Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 LB 11/11

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichterin - vom 01. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Löschung einer Baulast.

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Das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück der Beigeladenen (… in …) wird über das Grundstück der Klägerin (…) erschlossen. Seit 1975 ist im Grundbuch zulasten des Grundstücks der Klägerin ein Wegerecht eingetragen. Am 14. Juli 1993 verpflichtete sich die damalige Eigentümerin des Grundstücks der Klägerin, hinsichtlich der Zufahrt eine Baulast auf ihr Grundstück zu übernehmen. Die Baulast wurde am selben Tag in das Baulastenverzeichnis des Beklagten eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt war bereits ein Zwangsversteigerungsvermerk zulasten ihres Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Neben der die Zwangsversteigerung betreibenden Deutschen Bank waren weitere Gläubiger im Grundbuch verzeichnet. Im Zwangsversteigerungsverfahren meldeten sich die Beigeladenen und wiesen schriftlich auf ihr zivilrechtliches Wegerecht hin. Sie baten, ihr Wegerecht bei der Feststellung des geringsten Gebots zu berücksichtigen. Auf Anfrage des Amtsgerichts übersandte der Beklagte einen Auszug aus dem Baulastenverzeichnis, aus dem sich der Zeitpunkt der Bestellung der Baulast (14. Juli 1993) ergibt.

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Im Zwangsversteigerungstermin am 3. Dezember 1993 waren unter anderem eine Vertreterin der Deutschen Bank und die Beigeladenen anwesend. Das zivilrechtliche Wegerecht und die Baulast wurden thematisiert. Die Beigeladenen wiesen darauf hin, dass ihr Wegerecht bestehen bleiben solle. Im Protokoll über die öffentliche Sitzung des Amtsgerichts vom 3. Dezember 1993 wurde unter anderem vermerkt:

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„Das Recht II/ 6 (Wegerecht) wird mit einem Zuzahlungsbetrag von 1000 DM bewertet auch im Hinblick darauf, dass außerdem eine Baulast eingetragen ist (Bl. 251 – 253) und die Berechtigten wohl sonst ein Notwegerecht hätten“.

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Das Grundstück wurde der Klägerin am 03. Dezember 1993 zugeschlagen.

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Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2007 beantragte die Klägerin, die Baulast im Baulastenverzeichnis zu löschen. Sie machte im Wesentlichen geltend, dass die Baulast nicht wirksam entstanden sei, weil der Zwangsversteigerungsvermerk im Zeitpunkt der Baulastbestellung bereits im Grundbuch eingetragen gewesen sei. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. September 2007 ab und stellte zugleich klar, dass die Baulast nur für eine Breite von 3 Metern gelte. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2008).

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Die Klägerin hat am 10. März 2008 Klage erhoben. Sie hat zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Baulast von vornherein nicht wirksam bestellt worden sei. Die Grundstückseigentümerin sei im Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung wegen des im Grundbuch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerks in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkt gewesen. Es gebe keinen durchgreifenden Hinweis dafür, dass die die Zwangsversteigerung betreibende Gläubigerin oder andere eingetragene Gläubiger der Baulastbestellung zugestimmt hätten. Eine ausdrückliche Zustimmung liege nicht vor. Eine etwaige stillschweigende Billigung könne kaum als Zustimmung zu einer Baulastbestellung gewertet werden. Schließlich benötigten die Beigeladenen die noch eingetragene Baulast auch nicht, um öffentlich-rechtlich die Erschließung ihres Grundstücks zu sichern. Sie hätten vielmehr andere, näher liegende Möglichkeiten der Erschließung, und zwar über das Grundstück …, das im Eigentum der Mutter bzw. Schwiegermutter der Beigeladenen stehe.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 11. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2008 zu verpflichten, die auf dem Flurstück … der Flur … der Gemarkung … zugunsten des Flurstücks … ruhende Zuwegungsbaulast zu löschen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat gemeint, dass der geltend gemachte Löschungsanspruch nicht bestehe und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin sich auf eine eventuelle Verfügungsbeschränkung der früheren Eigentümerin nicht berufen könne. Das Veräußerungsverbot aufgrund der Anordnung der Zwangsversteigerung gelte nur zugunsten des Gläubigers. Da das Amtsgericht im Zwangsversteigerungsverfahren Erkundigungen in Bezug auf die Eintragung eventueller Baulasten angestellt habe und das Wegerecht samt der Baulast im Zwangsversteigerungstermin erörtert und unter Zustimmung der Gläubiger bewertet worden sei, sei die Baulast unter Berufung auf die Beschlagnahme nicht mehr anfechtbar.

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Die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. Februar 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe zwar im Grundsatz einen Anspruch auf Löschung der Baulast. Die zulasten ihres Grundstücks eingetragene Baulast sei nicht wirksam entstanden, weil die damalige Eigentümerin aufgrund des Zwangsversteigerungsvermerks den Vollstreckungsgläubigern gegenüber nicht verfügungsbefugt gewesen sei. Es sei auch keine Heilung erfolgt, und zwar auch nicht im Versteigerungstermin. Eine wirksame Genehmigung hätte nämlich vorausgesetzt, dass alle Gläubiger Kenntnis von der verbotswidrig vorgenommenen Baulastbestellung gehabt und dieser zugestimmt hätten. Dies sei schon deshalb nicht der Fall, weil nicht alle im Grundbuch eingetragenen Gläubiger im Versteigerungstermin anwesend gewesen seien. Die Klägerin habe aber gleichwohl keinen Anspruch auf Löschung der Baulast, weil die Beigeladenen aus der privatrechtlichen Dienstbarkeit und dem hieraus begründeten Begleitschuldverhältnis einen Anspruch auf Bestellung einer deckungsgleichen Baulast hätten. Das Verwaltungsgericht hat dies im Einzelnen näher begründet.

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Mit Beschluss vom 8. Juni 2011 hat der Senat die Berufung zugelassen. Mit der Berufungsbegründung verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil, soweit dieses grundsätzlich einen Anspruch auf Löschung der Baulast bejaht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hätten die Beigeladenen aber keinen Anspruch aus einem gesetzlich begründeten Begleitschuldverhältnis gegen die Klägerin auf Einräumung einer deckungsgleichen Baulast. Dies folge bereits daraus, dass die Grunddienstbarkeit nicht auf Dauer und auch nicht zur Sicherstellung einer Bebauung bestellt worden sei. Der Beklagte könne sich auf einen solchen zivilrechtlichen Gegenanspruch der Beigeladenen auch nicht berufen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass das Grundstück der Beigeladenen über das benachbarte Grundstück ihrer Mutter bzw. Schwiegermutter erschlossen werden könne.

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Die Klägerin beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 11. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2008 zu verpflichten, die streitige Zuwegungsbaulast zu löschen.

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Der Beklagte beantragt,

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Die Berufung zurückzuweisen.

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Er meint, dass das Verwaltungsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen habe. Es komme allerdings nicht darauf an, ob die Beigeladenen einen Anspruch auf Erteilung einer deckungsgleichen Baulast hätten und ob der Beklagte sich darauf berufen könne. Die streitige Baulast sei nämlich wirksam. Der Beklagte wiederholt, vertieft und ergänzt insoweit sein bisheriges Vorbringen.

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Die Beigeladenen, die nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, haben keinen Antrag gestellt.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Sachlage und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge (Beiakte A) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist unbegründet, denn das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Es hat die allgemeinen Grundsätze, die einen Anspruch auf Löschung einer Baulast rechtfertigen, zutreffend dargelegt. Es hat ferner zu Recht ausgeführt, dass die eventuelle Möglichkeit, das Grundstück der Beigeladenen über das Nachbargrundstück ihrer Mutter bzw. Schwiegermutter zu erschließen, der Klägerin keinen Anspruch auf Löschung der Baulast vermittelt. Der Senat nimmt auf diese Passagen des angefochtenen Urteils (Bl. 11 f des Urteilsabdrucks) Bezug.

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Es gibt auch sonst keine Gründe, die eine Löschung der Baulast rechtfertigen könnten. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist das Baulastenverzeichnis im Hinblick auf die streitige Baulast richtig. Die Baulast ist zu Recht im Baulastenverzeichnis verzeichnet. Die vor der Eintragung in das Baulastenverzeichnis erfolgte Beschlagnahme des Grundstücks (§ 20 Abs. 1 ZVG) und das daraus resultierende Veräußerungsverbot (§ 23 Abs. S. 1 ZVG) stehen dieser Beurteilung nicht entgegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Verfügung, die gegen das Veräußerungsverbot verstößt, „schwebend wirksam“ bleibt und die Unwirksamkeit erst dann eintritt, wenn der betreibende Gläubiger sich auf die relative Unwirksamkeit beruft (so: Böttcher, ZVG, Kommentar, 5. Aufl. 2010, Rn. 4, 9) oder ob die Verfügung „schwebend unwirksam“ ist, so dass die Verfügung dem betreibenden Gläubiger erst dann wirksam wird, wenn der Gläubiger sein Einverständnis zu der Verfügung erklärt. Die betreibende Gläubigerin – die Deutsche Bank – hat nämlich den Bestand der Baulast akzeptiert und damit auch die Verpflichtungserklärung der früheren Eigentümerin jedenfalls konkludent genehmigt. Damit ist die Verpflichtungserklärung voll wirksam geworden (vgl. BGH, Urt. v. 20.02.1997 - III ZR 208/95 - NJW 1997, 1581 - Juris Rn. 14). Da der Beklagte im Zwangsversteigerungsverfahren auf Aufforderung des Amtsgerichts einen Auszug aus dem Baulastenverzeichnis übersandt hat, in dem der Zeitpunkt der Bestellung der Baulast ausdrücklich und klar erkennbar genannt wird, ist davon auszugehen, dass die Deutsche Bank – eine in Zwangsversteigerungsangelegenheiten zweifellos kundige Gläubigerin – dies auch erkannt hat. Erhebt sie bei einer solchen Sachlage weder schriftlich noch im Zwangsversteigerungstermin Einwände gegen die Wirksamkeit der Baulast, so kann darin nur ein konkludentes Einverständnis zu ihrer Bestellung gesehen werden. Dies gilt hier insbesondere deshalb, weil das zivilrechtliche Wegerecht und die damit zusammenhängende Baulast im Zwangsversteigerungstermin ausdrücklich thematisiert worden und die Deutsche Bank von ihrem Fortbestand ausgegangen ist. Dass andere Gläubiger, die das Verfahren nicht betrieben haben und die im Zwangsversteigerungstermin nicht anwesend waren, die Bestellung der Baulast nicht genehmigt haben, steht der vollen Wirksamkeit der Baulast nicht entgegen. Das relative Veräußerungsverbot gemäß §§ 20 Abs. 1, 23 Abs. 1 ZVG schützt nämlich nur den betreibenden Gläubiger. Dies war ausschließlich die Deutsche Bank. Der Schutz dieser Regelungen würde nur dann zu Gunsten der übrigen Gläubiger gelten, wenn diese dem Zwangsversteigerungsverfahren förmlich beigetreten wären (§ 27 Abs. 2 ZVG). Hierfür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Im Gegenteil, die Mitteilung des Amtsgerichts Bad Oldesloe vom 8. November 1993 an die Beigeladenen, dass das Verfahren von der Deutschen Bank betrieben werde, weist darauf hin, dass dem Verfahren jedenfalls zu diesem Zeitpunkt kein anderer beigetreten war. Ein späterer Beitritt wäre unerheblich, weil die Baulast zu diesem Zeitpunkt bereits bewilligt und eingetragen war. Die Wirkungen des Beitritts treten aber erst mit Zustellung des Beitrittsbeschlusses ein (Stöber, ZVG - Handbuch, 9. Aufl. 2010, Rn 134).

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Selbst wenn die Deutsche Bank den Zeitpunkt der Bestellung der Baulast und/oder die daraus folgenden rechtlichen Konsequenzen (relatives Veräußerungsverbot) nicht erkannt hätte und ihr Verhalten nicht als konkludente Genehmigung der Baulastbestellung ausgelegt werden dürfte, so könnte die Klägerin sich nicht auf das relative Veräußerungsverbot berufen. Dieses diente nämlich ausschließlich dem Schutz der die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigerin. Mittelbar gilt dieser Schutz zwar auch zu Gunsten des Erwerbers, denn der Zweck des Veräußerungsverbots würde nicht erreicht, wenn die Verfügung ihm gegenüber wirksam wäre. Für eine Einbeziehung des Erwerbers in den Schutzzweck des Verfügungsverbots fehlt aber dann jede Rechtfertigung, wenn im Zwangsversteigerungstermin alle Beteiligten davon ausgehen, dass das Recht nach der Zwangsversteigerung fortbestehen soll. Dann kommt dem Gläubiger nämlich der Vorteil des Verbots nicht zugute, denn die Bieter legen ihrer Kalkulation die fortbestehende Belastung des Grundstücks zu Grunde. In einer solchen Situation, in der der geschützte Gläubiger die Ertragsminderung akzeptiert, der Rechtsinhaber auf den Bestand seines Rechts vertraut und der Ersteigerer selbst davon ausgeht, dass er das Grundstück mit der Belastung erwirbt und einen entsprechend niedrigeren Preis zahlt, ist die nachträgliche Berufung auf das relative Veräußerungsverbot jedenfalls treuwidrig. Die Behauptung der Klägerin, sie habe von der Baulast nichts gewusst, ist für die Beurteilung der Treuwidrigkeit ihres Verhaltens unerheblich, denn die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass sie von der Fortwirkung des relativen Verfügungsverbots ausgegangen sei. Dies wäre aufgrund des protokollierten Verlaufs des Zwangsversteigerungstermins auch nicht verständlich.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Senat hält es für billig, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO), denn sie haben keine Anträge gestellt und sich damit nicht am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.


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