Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (14. Senat) - 14 LB 2/15

Tenor

Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 4. September 2013 - 17 A 33/11 - wird geändert.

Die Dienstbezüge der Klägerin werden für 2 Jahre um 10 % gekürzt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die 1962 geborene Klägerin trat am 26. September 1985 als Finanzanwärterin in den Dienst des Landes. Zum 11. April 1989 wurde sie zur Steuerinspektorin ernannt und ihr wurde die Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit verliehen. Zuletzt wurde sie am 1. März 1991 zur Steueroberinspektorin (BesGr. A 10) befördert.

2

Die Klägerin ist seit Mai 2015 in zweiter Ehe verheiratet. Von ihrem ersten Ehemann wurde sie im Dezember 2005 geschieden. Sie hat zwei Töchter aus der ersten Ehe, geboren im Oktober 1989 und im März 1992. Die jüngere Tochter, als deren Betreuerin die Klägerin eingesetzt ist, ist geistig und körperlich schwerstbehindert und lebt in einer Behinderteneinrichtung.

3

Die Klägerin ist seit 1987 im Finanzamt... tätig. In der Ausbildung war sie in der Gewerbe- und Körperschaftssteuerabteilung und in der Rechtsbehelfsstelle eingesetzt. Danach war sie als Sachbearbeiterin in der Grunderwerbssteuerstelle tätig. 2005 wurde sie mit den Aufgaben einer Bearbeiterin in der Stundungs- und Erlassstelle betraut. Seit August 2011 ist die Klägerin als Sachbearbeiterin im gewerblichen Veranlagungsbereich (mit Personengesellschaften) eingesetzt. Alle Aufgaben sind als Funktionsstellen für A11 vorgesehen, sogenannte gebündelte Dienstposten.

4

Nach der Geburt der ersten Tochter im Oktober 1989 nahm die Klägerin bis zum 10. Januar 1991 Erziehungsurlaub. Anschließend reduzierte sie ihre Arbeitszeit um 50%. An die Geburt der zweiten Tochter im März 1992 schlossen Zeiten des Erziehungsurlaubs und des Urlaub ohne Dienstbezüge zur Betreuung der Tochter an. Seit dem 24. März 2005 arbeitete die Klägerin weiterhin mit reduzierter Stundenzahl, zunächst mit 30 %, zurzeit arbeitet sie 24,8 Stunden in der Woche.

5

Ihre vor der Disziplinarverfügung letzte dienstliche (Regel-)Beurteilung aus dem Jahre 2009 lautete auf 2 M (entspricht 100 Punkten, 2005 und 2007 erreichte sie jeweils 110 Punkte). In der letzten Regelbeurteilung zum Stichtag 31. August 2015 wurde sie mit „übertrifft die Anforderungen (unterer Bereich)" beurteilt.

6

Die Klägerin ist weder strafrechtlich noch disziplinarisch vorbelastet.

7

Am 24. Oktober 2000 verstarb der Vater der Klägerin, der (nach der gesetzlichen Erbfolge) zu 1/2 von seiner Ehefrau und zu jeweils 1/4 von seinen beiden Töchtern, der Klägerin und ihrer Schwester beerbt wurde. Am 21. Februar 2005 verstarb auch die Mutter der Klägerin. Das Vermögen der Mutter ging jeweils zur Hälfte auf die Klägerin und ihre Schwester über. Der Vater der Klägerin hinterließ bei seinem Tod ein Depot und ein Konto in der Schweiz. Hiervon erfuhren die Erben im Laufe des Jahres 2001. Dieses Depot wurde bis zum Tod der Mutter auf deren Namen geführt und für private Anschaffungen verwendet. Nach dem Tod der Mutter beließ die Klägerin ihren Anteil zunächst auf dem Depot und löste dieses im September 2008 auf, indem sie rund 81.000 € ihrem jetzigen Ehemann zur Verwahrung übergab und den Restbetrag von rund 19.000 € für eine Urlaubsreise und private Anschaffungen verwendete. Der Ehemann legte das Geld unter seinem Namen in einem neuen Depot an.

8

In den nach dem Tod des Vaters und der Mutter abgegebenen Steuererklärungen wurden weder das durch die Erbschaft erlangte Kapital aus der Schweiz noch die daraus erwirtschafteten Erträge angegeben.

9

Am 23. März 2010 erstattete die Klägerin (durch Anwaltsbrief gegenüber ihrer Dienststelle, adressiert an ihre Dienstvorgesetzte) eine Selbstanzeige „gemäß § 371 Abgabenordnung". Sie gab an, in der Vergangenheit ihren steuerlichen Erklärungspflichten aus Rücksicht und Loyalität gegenüber ihrer Mutter und ihrer Schwester nicht nachgekommen zu sein. Die Mutter habe erklärt, keinesfalls für den verstorbenen Ehemann ins Gefängnis gehen zu wollen und es deshalb strikt abgelehnt, das Depot in der Schweiz anzugeben. Gleiches habe für die Schwester gegolten. Sie wisse, dass sie als Finanzbeamtin damit einen schweren Fehler begangen habe, habe jedoch ihre Familienmitglieder nicht anzeigen bzw. denunzieren wollen. Dies bedaure sie. Das Guthaben auf dem Depot habe beim Tod des Vaters rund 800.000 bis 900.000 DM, beim Tod der Mutter (auch aufgrund von Kursverlusten) maximal noch 250.000 DM betragen. Sie unterstelle zu ihren Lasten, ihr Anteil am Kapital habe durchgängig 125.000 € betragen und Zinsen in Höhe von 5 %, also insgesamt bis 2008 in Höhe von 6.250 € erwirtschaftet, womit sich Erbschaftssteuern in Höhe von rund 25.000 € ergäben. Die Kontounterlagen habe sie angefordert und werde diese umgehend nachreichen.

10

Die Klägerin reichte die Kontounterlagen von der Credit Suisse nach und korrigierte ihre Einkommenssteuer- und Erbschaftssteuererklärungen. Danach befanden sich nach dem Tod des Vaters auf dessen Depot 813.746,00 DM zuzüglich 33.990 DM auf einem dort geführten Konto (Anteil der Klägerin: 203.436,50 DM zuzüglich 8.497,50 DM, insgesamt 211.934,00 DM), womit sich ihr Erbanteil insgesamt nach Abzügen auf einen zu versteuernden Betrag von 539.597 DM erhöhte, so dass (nach Abzug des steuerlichen Freibetrages von 400.000 DM) mit Bescheid vom 7. Januar 2011 zunächst eine Erbschaftssteuer nach dem Tod des Vaters von 7.947,01 € festgesetzt wurde, die mit Bescheid vom 28. April 2011 auf 7.845,77 € neu festgesetzt wurde.

11

Nach dem Tod der Mutter waren ausweislich des Erbschaftssteuerbescheides vom 18. Oktober 2010 noch 102.707 € (Anteil der Klägerin: 51.353,50 €) auf dem Depot vorhanden, womit sich der Erbanteil der Klägerin insgesamt nach Abzügen auf 296.182 € erhöhte, so dass sich nach Abzug des Freibetrages von 205.000 € zunächst eine Erbschaftssteuer in Höhe von 10.076 € ergab (anstelle der mit Bescheid vom 30. November 2006 festgesetzten 2.800 €). Auch die Erbschaftssteuer nach der Mutter wurde neu festgesetzt, und zwar mit Bescheid vom 2. August 2011 auf 10.021 €.

12

Hinzu kamen Nachforderungsbeträge zur Einkommenssteuer für das Jahr 2001 für die Klägerin und ihren geschiedenen Ehemann in Höhe von 365,07 € sowie für das Jahr 2000 für die (verstorbenen) Eltern der Klägerin in Höhe von 569,07 €.

13

Nach getrennter Veranlagung der geschiedenen Eheleute wurden mit Bescheiden vom 26. und 29. November 2010 bei der Einkommenssteuer der Klägerin Steuerverkürzungen für das Jahr 2006 in Höhe von 238 € und für das Jahr 2007 in Höhe von 405 € ermittelt und die Steuern entsprechend neu festgesetzt.

14

Die Einkommenssteuer für 2008 wurde erst nach der Selbstanzeige mit Bescheid vom 15. Juli 2011 festgesetzt. Die Einkommenssteuer für das Jahr 2001 in Höhe von 526 € wurde im Nachhinein teilweise abgeändert, und zwar durch geänderten Aufteilungsbescheid vom 22. Februar 2011, der eine Steuerschuld von 0,00 € für die Klägerin auswies.

15

Die Klägerin zahlte alle Steuern nach, einschließlich der auf ihre Eltern entfallenden Anteile an Einkommenssteuer.

16

Aufgrund der Selbstanzeige der Klägerin wurde durch Verfügung vom 26. April 2010, der Klägerin zugestellt am 27. April 2010, das Disziplinarverfahren eingeleitet und zugleich bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt.

17

Nachdem die Klägerin die Nachforderungsbeträge gezahlt hatte, wurde das gegen sie eingeleitete Steuerstrafverfahren wegen Verdachts der Einkommens- und Erbschaftssteuerhinterziehung mit Verfügung vom 2. Februar 2011 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

18

Nach Abschluss des Steuerstrafverfahrens wurde das Disziplinarverfahren am 14. Februar 2011 fortgesetzt. Die Klägerin äußerte sich zu den Vorwürfen ergänzend wie folgt: Die Mutter sei seinerzeit 76 Jahre alt gewesen, alkoholkrank und unbelehrbar. Erst unter dem Eindruck der Aushändigung einer schweizerischen CD mit Daten deutscher Steuerbürger sei es zu einem Sinneswandel der Schwester gekommen. Sie selbst habe allerdings zu keiner Zeit befürchtet, durch das Bekanntwerden der Schweizer Daten belastet zu werden, da das Depot nicht auf Ihrem Namen geführt worden sei. Die Nachricht vom Tod des Vaters sei in die Zeit ihrer Trennung vom seinerzeitigen Ehemann gefallen. Zudem sei sie mit der Pflege ihrer jüngeren Tochter ganz besonders schwer belastet gewesen.

19

Durch Disziplinarverfügung vom 16. November 2011 stufte der Beklagte die Klägerin um eine Stufe in das Eingangsamt einer Steuerinspektorin zurück und sprach ein Beförderungsverbot bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Unanfechtbarkeit der Maßnahme aus. Als erwiesen wurde erachtet, dass die Klägerin im Zusammenhang mit den beiden Erbfällen in den Jahren 2001 bis 2007 wiederholt Steuerhinterziehungen begangen und die von ihr zu entrichtenden Steuern um insgesamt 16.231,08 € verkürzt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannte Verfügung verwiesen.

20

In ihrer hiergegen gerichteten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, bei getrennter Veranlagung von ihrem Ehemann hätte sich für die Jahre 2000 und 2002 eine weitere Verminderung der Steuerschuld ergeben, für diese Jahre stünden ihr allerdings die erforderlichen Zahlen und Belege nicht mehr zur Verfügung. Für das Jahr 2001 sei nach dem geänderten Aufteilungsbescheid die Einkommenssteuerverkürzung (in Höhe von 365,07 €) nur auf den Ehemann entfallen, nicht aber auf sie. Des Weiteren hat sie auf die Neufestsetzungen der beiden Erbschaftssteuerbescheide verwiesen. Insgesamt ergebe sich danach ein Steuerhinterziehungsbetrag in Höhe von 15.066 €.

21

Es müsse im Übrigen mildernd berücksichtigt werden, dass sie - die Klägerin - nicht selbst das Depot in der Schweiz angelegt habe. Ihr habe es dann in der Folgezeit an Durchsetzungsfähigkeit gegenüber ihrer Mutter und ihrer Schwester gemangelt. Die Erbschaft nach dem Vater habe nach der Trennung der Eheleute zum Erwerb eines Hauses für sich und die Kinder gedient. Ein Teil des Erbes sei das Haus gewesen, in dem die Mutter gelebt habe, und habe daher nicht zur Verfügung gestanden. Sie - die Klägerin - habe nicht nur ihre beiden Töchter nach der Trennung allein betreuen müssen, sondern nach dem Tod des Vaters auch noch ihre (in ... allein lebende) alkoholkranke Mutter; die in ... lebende Schwester habe sich dazu nicht in der Lage gesehen.

22

Die Klägerin hat beantragt,

23

die Disziplinarverfügung vom 16. November 2011 aufzuheben und auf eine geringere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

24

Der Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Der Beklagte hat zur Begründung auf seine Disziplinarverfügung verwiesen und vorgetragen, soweit die Klägerin nunmehr andere Berechnungsmodelle für die Steuerschuld bemühe, handele es sich um rein spekulative Ausführungen. Auch nach dem Berechnungsmodell der Klägerin liege der Steuerhinterziehungsbetrag deutlich über 10.000 €, was generell als Disziplinarmaßnahme die Entfernung aus dem Dienst nach sich ziehe. Nur bei einer strafbefreienden Selbstanzeige sei eine Degradierung die geeignete Disziplinarmaßnahme. Weitere zusätzliche Aspekte zugunsten der Klägerin, die als „besondere Umstände" eine noch weitere Milderung zugelassen hätten, seien nicht ersichtlich. Zudem sei - so wie es die Klägerin darstelle - auch fraglich, ob die Selbstanzeige freiwillig gewesen sei, da ihre Steuerhinterziehung durch die Selbstanzeige der Schwester aufgedeckt worden wäre.

27

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 4. September 2013 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

28

Der der Klägerin zur Last gelegte Vorwurf der Steuerhinterziehung sei erwiesen und werde von ihr im Grundsatz auch zugestanden. Soweit die Klägerin geltend mache, der hinterzogene Betrag sei geringer, komme es auf den Unterschied von ca. 1.150 € nicht an, da es sich um eine über mehrere Jahre hinweg andauernde Steuerhinterziehung einer Finanzbeamtin handele, wobei der Großteil der Steuerhinterziehung in einem Zeitraum stattgefunden habe, in dem die Klägerin beurlaubt gewesen sei.

29

Durch dieses Verhalten habe die Klägerin rechtswidrig und schuldhaft ihre außerdienstlichen Pflichten zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten verletzt. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls sei die vom Beklagten verhängte Disziplinarmaßnahme auch nicht unverhältnismäßig.

30

Die Steuerhinterziehung sei ein schweres Wirtschaftsdelikt, wie der Strafrahmen von bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe zeige. Dabei wirke sich besonders nachteilig aus, wenn der Beamte sich durch strafbares Verhalten unberechtigte Steuervorteile verschaffe, obwohl er öffentliche Aufgaben wahrzunehmen habe und durch öffentliche Mittel alimentiert werde. Das außerdienstliche Verhalten der Klägerin weise zudem einen engen dienstlichen Bezug zu ihren Kernpflichten als Finanzbeamtin auf. All dies verleihe dem Dienstvergehen der Klägerin ein besonderes, für die Maßnahmebemessung bedeutsames Gewicht. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Steuerhinterziehungsbetrag jedenfalls in eingestandener Höhe von über 15.000 € nicht um ein eher unbedeutendes Fehlverhalten handele, zumal sich der Hinterziehungszeitraum auch über mehrere Jahre erstrecke. Soweit die Klägerin eine Selbstanzeige gemacht habe und das gegen sie eingeleitete Strafverfahren nach Zahlung der hinterzogenen Steuern eingestellt worden sei, falle dies nur teilweise ins Gewicht. Denn aufgrund der einschlägigen Verjährungsvorschriften habe von der Klägerin nicht der Gesamtbetrag der hinterzogenen Steuern zurückgefordert werden können. Allerdings komme dem Umstand der Selbstanzeige die Bedeutung eines disziplinarrechtlichen Milderungsgrundes zu.

31

Dass die Klägerin sich nach dem Tod des Vaters, zu einem Zeitpunkt als sie bereits acht Jahre lang keine eigenen Einkünfte gehabt habe, weil sie sich zur Pflege der schwerstbehinderten Tochter habe beurlauben lassen, von der Mutter dazu habe überreden lassen, das Depot in der Schweiz nicht anzugeben, sei in Ansätzen verständlich. Dies habe auch der Beklagte zugunsten der Klägerin berücksichtigt. Entlastend sei auch die Situation der Klägerin nach dem Tod der Mutter im Februar 2005 zu berücksichtigen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Klägerin bereits in einer Trennungssituation befunden und sei alleinerziehend mit zwei Kindern gewesen, von denen die im Jahr 1992 geborene schwerstbehinderte Tochter einen enormen Pflegeaufwand erfordert habe und auch heute noch erfordere.

32

Nach Abwägung aller berücksichtigungsfähigen Umstände erscheine es der Kammer hiernach erforderlich, die Klägerin um eine Stufe in das Amt einer Steuerinspektorin zurückzustufen. Das verbleibende Eigengewicht des Dienstvergehens sowie der Umstand, dass es bei einer Beamtin der Finanzverwaltung schon mit Blick auf die Außendarstellung der Behörde im besonderen Maße erforderlich sei, sich steuerehrlich zu verhalten, mache diese Maßnahme notwendig.

33

Zur Begründung ihrer hiergegen vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor, sie habe nur 15.066 € Erbschaftssteuer hinterzogen und keine Einkommenssteuer. Sie habe zudem - entgegen der Feststellungen des Verwaltungsgerichts - sämtliche Steuerschulden beglichen und insoweit nicht von Verjährungsvorschriften profitiert. Der Umstand, dass sie - die Klägerin - die Mutter und die Schwester nicht habe denunzieren wollen, hätte zu ihren Gunsten berücksichtigt werden müssen. Die Zurückstufung sei bei einer Selbstanzeige durch eine Steuerbeamtin die „Standardreaktion“ und zeige, dass die sonstigen mildernden Umstände nicht berücksichtigt worden seien. Im Übrigen sei mittlerweile auch die überlange Verfahrensdauer mildernd zu berücksichtigen.

34

Die Klägerin beantragt,

35

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 4. September 2013 -17 A 33/11 - abzuändern und das Disziplinarverfahren einzustellen,

36

hilfsweise,

37

auf eine geringere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

38

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und beantragt,

39

die Berufung zurückzuweisen,

40

hilfsweise,

41

die Disziplinarmaßnahme in das Ermessen des Gerichts zu stellen.

42

Der Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zum Geschehen und zu ihren persönlichen Verhältnissen angehört, insoweit auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

43

Die vom Beklagten vorgelegten Personal- und Disziplinarakten der Klägerin sowie die beigezogene Strafakte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

44

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Das die Disziplinarverfügung vom 5. November 2011 bestätigende Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 4. September 2013 - 17 A 33/11 - ist zu ändern, weil die verhängte Zurückstufung der Klägerin um eine Stufe in das Ausgangsamt einer Steuerinspektorin mit einem Beförderungsverbot von fünf Jahren unangemessen hoch ist. Als angemessene Disziplinarmaßnahme der Klägerin sind die Dienstbezüge der Klägerin für zwei Jahre um 10 % zu kürzen. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

45

Zu diesem Ausspruch ist der Senat gemäß § 41 Abs. 1 LDG, § 60 Abs. 3 BDG i.V.m. § 13 Abs. 1 LDG befugt.

46

Der für das gerichtliche Disziplinarverfahren von Landesbeamten nach § 41 Abs. 1 LDG anwendbare § 60 Abs. 3 BDG bestimmt für die Klage gegen eine Disziplinarverfügung, dass das Gericht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Disziplinarentscheidung zu überprüfen hat. Diese für das erstinstanzliche Verfahren geltende Vorschrift gilt gleichermaßen für das Berufungsverfahren (§ 41 Abs. 1 LDG, § 65 Abs. 1 BDG). Das Gericht prüft danach nicht allein, ob das der Klägerin mit der Disziplinarverfügung vorgeworfene Verhalten tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern es hat - bejahendenfalls - unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (vgl. § 88 VwGO) im Interesse der Verfahrensbeschleunigung (§ 3 LDG) auch darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht danach nicht gemäß §113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben; es übt in Anwendung der in § 13 Abs. 1 LDG niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmenobergrenze vielmehr selbst die Disziplinarbefugnis aus. Das Gericht kann die angefochtene Disziplinarverfügung zu Gunsten der Klägerin abändern und anstelle der verhängten eine mildere Disziplinarmaßnahme aussprechen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2005 - 2 A 4.04 - Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1 Rn. 23 und vom 27. Juni 2013 - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 9, jeweils m.w.N.).

47

Das die Disziplinarverfügung vom 5. November 2011 bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts vom 4. September 2013 kann insofern keinen Bestand haben, als die verhängte Disziplinarmaßnahme nicht angemessen ist. Die festgestellten Steuerhinterziehungen (1) stellen Verstöße gegen die Wohlverhaltenspflicht gemäß § 66 Satz 3 LBG in der bis zum 31. März 2009 geltenden Fassung (künftig: a.F.; heute §34 Satz 3 BeamtStG) dar (2), die die qualifizierenden Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 BRRG a.F. iVm § 93 Abs. 1 LBG a.F. (heute: § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) für ein außerdienstliches Dienstvergehen erfüllen. Als pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme hält der Senat statt einer Zurückstufung eine Kürzung der Dienstbezüge für angemessen (4). Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen (5).

48

1. Aufgrund der geständigen Einlassung der Klägerin und der vorliegenden Steuerfestsetzungsbescheide hält der Senat folgenden Sachverhalt für erwiesen:

49

Die Klägerin hat im Zeitraum von 2002 bis 2008 insgesamt 16.074,84 € an Erbschafts- und Einkommenssteuern hinterzogen.

50

Der in der Disziplinarverfügung zugrunde gelegte Hinterziehungsbetrag in Höhe von insgesamt 16.231,08 € berücksichtigt nicht, dass die Erbschaftssteuer nach dem Tod des Vaters mit Bescheid vom 28. April 2011 auf 7.845,77 € neu festgesetzt und dadurch der mit Bescheid vom 7. Januar 2011 ursprünglich festgesetzte Betrag von 7.947,01 € nach unten korrigiert worden ist. Er berücksichtigt außerdem nicht die Neufestsetzung der Erbschaftssteuer nach dem Tod der Mutter durch Bescheid vom 2. August 2011 auf 10.021 € (anstelle der ursprünglich mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 festgesetzten Erbschaftssteuer in Höhe von 10.076 €). Hiervon war die mit Bescheid vom 30. November 2006 festgesetzte und bereits getilgte Erbschaftssteuer in Höhe von 2.800 € abzuziehen, so dass sich ein Hinterziehungsbetrag von 7.221,00 € anstelle der in der Disziplinarverfügung angenommenen 7.276,00 € ergibt.

51

Die hinterzogenen Einkommenssteuerbeträge für die Jahre 2001, 2006 und 2007 in Höhe von 365,07 €, 238 € und 405 € sind nicht zu verringern. Der geänderte Aufteilungsbescheid vom 22. Februar 2011 zur Einkommenssteuer für das Jahr 2001 kann ebenso wenig zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt werden wie ihr Vortrag, bei Berücksichtigung des (später aufgehobenen) Aufteilungsbescheides vom 5. Januar 2011 ergebe sich eine den Gesamtbetrag der verkürzten Einkommenssteuern für 2001, 2006 und 2007 übersteigende negative Einkommenssteuerschuld. Nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO ist es für das Vorliegen des tatbestandsmäßigen Erfolgs der Steuerhinterziehung ohne Bedeutung, ob die Steuer, auf die sich die Tat bezieht „aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können“. Dies bedeutet, dass nachträglich geltend gemachte Ermäßigungsgründe für den Hinterziehungserfolg außer Betracht zu bleiben haben. Aus dem Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO folgt, dass ein eigentlicher Steuerschaden nicht eintreten muss. Steuerverkürzung ist die Gefährdung der Verwirklichung des Steueranspruchs. Der tatbestandliche Erfolg der Steuerverkürzung kann nach der gesetzlichen Konzeption bereits dann vorliegen, wenn die Steuereinnahmen dem nach Gesetz geschuldeten Steuerbetrag trotz der Tathandlung entsprechen und daher eine Verletzung des geschützten Rechtsguts - des Anspruchs auf den vollen Ertrag der Steuer - nicht eingetreten ist (zum Ganzen: Ransiek/Schnauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 52. Lfg., § 370 AO Rn. 506 ff. m.w.N.).

52

Zu der Steuerhinterziehung kam es wie folgt:

53

Nach dem Tod des Vaters der Klägerin, der von dieser zu 1/4 beerbt wurde, erfuhr die Klägerin im Laufe des Jahres 2001 davon, dass dieser in der Schweiz ein Depot mit 813.746,00 DM zuzüglich 33.990 DM auf einem dort geführten Konto (Anteil der Klägerin: 203.436,50 DM zuzüglich 8.497,50 DM, insgesamt 211.934,00 DM) besaß, womit sich ihr Erbanteil insgesamt nach Abzügen auf einen zu versteuernden Betrag von 539.597 DM erhöhte. Die Miterbinnen (Mutter und Schwester der Klägerin) waren nicht bereit, die Vermögenswerte in der Schweiz in der am 31. Juli 2002 eingereichten Erbschaftssteuererklärung anzugeben und die Klägerin beugte sich dem Familienwillen. Im Februar 2005 verstarb auch die Mutter der Klägerin, die von dieser zu 1 beerbt wurde. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich auf dem Schweizer Depot noch 102.707 € (Anteil der Klägerin: 51.353,50 €), womit sich der Erbanteil der Klägerin insgesamt nach Abzügen auf 296.182 € erhöhte. Die Schwester war weiterhin nicht bereit, das Schweizer Geld bei der Erbschaftssteuererklärung anzugeben. Dementsprechend wurden die Vermögenswerte in der Schweiz auch in der am 23. Januar 2006 eingereichten Erbschaftssteuererklärung nach dem Tod der Mutter nicht angegeben. Außerdem verschwieg die Klägerin in den ab 2002 bis zur Auflösung des Depots im September 2008 gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann abgegebenen Einkommenssteuererklärungen die Erträge aus dem Schweizer Vermögen.

54

Am 23. März 2010 erstattete die Klägerin eine Selbstanzeige, gerichtet an ihre unmittelbare Dienstvorgesetzte, und zahlte in der Folgezeit sämtliche, auch die bereits strafrechtlich verjährten, Steuern nach.

55

2. Durch die festgestellten Handlungen in den Jahren 2002 bis 2008 hat die Klägerin vorsätzlich, rechtswidrig und damit schuldhaft fünf außerdienstliche Dienstpflichtverletzungen begangen. Sie hat in allen Fällen gegen den Straftatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) und damit gegen ihre Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten verstoßen (§ 36 Satz 3 BRRG aF iVm § 66 Satz 3 LBG a.F.). Nach dieser Vorschrift muss das Verhalten der Beamtin innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert. Daraus folgt, dass die Beamtin auch außerdienstlich, d.h. in ihrer Freizeit, verpflichtet ist, alles zu unterlassen, was dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung schadet. Ein ansehensschädigendes Verhalten wie es in der Begehung von Straftaten zu sehen ist, stellt zwangsläufig eine Verletzung der Wohlverhaltenspflicht dar. Die Klägerin hat auch vorsätzlich und schuldhaft gehandelt, weil ihr die Pflichtwidrigkeit ihres Tuns bewusst war. Sie wusste, dass sie unzutreffende Steuererklärungen abgegeben hatte.

56

3. Durch diese Pflichtverletzungen hat die Klägerin ein Dienstvergehen gemäß § 45 Abs. 1 BRRG a.F. iVm § 93 Abs. 1 LBG a.F. begangen. Die Klägerin hat in einem Zeitraum von 6 Jahren insgesamt Steuern in Höhe von 16.074,84 € hinterzogen, indem sie fünfmal vorsätzlich eine Straftat begangen hat, die nach § 370 Abs. 1 AO mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren belegt ist. Allein aufgrund der Höhe dieser Strafandrohung erfüllen die außerdienstlichen Pflichtverletzungen die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2 BRRG aF iVm § 93 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F. (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 24, vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - juris Rn. 11 ff. mwN, 22 und - 2 C 13.10 - juris Rn. 11 ff mwN, 17 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - LS 1 und Rn. 27 ff.). Nach diesen Vorschriften ist ein Verhalten der Beamtin außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für ihr Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die disziplinarrechtliche Relevanz des Fehlverhaltens der Klägerin folgt aus dem erheblichen Ansehensschaden, den sie dadurch herbeigeführt hat. Dass sie aufgrund der Selbstanzeige nach § 371 AO straffrei geblieben ist, lässt den Unrechtsgehalt ihres strafbaren Verhaltens und damit dessen disziplinarrechtliche Relevanz unberührt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 24 f.).

57

Die Steuerhinterziehungen der Klägerin weisen zudem einen Bezug zu ihrer dienstlichen Tätigkeit als Steuerbeamtin auf. Dabei ist es unerheblich, ob mit der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Amt im statusrechtlichen Sinn als Anknüpfungspunkt gewählt wird (Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - LS 1 und Rn. 16 ff.) oder die bisherige Tätigkeit (Amt im konkret funktionellen Sinn). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Dienstbezug nur dann gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung in dem Amt im konkret-funktionellen Sinn zulässt oder die Beamtin in der Dienstausübung beeinträchtigt (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Rn. 15). Die Klägerin hat als Beamtin der Steuerverwaltung Steuerhinterziehungen zu unterbinden und dafür zu sorgen, dass Steuern vollständig und rechtmäßig festgesetzt werden. Es gehört gerade zu ihren (dienstlichen) Kernpflichten, der Verletzung von Steuervorschriften entgegenzuwirken. Auch wenn diese Kernpflichten (vgl. zu diesem Begriff BVerwG, Urteil vom 23. August 1988 - 1 D 136.87 - ) die Berufsstellung und damit den innerdienstlichen Bereich einer Finanzbeamtin prägen, so wirken sie - berufsbedingt - in ihren außerdienstlichen Bereich hinein mit der Folge, dass entsprechende Pflichtverletzungen durch ihre „Dienstbezogenheit" dem Gewicht innerdienstlicher Pflichtverletzungen nahekommen. Das außerdienstliche Fehlverhalten der Beamtin ist deshalb nicht nur gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F. in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für ihr Amt und das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, sondern führt auch zu einer erheblichen Schädigung des Vertrauensverhältnisses zu ihrem Dienstherrn. Eine solche Beamtin ist für den Dienst in der Steuerverwaltung grundsätzlich nicht mehr tragbar (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 D 16/97 - Rn. 16 ).

58

Auch wenn die Klägerin mehrere Pflichtverletzungen begangen hat, liegt nur ein Dienstvergehen vor. Der gesetzliche Begriff des Dienstvergehens umfasst alle disziplinarrechtlich bedeutsamen Dienstpflichtverletzungen der Beamtin. Danach ist das durch mehrere Pflichtenverstöße zutage getretene Fehlverhalten der Beamtin einheitlich zu würdigen. Diese stellen disziplinarrechtlich eine Einheit dar. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass es im Disziplinarrecht nicht allein um die Feststellung und Maßregelung einzelner Verfehlungen geht, sondern vor allem um die dienstrechtliche Bewertung des Gesamtverhaltens der Beamtin, das im Dienstvergehen als der Summe der festgestellten Pflichtverletzungen seinen Ausdruck findet. Die Beamtin wird disziplinarisch nicht gemaßregelt, weil sie bestimmte Pflichten verletzt hat, sondern weil sie dadurch Persönlichkeitsmängel offenbart, die eine Pflichtenmahnung oder eine Beendigung des Beamtenstatus für geboten erscheinen lassen. Nur aufgrund einer Gesamtwürdigung des Verhaltens und der Persönlichkeit der Beamtin kann beurteilt werden, ob die Beamtin im Beamtenverhältnis noch tragbar ist und, falls dies zu bejahen ist, welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, um sie zur künftigen Einhaltung der Dienstpflichten und der Wahrung des Ansehens des Berufsbeamtentums anzuhalten (Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 19, vom 27. Januar 2011 - 2 A 5.09 - juris Rn. 12, vom 14. Februar 2007 - 1 D 12.05 - BVerwGE 128, 125 = juris jeweils Rn. 21 f.; Beschlüsse vom 6. Juni 2013 - 2 B 50.12 - juris Rn. 14 und vom 11. Februar 2014 - 2 B 37.12 - juris Rn. 17).

59

4. Das danach gegebene schwerwiegende Dienstvergehen ist nach Einschätzung des Senats mit einer Kürzung der Dienstbezüge für 2 Jahre um 10 % angemessen geahndet.

60

Die Bestimmung dieser Maßnahme beruht auf § 13 Abs. 1 LDG. Danach ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild der Beamtin ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang die Beamtin das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat. Aus § 13 LDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit der Beamtin geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten.

61

Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 LDG ergebenden Bemessungskriterien mit den ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen die Beamtin ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden der Beamtin stehen. Dies ist dem auch im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) geschuldet (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Juni 2013 - 2 A 2.12 - BVerwGe 147, 127 Rn. 32, vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 Rn. 21 ff. und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - Rn. 35).

62

Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen der Beamtin für ihr pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild der Beamtin“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 LDG erfasst ihre persönliche Verhältnisse und ihr sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild der Beamtin übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht. Das Kriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 LDG erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens der Beamtin im Hinblick auf ihren allgemeinen Status, ihren Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und ihre konkret ausgeübte Funktion (stRspr. des BVerwG, grundlegend: Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 ff. = juris; Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 = juris, jeweils Rn. 11 ff.; zuletzt Urteile vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - juris Rn. 39 ff., vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 ff = juris jeweils Rn. 13 ff. und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 -).

63

Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß §13 Abs. 1 Satz 2 LDG richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Das bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen zunächst nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Dabei können die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - Rn. 29, 34 und vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 14 mwN).

64

Die Entscheidung des Gesetzgebers, durch § 93 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F. die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlichen Fehlverhaltens einzuschränken, wirkt sich zwar auch auf die Bemessungsentscheidung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 3 LDG aus. Sie führt dazu, dass ein Dienstvergehen außerhalb des Dienstes jedenfalls dann regelmäßig nicht die Beendigung des Beamtenverhältnisses nach sich zieht, wenn es keine Rückschlüsse auf die Dienstausübung der Betroffenen zulässt, seine disziplinarrechtliche Relevanz sich vielmehr ausschließlich aus dem damit verbundenen Ansehensschaden ergibt (in diesen Fällen ist zusätzlich eine außergewöhnliche Höhe des Hinterziehungsbetrages erforderlich, vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - Rn. 34). So verhält es sich hier aber nicht. Wie bereits oben ausgeführt, haben die Steuerhinterziehungen nicht nur einen erheblichen Ansehensschaden zur Folge, sondern weisen einen besonders engen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit der Klägerin als Finanzbeamtin auf, so dass sie auch zu einer erheblichen Schädigung des Vertrauensverhältnisses zu ihrem Dienstherrn und damit regelmäßig zu ihrer Untragbarkeit als Beamtin der Steuerverwaltung führen.

65

Wäre danach grundsätzlich die Entfernung aus dem Dienst Ausgangspunkt der Bemessungsentscheidung, ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass diese sich freiwillig gegenüber ihrem Dienstherrn offenbart hat. Sie erstattete am 23. März 2010 eine „Selbstanzeige“, gerichtet an ihre unmittelbare Dienstvorgesetzte, reichte alle Unterlagen nach und zahlte in der Folgezeit sämtliche, auch die bereits strafrechtlich verjährten, Steuern nach.

66

Der auch auf Steuerhinterziehungen anzuwendende Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung liegt vor, wenn die Beamtin das Dienstvergehen vor seiner Aufdeckung aus eigenem Antrieb ohne Furcht vor konkreter Entdeckung vorbehaltlos und vollständig offenlegt. So verhält es sich hier. Der Milderungsgrund greift nicht mehr ein, wenn die Beamtin das Dienstvergehen offenbart, weil sie damit rechnet, dass deswegen gegen sie ermittelt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - Rn. 36 m.w.N.). Entgegen der Ausführungen des Beklagten gibt es hierfür keine Anhaltspunkte. Fraglich ist bereits, ob in dem Bekanntwerden von Daten aus der Schweiz (sogenannte Steuer CDs) im Jahr 2009 das Bevorstehen einer „konkreten“ Entdeckung gesehen werden kann. Die Übermittlung dieser Daten an die deutschen Behörden war zwar für die Schwester der

67

Klägerin Anlass, ihre ursprüngliche strikte Ablehnung der Offenlegung der Schweizer Konten aufzugeben. Dies gilt aber nicht für die Klägerin. Diese wollte von Anfang an die Schweizer Vermögenswerte in den Steuererklärungen angeben, wurde aber von der Familie „überstimmt“ und vermochte sich nicht gegenüber der Mutter und der Schwester durchzusetzen. Auch hielt sie die Loyalität ihren Familienmitglieder gegenüber davon ab, sich zu einem früheren Zeitpunkt zu offenbaren, da sie dadurch zugleich das strafbare Verhalten ihrer Familienmitglieder zur Anzeige gebracht hätte. Ihre innerliche Ablehnung dieses strafbaren Verhaltens, zu dem sie sich allein aufgrund der Familienräson gezwungen sah, ging so weit, dass sie die Konten in der Schweiz zu keinem Zeitpunkt auf sich übertragen ließ, so dass sie auch aus diesem Grund keine „konkrete“ Entdeckung fürchtete. Eine solche Furcht aus der bevorstehenden Selbstanzeige der Schwester herzuleiten, ist fernliegend. Die Schwester suchte die Klägerin um Rat auf und die Selbstanzeige geschah, wie schon zuvor das Verschweigen der Schweizer Vermögenswerte, gemeinsam (vgl. die auch insoweit glaubhafte Darstellung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, S. 5 des Verhandlungsprotokolls vom 21. September 2015). Dass also die Schwester allein eine Selbstanzeige machen würde, stand zu keinem Zeitpunkt im Raum.

68

Durch die freiwillige Offenbarung zeigt eine Beamtin, dass sie ihr Fehlverhalten bereut und aus innerer Einsicht entschlossen ist, sich künftig rechtstreu zu verhalten. Ihr Persönlichkeitsbild im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 2 LDG erscheint in einem günstigeren Licht, sodass die Erwartung gerechtfertigt ist, die von der Beamtin verursachte Vertrauens- und Ansehensschädigung könne wettgemacht werden. Die Umkehr der Beamtin aus freien Stücken führt selbst bei schwerwiegenden innerdienstlichen Pflichtenverstößen regelmäßig zur Bestimmung einer Disziplinarmaßnahme, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme. Dies gilt nur dann nicht, wenn dem Milderungsgrund erschwerende Umstände von ganz erheblichem Gewicht entgegenstehen (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 a.a.O. Rn. 37 m.w.N.). Für Letzteres ist nichts ersichtlich.

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Im Gegenteil liegt eine Vielzahl weiterer Umstände vor, die in ihrer Gesamtschau das von der Klägerin begangene Dienstvergehen in einem noch milderen Licht erscheinen lassen und dazu führen, dass die Maßnahme nicht nur um eine Stufe niedriger, sondern sogar um zwei Stufen niedriger ausfallen muss:

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Die erste Steuerhinterziehung fiel in einen Zeitraum, zu dem die Klägerin bereits neun Jahre beurlaubt war. Es macht einen Unterscheid, ob eine Beamtin, die täglich mit Steuervorgängen befasst ist, außerdienstliche Steuerhinterziehungen begeht, oder eine Beamtin, die wie die Klägerin bereits seit einem längeren Zeitraum keine Steuerfälle mehr bearbeitet hat, dies tut. Der grundsätzlich gegebene besonders enge Bezug zur dienstlichen Tätigkeit der Klägerin als Steuerbeamtin erscheint dadurch weniger stark, seine Indizwirkung für einen Vertrauensverlust wird abgemildert. Allerdings war die Klägerin ab 2005 wieder im Dienst, erst in den Zeitraum danach fielen die Steuerhinterziehung bei der Erbschaftssteuer nach der Mutter und bei den Einkommenssteuern für die Jahre 2006 und 2007.

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Anders als in den sonstigen Fällen einer Steuerhinterziehung hatte die Klägerin nicht selbst Einkünfte erwirtschaftet und diese bei der Steuer nicht angegeben, sondern - wie sie es beschreibt - das Problem „geerbt“. Ihre Eltern hatten in der Vergangenheit die Vermögenswerte in der Schweiz gegenüber den Steuerbehörden verschwiegen. Es war daher nach dem Tod des Vaters an den Erbinnen, dieses Unrecht aufzudecken. Die Klägerin wollte dies auch, wurde aber vom „Familienrat“ überstimmt. Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich bereits die bevorstehende Trennung vom damaligen Ehemann ab. Die Abgabe der unvollständigen ersten Erbschaftssteuererklärung fiel sodann in einen Zeitraum, als die Klägerin auch persönlich außergewöhnlich stark belastet war. Sie hatte sich nach dem Tod des Vaters mittlerweile von ihrem damaligen Ehemann getrennt. Sie war alleinerziehend für zwei kleine Kinder, von denen eines auch noch schwerstpflegebedürftig war und sie lange Zeit von der Wiederaufnahme ihres Dienstes abhielt. Hinzu kam die „Betreuung“ ihrer rund 30 Kilometer entfernt wohnenden alkoholkranken Mutter. Dass sie unter diesen sie außergewöhnlich belastenden Umständen nicht die Kraft aufgebracht hat, sich gegen ihre - wie sie es beschreibt - unbelehrbare bzw. „sture“ Mutter und die „große“ Schwester durchzusetzen, die auch noch von ihrem Schwager unterstützt worden waren, ist mehr als nachvollziehbar und entspricht auch dem persönlichen Eindruck, den die Klägerin dem Senat in der mündlichen Verhandlung vermittelt hat.

72

In der Folgezeit wirkte sich die damalige Schwäche der Klägerin nahezu tragisch aus. Sie konnte nun wählen, entweder durch eine Selbstanzeige zugleich ihre eigenen engsten Familienangehörigen zu denunzieren oder aber in den Folgeerklärungen bei der eigenen Einkommenssteuererklärung abermals unrichtige Angaben zu machen. Vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Wertung in § 258 Abs. 6 StGB, wonach niemand verpflichtet ist, seine eigenen Angehörigen anzuzeigen, kommt diesem Umstand bei der disziplinarischen Wertung die Bedeutung eines gewichtigen mildernden Umstandes zu. Nach dem Tod der Mutter griff die Klägerin das Thema der Selbstanzeige gegenüber ihrer Schwester zwar wieder auf, dies lehnte die Schwester aber weiterhin kategorisch ab. Dass sich die Klägerin in diesem innerlichen Konflikt für ihre Familie entschied und sich nicht gegenüber der Familie durchzusetzen vermochte, ist letztlich der eigentliche Vorwurf, der ihr zu machen ist und lässt das Dienstvergehen in einem erheblich milderen Licht erscheinen.

73

Nach alledem war nicht mehr eine Zurückstufung in das Eingangsamt, sondern aufgrund der gleichwohl noch gegebenen Schwere des Dienstvergehens einer Steuerhinterziehung für die Klägerin als Finanzbeamtin nur noch eine Kürzung der Dienstbezüge ausreichend, aber auch geboten.

74

Die unangemessen lange Dauer des Disziplinarverfahrens muss zu einerweiteren Herabsetzung der Disziplinarmaßnahme auf die letztlich ausgesprochene Gehaltskürzung um 10 % für zwei Jahre anstelle der danach eigentlich gebotenen 20 % für drei Jahre führen.

75

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dessen Rechtsprechung über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientie- rungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK hat, entnimmt Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK einen Anspruch auf abschließende gerichtliche Entscheidung innerhalb angemessener Zeit. Die Angemessenheit der Dauer des Verfahrens ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Parteien, der Vorgehensweise der Behörden und Gerichte sowie der Bedeutung des Verfahrens für die Parteien zu beantworten. Dies gilt auch für Disziplinarverfahren. Sie müssen innerhalb angemessener Zeit, d.h. ohne schuldhafte Verzögerungen, unanfechtbar abgeschlossen sein (vgl. auch das innerstaatliche Beschleunigungsgebot des § 3 LDG). Dabei sind behördliches und gerichtliches Verfahren als Einheit zu betrachten (vgl. nur EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - NVwZ 2010, 1015 <1017>, zum Ganzen auch BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 36 f.). Für die innerstaatlichen Rechtsfolgen einer unangemessen langen Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ist zu beachten, dass diese Bestimmung nur Verfahrensrechte einräumt. Diese dienen der Durchsetzung und Sicherung des materiellen Rechts; sie sind aber nicht darauf gerichtet, das materielle Recht zu ändern. Daher kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer für die Sachentscheidung in dem zu lange dauernden Verfahren nur berücksichtigt werden, wenn das materielle Recht dies vorschreibt oder zulässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O, Rn. 38 mwN).

76

Daraus folgt für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme nach einem unangemessen lange dauernden Disziplinarverfahren in den Fällen, in denen die Gesamtwürdigung ergibt, dass eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme ausreichend ist und damit feststeht, dass die Beamtin im öffentlichen Dienst verbleiben kann: Hier kann das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis gemindert sein, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile positiv auf die Beamtin eingewirkt haben. Unter dieser Voraussetzung kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden (stRspr., zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O, Rn. 41 mwN.).

77

Da nach der Gesamtwürdigung die Klägerin im Dienst verbleibt, ist nach diesen Maßstäben die unangemessen lange Verfahrensdauer von mittlerweile über fünf Jahren zu ihren Gunsten zu berücksichtigen. Obwohl es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt gehandelt hat, dessen disziplinarische Ahndung, nachdem die die Klägerin mit der Selbstanzeige alles zur Aufklärung Erforderliche beigetragen hat, keine zeitaufwändigen Ermittlungsmaßnahmen mehr nach sich zog, hat allein das behördliche Verfahren über ein Jahr in Anspruch genommen. Bis zur Verkündung des Berufungsurteils hat es dann noch einmal über vier Jahre gedauert. Die sich daraus ergebende Gesamtdauer des Verfahrens von über fünf Jahren beruhte nicht auf einem Verhalten der Klägerin, sondern auf der in ihrer Gesamtschau angesichts der Einfachheit des Falles unangemessen langsamen Behandlung des Verfahrens durch die Behörden und die Gerichte.

78

Es liegt auf der Hand, dass die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile bei einer dermaßen langen Verfahrensdauer zu einer erheblichen Belastung der Klägerin geführt und positiv auf sie eingewirkt haben. Eine bloße Verkürzung des Beförderungsverbots nach § 8 Abs. 4 Satz 2 LDG genügt nicht, um diese Belastungen auszugleichen, sondern bei der Maßnahmebemessung ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch in Ansehung des Umstandes, dass sich die Klägerin seit 1991 erst im ersten Beförderungsamt befindet, nicht die höchstmögliche prozentuale Kürzung der Dienstbezüge, sondern eine geringere Kürzung für einen kürzeren Zeitraum auszusprechen gewesen.

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5. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt eine Verfahrenseinstellung nicht in Betracht und die Berufung war insoweit zurückzuweisen: Die Voraussetzungen der §§ 14 und 15 LDG sind offensichtlich nicht gegeben. Zwar sind tatsächlich seit der Vollendung des Dienstvergehens mehr als drei Jahre vergangen. Aber der Lauf der Dreijahresfrist des §15 Abs. 2 LDG war bereits durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens am 27. April 2010 unterbrochen worden (§15 Abs. 4 LDG) und ist danach aus verschiedenen Gründen, zuletzt für die Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens, gehemmt (§ 15 Abs. 5 LDG).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 77 Abs. 1 BDG, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin ist teilweise unterlegen, weil sie ihr mit der Berufung ausdrücklich verfolgtes Ziel der Verfahrenseinstellung nicht erreicht hat. Der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 4 LDG, § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

81

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 69 BDG, § 132 Abs. 2 VwGO), sind nicht ersichtlich.


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