Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 M 1/13

Gründe

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Die zulässigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 5. Kammer - vom 30. November 2012, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, haben in der Sache keinen Erfolg. Die Einwendungen der Antragsgegnerin wie der Beigeladenen rechtfertigen die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Aussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007 - 1 M 1/07 -, juris [m. w. N.]).

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Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, die Antragsgegnerin habe den aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG resultierenden Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers in dem hier streitigen Auswahlverfahren verletzt, wird von den Beschwerden nicht schlüssig in Frage gestellt. Mit Recht rügt das Verwaltungsgericht, dass allein die schriftlich fixierten Auswahlerwägungen maßgeblich und diese nicht mängelfrei sind.

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Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes zu besetzen, dessen Geltung durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet wird. Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl unmittelbar nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Ein Bewerber um ein öffentliches Amt kann verlangen, dass seine Bewerbung nur aus Gründen zurückgewiesen wird, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (Bewerbungsverfahrensanspruch). Der Bewerberauswahl dürfen nur Gesichtspunkte zugrunde gelegt werden, die den von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Leistungsbezug aufweisen (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2011 - 2 C 19.10 -, NVwZ 2011, 1270 [m. w. N.]). Ein Beförderungsbewerber hat dementsprechend einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entscheidet (BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2002 - 2 BvQ 25/02 -, NVwZ 2002, 1367, und Kammerbeschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200; BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14.02 -, BVerwGE 118, 370 [m. z. N.]).

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Die im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, bei dem der Ernennungsbehörde durch Art. 33 Abs. 2 GG ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist mit der Folge, dass Verwaltungsgerichte bei der Überprüfung der behördlichen Entscheidung darauf beschränkt sind, die Einhaltung seiner Grenzen zu kontrollieren, nämlich ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen der Beurteilungsermächtigung verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (siehe: OVG LSA, Beschluss vom 26. August 2009 - 1 M 52/09 -, juris [m. w. N.]). Wird das subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte  Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus, dass der unterlegene Bewerber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen kann, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden,  offen  sind, d. h. wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200).

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Aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt des Weiteren die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen - deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann - wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen. Schließlich stellt die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind; sie erweist sich damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG (so ausdrücklich: BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 1 WB 19.08 -, NVwZ-RR 2009, 604, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07-, NVwZ 2007, 1178).

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Diese Grundsätze gelten auch im Fall der - wie hier - beabsichtigten Besetzung einer Professorenstelle im Beamtenverhältnis (siehe: BayVGH, Beschluss vom 29. September 2010 - 7 CE 10.1827 -, juris, Beschluss vom 5. Januar 2012 - 7 CE 11.1432 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Februar 2009 - 6 B 1744/08 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. März 2012 - OVG 5 S 12.11 -, juris). Erweist sich die Entscheidung zur Berufung eines Bewerbers als Professor als ermessens- oder beurteilungsfehlerhaft, kann daher ein nicht berücksichtigter Bewerber, dessen Auswahl zumindest möglich erscheint, verlangen, dass über seine Bewerbung erneut entschieden und die Professorenstelle zunächst nicht besetzt wird. Allerdings gilt - wie die Beschwerden zutreffend geltend machen - zu beachten, dass der Hochschule eine besondere, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz hinsichtlich der Qualifikation der Bewerber für ein Hochschullehreramt zusteht (vgl.: BVerwG, Urteil vom 9. Mai 1985 - 2 C 16.83 -, juris). Insofern ist den an der Bewerberauswahl beteiligten Hochschulgremien ein Entscheidungsspielraum eingeräumt, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Auswahlentscheidung kann daher gerichtlich nur daraufhin geprüft werden, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und ob der Ermessens- oder Beurteilungsspielraum überschritten ist, etwa weil die Entscheidung erkennbar auf sachfremden Erwägungen oder auf der Verkennung von Tatsachen beruht (siehe zum Vorstehenden: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. März 2012, a. a. O. [m. w. N.]).

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Für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung kommt es im Übrigen allein auf die Erwägungen an, die der Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung in Ausübung seines Verwendungsermessens und des ihm vorbehaltenen Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Eignung der Kandidaten angestellt hat. Mit dieser Entscheidung wird zugleich die Sach- und Rechtslage fixiert, die maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung ist. Zwar können Ermessenserwägungen sowie Einschätzungen, bei denen ein Beurteilungsspielraum besteht, in entsprechender Anwendung des § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden. Hierzu gehört indes nicht die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Entscheidung tragenden Gründe. Derartige Erwägungen sind vielmehr unzulässig und bei der gerichtlichen Kontrolle der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigungsfähig. Gegenteiliges folgt auch nicht aus § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG (i. V. m. § 1 VwVfG LSA), da die Nachholung einer Begründung hiernach bereits dokumentierte materielle Auswahlerwägungen voraussetzt (siehe zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 2 VR 4.11 -, IÖD 2011, 2; Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 1 WB 19.08 -, a. a. O.; zudem: OVG LSA, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 1 M 125/10 -, juris [m. w. N.]). Bei der Gestaltung des Verfahrens ist indes hier dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Empfehlung der Berufungskommission, wenngleich diese nicht die Entscheidung über den zu berufenden Bewerber trifft, im Hinblick auf ihre grundsätzlich anzunehmende personell-fachliche Qualifikation entscheidende Bedeutung zukommt (vgl.: BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71 und 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 (145); OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Februar 2009, a. a. O.).

9

Dies zugrunde legend rechtfertigt das jeweilige Beschwerdevorbringen die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Ergebnis nicht. Die Antragsgegnerin wie die Beigeladene stellen insbesondere nicht sämtliche tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes schlüssig in Frage.

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Zutreffend weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass die Gremienentscheidungen der Antragsgegnerin über die Berufung der Beigeladenen vom 29. September 2011 und 27. Oktober 2011 jeweils keine eigene Begründung enthalten. Soweit das Verwaltungsgericht den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Bericht der Berufungskommission vom 9. September 2011 (künftig: Berufungsbericht) als maßgebliche schriftlich fixierte, sich von den Hochschulgremien zu Eigen gemachten Auswahlerwägungen ansieht, treten dem die Beschwerdeführer auch nicht prinzipiell entgegen. Nicht zu folgen ist in diesem Zusammenhang allerdings dem Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin dahin, ihr Schreiben vom 7. August 2012 an die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers sei entsprechend § 114 Satz 2 VwGO als ergänzende Begründung der Auswahlerwägungen mit heranzuziehen. Denn inhaltlich handelt es sich zum Einen um die letztlich unwesentliche inhaltliche Wiederholung von Teilen des Inhaltes des Berufungsberichtes; zum Anderen enthält das Schreiben zur „wissenschaftlichen Arbeit“ sowie zur Einbeziehung der Probelehrveranstaltungen inhaltliche Erwägungen, die erstmals „dokumentiert“ werden und sich nicht - lediglich - als Ergänzung bereits bisher erfolgten Überlegungen darstellen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen befasst sich der Berufungsbericht unter Ziffern 2.1 und 2.2 letztlich nicht mit der eigentlichen Auswahlentscheidung, sondern mit dem jeweiligen Bewerber, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass dort jeweils abschließend ein „Gesamturteil“ ausgesprochen wurde. Die „Begründung der Reihenfolge“ unter Ziffer 2.2 des Berufungsberichtes, d. h. die Erwägungen, aus welchen Gründen die Beigeladene den Vorzug erhalten hat, verhält sich nicht zu den vorbezeichneten Gesamturteilen, sondern stellt eigene inhaltliche Erwägungen an.

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Mit Recht rügt das Verwaltungsgericht, dass die Auswahlerwägungen im Berufungsbericht zur „Begründung der Rangfolge“ sachwidrig sind, soweit die Kommission unter Ziffer 2.2.2 ausführt: „Das Gesamturteil … beruht zunächst auf den Feststellungen des vergleichenden Gutachters“. Damit erscheint bereits unklar, ob neben den Feststellungen, d. h. den bloßen Tatsachen, auch etwaige Wertungen des Gutachters übernommen werden sollten. Ungeachtet dessen wird jedenfalls die Zusammenfassung des Gutachters unter Ziffer 2.2.1 des Berufungsberichtes unzutreffend wiedergegeben. Denn der Gutachter hat nicht ausgeführt, dass die inhaltliche Ausrichtung der Professur zu einer Präferenz für die Beigeladene „führt“, sondern sich eine solche „ergeben  kann  „ und „diese  abschließende  Beurteilung  … den zuständigen Gremien auferlegt“ ist. Hiernach hat der Gutachter - entgegen dem Beschwerdevorbringen - gerade keine, jedenfalls keine eindeutige Empfehlung, Wertung oder „Präferenz“ abgegeben, auf welche sich die Berufungskommission schlicht hätte berufen bzw. die sie sich hätte zu Eigen machen können.

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Verfahrensfehlerhaft stellt der Berufungsbericht - wie das Verwaltungsgericht mit Recht ausführt - auf die „umfangreiche Gremienarbeit an der HS D-Stadt“ der Beigeladenen und ihre Stellung als „derzeit Vertreterin unseres Fachbereiches in der Arbeitsgruppe … unserer Hochschule, in welcher sie sich engagiert“, ab. Damit stellt die Berufungskommission in ihrem - nicht weiter differenzierten - Konglomerat an Erwägungen auch entscheidend auf einen Gesichtspunkt ab, welcher nicht Gegenstand des Anforderungsprofils der vorausgegangenen Stellenausschreibung war. Insoweit wurde nämlich nicht vergangenheitsbezogen auf bereits in diesem Bereich erbrachte „Leistungen“ abgestellt, sondern prospektiv lediglich „die aktive Mitarbeit in den Gremien der Hochschulselbstverwaltung  erwartet“. Selbst wenn man aber die Ausführungen im Berufungsbericht dahingehend versteht, dass die bisherige Gremienarbeit der Beigeladenen und ihr Einsatz für die Hochschule ein Indiz dafür darstellen, dass auch künftig von ihr eine aktive Mitarbeit in den Gremien der Hochschulselbstverwaltung erwartet werde, und hinsichtlich dieses Ausschreibungsmerkmales eine positive Prognose rechtfertigen, mangelt es jedenfalls an entsprechenden Ausführungen in Bezug auf den Antragsteller und hinsichtlich der Abwägung, dass bzw. aus welchen Gründen die Beigeladene das Anforderungsprofil besser erfüllt als der Antragsteller. Als sachwidrig erweist sich im Übrigen das Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin, soweit diese „den besonderen Einsatz der Beigeladenen für die Belange der Hochschule“ gewürdigt wissen will (vgl. Seite 7 der Beschwerdebegründungsschrift). Denn der „besondere Einsatz“ für eine bestimmte Hochschule - hier der Antragsgegnerin - ist weder ein aufgestelltes Anforderungsprofilmerkmal, noch stellt ein solches ein leistungsgerechtes Merkmal im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG dar, da eine dahingehende „Leistung“ an jeder Hochschule erbracht werden kann und einen hinreichenden Aufschluss über die diesbezügliche Leistungsfähigkeit eines Bewerbers zu geben vermag. Unabhängig davon widerspricht es einer - wie hier - bundesweiten Ausschreibung einer Professorenstelle, beschränkt lediglich in der ausschreibenden Hochschule erbrachte Leistungen zu berücksichtigen, da dies gleichsam auf eine bloße „Hausberufung“ hinausliefe.

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Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils eines Dienstpostens legt der Dienstherr aber die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest; die Funktionsbeschreibung des Dienstpostens bestimmt objektiv die Kriterien, die der Inhaber erfüllen muss. An ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten bemessen, um eine optimale Besetzung zu gewährleisten. Im Auswahlverfahren ist der Dienstherr an das von ihm entwickelte Anforderungsprofil gebunden, da er andernfalls in Widerspruch zu dem selbst gesteckten Ziel bestmöglicher Aufgabenwahrnehmung gerät. Erst wenn mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben Abstufungen der Qualifikation Bedeutung. Unter dieser Voraussetzung bleibt es der Entscheidung des Dienstherrn überlassen, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umstände er das größere Gewicht beimisst. Danach entfaltet ein Anforderungsprofil Bindungswirkung für die Gewichtung der Leistungsmerkmale bei der Bewerberauswahl (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 11. August 2005 - 2 B 6.05 -, juris [m. w. N.]; siehe zudem: OVG LSA, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 1 M 125/10 -, juris [m. w. N.]).

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Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen rügt das Verwaltungsgericht hiernach auch mit Recht, dass in dem Berufungsbericht überhaupt (vergleichende) Feststellungen zur „Qualität“ der jeweiligen Promotionen fehlen. Denn ungeachtet der Frage, ob entsprechende Erwägungen bereits nach § 35 Abs. 2 Nr. 3 HSG LSA geboten wären, fordert das Anforderungsprofil den „Nachweis zur  besonderen  Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit (in der Regel durch die  Qualität  einer Promotion)“. Erwägungen hierzu, enthält der Berufungsbericht - zum Inhalt der (zugrunde gelegten) qualitativen Anforderungen, deren entsprechende Erfüllung durch die Bewerber sowie zum wertenden Vergleich beider Promotionen - nicht, insbesondere nicht unter Ziffern 2.1.1.2 und 2.1.2.2 des Berufungsberichtes. Der auf der Grundlage des Anforderungsprofils vorzunehmende Leistungsvergleich ist insoweit unvollständig und damit materiell- wie verfahrensrechtlich fehlerhaft. Überdies lässt der Berufungsbericht einen Wertungswiderspruch erkennen, wenn er einerseits zu Beginn konstatiert, dass die Promotion des Antragstellers nur „schwerpunktmäßig  nicht im Berufungsgebiet“ liege (Ziffer 1.6.1 Nr. 5), andererseits bei der Begründung der Rangfolge darauf abgestellt wird, dass „gegenüber der Promotion des [Antragstellers] die Promotion [der Beigeladenen] im Berufungsgebiet“, d. h. „die Dissertation … [des Antragstellers] nicht im Berufungsgebiet“ liege (vgl. Ziffer 2.2.2. und Ziffer 2.1.2.2 Nr. 2).

15

Ebenso ermangelt es dem Berufungsbericht an den erforderlichen Feststellungen sowie vergleichenden Gegenüberstellungen und Auswertungen der im Anforderungsprofil ausdrücklich geforderten und als „notwendig“ beschriebenen „Bereitschaft zum Einsatz in der Forschung, im Fernstudium (mehrere Wochenenden im Semester), in der Weiterbildung und für Bedarfe der anderen Fachbereiche“. Derartige Erwägungen erschließen sich auch nicht - mit der erforderlichen Deutlichkeit - aus dem vergleichenden Gutachten vom 4. Juli 2011. Die Auswahlerwägungen sind mithin auch insoweit unvollständig.

16

Als sachwidriges Auswahlkriterium stellt sich im Übrigen dar, dass die Berufungskommission die „intensive Zusammenarbeit“ der Beigeladenen mit der Oberfinanzdirektion Magdeburg und das hieraus resultierende Profitieren der Studierenden „durch Gastvorträge und Weiterbildungsveranstaltungen“ als (mit-)ausschlaggebend für den Vorzug der Beigeladenen wertet, da eine derartige Tätigkeit nicht Gegenstand der aufgestellten Anforderungsprofils ist. Unabhängig davon ist nicht erkennbar, dass bzw. weshalb Gastvorträge Dritter eine in die Auswahlentscheidung einbeziehbare Leistung der Beigeladenen selbst darstellen.

17

Auf das weitere Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin wie der Beigeladenen kommt es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an. Die vorstehenden Mängel berühren jedenfalls nicht die der Antragsgegnerin zustehende besondere, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Beurteilungskompetenz hinsichtlich der Qualifikation der Bewerber für das angestrebte Hochschullehreramt. Ob dies hingegen für die übrigen, hier nicht mehr entscheidungsrelevanten weiteren Erwägungen des Verwaltungsgerichtes - wie die Beschwerden geltend machen - auch anzunehmen ist, kann mithin vorliegend dahin stehen.

18

Nach den vorstehenden Ausführungen lässt sich auch unter Zugrundelegung des jeweiligen Beschwerdevorbringens derzeit auch nicht mit der hier erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung „offensichtlich chancenlos“ (so: BVerfG, Beschluss vom 1. August 2006 - 2 BvR 2364/03 -, NVwZ 2006, 1401) ist. Dabei ist vom beschließenden Senat zu beachten, dass es im Hinblick auf den dem Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichtes ist, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen (so: BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200).

19

Der Antragsteller hat schließlich auch den erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da sein Bewerbungsverfahrensanspruch ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung ernstlich gefährdet wäre.

20

Schließlich rügt die Beigeladene zu Unrecht die Fehlerhaftigkeit des verwaltungsgerichtlichen Sachtenors. Solange der Antragsteller seine Bewerbung nicht zurücknimmt, ist das Auswahlverfahren mit der vorliegenden Entscheidung - noch - nicht abgeschlossen; mit anderen Worten: Die Antragsgegnerin hat in dem Verfahren über die Besetzung der hier streitgegenständlichen Stelle ihre Auswahlentscheidung erneut zu treffen. Bis zu dieser Entscheidung ist es ihr damit nach dem insoweit hinreichend bestimmten wie zutreffenden Sachtenor des Verwaltungsgerichtes vorläufig untersagt, die offene Stelle mit der Beigeladenen oder anderweitig zu besetzen.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 VwGO.

22

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 47, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 und 5 Satz 2 GKG, wobei der Senat die Hälfte des 6,5-fachen Endgrundgehaltes (hier: Festbesoldung) der Besoldungsgruppe W 2 LBesO zugrunde gelegt hat.

23

Dieser Beschluss ist  unanfechtbar  (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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