Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 LB 2/12

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. November 2011 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung des Beklagten, mit der ihm aufgegeben wurde, binnen zwei Wochen nach Bestandskraft die Garage auf dem Grundstück … zu beseitigen.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt in dem angefochtenen Urteil vom 30. November 2011 zutreffend dargestellt. Der Senat nimmt deshalb gemäß § 130 b S. 1 VwGO auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang Bezug.

3

Mit diesem Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, dass die verfügte Gesamtbeseitigung des streitbefangenen Gebäudes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, da die Garage ihren wesentlichen Grund in der Erteilung einer rechtswidrigen Baugenehmigung durch den Beklagten habe und diesem daher als milderes Mittel der Erlass einer Rückbauverfügung zur Verfügung gestanden habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

4

Auf den Berufungszulassungsantrag des Beklagten, am 15. Dezember 2011 eingegangen, hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 30. Januar 2012 zugelassen (1 LA 73/11). Zur Begründung wurden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der oben genannten Annahme des Verwaltungsgerichts angeführt. Die Genehmigung sei im vereinfachten Verfahren nach § 75 LBO (a.F.) erteilt worden, bei dem die Vereinbarkeit des Gebäudes mit den Vorschriften der LBO und aufgrund LBO erlassenen Vorschriften nicht habe geprüft werden müssen (vgl. § 75 Abs. 2 LBO a.F.). Darunter falle auch Ziff. 7 b der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 5, 5. Änderung, nach der Massivgaragen in oder an den Hauptgebäuden zu errichten seien. Es spreche Überwiegendes dafür, dass es sich bei dieser Festsetzung um eine örtliche Bauvorschrift iSv nach § 92 LBO (a.F.) handele, die auch materiell-rechtlich eine baugestalterische und keine bauplanerische Regelung sei. Gehöre somit Ziff. 7 b der textlichen Festsetzungen nicht zum „Prüfungsprogramm“ bei der Erteilung der Genehmigung, sei die Genehmigung nicht rechtswidrig und erstrecke sich die formelle Legalisierungswirkung der Genehmigung nicht auf den Standort - mit der Folge, dass auch der Rückbau als milderes Mittel zur Herstellung rechtmäßiger Zustände ausschiede.

5

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die nach dem seinerzeit gestellten Bauantrag vorgesehene Garage gegen die textliche Festsetzung Ziff. 7 b der 5. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 der Gemeinde St. Peter-Ording verstoße. Im Zusammenhang mit der textlichen Festsetzung Ziff. 7 c werde deutlich, dass es der Gemeinde mit den beiden Festsetzungen zu Massivgaragen und offenen Garagen allein um den optischen-gestalterischen-Eindruck und nicht um städtebauliche Regelungen gegangen sei. Gestalterische Festsetzungen gehörten aber gerade nicht zu den bauordnungsrechtlichen Vorschriften, die nach § 75 Abs. 2 Nr. 1 LBO 2000 (ausnahmsweise) zu prüfen gewesen wären.

6

Nach eigenen Angaben des Klägers sei die Garage spätestens am 18. Februar 2009 fertig gestellt worden. Die Baugenehmigung sei zum Zeitpunkt der Anhörung (15. März 2010) aufgrund der Dauer der Unterbrechung bereits abgelaufen gewesen.

7

Bei der Garage handele es sich zu der beantragten Garage um ein aliud. Rechtserhebliche Abweichungen ergäben sich bereits aus den geänderten Abmessungen des vorhandenen Gebäudes Das Gebäude sei aufgrund der Bauausführung und der fehlenden Zufahrt nicht als Garage nutzbar. Eine Neuberechnung der Abstandsflächen gem. § 6 LBO sei erforderlich.

8

Hinzu komme, dass der Kläger von Anfang an ein anderes Gebäude, nämlich ein Abstellgebäude errichtet und benutzt habe, so dass die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichen Aspekten neu zu stelle sei. Die Aufgabe der bisherigen und die Aufnahme der beschriebenen neuen Nutzung beseitige den Bestandsschutz der früheren Nutzung.

9

Ein Rückbau bzw. eine Herstellung gemäß dem seinerzeitigen genehmigten Stand komme nicht in Betracht, da die Garage im Widerspruch zu den Festsetzungen Ziff. 7 b stehen würde. Auch als Nebenanlage in Form eines Abstellraumes wäre das Gebäude unzulässig (Ziff. 9 der textlichen Festsetzungen).

10

Der Beklagte beantragt,

11

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. November 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Zur Begründung führt er aus, dass eine Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach  § 75 LBO (a.F.) nicht minder wert sei. Die Baugenehmigungsbehörde habe den Bauantrag einschließlich der geplanten Garage überprüft und damit festgestellt, dass das Bauvorhaben mit den Festsetzungen des Bebauungsplans im Einklang stehe. Andernfalls hätte die Baugenehmigungsbehörde die Genehmigung nicht erteilen dürfen. Das gesamte Vorhaben sei mehrfach mit der Baubehörde abgestimmt gewesen; die Rechtmäßigkeit sei dabei nie in Frage gestellt worden. Er genieße Vertrauensschutz.

15

Er sei nicht der Auffassung, dass die Festsetzungen in Ziff. 7 b, auch in Verbindung mit der Festsetzung nach Ziff. 7 c, lediglich gestalterische Festsetzungen seien. Dem stehe die Begründung zum Bebauungsplan Nr. 5, 5. Änderung, entgegen. Danach handele es sich um eine städtebauliche Regelung, die angesichts des streitgegenständlichen Bauvorhabens nicht verletzt sei. Die zusammenhängende Freifläche auf dem klägerischen Grundstück sei dieselbe, ob die Garage nun an der genehmigten Stelle gebaut oder leicht versetzt oder am Hauptgebäude angebaut worden wäre. Zudem sei die Garage an den Massivbaukörper der Nachbargarage angeschlossen, welche darüber hinaus auch eine bis dahin freistehenden Massivgarage gewesen sei, so dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes auch hinsichtlich der Konzentration der Baukörper erfüllt seien.

16

Schließlich sei bemerkenswert, dass dieser Bebauungsplan bereits 10 Jahre Gültigkeit gehabt habe, als der Kläger seine Bauanfrage gestellt habe, so dass die Behörde auch im vereinfachten Verfahren sofort hätte erkennen können und müssen, dass das Vorhaben mit der vom Hauptgebäude getrennten Garage nicht genehmigungsfähig sei.

17

Die Beseitigungsverfügung sei letztlich mindestens unverhältnismäßig. Wenn die Beklagte der Auffassung sei, dass die Baugenehmigung rechtswidrig sei, hätte sie sie mit den sich daraus ergebenden verwaltungsrechtlichen Folgen zurücknehmen müssen.

18

Bei dem streitgegenständlichen Bauvorhaben handele es sich nicht um ein aliud. Dies gelte jedenfalls ohne Weiteres für den wesentlichen Baukörper, der allenfalls als „minus“ zum ursprünglich genehmigten Baukörper anzusehen sei. Dass in dem Zeitraum vom 18. Februar 2009 bis zum Erlass der Anhörung keine rechtlich relevanten Bauarbeiten stattgefunden hätten, sei einerseits auf Bautätigkeiten nur außerhalb der Touristensaison zurückzuführen andererseits der zwischenzeitlich angekündigten Beseitigungsverfügung geschuldet.

19

Im Übrigen gehe er von einer Legalisierungswirkung einer unanfechtbaren Baugenehmigung trotz ihres nachträglichen Erlöschens aus.

20

Bestritten werde, dass die Garage bereits genutzt worden sei; insbesondere nicht als Abstellraum. Gelagert würden dort nur Baumaterialien, die zur Errichtung der Garage verwendet worden bzw. noch zu verwenden seien. Gleiches gelte für entsprechendes Werkzeug.

21

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Deren Inhalt ist - soweit erforderlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die angefochtene Beseitigungsverfügung vom 24. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

23

Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Beseitigungsverfügung ist § 59 Abs. 2 Nr. 3 LBO 2009. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

24

Das Vorhaben war bei seiner Errichtung sowohl formell (dazu 1) als auch materiell (dazu 2) rechtswidrig. Es waren zudem nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände herstellbar (dazu 3) und das Ermessen wurde vom Beklagten fehlerfrei ausgeübt (dazu 4).

25

1) Die Garage ist ohne Genehmigung errichtet worden und damit formell illegal. In ihren Ausmaßen (insbesondere 9,10 m Länge) bedurfte es zu ihrer Errichtung einer Baugenehmigung, vgl. §§ 68 Abs. 1, 69 Abs. 1 Nr. 1 a i.V.m. § 6 Abs. 10 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 1 LBO 2000. Der Standort und die Ausführung der Garage waren nicht von der Baugenehmigung vom 05. Oktober 2005 umfasst. Denn es handelt sich bei der Festsetzung Ziff. 7 b der 5. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 der Gemeinde Sankt Peter-Ording um eine örtliche Bauvorschrift i.S.v. § 92 LBO (idF vom 11.07.1994 als die zur Zeit des Satzungsbeschlusses über die 5. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 [= 16. November 1995] maßgeblichen Fassung). Somit gehörte sie nicht zum Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 75 LBO 2000 (als maßgebliche Fassung für die Baugenehmigung vom 05. Oktober 2005) und war damit nicht Gegenstand dieser Baugenehmigung. Die Legalisierungswirkung reicht nur so weit, wie das materielle Baurecht Prüfungsmaßstab bei der Erteilung der Baugenehmigung war (vgl. Domning/Möller/Suttkus, Bauordnungsrecht Schleswig-Holstein, Band 2, Stand: Juni 2004, § 66 Rn. 45).

26

Nach § 75 Abs. 2 Nr. 1 LBO 2000 wurde im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren die Vereinbarkeit mit den Vorschriften dieses Gesetzes und aufgrund dieses Gesetzes nicht geprüft; das galt nicht für die Vereinbarkeit von Vorhaben mit den §§ 6, 7 (Abstandsflächen), § 37 Abs. 2 (Dächer) und § 55 (notwendige Stellplätze und Garagen), bei Gebäuden mittlerer Höhe zusätzlich § 19. Der Ausnahmefall des § 55 LBO 2000, der sich gerade mit Garagen befasste, ist vorliegend nicht einschlägig, da in diese Prüfung nur die „notwendigen Garagen“, d. h. nur die für das Hauptvorhaben notwendige Anzahl der Garagen und Stellplätze eingestellt wurden. Diese Vorschrift umfasste aber gerade keine Vorgaben - und damit auch kein Prüfprogramm - zum Standort oder zur Gestaltung der (notwendigen) Garage.

27

Bei der textlichen Festsetzung Ziff. 7 b - auch in Verbindung mit Ziff. 7 c - in der 5. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 handelt es sich um eine örtliche Bauvorschrift i.S.v. § 92 LBO. Zunächst zitiert die Satzungsbegründung § 92 LBO als Erlassvorschrift; formell wurden die Festsetzungen also hierauf gestützt. Das ist in einem Bebauungsplan verfahrensrechtlich möglich (§ 9 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 92 Abs. 4 S. 1 LBO). Die Festsetzung ist auch materiell von § 92 Abs. 1 Nr. 1 LBO gedeckt: Danach können die Gemeinden örtliche Bauvorschriften durch Satzungen erlassen über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Durchführung baugestalterischer Absichten in bestimmten, genau abgegrenzten bebauten oder unbebauten Teilen des Gemeindegebiets.

28

Zwar ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass die Begründung zu den Festsetzungen betreffend Garagen, die auf die Konzentration von Massivbaukörpern und die Vergrößerung zusammenhängender Flächen abstellt, auf eine bauplanerische Festsetzung hindeuten könnte. In der Tat spricht dieser Wortlaut der Begründung zur 5. Änderung des B-Plans Nr. 5 zunächst für eine Regelung betreffend den Standort der Garage auf den Grundstücken im Plangebiet, so dass dies für eine bauplanerische/städtebauliche Regelung sprechen könnte, die von der Prüfung im vereinfachten Verfahren nach § 75 LBO 2000 nicht ausgenommen wäre. Auch die Ziff. 7 b selbst enthält eine Vorgabe zur Lage der Massivgarage auf dem Grundstück, nämlich nur „in oder an den Hauptgebäuden“. Dies ist eine Abweichung von der grundsätzlichen Möglichkeit, auch außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche und in Abstandsflächen Garagen als bauliche Anlagen zu errichten (vgl. § 6 Abs. 10 Nr. 1 LBO 2000/§ 6 Abs. 7 Nr. 1 LBO 2009; § 23 Abs. 5 BauNVO). Weiterhin könnte für eine bauplanungsrechtliche Regelung § 9 Abs. 1 Nr. 4 2. Var. BauGB sprechen, wonach in Bebauungsplänen aus städtebaulichen Gründen Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten festgesetzt werden können. Allerdings umfasst diese Ermächtigungsgrundlage wiederum nur die Möglichkeit, inhaltlich zu bestimmen, auf welchen Flächen Stellplätze oder Garagen zulässig sein sollen. In dieselbe Richtung weist § 12 Abs. 6 BauNVO, wonach im Bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass in Baugebieten oder in bestimmten Teilen von Baugebieten Stellplätze und Garagen unzulässig oder nur in beschränktem Umfang zulässig sind, soweit landesrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Die Regelung umfasst die Ermächtigung zu Festlegungen im Hinblick auf z. B. sachliche Begrenzungen (d. h. nur Stellplätze oder nur Garagen auszuschließen), die Unterart der Kraftfahrzeuge, deren Abstellen die Anlage dient (z.B. nur Lkw) oder die Begrenzung der Anzahl (vgl. Ziegler, in: Brügelmann, Komm. zum BauGB, Stand: Febr. 1997, § 12 BauNVO, Rn. 93 ff.). Sie enthält hingegen keine darüber hinausgehenden (auch) gestalterischen Festsetzungsmöglichkeiten. Es ist aber auch aus der Begründung zur 5. Änderung des B-Planes Nr. 5 heraus nicht ersichtlich, dass die Gemeinde materiell im Sinne der vorgenannten Vorschriften im Plangebiet bzw. in Teilen davon Garagen nur in beschränktem Umfang zulassen oder sie in den nicht überbaubaren Grundstücksflächen ausschließen wollte. Auch wenn - wie dargelegt - der Wortlaut der Begründung als Planungsziel „die Konzentration von Massivbaukörpern auf den einzelnen Grundstücken und somit die Vergrößerung zusammenhängender Flächen“ anführt, (auch) die Lage auf den Grundstücken betrifft, liegt der Schwerpunkt der Festsetzung jedoch (auch unter Berücksichtigung des Wortlautes) auf dem gestalterischen Element in Bezug auf den Baukörper und die damit einhergehende Positionierung der Garagen auf dem Grundstück. Maßgeblicher Hintergrund für die Verwirklichung des Planungszieles ist die äußere Gestalt des Baukörpers: Denn erst der Baukörper „Massivgarage“ kann einen Eindruck der Konzentration nach sich ziehen und Freiflächen beeinträchtigen; übrige Garagenbaukörper, namentlich die benannten offenen Garagen (sog. Carports) in Ziffer 7 c, vermitteln diesen Eindruck gerade nicht, weshalb sie dem Planungsziel auch nicht entgegenstehen (vgl. Planbegründung). Dafür spricht auch, dass für diese gerade keine Lagebestimmung auf dem Grundstück in die Festsetzung Ziff. 7 c mit aufgenommen wurde; vielmehr sind sie freistehend überall auf dem Grundstück zulässig. Dies schließt aber gerade die Annahme einer Festsetzung nach den oben genannten Vorschriften (§ 9 Abs. 1 BauGB, §§ 12 Abs. 6, 23 Abs. 5 BauNVO) aus. Die Normen beinhalten zudem gerade keine Ermächtigung zum Erlass auch solcher Festsetzungen, die die Gestalt der Baukörper betreffen. Das zu verwendende Material wurde in Ziff. 7 b und 7 c bestimmt, nämlich „massiv“ bzw. „Holzbauweise“; dies ist unzweifelhaft ein gestalterisches Element. Gleiches gilt für die Begründung betreffend Carports als „leichte, lichte, meist eingegrünte Baukörper in Holzbauweise“. Freiflächen gehören auch zum äußeren Erscheinungsbild und damit der Gestaltung der Grundstücke in dem Plangebiet.

29

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 10.07.1997 - 4 NB 15/97 -, zitiert nach juris, m. w. N.) leistet zwar auch das Städtebaurecht einen Beitrag zur Gestaltung des Ortsbildes über die Vorschriften, die die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche betreffen (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2, § 34 Abs. 1 Satz 2 und § 35 Abs. 3 BauGB). Das städtebauliche Instrumentarium reiche unter diesem Blickwinkel indes nur soweit, wie das Baugesetzbuch entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten eröffne. Zur bodenrechtlichen Ortsbildgestaltung stehe der Gemeinde der in § 9 Abs. 1 BauGB abschließend umschriebene Festsetzungskatalog zur Verfügung. Gestaltungsvorschriften, die hierüber hinausgingen, ohne den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung zu haben, stünden dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht offen. Die hier getroffenen Festsetzungen zu Massiv- und offenen Garagen sind aber zum einen schon keine Regelungen über Art und das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche. Zum anderen enthält § 9 Abs. 1 BauGB, wie bereits dargelegt, keine Gestaltungsermächtigung, wie sie hier in Rede steht.

30

Die bauliche Verdichtung - die auch vorliegend i.S.d. Konzentration von Massivbaukörpern Teil des Planungszieles ist - kann nach der bisherigen Senatsrechtsprechung ein Gestaltungskonzept sein. In einem vergleichbaren Fall über eine Beseitigungsverfügung betreffend eine Doppelgarage mit Anbau hat der Senat ausgeführt (Beschl. v. 12.04.2006 - 1 LA 107/04 -):

31

 „Die örtlichen Gestaltungsvorschriften des Bauordnungsrechts stehen dabei selbständig neben städtebaulichen Nutzungsbeschränkungen (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Band V, Stand September 2005, § 12 BauNVO Rdnr. 8). Sie regeln die äußere Gestaltung baulicher Anlagen und umfassen damit auch Bauvorschriften über die maximale Grundfläche von Garagen.

(...)

32

Wie aus Ziffer 1. der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 11 hervorgeht, verfolgte die Gemeinde … bei der Aufstellung des streitgegenständlichen Bebauungsplans das Ziel, eine bauliche Verdichtung im Geltungsbereich des B-Plans zu verhindern. Die Verfolgung dieses Gestaltungskonzepts ist nicht zu beanstanden und rechtfertigt deshalb die im B-Plan vorgesehene Grundflächenbeschränkung für Garagen.“

33

Da die Baugenehmigung vom 05. Oktober 2005 damit nicht den Standort und die Ausführung der Garage umfasste, bedarf es daher keiner weiteren Ausführungen zu den Argumenten der Beteiligten betreffend das Erlöschen der Genehmigung bzw. des Bestandsschutzes wegen Unterbrechung der Bautätigkeit über ein Jahr (§ 75 LBO 2009) bzw. wegen der nicht mehr von der Genehmigung gedeckten Errichtung eines aliuds oder Umnutzung zu einem Abstellraum.

34

Die Argumente des Klägers zum Verfahren und zur geführten Korrespondenz stehen der formellen Rechtswidrigkeit nicht entgegen. Zum einen ist bereits dem Verwaltungsvorgang zum Bauantrag zu entnehmen, dass der Kläger einen solchen im vereinfachten Verfahren gem. § 75 LBO 2000 gestellt hat. Seinem Entwurfsverfasser wurde darüber hinaus telefonisch laut aktenkundigem Vermerk des Beklagten (Bl. 1 Beiakte C) mitgeteilt, dass die Garagengröße nicht geprüft werde (§ 75), maßgebend für die Ausführung sei die Festsetzung gemäß B-Plan. Auf eine Unkenntnis über den Genehmigungsumfang kann der Kläger sich schon deshalb nicht berufen. Zum anderen erreicht die von ihm angeführte Korrespondenz mit dem Beklagten in Gestalt von Hinweisen, informellen Gesprächen keinen Grad (auch bereits nicht der Form nach), der im Sinne einer Zusicherung ihm zu einem Anspruch auf die Beibehaltung der Garage in der vorgenommenen Ausführung verhelfen könnte, auch nicht im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null auf der Rechtsfolgenseite.

35

Dem Kläger ist letztlich nicht darin zuzustimmen, dass der Beklagte bei Feststellen eines Verstoßes gegen die Festsetzungen des B-Planes die Baugenehmigung nicht hätte erteilen dürfen. Dem ist unter Verweis auf die obigen Voraussetzungen nur insoweit beizupflichten, als es sich dabei um zum Prüfprogramm des vereinfachten Verfahrens gehörende Vorschriften handelt. Nicht darunter fallende Vorgaben (wie hier die Festsetzungen über die Garagen als örtliche Bauvorschriften) können jedoch keinen Versagungsgrund für die Baugenehmigung darstellen, auf die ja gerade ein Anspruch bei Vorliegen aller Prüfvoraussetzungen besteht (vgl. § 78 Abs. 1 S. 1 LBO 2000/§ 73 Abs. 1 S. 1 LBO 2009)

36

2) Das Vorhaben war bei seiner Errichtung auch materiell rechtswidrig. Die Errichtung der Massivgarage verstößt gegen die Festsetzung Ziff. 7 b der 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 der Gemeinde Sankt Peter-Ording. Denn es handelt sich nach dem dem Gericht vorliegenden Aktenmaterial einschließlich Lichtbildaufnahmen unstreitig um einen vierseitig geschlossenen Massivbaukörper in weißer Verklinkerung (vgl. Bl. 5-7 Beiakte A), welcher nicht an das Haupthaus auf dem klägerischen Grundstück angebaut wurde, sondern an die (zuvor ebenfalls freistehende) nachbarliche Massivgarage auf der Grundstücksgrenze (Flurstücke …, …). Die Festsetzungen sind auch nicht dadurch erfüllt – wie der Kläger meint –, dass er die Garage an eine andere Massivgarage angebaut hat, demnach eine Konzentration im Sinne des B-Planes gegeben sei und dies auch für die Freifläche keinen Unterschied mache. Zum einen handelt es sich bei dem anderen Massivbaukörper um einen auf einem anderen Grundstück belegenen und nicht um einen auf dem (für die Festsetzungen maßgeblichen) eigenen Grundstück. Zum anderen verkennt der Kläger damit die Bedeutung einer zusammenhängenden Freifläche (ohne Massivbaukörper), wie sie in der Begründung zum Bebauungsplan angeführt wird. Diese wird gerade durch die Teilung der Massivbaukörper (Haupthaus/Garage) verkleinert.

37

Zu Gunsten des Klägers spricht auch nicht der Gesichtspunkt, dass bei der Prüfung der materiellen Legalität stets die günstigere Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen ist. Dies gilt sowohl für das Widerspruchs- als auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.11.1957 - IC 168.56 -, zitiert nach juris). Es wäre sinnwidrig, eine Anlage abreißen zu lassen, deren Errichtung nach der Beseitigung sofort wieder zugelassen werden müsste, weil die Anlage in der Zeit nach der letzten Behördenentscheidung etwa durch Inkrafttreten eines Bebauungsplanes rechtmäßig geworden ist. Die Bauaufsichtsbehörde hat die Beseitigungsverfügung unter Kontrolle zu halten und auch nach deren Erlass zu Gunsten des Betroffenen Änderungen der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 17.08.1984 - 1 A 127/81 -, zitiert nach OVG Schleswig, Beschl. v. 15.08.1995 - 1 M 77/94 -, wiederum zitiert nach juris).

38

Diese Gesichtspunkte sind allesamt im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil weder eine geänderte Sach- noch Rechtslage vorliegt, die die Massivgarage als Grenzgarage getrennt vom Hauptgebäude rechtlich zulässig machen würde.

39

3) Es waren auch nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände herstellbar. Namentlich eine Rückbauverfügung auf das materiell zulässige Maß entsprechend den Festsetzungen des B-Plans Nr. 5, 5. Änderung, war vom Beklagten zutreffend nicht in Betracht zu ziehen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein entsprechender Rückbau vom Kläger im Rahmen des Beseitigungsverfahrens einschließlich Widerspruchsverfahrens selbst nicht näher konkretisiert und beim Beklagten beantragt wurde. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde, eingehend zu prüfen, ob andere, ebenso geeignete Maßnahmen in Betracht zu ziehen sind, z. B. ob dem rechtswidrigen Zustand durch bauliche Änderungen anstelle eines Abbruchs abgeholfen werden kann. Eine Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde, unter dem Gesichtspunkt des geringstmöglichen Eingriffs ihrerseits nach anderen, ebenso geeigneten Maßnahmen zu suchen, kommt nur in Frage, wenn sich solche Maßnahmen aufdrängen (vgl. Domning/Möller/Suttkus, a.a.O., § 86 Rn. 69, m.w.N.). Im Übrigen ist es Sache des Pflichtigen, ein Austauschmittel vorzuschlagen, so die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 12.06.1973 - IV B 58.72 -, zitiert nach juris, Rn. 5). Dort heißt es:

40

 „Unzutreffend ist schließlich auch die Ansicht des Klägers, daß das zuständige Landratsamt mit der Beseitigungsverfügung deshalb gegen das Übermaßverbot verstoßen habe, weil es allenfalls eine den Kläger minder belastende (Änderungsmaßnahme) Maßnahme hätte anordnen dürfen. Der beschließende Senat hat im Anschluß an die Rechtsprechung des I. Senats (vgl. Beschluß vom 8.Dezember 1964 - BVerwG I B 208.64 - (Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 17a S. 53)) mehrfach ausgesprochen, daß es bei Beseitigungsverfügungen grundsätzlich nicht Sache der einschreitenden Behörde ist, in eingehendere Überlegungen darüber einzutreten, ob dem rechtswidrigen Zustand nicht vielleicht auch durch irgendwelche baulichen Änderungen abgeholfen werden könnte (vgl. die Beschlüsse vom 29. September 1965 - BVerwG IV B 214.65 - in Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 18 S. 54 (55), vom 16. Dezember 1965 - BVerwG IV B 104.65 - (S. 3) und vom 3. März 1966 - BVerwG IV B 30.66 - (S. 3)). Derartige Überlegungen anzustellen, ist Sache des jeweils Betroffenen, und zwar nicht nur, weil ihm die zu beantwortenden Fragen in der Regel leichter zugänglich sind, sondern ferner und vor allem deshalb, weil bei der Abwägung zwischen mehreren Möglichkeiten abzustellen ist nicht auf "objektive" Maßstäbe, sondern ausschlaggebend "auf die Interessenlage des Betroffenen, wie er selbst sie versteht und bewertet" (Urteile vom 19. Oktober 1966 - BVerwG IV C 57.64 - in MDR 1967, 241 (242) und vom 15. März 1968 - BVerwG IV C 126.65 - in Buchholz 406.33 § 12 LBG Nr. 5 S. 20 (21)). Zur Wahrung der Interessen des Betroffenen reicht aus, daß die Behörde an ihrer Beseitigungsverfügung nicht festhalten darf, wenn der Betroffene ein von ihm als milder empfundenes, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes ebenfalls geeignetes Mittel anbietet (vgl. dazu auch § 41 Abs. 2 PrPVG). Dafür, daß dies im vorliegenden Falle geschehen wäre, läßt sich weder dem angefochtenen Urteil noch dem Beschwerdevorbringen des Klägers etwas entnehmen.

41

Zudem reicht der Vergleichsvorschlag des Klägers vom 09.08.2012 in diesem gerichtlichen Verfahren, der sich allein mit der zweiseitigen Öffnung der Garage durch Entfernen der Flügeltüren nebst Rahmen befasst, für eine den Festsetzungen Ziff. 7 b oder 7 c der 5. Änderung des B-Planes Nr. 5 entsprechende Garage nicht aus. Es ist auch zumindest nicht offensichtlich, dass die in Streit stehende - derzeitige - Massivgarage, mit ihrer tatsächlichen Belegenheit und Ausführung auf ein materiell-rechtlich zulässiges Maß, den Festsetzungen Ziffer 7 b oder 7 c entsprechend, rückbaufähig ist. Bilden rechtswidrige und rechtmäßige Bauteile einer Anlage eine untrennbare Einheit, kommt grundsätzlich nur die vollständige Beseitigung der Anlage in Betracht, es sei denn, der Betroffene bietet von sich aus einen - genehmigungsfähigen - Umbau der Anlage an (vgl. Domning/Möller/Suttkus, a.a.O., § 86 Rn. 66, m.w.N.).

42

Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB, wie der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2011 angeführt hat, kommt rechtlich aus den dort zutreffend dargestellten Gründen – auf die Bezug genommen wird – nicht in Betracht. Der Kläger hat die gegen die eigenständige Ablehnung des Befreiungsantrages (Bescheid vom 21. Juli 2010, Widerspruchsbescheid vom 08. November 2010) erhobene Klage (8 A 199/10) zurückgenommen.

43

4) Die Ermessensentscheidung des Beklagten ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Der Erlass einer Beseitigungsverfügung entspricht bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 59 Abs. 2 Nr. 3 LBO 2009 grundsätzlich dem Zweck der Vorschrift und damit einer pflichtgemäßen Ermessensausübung. Die Bauaufsichtsbehörde handelt daher rechtmäßig, wenn sie - wie hier - in Übereinstimmung mit dem Sinn und Zweck der Ermächtigungsgrundlage die Beseitigung einer materiell rechtswidrig errichteten Anlage anordnet. Sie muss in ihrer Entscheidung lediglich zum Ausdruck bringen, dass ihr bewusst war, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. Domning/Möller/Suttkus, Bauordnungsrecht Schleswig-Holstein, Band 2, Stand: Oktober 2005, § 86 Rdnr. 50 und 53). Vorliegend hat der Beklagte zwar nicht in der Ordnungsverfügung vom 24. August 2010 solche Erwägungen angestellt, jedoch in dem Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2011 die Gründe für die von ihm getroffene Ermessensentscheidung angegeben. Hierbei hat er insbesondere darauf verwiesen, dass die Beseitigungsanordnung erforderlich sei, um einen rechts- und ordnungswidrigen Zustand zu beseitigen. Auch solle eine negative Vorbildwirkung vermieden werden. Mangels eines Angebots des Klägers über ein konkretes materiell-rechtlich zulässiges Austauschmittel bis zu diesem Zeitpunkt (siehe oben unter 3)), als dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Ermessensentscheidung bei unveränderter Sach- und Rechtslage, brauchte der Beklagte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung keine Rückbauverfügung als milderes Mittel gegenüber der Beseitigungsverfügung in Erwägung ziehen.

44

5) Ist die Beseitigungsanordnung nach alledem rechtlich nicht zu beanstanden, ist auch die auf der Grundlage der §§ 236, 237 Abs. 1 Nr. 1 LVwG erfolgte Androhung, für den Fall der nicht fristgerechten Beseitigung der streitigen Garage ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 € festzusetzen, rechtmäßig.

45

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

46

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

47

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.


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