Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (14. Senat) - 14 MB 3/20

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 17. Kammer – vom 16. November 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

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Die nach § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 63 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 1 und Abs. 3 BDG, § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen den den Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16. November 2020 ist unbegründet. Die zur Begründung der Beschwerde dargelegten Gründe, die gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 67 Abs. 3 BDG, § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind, rechtfertigen die Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts nicht. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung im Ergebnis zu Recht abgelehnt, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung bestehen (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG i. V. m. § 63 Abs. 2 BDG).

2

Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Das Merkmal „voraussichtlich" verlangt nicht, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgesprochen werden wird (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2019 – 2 VR 3.19 –, juris Rn. 21). Im Aussetzungsverfahren nach § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 63 Abs. 1 Satz 1 BDG ist vielmehr zu prüfen, ob die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei summarischer Beurteilung überwiegend wahrscheinlich ist (stRspr. des Senats, zuletzt Beschluss vom 21. August 2020 – 14 MB 1/20 –, juris Rn. 3, m. w. N.; vgl. zu diesem Maßstab für die sachgleichen Regelungen des Bundesrechts <§ 38 Abs. 1 Satz 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 BDG>: BVerwG, Beschlüsse vom 28. November 2019 – 2 VR 3.19 –, juris Rn. 21 und vom 16. Juli 2009 – 2 AV 4.09 –, juris Rn. 12-13; OVG Saarl., Beschluss vom 24. Juli 2007 – 7 B 313/07 –, juris Rn. 15; OVG NRW, Beschluss vom 14. November 2007 – 21d B 1024/07.BDG –, juris Rn. 4; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 13. September 2017 – OVG 82 S 1.17 –, juris Rn. 3 sowie für das jeweilige Landesrecht: VGH Bd.-Würt., Beschluss vom 9. März 2011 – DL 13 S 2211/10 –, juris Rn. 18; Bay. VGH, Beschluss vom 11. Dezember 2013 – 16a DS 13.706 –, juris Rn. 18).

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Das Verwaltungsgericht hat in dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss vom 16. November 2020 im Ergebnis angenommen, dass die Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis überwiegend wahrscheinlich ist. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass sich auf Grundlage des zurzeit bekannten Sachverhalts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit annehmen lasse, dass der Antragsteller ein schwerwiegendes Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG (wobei vorliegend die inhaltsgleichen Regelungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 BRRG i.d.F. vom 1. Januar 2000 bis zum 31. März 2009 i.V.m. § 85 Abs. 1 Satz 1 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) i.d.F. vom 19. Februar 2001 bis zum 31. März 2009 hätten Anwendung finden müssen) begangen habe, das im Disziplinarverfahren voraussichtlich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 5 LDG zur Folge haben werde. Hiergegen ist aus den vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Gründen nichts zu erinnern.

4

Der seitens des Antragstellers im Beschwerdeverfahren erhobene Einwand, dass nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit feststehe, dass der Antragsteller ein Dienstvergehen begangen habe, verfängt nicht. Insoweit greift der Antragsteller ausschließlich die tatsächlichen Feststellungen, die Grundlage des hier in Rede stehenden Dienstvergehens (§ 45 Abs. 1 Satz 2 BRRG i.V.m. § 85 Abs. 1 Satz 2 NBG jeweils in der bis zum 31. März 2009 geltenden Fassung; heute § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) sind, an. Er trägt hierzu vor, dass im vorliegenden Verfahren nicht allein maßgeblich sein könne, wie sich der Sachverhalt nach Aktenlage darstelle. Vielmehr hätten die Schwächen einer verschriftlichten Aussage berücksichtigt werden müssen. Ferner sei die Würdigung der Aussage seiner Ex-Frau durch das Verwaltungsgericht fehlerhaft, denn diese wolle ihn erkennbar „fertig machen“. Die Aussage des Ehemannes seiner Ex-Frau sei bereits nicht ergiebig und die Darstellung der zwischen ihm und seiner Ex-Frau geführten E-Mail-Korrespondenz erschöpfe sich in der spekulativen Annahme, dass „zwischen beiden übereinstimmend auf ein tatsächliches […] Geschehen Bezug genommen“ werde.

5

Das dem Antragsteller in einem Verfahren nach § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 63 Abs. 1 und 2 BDG zur Last gelegte Dienstvergehen muss indes nicht in vollem Umfang nachgewiesen sein. Vielmehr kann und muss sich die Sachprüfung in einem solchen Verfahren, das durch einen ohne mündliche Verhandlung ergehenden Beschluss abgeschlossen wird, hinsichtlich der zu treffenden tatsächlichen Feststellungen auf eine summarische Bewertung und entsprechende Wahrscheinlichkeitserwägungen beschränken. Für eine eingehende Beweiserhebung ist nach der gesetzlichen Regelung kein Raum (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2006 – 2 WDB 6.05 –, juris Rn. 24 mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung). Erforderlich ist daher insoweit ein auf Grundlage der vorhandenen Feststellungen (Bay. VGH, Beschluss vom 11. Dezember 2013 – 16a DS 13.706 –, juris Rn. 18 m. w. N.) hinreichend begründeter Verdacht für ein Dienstvergehen (Beschluss des Senats vom 21. August 2020 – 14 MB 1/20 –, Rn. 6, juris m. w. N.). Ein solcher ergibt sich regelmäßig bereits aus der Erhebung der öffentlichen Anklage (§ 170 StPO) oder der Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) im sachgleichen Strafverfahren (vgl. dazu die stRspr. des 2. Wehrdienstsenats des BVerwG, Beschluss vom 17. März 2005 – 2 WDB 1.05 –, juris Rn. 5 m. w. N.; Beschluss des Senats vom 29. Januar 2018 – 14 MB 3/17 –, juris Rn. 4).

6

Mit Verfügung vom 6. Oktober 2020 hat der Antragsgegner den Antragsteller nach Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens aufgrund desselben Verhaltens des Antragsstellers, das auch Gegenstand der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … vom 7. September 2020 ist, vorläufig des Dienstes enthoben. Der der vorläufigen Dienstenthebung zugrundeliegende Sachverhalt entspricht insoweit den Darstellungen der Anklageschrift. Sowohl die Staatsanwaltschaft … als auch der Antragsgegner legen dem Antragssteller zur Last, an einem nicht näher bestimmbaren Tag in der zweiten Jahreshälfte 2003 seiner am … 1998 geborenen Tochter eröffnet zu haben, dass er ihr erklären werde, wie Kinder gemacht werden. Die Tochter habe dabei auf seinen Beinen gesessen und nach seiner Anweisung und Leitung seinen Penis berührt, bis er, wie von ihm beabsichtigt, zum Samenerguss gekommen sei. Ebenfalls an einem nicht näher bestimmbaren Tag in der zweiten Hälfte des Jahres 2003 habe der Antragsteller sich im Rahmen eines Versteckspiels mit seiner am … 1998 geborenen Tochter in das Doppelbett im elterlichen Schlafzimmer in der Wohnung der Familie gelegt und damit begonnen, seine Tochter am ganzen Körper zu kitzeln und mit der Zunge abzulecken. Um sich selbst sexuell zu stimulieren, habe er dabei die Vagina der Tochter geleckt. Die Staatsanwaltschaft … hat durch Erhebung der Anklage zum Ausdruck gebracht, einen hinreichenden Tatverdacht, d. h. eine für eine Verurteilung des Antragstellers wegen eines Vergehens – strafbar gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 2, § 176 Abs. 1 StGB i. d. F. vom 1. Januar 1977 bis 1. April 2004 bzw. 1. April 1998 bis 1. April 2004 – überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. Kölbel, in: MüKo zur StPO/Kölbel, 1. Aufl. 2016, § 170 Rn. 14) zu erkennen. Zwischenzeitlich hat auch das Amtsgericht … den Antragsteller als der ihm zur Last gelegten Straftat hinreichend verdächtig angesehen (vgl. § 203 StPO) und die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen.

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Aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich keine Gesichtspunkte, die solche Zweifel an den der Anklageerhebung und der Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde gelegten Feststellungen zu begründen vermögen, die die Wertungen der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts, d. h. die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts verfehlt erscheinen lassen (vgl. zur Berücksichtigungsfähigkeit solcher Zweifel BVerwG, Beschluss vom 17. März 2005 – 2 WDB 1.05 –, juris Rn. 5). Im Einzelnen:

8

Es fehlt dem Vortrag des Antragstellers, dass die Schwächen, die eine verschriftlichte Aussage aufweise, in der beweisrechtlichen Prognoseentscheidung hätten berücksichtigt werden müssen, bereits an der im Beschwerdeverfahren notwendigen Darlegung, auf welche bzw. wessen Aussage sich diese Ausführungen beziehen, wie eine solche Berücksichtigung richtiger Weise hätte ausfallen müssen und welche rechtlichen Konsequenzen sich aus der zutreffenden Berücksichtigung ergeben hätten. Es ist lediglich zu vermuten, dass die Beschwerdebegründung insoweit Bezug auf die Aussage der Ex-Frau des Antragstellers nimmt, die zwar am 14. November 2019 von der Polizei vernommen wurde, ihre persönlichen Wahrnehmungen und Erinnerungen den Tatvorwurf betreffend jedoch zuvor verschriftlicht hatte und nur diese Verschriftlichung zur Akte reichte, ohne ihre Wahrnehmungen gegenüber der Polizei nochmals zu schildern (vgl. Bl. 43, 47 der Ermittlungsakte). Es ist im vorliegenden Verfahren auch grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die insoweit schriftlich abgefasste und zur Akte genommene Aussage der Ex-Frau des Antragstellers sowohl im Strafverfahren als auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berücksichtigung gefunden hat. Wie bereits ausgeführt, ist in Verfahren nach § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 63 Abs. 1 und 2 BDG nach Aktenlage zu entscheiden. Die endgültige Beweisführung ist – wie das Verwaltungsgericht auch zutreffend angenommen hat – der Hauptverhandlung im Strafverfahren bzw. dem Disziplinarverfahren vorbehalten.

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Die Heranziehung der Aussage der Ex-Frau des Antragsstellers im Strafverfahren bzw. die Wertung des Verwaltungsgerichts, dass diese nicht pauschal als unglaubhaft anzusehen ist, begegnet aus den in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Gründen ebenfalls keinen Bedenken. Das Verwaltungsgericht hat eine besondere Belastungstendenz der Ex-Frau des Antragsstellers nicht erkannt. Der Antragsteller bewertet dies im Ergebnis anders. Konkrete Anhaltspunkte, die dazu führen könnten, dass der Aussage der Ex-Frau keine den Tatverdacht stützende Bedeutung beigemessen werden kann, benennt er jedoch nicht. Soweit er geltend macht, die Zeugin habe nur Gerüchte wiedergegeben, hat die Zeugin gerade deutlich gemacht, dass ihr zugetragen worden sei, dass ein Lehrer „Pornos“ an der …-Schule geschaut habe und dass es sich dabei um den Antragsteller handeln könne. Sie hat diesen Vorfall insoweit nicht als Tatsache dargestellt. Im Übrigen erschöpft sich der Vortrag des Antragstellers an dieser Stelle in der Behauptung, die Zeugin wolle ihn „fertig machen“.

10

Ferner kann dem Antragsteller nicht darin gefolgt werden, dass die Aussage des Ehemannes seiner Ex-Frau und der zwischen ihm und seiner Ex-Frau geführte E-Mail-Verkehr keine im Zuge der Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts verwertbaren Erkenntnisse beinhalteten. Denn insoweit wird jedenfalls bestätigt, dass der hier im Raum stehende Tatvorwurf in der Familie des Antragstellers bereits im Jahre 2015 thematisiert worden ist und dass es zwischen dem Antragsteller und seiner 1998 geborenen Tochter einen Vorfall gab, bzgl. dessen der Antragsteller um Entschuldigung bittet und der Auslöser für das Ersuchen des Antragstellers um seine Versetzung an eine andere Schule war.

11

Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorträgt, dass das in Rede stehende Dienstvergehen – selbst bei Wahrunterstellung – die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht zu rechtfertigen vermöge, begründet auch dies nicht die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 16. November 2020 unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25. März 2010 – 2 C 83.08 –, juris Rn. 18) darauf abgehoben, dass ein vorsätzliches, außerdienstliches Sexualdelikt gegen ein Kind – unabhängig von dem konkreten Amt, das der Beamte innehat – geeignet sei, das Ansehen des Berufsbeamtentums derart schwerwiegend zu beeinträchtigen, dass als Richtschnur für die Maßnahmenbemessung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zugrunde gelegt werden könne. Vor diesem Hintergrund sei im vorliegenden Fall die Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis zu erwarten. Hiergegen wendet der Antragsteller – ohne weitere Auseinandersetzung mit den im Beschluss vom 16. November 2020 aufgeführten Gründen – ein, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts erkennbar zu pauschal seien und die Kammer jede nähere Darlegung vermissen lasse. Unabhängig davon, ob der Vortrag des Antragstellers an dieser Stelle überhaupt die Darlegungsanforderungen gemäß (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 67 Abs. 1 BDG) § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erfüllt, ist die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass aufgrund des hier in Rede stehenden Sachverhalts die Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis im Zuge des Disziplinarverfahrens überwiegend wahrscheinlich ist, jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.

12

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 LDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Über die erforderliche Disziplinarmaßnahme ist aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden (vgl. zu § 13 Abs. 1 BDG BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 – 2 C 9.06 –, juris Rn. 16).

13

Das Gewicht der Pflichtverletzung ist für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme richtungsweisend. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, ist auf den Strafrahmen zurückzugreifen (zum außerdienstlichen begangenen Dienstvergehen BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – 2 C 5.10 –, juris Rn. 22; vgl. zum innerdienstlich begangenen Dienstvergehen BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14, juris Rn. 19; Urteil des Senats vom 27. November 2018 – 14 LB 2/17 –, juris Rn. 46). Disziplinarwürdigkeit und Schwere des außerdienstlichen Fehlverhaltens hängen ferner maßgebend davon ab, ob ein Bezug zur Dienstausübung des Beamten gegeben ist (BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2012 – 2 B 28.12 –, juris Rn. 8, 9). So hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der Orientierungsrahmen für die Disziplinarmaßnahme auch bei außerdienstlich begangenen Straftaten mit einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren bei Hinzutreten eines Dienstbezugs die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis umfassen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – 2 C 5.10 –, juris Rn. 22).

14

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass im Disziplinarverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird, nicht zu beanstanden. Bei den hier vom Antragsteller – bei Wahrunterstellung der sich nach Aktenlage ergebenden Tatsachen – vorsätzlich begangenen Sexualdelikten gegen Schutzbefohlene und gegen Kinder im Sinne der § 174 Abs. 1 Nr. 3, § 176 Abs. 1 StGB in der jeweils bis zum 1. April 2004 geltenden Fassung handelt es sich um schwerwiegende Vorsatzstraftaten, für die das Gesetz einen Strafrahmen von bis zu fünf bzw. zehn Jahren vorsieht.

15

Vorliegend ist zudem – anders als der Antragsteller im Beschwerdeverfahren meint – ein Dienstbezug gegeben. Dabei kann an dieser Stelle offenbleiben, ob Anknüpfungspunkt für den Dienstbezug das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne ist (so BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 – 2 C 9.14 –, juris Rn. 16 und vom 24. Oktober 2019 – 2 C 3.18 –, juris Rn. 13) oder ob insoweit auf die Dienstausübung in dem Amt im konkret-funktionellen Sinne abzustellen ist (vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. Dezember 2013 – 3d A 2670/10.O –, juris Rn. 156). Denn

16

vorsätzlich begangenen Sexualdelikte gegen Schutzbefohlene und gegen Kinder im Sinne der § 174 Abs. 1 Nr. 3, § 176 Abs. 1 StGB durch einen Beamten weisen einen hinreichenden und klaren Bezug sowohl zum Statusamt eines Oberstudienrats als auch zu dem Amt eines Lehrers im konkret-funktionellen Sinne auf. Der Antragsteller gehört als Lehrer grundsätzlich zu einer Berufsgruppe, die unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der sexuellen Integrität von Kindern und Jugendlichen generell besonders in die Pflicht genommen und zu vorbildlichem Verhalten aufgerufen ist. So obliegt dem Lehrer die Aufgabe, die ihm anvertrauten Schüler über die reine Wissensvermittlung hinaus zu sittlicher Verantwortung und Menschlichkeit, zur Achtung der Würde anderer und zur Eigenverantwortlichkeit zu erziehen und sie in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Begabung zu fördern (vgl. §§ 4, 34 Abs. 1 SchulG). Er gehört daher zu dem Personenkreis, von dem die Allgemeinheit ein hohes Maß an Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein erwartet, wenn es um Straftaten zum Nachteil junger Menschen geht. Ein nach § 174 Abs. 1 Nr. 3, § 176 Abs. 1 StGB strafbares Verhalten steht diesen berechtigten Erwartungen in die charakterliche Eignung eines Lehrers unvereinbar gegenüber (vgl. i. E. OVG NRW, Urteil vom 16. Dezember 2013 – 3d A 2670/10.O –, juris Rn. 160). Auch der nicht innerdienstliche, sondern (lediglich) außerdienstliche sexuelle Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen ist mit dem Bildungsauftrag der Schule unvereinbar und lässt dessen Erfüllung durch den Beamten in aller Regel als unmöglich erscheinen. Für die Gruppe der beamteten Lehrer gilt insoweit – eben wegen der mit ihrem Statusamt verbundenen besonderen Aufgaben- und Pflichtenstellung – ein besonders strenger Maßstab (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 2 C 3.18 –, juris Rn. 33).

17

Reicht demnach der Orientierungsrahmen im vorliegenden Fall bis zur Höchstmaßnahme, erscheint die Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auch bei Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls als überwiegend wahrscheinlich. Die dem Antragsteller vorgeworfenen Handlungen wiegen schwer. Die Begehung von Taten des sexuellen Missbrauchs durch einen Lehrer führt in der Vorstellungswelt eines vorurteilsfrei wertenden Betrachters zu einer erheblichen Ansehensbeeinträchtigung des Beamten, wenn nicht zu einem völligen Ansehensverlust, also zu einem Verlust des Vertrauens der Allgemeinheit in die Integrität des Beamtentums. Verstöße gegen die einschlägigen strafrechtlichen Schutzbestimmungen unterliegen durchgängig einer starken gesellschaftlichen Ächtung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 – 2 C 83.08 –, juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 16. Dezember 2013 – 3d A 2670/10.O –, juris Rn. 153; Urteil des Senats vom 27. November 2018 – 14 LB 2/17 –, juris Rn. 49). Sie sind in einem hohen Maße persönlichkeits- und sozialschädlich, weil sie in den Reifeprozess eines jungen Menschen eingreifen und nachhaltig die Entwicklung seiner Gesamtpersönlichkeit gefährden. Dem Opfer werden – typischerweise – erhebliche körperliche und seelische Schäden zugefügt, deren Folgen ein ganzes Leben lang andauern können (vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. Dezember 2013 – 3d A 2670/10.O –, juris Rn. 153; Urteil des Senats vom 27. November 2018 – 14 LB 2/17 –, juris Rn. 48). Zugleich benutzt der Täter sein kindliches Opfer als Mittel zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs. In dieser Herabminderung zum bloßen Objekt seines eigenen Sexualverhaltens liegt eine grobe Missachtung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte des betroffenen Kindes (OVG NRW, Urteil vom 16. Dezember 2013 – 3d A 2670/10.O –, Rn. 153, juris).

18

Der Hinweis des Antragstellers darauf, dass die ihm vorgeworfenen Taten fast 20 Jahre zurückliegen, rechtfertigt eine hiervon abweichende Bewertung nicht. Zum einen war der Antragsteller bereits zu dem nahezu 20 Jahre zurückliegenden Tatzeitpunkt Beamter eines Landes (Niedersachsen) im Sinne des § 1 BRRG i.V.m. § 1 NBG jeweils in der bis zum 31. März 2009 geltenden Fassung (vgl. heute § 1 BeamtStG). Nach Aktenlage wurde er mit Wirkung zum 1. August 2002 in das Beamtenverhältnis berufen, das mutmaßliche Dienstvergehen beging der Antragsteller nach Aussage seiner am … 1998 geborenen Tochter, als diese 5 oder 6 Jahre alt war, mithin in den Jahren 2003 oder 2004. Zum anderen steht der Zeitablauf seit Begehung der maßgeblichen Taten der Verhängung der Höchstmaßnahme nach § 5 Abs. 1 Nr. 5, § 10 LDG nicht entgegen. Insbesondere greift das gesetzliche Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs seit Vollendung des Dienstvergehens gemäß § 15 Abs. 1 bis 3 LDG bei der Höchstmaßnahme nicht (Urteil des Senats vom 27. November 2018 – 14 LB 2/17 –, juris Rn. 51; zum inhaltsgleichen § 15 Abs. 1 bis 3 BDG: BVerwG, Beschluss vom 17. Juni 2003 – 2 DW 1.03 –, juris Rn. 6).

19

Auch der Vortrag des Antragstellers, dass das Strafverfahren gegen ihn in Niedersachsen geführt werde und es daher nahezu auszuschließen sei, dass eine etwaige Verurteilung überhaupt an seinem Dienstort wahrgenommen würde, zieht die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass im Disziplinarverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird, nicht in Zweifel. Die Entscheidung, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde, trifft das Gericht nach objektiven Kriterien. Dementsprechend kommt es für die disziplinarrechtliche Ahndung nicht darauf an, ob und inwieweit das Verhalten des betreffenden Beamten dem Kollegenkreis oder der Öffentlichkeit bekannt geworden ist (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2019 – 2 VR 3.19 –, juris Rn. 31).

20

Dass der Antragsteller zuvor disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten war und über lange Zeit sehr gute bzw. gute dienstliche Leistungen erbracht hat, fällt angesichts der Schwere der Verfehlung nicht ausschlaggebend ins Gewicht. Jeder Beamte ist verpflichtet, bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (Beschluss des Senats vom 21. August 2020 – 14 MB 1/20 –, juris Rn. 53; BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 – 2 A 11.10 –, juris Rn. 82).

21

Zu Gunsten des Antragstellers kann an dieser Stelle auch nicht berücksichtigt werden, dass er im Beschwerdeverfahren die Bereitschaft signalisiert hat, auch außerhalb des Schuldienstes eingesetzt zu werden. Ein Beamter muss auf allen seinem Statusamt gemäßen Dienstposten einsetzbar sein. Es kann dem Dienstherrn nicht angesonnen werden, einen Beamten nur noch eingeschränkt auf solchen Dienstposten zu verwenden, auf denen dies mit Rücksicht auf dessen straf- oder disziplinarrechtlich geahndetes Fehlverhalten möglich ist. Dem stünde die Organisationshoheit und Dispositionsbefugnis des Dienstherrn betreffend die Verwendung seiner Beamten entgegen (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2020 – 2 C 12.19 –, juris Rn. 29; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 – 2 C 9.14 –, juris, Rn. 17).

22

Weitere, im Rahmen der prognostischen Gesamtwürdigung zu beachtende und entlastend wirkende Gesichtspunkte sind vorliegend nicht ersichtlich und im Rahmen der Beschwerdebegründung auch nicht vorgetragen.

23

Soweit der Antragsteller im Zuge der Beschwerdebegründung im Übrigen ohne nähere Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung auf seine bisherigen Schriftsätze verweist, genügt dieses Vorbringen den Anforderungen, die (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 67 Abs. 1 BDG) § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO an die Begründung einer Beschwerde stellt, nicht. Die Beschwerde muss die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden tragenden Überlegungen, die in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht für falsch oder unvollständig gehalten werden, genau bezeichnen und sodann im Einzelnen ausführen, warum diese unrichtig sind, welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben und was richtigerweise zu gelten hat. Eine reine Bezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen erfüllt diese Anforderungen nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 29. Januar 2018 – 14 MB 3/17 –, juris Rn. 12 m. w. N.).

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 77 Abs. 1 BDG, § 154 Abs. 2 VwGO.

25

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 152 Abs. 1 VwGO).


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