Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 LA 409/18

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … aus … für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 3. Kammer, Einzelrichter - vom 21. Juni 2018 wird abgelehnt.

Gründe

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Der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … aus … für einen noch zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 124a VwGO) bleibt ohne Erfolg, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Stundung von in einem Zwangsvollstreckungsverfahren (Erzwingungshaft gemäß § 802g Abs. 1 ZPO) bei dem Amtsgericht … entstandenen Gerichtsgebühren im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

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Unabhängig davon, dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist, wenn nicht Gerichtskosten aus der Fachgerichtsbarkeit, sondern Gerichtskosten aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit (vgl. § 30a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 EGVG) – wie hier – betroffen sind, sodass der Rechtstreit wegen der in § 30a Abs. 2 Satz 1 EGVG enthaltenen abdrängenden Sonderzuweisung an das dafür zuständige Amtsgericht … hätte verwiesen werden müssen (vgl. Lückemann in: Zöller, ZPO, 32. Auflage 2018, § 30a EGVG, Rn. 1; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Januar 2011 - 1 S 1.11 -, juris, Ls 1 und Rn. 6 und zur insoweit früheren Rechtslage: OVG Schleswig, Beschluss vom 20. Januar 1999 - 3 O 20/98 -, juris, Ls; BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1979 - VII C 72.77 -, juris, Ls 1 und Rn. 17; BFH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 - VII B 230/00 -, juris, Ls. 2 und Rn. 1, 7f.), dem Senat aber, nachdem das Verwaltungsgericht dennoch über den Stundungsantrag entschieden hat, in zweiter Instanz die Prüfung des Rechtsweges untersagt ist (vgl. § 83 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG), fehlt dem Antragsteller darüber hinaus auch das Rechtsschutzbedürfnis für den beabsichtigten Zulassungsantrag, sodass dieser zu verwerfen wäre.

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Denn das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Verpflichtungsantrag auf Stundung von in der ordentlichen Gerichtsbarkeit entstandenen Gerichtsgebühren abgewiesen.

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Dabei hat es zutreffend und dem auslegbaren und damit erkennbaren Rechtsschutzziel des Klägers entsprechend dem Stundungsantrag einen Forderungsbetrag in Höhe von 20,00 € zugrunde gelegt (1). Das Rechtsschutzbedürfnis für den Stundungsantrag lag aber - für das Verwaltungsgericht nicht erkennbar - bei Ergehen des Urteils nicht mehr vor (2.). Die weiteren Einwände sind daher unerheblich (3).

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1. Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es hat vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln (BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1992 - 8 C 72.90 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 19 S. 4 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2009 - 6 B 30.09 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 38 Rn. 3). Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel (stRspr; z.B. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2009 - 9 B 20.09 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 37 Rn. 2). Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) heranzuziehen. Maßgebend ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und den sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück (BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 - 8 C 70.88 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 5). Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2015 - 4 B 42.14 - SächsVBl. 2015, 164 Rn. 12 m.w.N.). Der gestellte Antrag ist danach so auszulegen bzw. umzudeuten, dass er den zu erkennenden Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung trägt (BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - 2 BvR 1493/11 - NVwZ 2016, 238; vgl zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 1.September 2016 - 4 C 4.15 -, juris, Rn. 9).

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Gemessen daran ergibt die Auslegung des Klagebegehrens, für die nicht nur der Klageantrag, die Klagebegründung nebst Anlagen, sondern auch der beigezogene Verwaltungsvorgang heranzuziehen ist, dass der Kläger lediglich die Ablehnung der Stundung von Gerichtskosten in Höhe von 20,00 €, die aus einem Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gemäß § 802g ZPO (KV-GKG 2114) herrühren, zum Gegenstand seiner Klage gemacht hat und nicht die unter Hinweis auf das Urteil des Amtsgerichts … vom 30. Mai 2018 (116 C 200/17) als Streitwert bestimmte und vom Kläger jetzt im zweitinstanzlichen Verfahren behauptete Forderung in Höhe von 345,80 €. Denn sein Antrag auf Stundung vom 27. September 2017 bezieht sich mit Blick auf den dort aufgeführten Verwendungszweck auf die o.g. Gerichtskosten und damit auf eine zu stundende Forderung in Höhe von 20,00 €.

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Der Beklagte hat seinen Antrag auch nur in dieser Höhe abgelehnt. Soweit er darin auf eine noch ausstehende Forderung in Höhe von 252,90 (Anlage K 2, Bl. 8 d. A.) und die damit im Zusammenhang abzugebende Vermögensauskunft verweist, begründet er damit lediglich die Ablehnung des Antrages auf Stundung neuer Forderungen wegen der noch nicht beigetriebenen älteren Forderung. Denn die dort in Bezug genommene Forderung betrifft ersichtlich nicht die im Streit stehende, sondern bereits entstandene Kosten aus einem Bußgeldverfahren (578 Js 14778/10 OWI V), für die dem Kläger schon Stundung bewilligt worden war (vgl. Bl. 42 f. d. BA A.). Wegen der danach nicht erfolgten Zahlung hat der Beklagte die Zwangsvollstreckung eingeleitet, die wiederum zusätzliche Kosten in Höhe von 33,25 € (vgl. Bl. 44 bis 46 BA A) verursacht hat. Dafür hat der Kläger keinen Stundungsantrag gestellt und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass er am 27. September 2017 für die ältere Forderung in Höhe von 252,90 € wiederholt und in Ansehung des bereits eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahren, in welchem dann die weiteren streitgegenständlichen Gerichtskosten in Höhe von 20,00 € entstanden sind, einen Antrag auf Stundung stellen wollte.

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Aber auch für den Fall, dass er – wie er jetzt behauptet – nicht lediglich einen Antrag auf Stundung bezogen auf Gerichtskosten in Höhe von 20,00 € stellen wollte und das Verwaltungsgericht – wie er meint – insoweit von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei, wäre dem Antrag lediglich eine zu stundende Forderung in Höhe von 252,90 €, allenfalls nach Auswertung des Verwaltungsvorganges eine solche in Höhe von 286,15 € (Bl. 53 f. BA A) und nach Hinzufügen der streitgegenständlichen Kosten für den Erlass des Haftbefehls nach § 802g Abs. 1 ZPO in Höhe von 20,00 € schließlich eine solche in Höhe von insgesamt 306,15 € und nicht die unter Hinweis auf das Urteil des Amtsgerichts … vom 30. Mai 2018 (116 C 200/17) als Streitwert bestimmte und vom Kläger jetzt im zweitinstanzlichen Verfahren behauptete Forderung in Höhe von 345,80 € zugrundezulegen gewesen. Denn für die Auslegung einer zu stundenden Forderung in dieser Höhe gibt das Klagevorbringen und der Verwaltungsvorgang, der lediglich offene Forderungen in Höhe von 306,15 €, Stand 13. November 2017, (vgl. auch Aktendeckel) betrifft, nichts her. Soweit der Kläger also von einer Forderungssumme entsprechend dem im amtsgerichtlichen Verfahren bestimmten Streitwert ausgeht, hat er eine solche erkennbar nicht zum Klagegegenstand gemacht.

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2. Für den so ausgelegten Stundungsantrag läge das Rechtsschutzbedürfnis aber schon im Klageverfahren nicht mehr vor, weil der Beklagte im Wege der Zwangsvollstreckung insoweit befriedigt worden ist. Ausweislich des vom Kläger im zweitinstanzlichen Verfahren eingereichten Schreibens des Beklagten an das Amtsgericht … vom 20. April 2018 (dort Seite 2, Anlage K 4, Bl. 73 d. A.) hat die Gerichtsvollzieherin bei dem Kläger einen Betrag in Höhe von 341,00 € beigetrieben, der der Landeskasse am 3. April 2018 und damit vor dem am 21. Juni 2018 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts gutgeschrieben worden ist.

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3. Daher sind die weiteren Einwände des Klägers, mit denen er Abweichungen von dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2017 (9 A 196/16) rügt, unerheblich.

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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Gerichtskosten nicht erhoben und die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO) werden.

13

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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