) zu sehen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Erlaubnis zum Einbau von Garagen nur als Ausnahme zu der Vorgabe, die Flächen freizuhalten, formuliert ist. Auch im Übrigen fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Garagenausnahme als positive Standortfestlegung zu verstehen sein soll. Vielmehr ist eine solche Lesart vor dem Hintergrund, dass die Freihaltefestsetzung nebst Garagenausnahme einen erheblichen Anteil der jeweiligen Grundstücksflächen im Plangebiet betrifft, äußerst fernliegend, wenn nicht bereits ausgeschlossen. Mit der Textfestsetzung hat die Plangeberin die Freiflächen nach alledem nicht positiv zu einer Fläche für Garagen bestimmt.

41

Soweit die Klägerin meint, die Plangeberin habe durch die streitgegenständliche Festsetzung im Rahmen der Ausnahmeregelung zur Freihaltefestsetzung quasi konkludent eine zulassende Regelung für Garagen geschaffen, wäre eine solche Regelung im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 1e) BBauG 1960 schon nicht zulässig. Die Festsetzungsermächtigung erfordert vielmehr eine ausdrückliche Standortfestsetzung.

42

2. Ob das Bauvorhaben – wie der Beklagte geltend macht – bereits wegen Verstoßes gegen die Freiflächenfestsetzung unzulässig ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

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Selbst wenn die für Garagen vorgesehene Ausnahme vom Freihaltegebot auch für die rückwärtigen Freiflächen gelten sollte, wie die Klägerin meint, ließe dies nur einen Verstoß gegen die Freiflächenfestsetzung entfallen, nicht aber von der Bindung an die übrigen Festsetzungen des Bebauungsplans befreien. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB ist nur gegeben, wenn das Vorhaben mit sämtlichen Planfestsetzungen im Einklang steht. Das zum Gegenstand der Voranfrage gemachte Vorhaben steht indes – wie im Folgenden auszuführen sein wird – mit zwei weiteren Festsetzungen des Bebauungsplans nicht im Einklang. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es daher nicht darauf an, ob zusätzlich ein Verstoß gegen die Freihaltefestsetzung vorliegt. Selbst wenn man in dieser Frage der Auffassung der Klägerin folgte, verbleibt es nach alledem dabei, dass das Vorhaben auch an den weiteren Festsetzungen nach § 23 Abs. 3 Baunutzungsverordnung – BauNVO – und § 12 Abs. 2 BauNVO zu messen ist.

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3. Das Bauvorhaben verstößt jedenfalls gegen die im Bebauungsplan für die Grundstücke an der Straße „A. B.“ festgesetzten Baugrenzen (§§ 23 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Satz 1 BauNVO).

45

a) Nach § 23 Abs. 3 S. 1 BauNVO dürfen Gebäude und Gebäudeteile eine festgesetzte Baugrenze nicht überschreiten. Die zum Gegenstand der Voranfrage gemachten Garagen liegen indes unstreitig vollständig außerhalb der mittels Baugrenzen festgelegten überbaubaren Grundstücksflächen.

46

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin enthält der Bebauungsplan keine Ausnahme von diesem Bauverbot dergestalt, dass er die Errichtung von Garagen auch jenseits der Baugrenzen unmittelbar zuließe. Soweit sie sich hierzu auf die Regelung in §§ 23 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 BauNVO beruft, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Vorschriften ermöglichen es, im Bebauungsplan über die Zulassung des Vortretens von Gebäudeteilen hinaus nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen (i.S.d. § 31 Abs. 1 BauGB) vorzusehen.

47

Zunächst ist bereits fraglich, ob die in der Freiflächenfestsetzung enthaltene Erlaubnis zum Einbau von Garagen überhaupt als Sonderregelung auch zur Frage der nicht überbaubaren Grundstücksflächen verstanden werden kann. Der Wortlaut der in Rede stehenden Festsetzung jedenfalls deutet auf eine solche Doppelfunktion der formulierten Ausnahmeerlaubnis für Garagen nicht ansatzweise hin; dort ist von § 23 BauNVO oder den Baugrenzen nicht die Rede; auch ansonsten ist für eine solche Verknüpfung nichts ersichtlich. Dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Denn für eine unmittelbar geltende Freistellung der Garagen vom Bauverbot gem. § 23 Abs. 3 BauNVO fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Festsetzungsermächtigung. Dem Festsetzungsverständnis der Klägerin steht nämlich schon entgegen, dass §§ 23 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 BauNVO nur zur Normierung eines Ausnahmetatbestands, nicht aber zu einer verbindlichen Zulassung bestimmter Anlagen unmittelbar kraft Bebauungsplans ermächtigt; durch eine Ausnahmeermächtigung im Sinne dieser Vorschriften kann mithin nur der Bauaufsichtsbehörde die Befugnis eingeräumt werden, eine Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zuzulassen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 28. Mai 1993 – 1 N 91.1577 –, juris Rn. 29; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 23 BauNVO Rn. 44). Darüber hinaus erfüllt die von der Klägerin in Anspruch genommene Garagenfestsetzung aber auch aus einem anderen Grund nicht die Voraussetzungen für eine Ausnahmeregelung gemäß §§ 23 Abs. 3 Satz 3 BauNVO i.V.m. Abs. 2 Satz 3 BauNVO. Denn diese Planregelung bestimmt schon gar nicht den Umfang der Ausnahme. Sie lässt jegliche Angaben dazu, mit welchen Maßen und in welcher Anzahl Garagen außerhalb der Baugrenzen zulässig sein sollen, vermissen (zu dem Erfordernis der Angabe von Maßen vgl. Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 23 BauNVO Rn. 46).

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c) Danach erlaubt der Bebauungsplan die Errichtung von Garagen jenseits der Baugrenze nur, wenn die Bauaufsichtsbehörde dies im Einzelfall gem. § 23 Abs. 5 BauNVO zulässt.

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Nach dieser Vorschrift können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen, sofern der Bebauungsplan insoweit nichts anderes festsetzt, Nebenanlagen und bestimmte andere bauliche Anlagen im Baugenehmigungsverfahren zugelassen werden, wobei die Entscheidung im pflichtgemäßen Ermessen der Baugenehmigungsbehörde steht. Eine solche Einzelfallzulassung kommt der Klägerin hier jedoch nicht zugute. Der Beklagte hat deren Erteilung ermessensfehlerfrei abgelehnt.

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§ 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO kommt schon nicht zur Anwendung. Das Vorhaben stellt keine Nebenanlage i.S.d. § 14 BauNVO dar, da § 12 BauNVO für Garagen und Stellplätze nach allgemeiner Auffassung speziellere Regelungen trifft (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 21. März 2013 – 4 C 15.11 –; BayVGH, Beschluss vom 26. Juli 2012 – 15 ZB 10/3003 –, juris Rn. 7; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 23 BauNVO Rn. 49).

51

Aus diesem Grund kann eine Zulassung im Rahmen des § 23 Abs. 5 BauNVO von vorneherein nur nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO erteilt werden.

52

aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Einzelfallzulassung nicht deshalb entbehrlich, weil der Bebauungsplan etwas „anderes festgesetzt“ hätte im Sinne von § 23 Abs. 5 BauNVO.

53

Die Klägerin beruft sich auch insofern auf die Ausnahmeregelung in der Freiflächenfestsetzung. Danach sei der Einbau von Garagen auch auf den rückwärtigen Grundstücksflächen ausdrücklich „erlaubt“. Eine solche bereits normativ geregelte und nicht erst im Einzelfall durch bauaufsichtsbehördliche Entscheidung angeordnete positive Zulassung kann dem Bebauungsplan indes nicht entnommen werden.

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Ungeachtet der oben angesprochenen Frage, ob die Sonderregelung für Garagen überhaupt auch auf die Baugrenzen oder nicht vielmehr nur auf die Freihaltefestsetzung anzuwenden ist, ist eine solche positive Zulassungsanordnung von der Ermächtigung in § 23 Abs. 5 S. 1 Halbs. 1 BauNVO nicht gedeckt und daher unzulässig (vgl. Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 23 BauNVO Rn. 51; Ziegler, in: Brügelmann, Baugesetzbuch, Stand Juli 2017, § 23 BauNVO, Rn. 116f.). Dem Wortlaut nach ermächtigt die Vorschrift den Plangeber nur zu einer „anderen Festsetzung“ negativer Natur, d.h. zu einer Einschränkung der Zulassungsfähigkeit bestimmter baulicher Anlagen in den nicht überbaubaren Grundstücksflächen. Beabsichtigt der Plangeber, bauliche Anlagen in solchen Bereichen positiv und bereits verbindlich zuzulassen, bleibt ihm nur die Möglichkeit, die Baugrenzen hinauszuschieben. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin teilt der Senat nicht. Die klägerseits hierfür angeführte und oben bereits in Bezug genommene Kommentarstelle („Es kann angeordnet werden, dass Anlagen nach Satz 1 und/oder nach Satz 2 nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind“) bezieht sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – 3 S 3125/94, juris –; dieses wiederum verhält sich schon gar nicht zu der Frage, ob auch eine positive Zulassungsentscheidung möglich ist. Vielmehr behandelt die Entscheidung eine Planfestsetzung, in der die Zulassungsermächtigung nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO durch eine strengere Ausnahmeermächtigung im Sinne von § 31 Abs. 1 BauGB ersetzt worden war. Demnach bestand die „andere Festsetzung“ auch im dort zu beurteilenden Fall in einer – sogar weitergehenden – Einschränkung der Zulassungsfähigkeit von Anlagen nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO und damit in einer negativen Entscheidung und nicht etwa einer bereits unmittelbar normativ wirkenden positiven Zulassung.

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bb) Ob umgekehrt der Einwand des Beklagten zutrifft, dass die Freiflächenfestsetzung eine anderweitige negative Festsetzung im Bebauungsplan i.S.d. § 23 Abs. 5 S. 2 i.V.m. § 23 Abs. 5 Satz 1 1. Halbs. BauNVO dergestalt enthält, dass sie Nebenanlagen und Garagen auf den rückwärtigen Grundstücksflächen generell ausschließt, kann dahinstehen.

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cc) Der Beklagte hat es nämlich ermessensfehlerfrei abgelehnt, das Garagenvorhaben gemäß § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO zuzulassen. Die Klägerin hat auf die Zulassung keinen Anspruch.

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Es handelt sich bei § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO um eine gesetzlich uneingeschränkte „Kann“-Vorschrift, die der zuständigen Behörde einen verhältnismäßig weiten Ermessensspielraum einräumt, innerhalb dessen sie die Interessen des Bauherrn, der Nachbarn und der Allgemeinheit in Bezug auf die Anlage „frei“ unter- und gegeneinander abwägen kann, ohne durch die Planfestsetzung in einer bestimmten Richtung präjudiziert zu sein (vgl. VGH BW, Beschluss vom 25. Januar 1995 – 3 S 3125/94 –, juris Rn. 8). Ein Rechtsanspruch auf Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO besteht grundsätzlich nicht, doch kann das Ermessen auf Null reduziert sein, wenn etwa die genannten Belange unter keinem Gesichtspunkt beeinträchtigt werden (vgl. insgesamt Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2020, § 23 BauNVO, Rn. 55). Das Gericht ist gemäß § 114 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – auf die Prüfung beschränkt, ob die Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dabei kann die Behörde ihre Ermessenserwägungen gem. § 114 Satz 2 VwGO noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen, wie hier geschehen.

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Der Beklagte hat gemessen daran sein Zulassungsermessen fehlerfrei ausgeübt. Die dem Bescheid zu entnehmenden Erwägungen nebst Ergänzungen im gerichtlichen Verfahren erweisen sich als tragfähig für die getroffene Ablehnungsentscheidung.

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Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte übereinstimmend mit der Beigeladenen, die ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB versagt hat, und in Anlehnung an deren Planungskonzept dem Interesse an der Freihaltung der Fläche im Blockinnenbereich zur Wahrung von Ruhe- und Erholungszonen und an der Vermeidung von Präzedenzfällen den Vorrang gegenüber dem Befreiungsinteresse der Klägerin eingeräumt hat. Insbesondere durfte der Beklagte in Rechnung stellen, dass die Sammelgarage mit ihrer baulichen Dimension eine im Vergleich zu Einzelgaragen ungleich höhere Störwirkung in den Ruhe- und Erholungszonen der rückwärtigen Grundstücksbereiche, die nach dem Planungskonzept weitestgehend freizuhalten waren, entfalten würde. Soweit die Klägerin dem im Hinblick auf die nachbarlichen Belange entgegengehalten hat, die unmittelbaren Nachbarn seien ausdrücklich einverstanden, hat sie diesen Vortrag in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten. Zum Vorbringen der Beigeladenen, Anwohner der Umgebung hätten sich gegen das Vorhaben gestellt, erklärte sie auf Nachfrage nur noch, sie habe keine gegenteiligen Äußerungen vernommen.

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Auch die mit dem Vorhaben verbundene Präzedenzwirkung durfte der Beklagte erwägen. Er konnte davon ausgehen, dass eine Befreiung für eine Garagenanlage dieser Größenordnung Bezugsfälle nach sich ziehen könnte, weil sich die Grundstücke in der Umgebung ebenfalls für die Errichtung von Garagen in den rückwärtigen Bereichen eignen und angesichts gesteigerter Mobilitätsanforderungen von einem verglichen mit den Verhältnissen in den 1970-er Jahren gewachsenen und weiter wachsenden Stellplatzbedarf im Wohngebiet auszugehen ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die von der Klägerin hervorgehobene bereits vorhandene Bebauung in den hinteren Grundstücksbereichen mit der Größenordnung des klägerischen Vorhabens – eine Sammelgarage mit insgesamt zehn Stellplätzen und einer Grundfläche von insgesamt über 200 qm – nicht ansatzweise vergleichbar ist. Das von der Klägerin zur Bestandsbebauung im Plangebiet vorgelegte Bildmaterial (Anlage zum Schriftsatz vom 6. April 2020, Blatt 205ff. der Akte) lässt Anlagen durchgehend kleinerer Größenordnung – vielfach Geräteschuppen und nur teils Garagen oder Carports – erkennen. Mit dem Vorhaben entstünde im Blockinnenbereich eine allerdings deutlich massivere Baulichkeit, was nicht unerhebliche Unruhe in die bauliche Situation bringen würde. Es bestünde zudem die Gefahr, dass das weitgehende Freihalten der hinteren Bereiche sukzessive durch entsprechende Bauten in Frage gestellt würde.

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Der Beklagte hat bei seiner Entscheidung auch nicht etwa – wie in der mündlichen Verhandlung aber gerügt wurde – das Interesse der Klägerin, den Stellplatzbedarf für ihr Planungsbüro in der unmittelbaren Nähe decken zu können, in zu beanstandender Weise unbeachtet gelassen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Vertreter der Beigeladenen in der Verhandlung – unwidersprochen – dargelegt hat, dass auch im Hinblick auf die Nutzungen mit Publikumsverkehr im Bereich der H.straße in der Nähe des Planungsbüros öffentliche Stellplätze geschaffen worden seien. Die so vorgenommene sachgerechte Interessenabwägung begegnet nach alledem keinen Bedenken.

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d) Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Befreiung von der Baugrenzenfestsetzung nach § 31 Abs. 2 BauGB.

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Danach kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung und des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3) und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

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Es gibt bereits Anhaltspunkte dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Befreiung nicht gegeben sind. Denn grundsätzlich gehören die hier betroffenen Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche bzw. zur Baudichte zum Kern eines Bebauungsplans (§ 30 Abs. 1 BauGB), so dass schon naheliegt, dass eine diesbezügliche Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft und damit die Grundzüge der Planung berührt sind (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 31 BauGB, Rn. 36). Diese Frage braucht der Senat jedoch nicht zu entscheiden.

65

Denn auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB ergibt sich nicht ohne Weiteres ein Anspruch auf die Erteilung der Befreiung; es liegt vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Genehmigungsbehörde, die Befreiung zu erteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2002 – 4 C 13.01 –, juris Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 4. Juli 1986 – 4 C 31.84 –, juris Rn. 17; BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1978 – IV C 54.75 –, juris Rn. 31; BayVGH, Urteil vom 9. August 2007 – 25 B 05. 1337 -, juris Rn. 57; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 31 BauGB Rn. 61). Die gesetzliche Regelung unterscheidet die einzuhaltenden tatbestandlichen Voraussetzungen und die sich daran anschließende Ermessensentscheidung deutlich voneinander (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. April 2008 – 4 B 16.08 –, juris Rn. 7). Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Befreiung vor, ist für eine negative Ermessensentscheidung allerdings erforderlich, dass gewichtige Interessen entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2002, a.a.O.); die Besonderheiten des Einzelfalls sind jeweils zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. April 2008, a.a.O.). Dieses Ermessen des Beklagten ist vorliegend entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf Null reduziert.

66

Die von dem Vorhaben betroffenen städtebaulichen und nachbarlichen Belange rechtfertigen als hinreichend gewichtige Belange unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls jedenfalls in Bezug auf das zur Entscheidung gestellte Vorhaben eine Entscheidung zu Lasten der Klägerin und des ihr zustehenden Eigentumsgrundrechts. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen zur Ermessensentscheidung nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO – unter I.3.c.cc – verwiesen.

67

Schließlich steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Neubescheidung ihres Befreiungsbegehrens zu, sofern man die Befreiungsentscheidung des Beklagten vom 3. Juni 2020 zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens erklären wollte. Denn die darin angestellten Ermessenserwägungen sind aus den obigen Gründen rechtlich nicht zu beanstanden.

68

4. Darüber hinaus steht das Vorhaben im Widerspruch zum Gebietsbezug nach § 12 Abs. 2 BauNVO i.V.m. § 1 Abs. 3 S. 2 BauNVO. Mit dem Vorhaben soll außergebietlicher Bedarf und damit kein durch die zugelassene Nutzung verursachter Bedarf gedeckt werden. Die Anlage von Garagen auf dem Vorhabengrundstück für das Planungsbüro ist daher auch aus diesem Grunde unzulässig.

69

Nach § 12 Abs. 2 BauNVO sind u.a. in allgemeinen Wohngebieten Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig. Dabei kommt es auf den gebietsbezogenen Bedarf an (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 – 4 C 28.91 – juris Ls. 7 und Rn. 25 und 26; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. November 2017 – OVG 2 S 20.17 –, beck-online). Die Vorschrift bezweckt einerseits, den Bedarf an Stellplätzen und Garagen auf den Grundstücken in den Baugebieten zu decken, um damit den öffentlichen Straßenraum (zumindest teilweise) vom ruhenden Verkehr zu entlasten (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2006 – 4 C 11.05 –, juris Rn. 12; Vietmeier, in: Bönker/Bischopink, BauNVO, 2. Aufl. 2018, § 12 Rn. 4). Andererseits begrenzt § 12 Abs. 2 BauNVO den zu befriedigenden Bedarf auf das jeweilige Baugebiet; die Befriedigung eines außerhalb des Gebietes entstehenden Bedarfs im Wohngebiet soll verhindert werden (BVerwG a.a.O., Rn. 11 und 12). Unter der Formulierung "zugelassene Nutzung" sind zunächst die nach den jeweiligen Festsetzungen im Bebauungsplan zugelassenen Nutzungen zu verstehen. Der Anwendungsbereich erstreckt sich ferner auf die im Wege der Befreiung oder Ausnahme zulassungsfähigen Nutzungen. Denn diese baulichen Anlagen dürfen nach der Systematik des BauGB und der BauNVO in den betreffenden Baugebieten ebenfalls errichtet werden (BVerwG, a.a.O., Rn.11).

70

a) Entgegen der Annahme der Klägerin ist zunächst § 12 Abs. 2 BauNVO trotz der Regelung zu den Garagen auf Freiflächen im Bebauungsplan auf das Vorhaben anwendbar. Der Freihaltefestsetzung ist schon nicht zu entnehmen, dass damit eine positive Zulassung von Garagen in dem allgemeinen Wohngebiet über den Gebietsbedarf hinaus und damit weitergehend als in § 12 Abs. 2 BauNVO bestimmt erfolgen sollte. Eine besondere Festsetzung, die der Anwendung des Gebietsbezugs entgegenstünde, ist folglich schon nicht gegeben.

71

b) Der maßgebliche Vorhabenbedarf nach Stellplätzen wird durch das Planungsbüro der Klägerin verursacht. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung (erneut) geltend macht, auch die vier dort genannten Eigentümer aus der näheren Umgebung beabsichtigten, die Garagen zu nutzen, wäre dies bei der Gesamtzahl von zehn Garagen nur von untergeordneter Bedeutung. Ungeachtet dessen ist auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass eine Nutzung auch durch vier Bewohner aus dem Baugebiet vorgesehen sein soll. Zum einen hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen und nachvollziehbar dargelegt, dass die vier Eigentümer auf ihren Anwesen ihren Stellplatzbedarf bereits gedeckt haben. Zum anderen ist der Vortrag hierzu auch grob widersprüchlich, denn in der Berufungsbegründung hat die Klägerin mehrfach zwischen dem Vortrag, es sei allein die Nutzung durch Firmen- und Mitarbeiterfahrzeuge vorgesehen – verbunden jeweils mit dem Hinweis auf nur geringe und nur am Tage auftretende Lärmauswirkungen –, und dem Vortrag, auch die vier Bewohner beabsichtigten, die Garagen zu nutzen, gewechselt.

72

c) Dieser Bedarf des Planungsbüros ist als gebietsfremd anzusehen, er stammt nicht aus den Nutzungen im Baugebiet. Das jedenfalls weit überwiegend bedarfsauslösende Planungsbüro auf dem klägerischen Grundstück – straßenseitiger Bereich – liegt nicht mehr innerhalb des allgemeinen Wohngebietes, in dem das Vorhabengrundstück liegt.

73

Maßgebliches Gebiet im Rahmen des § 12 Abs. 2 BauNVO ist grundsätzlich das festgesetzte Baugebiet (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 12 BauNVO Rn: 50) Im Einzelfall kommt allerdings ein Hinausschieben der räumlichen Grenzen in Betracht, wenn die angrenzenden Bereiche faktisch (§ 34 Abs. 2 BauGB) oder kraft planerischer Festsetzung derselben Baugebietsart angehören (vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2000 – 7 A 1155/99 –, juris Rn. 16). Das maßgebliche Baugebiet muss daher nicht an den Grenzen des festgesetzten Baugebiets enden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 – 4 C 28.91 –, juris Rn. 26: auch jenseits einer Plangrenze können [bauordnungsrechtlich] notwendige Stellplätze errichtet werden; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 12 BauNVO, Rn. 51;); wo die räumliche Grenze des Baugebiets liegt, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993, a.a.O.: der Bedarf eines Gewerbebetriebs im benachbarten Mischgebiet darf nicht im allgemeinen Wohngebiet befriedigt werden; zum Ganzen Stock, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 4. Aufl. 2019, § 12 Rn. 21 sowie Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 12 BauNVO Rn. 49ff.).

74

Es kann offen bleiben, ob – wofür Überwiegendes spricht – der Bereich südlich der H.straße als faktisches allgemeines Wohngebiet anzusehen und damit dem gleichen Baugebietstyp wie das festgesetzte allgemeine Wohngebiet zuzuordnen ist. Im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse liegt in jedem Fall kein einheitliches zusammenhängendes Baugebiet mehr vor (zu diesem Erfordernis Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 12 BauNVO Rn. 51); demnach verbleibt es bei dem Grundsatz, dass für die Beurteilung des Gebietsbezugs nach § 12 Abs. 2 BauNVO von dem festgesetzten Baugebiet auszugehen ist. Anhand der vorgelegten Luftbilder und des Lageplans ist nämlich eine deutliche Zäsur zwischen dem straßenseitigen Grundstücksteil im Altbestand und der Vorhabenfläche im Neubaugebiet festzustellen. Dem Grünstreifen und der unterschiedlichen Bebauung mit einerseits dem Wohngebiet mit einzelnen Punkt-Wohnhäusern und geringer Grundstücksausnutzung und andererseits der alten Ortslage an der H.straße mit einer Mischung zwischen Wohnen und gewerblicher Nutzung und größeren Gebäuden und Riegelbebauung an mehreren Stellen misst der Senat eine maßgebliche trennende Wirkung zu.

75

d) Ein Anspruch auf Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) von dem Erfordernis des Gebietsbezugs aus §§ 1 Abs. 3 S. 2 BauNVO i.V.m. § 12 Abs. 2 BauNVO steht der Klägerin ebenfalls nicht zu. Im Falle einer Befreiung wären Grundzüge der Planung betroffen, so dass schon die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

76

Der Gebietscharakter, der die Art der baulichen Nutzung betrifft, gehört schon grundsätzlich zur Grundkonzeption des Bebauungsplans (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O. § 31 BauGB Rn. 36). Zudem ist der Gebietsbezug aber auch als einzelne Festsetzung, die für die Planung tragend ist, anzusehen (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 5. März 1999 – 4 B 5.99 –, juris Rn. 5ff.). Der Gebietsbezug in § 12 Abs. 2 BauNVO ist als tragende Erwägung anzusehen hinsichtlich der Frage, inwiefern das Abstellen von Fahrzeugen und der Fahrzeugverkehr im Allgemeinen in Wohngebieten verträglich gestaltet werden können. Denn dieser Bezug stellt sicher, dass die Beeinträchtigungen durch Fahrzeugverkehr, die die Bewohner in geschützten Wohngebieten in gewissem Umfang hinzunehmen haben, auf den im eigenen Gebiet entstehenden Bedarf begrenzt bleiben; insofern kommt ihm zentrale Schutzfunktion zu.

77

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

78

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten gemäß § 162 Abs. 3 VwGO billigerweise selbst, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.

79

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 ff. ZPO.

80

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der hierfür in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegen.

Beschluss

81

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47, 52 GKG und unter Berücksichtigung von Ziff. 9.1 und 9.1.2.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 5.000,00 € festgesetzt.

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