Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 LA 80/21

Tenor

Die Selbstanzeige des Richters am Oberverwaltungsgericht M. wird für begründet erklärt.

Gründe

1

Die Selbstanzeige des Richters am Oberverwaltungsgericht M. ist begründet.

2

Gemäß § 54 Abs. 1 VwGO gelten für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen §§ 41 bis 49 ZPO entsprechend. Nach § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, nicht dagegen, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt eines Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen nicht aus (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.04.2021 – 9 A 8.19 –, Rn. 6, juris). Eine Entscheidung darüber, ob ein Richter befangen ist, ergeht entweder auf das Ablehnungsgesuch eines Beteiligten (§ 44 ZPO) oder von Amts wegen, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte (§ 48 ZPO).

3

Richter am Oberverwaltungsgericht M. hat unter dem 4. August 2021 mitgeteilt, dass er mit der erkennenden Einzelrichterin in dem erstinstanzlichen Verfahren 16 A 155/20, der Richterin am Verwaltungsgericht M. , verheiratet ist. Das begründet die Besorgnis der Befangenheit.

4

Dabei kann offenbleiben, ob die Mitwirkung des Ehegatten eines Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung generell einen Ablehnungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren darstellt (dagegen BGH, Beschluss vom 20.10.2003 – II ZB 31/02 –, Rn. 7 f., juris; OVG Bremen, Beschluss vom 08.06.2015 – 2 B 12/15 –, Rn. 11 f., juris). Jedenfalls dann, wenn der Ehegatte erstinstanzlich nicht lediglich als Mitglied eines Kollegialgerichts an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt, sondern diese als Einzelrichter allein verantwortet hat, begründet dies den Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit des Rechtsmittelrichters. Denn aus Sicht der Beteiligten kann die Alleinverantwortung des Ehegatten des Rechtsmittelrichters für das angefochtene Urteil die Bedeutung des eheähnlichen Näheverhältnisses in Gestalt einer – zumindest unbewussten – Solidarisierungsneigung des Rechtsmittelrichters verstärken (so BGH, Beschluss vom 27.02.2020 – III ZB 61/19 –, Rn. 12 f., juris). Darauf, ob der Rechtsmittelrichter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist, kommt es, wie oben dargelegt, nicht an.

5

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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