Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 MR 31/21

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

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Der im Wege des Normenkontrolleilverfahrens gestellte Antrag,

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§ 8 Abs. 1 der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021 bis zu einer Entscheidung über einen noch zu erhebenden Normenkontrollantrag der Antragstellerin außer Vollzug zu setzen,

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ist bei verständiger Würdigung dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin begehrt, § 8 Abs. 1 der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona-Bekämpfungsverordnung – Corona-BekämpfVO) vom 20. November 2021 in Gestalt der Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021, bis zu einer Entscheidung über einen noch zu erhebenden Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen. Die Antragstellerin wendet sich damit gegen die ihr auferlegte Vollziehung der 2G-Regelung im Einzelhandel. Der so verstandene Antrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

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1. Der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 6 VwGO ist zulässig. Danach entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Eine entsprechende Bestimmung ist in § 67 Landesjustizgesetz enthalten. Die Antragstellerin wendet sich gegen § 8 Abs. 1 der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona-Bekämpfungsverordnung - Corona-BekämpfVO) vom 20. November 2021, zuletzt geändert durch die Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021, mithin gegen eine untergesetzliche Norm in Form einer Landesverordnung.

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Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwGO. Danach kann den Antrag jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein, stellen. Es genügt, dass hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen werden, die eine Verletzung in einem subjektiven Recht als möglich erscheinen lassen (vgl. stRspr. BVerwG, vgl. etwa Beschl. v. 17.12.2012 - 4 BN 19.12 -, juris Rn. 3 und v. 24.09.1998 - 4 CN 2.98 -, juris LS 1 und Rn. 9), wobei der Antragsteller durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung selbst die mögliche Rechtsverletzung erlitten oder zu erwarten haben muss (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 47 Rn. 49). Es erscheint zumindest möglich, dass die angegriffene Regelung, die eine Zugangsbeschränkung für die Filialen der Antragstellerin in Schleswig-Holstein zur Folge hat, die Antragstellerin in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG), Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) und in ihrem Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) verletzt.

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Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin den Antrag ohne ein begleitendes Hauptsacheverfahren gestellt hat; denn der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist schon vor Erhebung des Normenkontrollantrages zulässig (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.05.2009 - 1 MN 12/09 -, juris Rn. 16 f.; OVG B-Stadt, Beschl. v. 17.01.2014 - 2 B 1367/13.NE -, juris Rn. 30; Ziekow; in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 386).

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2. Der Antrag ist indes unbegründet.

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Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor.

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Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015 - 4 VR 5.14 -, juris Rn. 12; Beschl. d. Senats v. 09.04.2020 - 3 MR 4/20 -, juris Rn. 3). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.

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Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für die Antragstellerin günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (vgl. Beschl. d. Senats v. 09.04.2020 - 3 MR 4/20 -, juris Rn. 4).

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Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht (hinreichend) abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015, a. a. O., juris Rn. 12; Beschl. d. Senats v. 09.04.2020, a. a. O., juris Rn. 5).

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Nach diesen Maßstäben scheidet eine vorläufige Außervollzugsetzung des § 8 Abs. 1 der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona-Bekämpfungsverordnung - Corona-BekämpfVO) vom 20. November 2021, zuletzt geändert durch die Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021, aus; denn ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache erweist sich aller Voraussicht nach als erfolglos. Die Regelung beruht auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage (a) und sie stellt sich voraussichtlich als formell (b) und materiell rechtmäßig (c) dar.

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a) § 8 Abs. 1 Corona-BekämpfVO vom 20. November 2021, zuletzt geändert durch die Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021, findet in § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 sowie § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 sowie Abs. 3, 5 und 6 IfSG vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. November 2021 (BGBl. I S. 4906), eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage.

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Nach § 28a Abs. 7 Nr. 4 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 32 Satz 1 und 2 IfSG sind die Landesregierungen bzw. die von ihnen bestimmten Stellen – unabhängig von einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite – ermächtigt, zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die notwendigen Schutzmaßnahmen zu erlassen, wozu nach dem Willen des Gesetzgebers die Verpflichtung zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs in den oder bei den in § 28a Abs. 1 Nr. 4 bis 8 und 10 bis 16 IfSG im einzelnen genannten Betrieben, Gewerben, Einrichtungen, Angeboten, Veranstaltungen, Reisen und Ausübungen gehören können. Die Norm ermöglicht es, den Zugang zu den genannten Betrieben und Einrichtungen an den Nachweis der Impfung oder Genesung zu knüpfen (vgl. VGH München, Beschl. v. 08.12.2021 - 20 NE 21.2821 -, abrufbar unter: https://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/20_ne_21.2821_anonym.pdf, S. 5 des Beschlussabdrucks).

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b) Die formellen Anforderungen sind gewahrt. Die Corona-BekämpfVO vom 20. November 2021 in Gestalt der Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021 ist als Landesverordnung bezeichnet, die Ermächtigungsgrundlage ist angegeben, ebenso das Datum der Ausfertigung und die erlassende Behörde (vgl. § 56 Abs. 1 LVwG). Die Landesverordnung ist zeitlich – bis zum 15. Dezember 2021 – befristet (vgl. § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG); die Geltungsdauer nach § 28a Abs. 5 Satz 2 IfSG (vier Wochen) wird nicht überschritten. Die Verordnung ist ordnungsgemäß im Wege der Ersatzverkündung (§ 60 Abs. 3 Satz 1 LVwG) unterzeichnet auf der Internetseite der Landesregierung (s. https://www.schleswig-holstein.de/DE/Schwerpunkte/Coronavirus/_documents/ teaser_erlasse.html) bekanntgemacht worden.

16

Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin verfügt die Verordnung auch über die nach § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG erforderliche amtliche Begründung. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass sich der Verordnungsbegründung nicht entnehmen lasse, welcher „infektiologische Nutzen“ mit der Ausweitung der „2G-Regelung“ auf Einzelhandelsunternehmen verbunden sei, wirft sie allenfalls Fragen der materiellen Rechtmäßigkeit der von ihr angegriffenen Vorschrift auf, denn dem in § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG geregelten Begründungserfordernis lassen sich keine Anforderungen zu dessen Umfang und Detailtiefe hinsichtlich einzelner Regelungen entnehmen (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 06.12.2021 - 3 B 419/21 -, juris Rn. 40 m.w.N.). § 28 Abs. 5 Satz 1 IfSG verlangt dem Wortlaut nach vielmehr nur eine allgemeine Begründung, nicht eine Begründung sämtlicher Einzelmaßnahmen (vgl. Beschl. d. Senats v. 19.01.2021 - 3 MR 2/21 -, juris Rn. 28). Dass die streitgegenständliche Verordnung überhaupt mit einer Begründung versehen ist, die erkennen lässt, in welcher Weise die in ihr geregelten Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienen sollen, hält der Senat für nicht ernstlich zweifelhaft. Der Verordnungsgeber führt unter anderem aus, dass die getroffenen Regelungen im Hinblick auf die Schutzzwecke, insbesondere die Anzahl der stationär zur Behandlung aufgenommenen Patienten nicht insoweit ansteigen zu lassen, dass das Gesundheitssystem überlastet werden könnte, geeignet und erforderlich seien. Die Zahl der Neuinfektionen steige derzeit sehr stark an, jedoch führe dieser Anstieg durch den Fortschritt der Impfkampagne derzeit noch nicht zu einer Überbeanspruchung des Gesundheitssystems. Um einer solchen Überbeanspruchung auch weiterhin vorbeugen zu können, bedürfe es der normierten Einschränkungen. Betroffen seien fast alle Regelungen der Verordnung (s. Begründung der Landesregierung zur Corona-Bekämpfungsverordnung vom 20.11.2021, S. 28).

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c) § 8 Abs. 1 Corona-BekämpfVO vom 20. November 2021, zuletzt geändert durch die Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021, stellt sich voraussichtlich als materiell rechtmäßig dar.

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aa) Die Voraussetzungen von § 32 Satz 1, § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG liegen vor.

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In ganz Schleswig-Holstein gibt es bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, welches die meldepflichtige (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. t IfSG) Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) auslöst. Am 10. Dezember 2021 beliefen sich die an das Robert Koch-Institut übermittelten Fälle von COVID-19 für Schleswig-Holstein auf insgesamt 103.432 (zum Vortag eine Steigerung um 834 Fälle). In den letzten sieben Tagen wurden 4.566 Fälle übermittelt; landesweit liegt die 7-Tage-Inzidenz (Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen) bei 156,9 (vgl. Robert Koch-Institut: COVID-19-Dashboard).

20

Die vom Verordnungsgeber konkret gewählte Einschränkung des Rechts zum Betreten von Innenräumen von Verkaufsstellen des Einzelhandels auf Personen, die im Sinne von § 2 Nr. 2 oder Nr. 4 SchAusnahmV geimpft oder genesen sind, ist auch von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Der Zugang zu Verkaufsstellen des Einzelhandels darf gemäß § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG grundsätzlich von der Verpflichtung zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises abhängig gemacht werden. Eine hieran anknüpfende Beschränkung des Zugangs ist hinsichtlich der in § 28a Abs. 1 Nr. 1 bis 8 und 10 bis 16 genannten Betriebe, Gewerbe, Einrichtungen, Angebote, Veranstaltungen, Reisen und Ausübungen zulässig. Letztgenannter Normverweis erfasst insbesondere auch auch Verkaufsstellen des Einzelhandels im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG. § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG erfordert schließlich nicht, dass der Nachweis einer Negativtestung auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 stets dem Nachweis der Impfung oder Genesung gleichgestellt werden muss (vgl. näher hierzu VGH München, Beschl. v. 08.12.2021 - 20 NE 21.2821 -, a.a.O., S. 5 des Beschlussabdrucks).

21

bb) § 8 Abs. 1 Corona-BekämpfVO vom 20. November 2021, in Gestalt der Fassung der Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021, verstößt voraussichtlich nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

22

Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG, der keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten umfasst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.06.2002 - 1 BvR 558/91 -, juris Rn. 43), stellt sich die angegriffene Regelung unstreitig als eine Berufsausübungsregelung dar, da sie den Zugang für Verkaufsstellen des Einzelhandels vorübergehend auf die in der streitbefangenen Regelung benannten Personen beschränkt. Eine an subjektive oder objektive Kriterien anknüpfende Regelung über die Berufswahl enthält die angegriffene Regelung hingegen nicht.

23

Der Grundrechtseingriff ist voraussichtlich gerechtfertigt, da die angegriffene Norm einem legitimen Zweck dient (1.), zu dessen Erreichung sie bei summarischer Prüfung geeignet (2.), erforderlich (3.) und angemessen ist (4.).

24

(1.) Der Antragsgegner verfolgt, was auch die Antragstellerin nicht in Abrede stellt, mit der angegriffenen Regelung den legitimen – verfassungsrechtlich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitenden – Zweck, die Weiterverbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 im Rahmen des allgemeinen Gesundheitsschutzes einzudämmen und einer Überlastung der Einrichtungen des Gesundheitssystems vorzubeugen.

25

(2.) Die durch § 8 Abs. 1 Corona-BekämpfVO vom 20. November 2021, in der Fassung der Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021, vorgenommene Beschränkung des Zugangs zu Innenräumen von Verkaufsstätten des Einzelhandels ist geeignet, das Risiko der Virusverbreitung in diesen Räumlichkeiten erheblich zu verringern oder zumindest auf immunisierte Personen zu beschränken, damit einer Verbreitung von COVID-19 entgegenzuwirken und das Risiko schwerer Krankheitsverläufe mit der Folge der Überlastung intensivmedizinischer Versorgungskapazitäten zu reduzieren (vgl. in Bezug auf in § 5 BayIfSMV geregelte Zugangsbeschränkungen: VGH München, Beschl. v. 08.12.2021 - 20 NE 21.2821 -, S. 11 des Beschlussabdrucks; vgl. auch OVG Bautzen, Beschl. v. 19.11.2021 - 3 B 411/21 -, juris Rn. 50 f.). Nach der derzeitigen Risikobewertung des Robert Koch-Instituts erweist sich das Gesamtrisiko für geimpfte Personen, an COVID-19 schwer zu erkranken, nämlich als „moderat“, für ungeimpfte oder nur einfach geimpfte Personen hingegen als „sehr hoch“.

26

Die Antragstellerin hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass Kontakten im Einzelhandel – wissenschaftlich abschließend gesichert – keinerlei Anteil am derzeitigen Infektionsgeschehen zukommt. Derartiges ist auch sonst nicht ersichtlich. Die von ihr vorgelegten Ausführungen, wonach der Einzelhandel ohne Schutzmaßnahmen zu einem Anteil von 0,10 und mit einer „FFP2-Maskenpflicht“ zu einem Anteil von 0,01 zum „R-Wert“ beitrage, stellen die Eignung – jedenfalls im Rahmen der vorzunehmenden summarischen Prüfung – deswegen nicht hinreichend in Frage, weil sich die Abhandlung insoweit explizit auf die ehemals vorherrschende Variante B.1.1.7 („Alpha“) und nicht auf die nunmehr dominierende Variante B.1.617.2 („Delta“) bezieht, die derzeit in der Bundesrepublik Deutschland nahezu alle Infektionen verursacht (vgl. Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 v. 09.12.2021, S. 3). Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die sog. Delta-Variante unter anderem gerade durch Mutationen auszeichnet, welche die Übertragbarkeit von SARS-CoV-2 erhöhen (vgl. RKI, Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten , Stand: 09.12.2021, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html; vgl. näher hierzu auch RKI, Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland, Stand: 14.07.2021, S. 5, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/DESH/Bericht_ VOC_2021-07-14.pdf?__blob=publicationFile). Hinzu kommt, dass in der Bundesrepublik Deutschland und auch im Land Schleswig-Holstein die Ausbreitung einer weiteren vom Robert Koch-Institut als besorgniserregend eingeordneten Variante B.1.1.529 („Omikron“) begonnen hat, die aufgrund einer hohen Zahl an Aminosäureänderungen im Spike-Protein im Verdacht steht, wiederum eine erhöhte Transmission aufzuweisen (vgl. RKI, Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten , Stand: 09.12.2021, a.a.O.).

27

Im Übrigen bestehen, selbst wenn man unterstellen würde, dass die Infektionswahrscheinlichkeit im Einzelhandel unter den Bedingungen des derzeitigen Infektionsgeschehens „gering“ sein sollte, keine Zweifel daran, dass die mit der angegriffenen Norm verbundene Zugangsbeschränkung zur Erreichung des Ziels zumindest förderlich ist. Die Regelung ist im Rahmen des Gesamtregelungswerkes der Corona-Bekämpfungsverordnung im Sinne der vorstehenden Ausführungen durch die Reduzierung von Risikokontakten in der Bevölkerung anteilig geeignet, einer weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 auf nicht geimpfte oder genesene Personen, einer weiter steigenden Anzahl schwerer Krankheitsverläufe von COVID-19 und einer drohenden Überlastung der Einrichtungen des Gesundheitssystems entgegenzuwirken.

28

(3.) Die Zutrittsbeschränkung ist voraussichtlich ein erforderliches Mittel zur Eindämmung der Weiterverbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2. Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetz- bzw. im Rahmen der Ermächtigung dem Verordnungsgeber für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu, der nur dann überschritten ist, wenn aufgrund der dem Normgeber bekannten Tatsachen und der bereits vorhandenen Erfahrungen feststellbar ist, dass weniger grundrechtsbelastende, aber gleich wirksame Regelungsalternativen in Betracht kommen (stRspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.09.2010 - 1 BvR 1789/​10 -, juris Rn. 21; BVerwG, Urt. v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 -, juris Rn. 49 jeweils m.w.N.). Diesen Beurteilungs- und Prognosespielraum hat der Verordnungsgeber nicht erkennbar überschritten. Andere Maßnahmen, die eine vergleichbare infektiologische Wirkung haben, sind nicht ersichtlich.

29

Mögliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen, wie die von der Antragstellerin angeführte Pflicht zum Tragen einer FFP2-Schutzmaske für sämtliche sich in Innenräumen des Einzelhandels aufhaltende Personen, stellen zwar ein milderes, aber ein nicht gleich geeignetes Mittel dar. Es entspricht wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass sich unbemerkte Übertragungen von SARS-CoV-2 über Aerosole vor allem in Innenräumen, wozu Geschäfte und Läden zählen, vollziehen können, wogegen auch das Einhalten von Abstand und das Tragen von Masken keinen vollständigen Schutz bietet (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 30.03.2021 - 3 B 65/21 -, juris Rn. 41 m.w.N.). Dies zugrunde gelegt wäre die Verpflichtung zum Tragen der FFP2-Schutzmaske nicht in vergleichbarer Weise geeignet, die Infektion von nicht im Sinne von § 2 Nr. 2 oder 4 SchAusnahmV geimpften oder genesenen Personen sowie die mit derartigen Infektionen einhergehenden häufigeren schweren Krankheitsverläufe und die diesbezügliche Belastung der intensivmedizinischen Einrichtungen des Gesundheitswesens zu verhindern. Entsprechendes gilt auch in Bezug auf die weiteren von der Antragstellerin angeführten Aspekte eines Hygienekonzepts, wie etwa der Verwendung von Plexiglasscheiben, wobei letztere regelmäßig nur im Kassenbereich zur Anwendung kommen. Derartige im Rahmen von Hygiene-Konzepten ergriffene Maßnahmen können Infektionen nicht so sicher ausschließen wie die mit der Regelung des § 8 Abs. 1 Corona-BekämpfVO vom 20. November 2021, in Gestalt der Fassung der Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021, vorgesehene Reduzierung von besonderes risikobehafteten Kontakten von nicht im Sinne von § 2 Nr. 2 und 4 SchAusnahmV geimpften oder genesenen Personen mit Dritten (vgl. hierzu Beschl. d. Senats v. 30.04.2020 - 3 MR 15/20 -, juris Rn. 34 sowie 15.09.2021 - 3 MR 28/21 -, juris Rn. 28; vgl. auch OVG Greifswald, Beschl. v. 10.02.2021 - 2 KM 38/21 OVG -, juris Rn. 33).

30

Angesichts der aktuell weiterhin bestehenden Unklarheit über Infektionsherde und das Ausbruchsgeschehen (vgl. RKI, Risikobewertung zu COVID-19, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung .html, Stand: 08.12.2021) vermag die Antragstellerin voraussichtlich auch nicht damit zu überzeugen, dass Verkaufsstellen des Einzelhandels im Infektionsgeschehen nur eine gänzlich untergeordnete Rolle spielen würden und die angegriffenen Regelungen aus diesem Grund nicht erforderlich seien. In Bezug auf die Aussagekraft der von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen zum Anteil des Einzelhandels am „R-Wert“ nimmt der Senat auf die vorstehenden Ausführungen Bezug. Unbestritten ist nach derzeitigem Stand der Forschung zudem, dass Infektionsgefahren in Innenräumen – wozu auch die Innenräume der hier streitgegenständlichen Verkaufsstellen des Einzelhandels zählen – grundsätzlich höher einzuschätzen sind als im Freien (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 11.06.2021 - 1 S 1533/21 -, juris Rn. 76 m.w.N.). Der Verordnungsgeber ist im Übrigen nicht darauf beschränkt, nur in den Bereichen Infektionsschutzmaßnahmen zu treffen, die in der Vergangenheit bereits eindeutig als typische „Treiber“ der Pandemie identifiziert wurden (vgl. Beschl. d. Senats v. 15.09.2021 - 3 MR 28/21 -, juris Rn. 30 m.w.N.). Das Robert Koch-Institut erachtet es auch derzeit für erforderlich, dass Kontakte insgesamt reduziert und Schutzmaßnahmen ergriffen werden (vgl. RKI, Risikobewertung zu COVID-19, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 08.09.2021).

31

(4.) Bei summarischer Prüfung hat die Antragstellerin schließlich keine durchgreifenden Zweifel an der Angemessenheit der Maßnahme bzw. deren Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne begründet und derartige Zweifel sind – jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens – auch sonst nicht ersichtlich.

32

Nach § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG sind Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach Absatz 1 in Verbindung mit § 28 Absatz 1, nach § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 IfSG und den §§ 29 bis 32 IfSG insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten; dabei sind absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen.

33

Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der nicht oder nur einmal geimpften Bevölkerung in Deutschland derzeit – wie vorstehend dargelegt – insgesamt als sehr hoch ein. Für vollständig Geimpfte werde die Gefährdung als moderat eingeschätzt, sie steige aber mit zunehmenden Infektionszahlen an. Die Zahl der Todesfälle sei sehr hoch und zeige weiterhin eine steigende Tendenz. Die Zahl schwerer Erkrankungen an COVID-19, die im Krankenhaus evtl. auch intensivmedizinisch behandelt werden müssten, steige ebenfalls weiter an. Es ließen sich viele Infektionsketten nicht nachvollziehen, Ausbrüche würden in vielen verschiedenen Umfeldern auftreten. Die Ausbreitung der Variante Omikron sei sehr besorgniserregend. Sie werde bereits zusätzlich zur Delta-Variante in Deutschland nachgewiesen. Dies verstärke die Notwendigkeit verstärkter kontaktreduzierender Maßnahmen und von „Boosterimpfungen“. Die aktuelle Entwicklung sei sehr besorgniserregend und es sei zu befürchten, dass es zu einer weiteren Zunahme schwerer Erkrankungen und weiteren Todesfällen kommen werde und die deutschlandweit verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten zeitnah überschritten würden (vgl. RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 08.12.2021, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_ Coronavirus/Risikobewertung.html). Nur durch eine Intensivierung der kontaktbeschränkenden Maßnahmen und rasche Erhöhung der Impfraten könne die Situation verbessert werden. Eine maximale Reduktion der Übertragungsraten sei auch notwendig, um die zu erwartende Ausbreitung der Omikron-Variante zu verlangsamen (vgl. Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 v. 09.12.2021, S. 4).

34

Angesichts der gravierenden und teils irreversiblen Folgen, die ein weiterer unkontrollierter Anstieg der Zahl von Neuinfektionen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hätte, muss in einer Güterabwägung das Interesse der Antragstellerin an einem ungehinderten Geschäftsbetrieb hinter dem überragenden öffentlichen Interesse an der Eindämmung der Ausbreitung der Corona-Pandemie zurückstehen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die angegriffene Regelung geeignet ist, für den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin negative wirtschaftliche Folgen hervorzurufen. Es ist insoweit nachvollziehbar, dass die Antragstellerin auch auf bisherige Verluste durch Maßnahmen zur Reduzierung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 verweist. In Bezug auf die vorliegend angegriffene Regelung und die konkreten Zugangsbeschränkungen ist gleichwohl zu berücksichtigen, dass im Land Schleswig-Holstein mittlerweile 74,2 % der Bevölkerung vollständig geimpft sind. Hinsichtlich derjenigen Personen, die älter als 18 Jahre sind, beträgt der Anteil der vollständig Geimpften in Schleswig-Holstein sogar 86,1 % (vgl. zu den Impfquoten: RKI, Digitales Impfquotenmonitoring zur COVID-19-Impfung, Stand: 14.12.2021, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquoten-Tab.html). Damit ist ein weit überwiegender Teil der Bevölkerung des Landes Schleswig-Holstein auch während des Geltungszeitraumes der angegriffenen Vorschrift zum Betreten der streitgegenständlichen Verkaufsstellen des Einzelhandels berechtigt, was das Potential etwaiger wirtschaftlicher Folgen insoweit entsprechend reduziert. Hinzu kommen genesene Personen im Sinne des § 2 Nr. 4 SchAusnahmV, die ebenfalls berechtigt sind, die Verkaufsstellen der Antragstellerin zu betreten sowie die weiteren in § 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 Corona-BekämpfVO vom 20. November 2021, in Gestalt der Fassung der Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021, benannten Personengruppen.

35

Wenngleich die Antragstellerin vorträgt, dass sie – zumindest weitgehend – keinen Zugang zu von der Bundesregierung geschaffenen Hilfsprogrammen habe, wäre selbst dann, wenn dies zuträfe, der Grundrechtseingriff voraussichtlich gerechtfertigt. Der Bundesgesetzgeber hat gerade nicht für alle notwendigen infektionsschutzrechtlichen Schutzmaßnahmen einen umfassenden Entschädigungsanspruch vorgesehen; gewährt wird eine Entschädigung vielmehr in besonderen Fällen unter den Voraussetzungen des § 56 IfSG. Durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes können wirtschaftliche Auswirkungen im Übrigen weiter reduziert werden.

36

Dass das Betreten von Verkaufsstellen des Einzelhandels derzeit im Wesentlichen nur Personen erlaubt ist, die im Sinne von § 2 Nr. 2 oder 4 SchAusnahmV geimpft oder genesen sind, stellt im Übrigen ein milderes Mittel gegenüber einer vollständigen Schließung dar, welche die Antragstellerin wirtschaftlich erheblich stärker belasten würde.

37

Angesichts des verfolgten Ziels, in Erfüllung der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates für das Leben und die körperliche Unversehrtheit, der weiteren Ausbreitung von Infektionen mit SARS-CoV-2 und der Überlastung der intensivmedizinischen Kapazitäten entgegenzuwirken, ist der Eingriff nach alledem aktuell zumutbar.

38

cc) Soweit die Antragstellerin auf ihre Grundrechtsposition aus Art. 14 Abs. 1 GG abhebt, hat der Senat in der vergangenen Zeit wiederholt Zweifel an der Eröffnung des Schutzbereichs kundgetan (vgl. Beschl. v. 12.02.2021 - 3 MR 6/21 -, juris Rn. 35; Beschl. v. 05.11.2020 - 3 MR 56/20 -, juris Rn. 30 f.; Beschl. v. 09.11.2020 - 3 MR 60/20 -, juris Rn. 26 f.; Beschl. v. 18.11.2020 - 3 MR 76/20 -, juris Rn. 42 f.). Im Hinblick auf die vorliegende Regelung gilt nichts anderes. Letztlich vermag die Prüfung der Verhältnismäßigkeit aus den vorstehenden Erwägungen auch im Hinblick auf das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG keine für die Antragstellerin günstigere rechtliche Entscheidung herbeizuführen.

39

dd) Ein Verstoß von § 8 Abs. 1 Corona-BekämpfVO vom 20. November 2021, in Gestalt der Fassung der Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021, gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt voraussichtlich ebenfalls nicht vor. Das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Der Gleichheitsgrundsatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anderes behandelt wird, obwohl zwischen den Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Unterschiedliche Behandlungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind, wobei dem Normgeber nicht zuletzt im Falle komplexer und wissenschaftlich nicht abschließend geklärter Zusammenhänge ein weiter Einschätzungsspielraum zukommt (vgl. OVG Saarlouis, Beschl. v. 01.09.2021 - 2 B 197/21 -, juris Rn. 12 m.w.N.).

40

Bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Rechts- und Tatsachenprüfung drängt sich entgegen den Ausführungen der Antragstellerin nicht auf, dass der Verordnungsgeber hinsichtlich der von ihm vorgenommenen Priorisierungen einzelner Verkaufsstellen des Einzelhandels, die gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Corona-BekämpfVO vom 20. November 2021, in Gestalt der Fassung der Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021, aus dem Anwendungsbereich der angegriffenen Zutrittsbeschränkungen ausgenommen sind, unvertretbar oder willkürlich vorgeht und damit den ihm zukommenden Einschätzungsspielraum überschritten hat.

41

Der sachliche Grund für die vorgenommene Differenzierung, unbeschränkte Öffnung und Zugangsmöglichkeit einerseits – nicht nur von Einzelhandelsgeschäften, die zur Ernährung und Gesunderhaltung von Mensch und Tier täglich notwendig sind, sondern auch von Tankstellen, Poststellen, Blumenläden, Bau- und Gartenmärkten, Zeitungsverkauf und Buchläden – und dem Betreten von übrigen Verkaufsstellen des Einzelhandels nur für Personen, die im Sinne von § 2 Nr. 2 oder 4 SchAusnahmV geimpft oder genesen sind, andererseits, besteht bei summarischer Prüfung darin, dass die von der Beschränkung ausgenommenen Einzelhandelsbetriebe der Deckung eines häufiger auftretenden und in der Regel durch schnellen Einkauf zu deckenden Bedarfs dienen. Sie dienen damit der Grundversorgung im weiteren Sinne. Baumärkte erfüllen mit Blick auf Wartung und Reparatur bei Privatpersonen und Materialversorgung von Gewerbetreibenden einen besonderen Versorgungsbedarf der Bevölkerung. Ein spontan auftretender Bedarf kann durch ein kurzfristiges Verweilen im Geschäft effektiv gedeckt werden. Entsprechendes gilt für Gartenmärkte und Blumenläden (vgl. zu alledem Beschl. d. Senats v. 15.04.2021 - 3 MB 14/21 -, Rn. 12 juris). Buchhandlungen und der Zeitungshandel sind für die Deckung des Grundbedarfs der Bevölkerung als besonders wichtige Verkaufsstellen einzustufen (zu Büchern als Grundbedarf: vgl. bereits Beschl. des Senats v. 30.04.2020 - 3 MR 15/20 -, juris Rn. 41 und v. 08.05.2020 - 3 MR 23/20 -, juris Rn. 41).

42

Nicht zu bestanden ist ferner, dass der Verordnungsgeber gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 Corona-BekämpfVO vom 20. November 2021, in der Fassung der Landesverordnung zur Änderung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 3. Dezember 2021, bei Mischsortimenten auf die „überwiegenden Sortimentsteile“ abstellt (vgl. hierzu Beschl. d. Senats v. 30.04.2020, a.a.O., Rn. 31, wobei diesbezüglich ebenfalls darauf abgestellt wird, ob das „hauptsächliche Angebot“ der Grundversorgung dient, sowie Beschl. d. Senats v. 22.01.2021 - 3 MR 3/21 -, Rn. 44 juris). Die Regelung danach auszurichten, welcher Sortimentsteil überwiegt, erscheint dem Senat weder per se willkürlich noch legt die Antragstellerin dar, welche sonstigen Differenzierungskriterien zwingend vorzugswürdig seien. Das Abstellen auf den Schwerpunkt des jeweiligen Sortiments ist daher als generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelung zulässig (vgl. VGH München, Beschl. v. 04.03.2021 - 20 CE 21.550 -, juris Rn. 20). Insoweit kommt es nicht darauf an, dass die Antragstellerin vorträgt, ihre Verkaufsstellen würden in ländlichen Regionen Schleswig-Holsteins mit dem Mischsortiment ebenfalls zur Grundversorgung der Bevölkerung beitragen. Im Übrigen legt die Antragstellerin auch nicht näher dar, inwiefern Verkaufsstellen des Einzelhandels mit einem nicht überwiegenden Sortimentsanteil an privilegierten Waren – wie die von ihr betriebenen Läden – einen maßgeblichen Teil zur Sicherung der Grundversorgung der Bevölkerung beitragen und inwiefern dies den Verordnungsgeber trotz des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums zu einer anderen Regelung zwingen würde.

43

Die Entscheidung des Verordnungsgebers, dem Lebensmitteleinzelhandel auch den Weitervertrieb von Sortimentsteilen jenseits von Lebensmitteln und Getränken zu gestatten, obwohl den Verkaufsstellen des Einzelhandels, die allein oder überwiegend nicht privilegierte Waren anbieten, dies derzeit nur unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Corona-BekämpfVO erlaubt ist, findet voraussichtlich ebenso eine sachliche Rechtfertigung. Diese Unterscheidung beruht erkennbar auf Gründen des Infektionsschutzes. Der Antragsgegner konnte ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass, nachdem er den Lebensmittel- und Getränkehandel zum Zwecke der Grundversorgung ohnehin unbeschränkt zulässt, der Verkauf von anderen Produkten in diesen Geschäften jedenfalls dann, wenn sie nur einen untergeordneten Umfang annehmen, zu keinem zusätzlichen Anstieg der insoweit ohnehin geschaffenen Infektionsquellen führen würde. Denn auch wenn derartige Angebote dazu führen, dass in den privilegierten Verkaufsstellen nicht nur notwendige Besorgungen erledigt werden, kommt es prinzipiell nicht zu einer Erhöhung der Kontakte zwischen nicht Geimpften oder Genesenen untereinander und Dritten. Dies wäre jedoch anzunehmen, wenn durch Personen, die nicht im Sinne von § 2 Nr. 2 oder 4 SchAusnahmV geimpft oder genesen sind, für derartige Besorgungen eine weitere Verkaufsstelle des nicht privilegierten Einzelhandels aufgesucht würde.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

45

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

46

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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