Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 M 46/13

Gründe

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Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 3. Kammer - vom 19. April 2013, deren Prüfung gem. § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat - soweit sie zulässig ist - in der Sache keinen Erfolg.

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Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerde lediglich bezüglich des erstinstanzlich gestellten Hauptantrages auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners, bestimmte Flurstücke dem Eigenjagdbezirk des Antragstellers von Amts wegen anzugliedern, zulässig ist. Denn der erstinstanzlich gestellte Hilfsantrag wird mit der Beschwerdeschrift vom 29. April 2013 nicht in der gem. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Weise aufrecht erhalten; dieser Mangel führt im Hinblick auf die uneingeschränkt erhobene Beschwerde gem. § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO zur teilweisen Unzulässigkeit der Beschwerde. Die stattdessen in der Beschwerdeschrift gestellten Hilfsanträge auf Verpflichtung des Antragsgegners, dem Antragsteller vorläufig die Ausübung des Jagdrechtes auf den streitgegenständlichen Flächen zu gestatten bzw. das Interesse des Antragstellers an der Fortsetzung der Jagdausübung auf den streitigen Flächen durch eine in das Ermessen des Senats gestellte vorläufige Regelung zu gewährleisten, stellen eine im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht (mehr) zulässige Antragsänderung dar (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 14. Oktober 2011 - 1 M 148/11 -, juris [m. w. N.]). Ein geändertes, d. h. neues Begehren ist beim Verwaltungsgericht anhängig zu machen.

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Soweit die Beschwerde in Bezug auf den erstinstanzlichen Hauptantrag zulässig ist, rechtfertigen die Einwendungen des Antragstellers die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007 - 1 M 1/07 -, juris [m. w. N.]).

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Hieran gemessen greift das Vorbringen des Antragstellers, eine Vorwegnahme der Hauptsache liege nicht vor, weil sein vorläufiges Rechtsschutzbegehren auf eine vorläufige Angliederung der streitigen Flurstücke gerichtet sei, Klageziel der Hauptsache hingegen sei eine Flächenangliederung auf Dauer, nicht durch.

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In Bezug auf den vorläufig geregelten Zeitraum erwiese sich die vom Antragsteller begehrte Regelung als endgültig, weil - wie die Beschwerde(begründungs)schrift an anderer Stelle selbst einräumt - die mit der Angliederung verbundene Ausübung des Jagdrechtes nicht rückgängig gemacht werden kann. Der Antragsteller würde mit seinem Antragsbegehren zeitweilig so gestellt, als habe seine Klage Erfolg. Darin liegt zumindest teilweise eine Vorwegnahme der Hauptsache, die für den betroffenen Zeitraum bei Wahrnehmung der Abschussmöglichkeiten auch einen faktisch irreparablen Zustand schafft. Zudem würde hierdurch in die Rechte Dritter eingegriffen, die Eigentümer der streitigen Flurstücke sind und entweder gem. §§ 3, 4 BJagdG selbst Inhaber des Jagdrechtes sind oder über Grundflächen verfügen, auf denen die Jagd ruht (§ 6 BJagdG). Soweit der derzeit berechtigte Eigentümer der streitigen Fläche seine jagdrechtlichen Befugnisse wahrnimmt, liegt hierin keine irreversible Vorwegnahme der Hauptsache zu Lasten des Antragstellers. Denn dessen Berechtigtenstellung dürfte erst mit Bekanntgabe der begehrten Abrundungsverfügung (§ 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 43 Abs. 1 VwVfG), jedenfalls „ex nunc“ beginnen. Die Beschwerdeschrift legt nicht schlüssig dar, dass der Antragsteller Anspruch darauf hat, dass ihm die begehrte Abrundungsverfügung auch für einen rückwirkenden Zeitraum erteilt wird. Ebenso wenig legt die Beschwerdeschrift schlüssig dar, dass die Kündigung der 2007/2008 mit dem Antragsteller geschlossenen Abrundungsvereinbarung rechtlich unwirksam ist. Im Übrigen kann sich der Antragsteller - wie nachfolgend ausgeführt - nicht auf schlechthin unzumutbare, nicht anders als durch die begehrte einstweilige Anordnung abwendbare Nachteile berufen, wenn nicht ihm, sondern dem derzeitigen Jagdberechtigten bis zur Entscheidung der Hauptsache die Jagdausübung auf den streitigen Flächen möglich ist.

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Auch der Einwand, der gestellte Antrag sei jedenfalls nicht unzulässig und das Verwaltungsgericht habe es versäumt, zu prüfen, ob er in eingeschränktem Umfang begründet sei, rechtfertigt nicht die Annahme der Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses.

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Die richterliche Gestaltungsbefugnis, die dem Gericht gem. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO zur Art und Weise der geforderten vorläufigen Maßnahme obliegt, ergibt sich erst, wenn das „Ob“ der Eilentscheidung durch Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches und Anordnungsgrundes festgestellt werden kann. Dies ist vorliegend jedenfalls bezüglich eines Anordnungsgrundes nicht der Fall. Das Vorbringen der Beschwerde(begründungs)schrift macht nicht plausibel, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung nötig ist, weil der Antragsteller schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens verwiesen würde.

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Der Verweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 31. März 2003 (- 2 BvR 1779/02 -, NVwZ 2003, 1112, juris) ist insoweit nicht behilflich, weil das dort genannte Verfahren die vorläufige Aussetzung einer belastenden behördlichen Maßnahme und damit den typischen und vom Gesetzgeber gewollten Regelungsgehalt des vorläufigen Rechtsschutzes zum Gegenstand hat. Der Antragsteller begehrt indes eine ihn begünstigende Vornahmehandlung der Behörde, die zudem in bereits bestehende Rechtspositionen Dritter eingreift, nämlich in die Rechte des Eigentümers der streitigen Flächen bzw. des bisherigen Jagdberechtigten. Dass die Kündigung der im Jahre 2007/2008 mit dem Antragsteller geschlossenen Abrundungsvereinbarung durch den Landesforstbetrieb rechtlich unwirksam ist, legt die Beschwerde(begründungs)schrift nicht schlüssig dar.

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Soweit die Beschwerde(begründungs)schrift eine unzumutbare Jagdstörung des Antragstellers geltend macht, weil der Antragsgegner dem derzeitigen Jagdberechtigten für die streitgegenständlichen Flächen ein Wegerecht im Eigenjagdbezirk des Antragstellers eingeräumt habe, wird weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, weshalb Rechtsschutz gegen besagtes Wegerecht nicht erlangt werden kann bzw. weshalb dieses Wegerecht nur durch eine vorläufige Angliederung der streitgegenständlichen Fläche an den Eigenjagdbezirk des Antragstellers und die ihm dadurch ermöglichte Jagdausübung unterbunden werden kann. Unbeschadet der Frage, ob der Verweis in der Beschwerde(begründungs)schrift auf erstinstanzliches Vorbringen den Darlegungsanforderungen gem. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt, verweist der Antragsteller dort jedenfalls selbst auf das eigenständige Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit der hoheitlichen Festlegung eines Jägernotweges gem. § 3 Abs. 1 LJagdG, sodass ihm hiergegen auch eigenständige Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Letzteres gilt auch bezüglich des Vorbringens über die vom Antragsteller befürchtete Störung der Jagd in seinem Eigenjagdbezirk durch hoheitliche Festlegung oder faktische Nutzung eines Wegerechts für bzw. durch „konkurrierende“ Jäger. Die Beschwerde(begründungs)schrift legt insoweit bereits nicht schlüssig dar, dass nur die vorläufige Zuweisung der streitgegenständlichen Flurstücke zum Eigenjagdbezirk des Antragstellers und die damit dem Antragsteller - unter Ausschluss fremder Jagdberechtigter i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 LJagdG - eröffnete Möglichkeit der Jagdausübung zur Abwehr des Notwegerechtes und einer sich aus der Inanspruchnahme des Wegerechts möglicherweise ergebenden Jagdstörung des Antragstellers in Betracht kommt. Im Übrigen hat der Landesgesetzgeber mit der Regelung des Notwegerechtes in § 3 Abs. 1 LJagdG, insbesondere mit der - allerdings antragsabhängigen - Festlegung des Jägernotweges im Einzelnen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 LJagdG) bereits eine Interessenabwägung der Rechtspositionen der betroffenen Jagdberechtigten vorgenommen. Es ist nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, diese gesetzliche Regelung durch eine vorläufige Abrundungsverfügung gegenstandslos zu machen.

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Soweit die Beschwerde(begründungs)schrift auf mit der BVVG GmbH bzw. dem Landesforstbetrieb geschlossene Abrundungsvereinbarungen vom 22. Dezember 2007/22. Januar 2008 bzw. 12./18. März 2012 verweist, ist nicht ersichtlich, inwiefern sich aus den gekündigten bzw. zeitlich befristeten und mittlerweile abgelaufenen Verträgen ein unzumutbarer, nicht anders abwendbarer Nachteil für den Antragsteller und damit ein Anordnungsgrund herleiten lässt, wenn er mit seinem Abrundungsbegehren auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird. Entsprechendes gilt für den Einwand, die vom Verwaltungsgericht zur Stützung seiner Rechtsauffassung, dass es sich bei der Jagdausübung durch Personen, die nicht Berufsjäger seien, um eine Liebhaberei handele, in Bezug genommenen Entscheidungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes und des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg seien nicht einschlägig; eine Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses wird damit nicht plausibel gemacht.

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Auch das Vorbringen des Antragstellers, er habe für den vorliegend betroffenen Eigenjagdbezirk „T.“ einschl. der Streitflächen entgeltliche Begehungsscheine an mehrere Personen vergeben und sei auf diese Jagdeinnahmen zum Zwecke der Finanzierung des Kaufpreises für die im Jahr 2007 erworbenen Forstflächen in T. bzw. der damit in Zusammenhang stehenden Folgemaßnahmen angewiesen, ist nicht geeignet, einen Anordnungsgrund schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen.

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Ausweislich des mit Schriftsatz vom 16. Mai 2003 vorgelegten Widerspruchsschreibens des Antragstellers vom selben Tage soll dem Eigenjagdbezirk des Antragstellers - ohne die streitigen Flächen - eine Jagdfläche von 518,8782 ha zugrunde liegen, wohin gegen die Streitflächen mit einer Größe von 107,3719 ha zu Buche schlagen. Im Hinblick auf diese Größenverhältnisse und mangels näherer Angaben zu der vertraglichen Ausgestaltung der Begehungsscheine macht die Beschwerde bereits nicht plausibel, dass und in welchem Umfang sich das von ihm erzielte jährliche Jagdentgelt reduziert. Soweit der Antragsteller eine Kündigung der getroffenen Begehungsscheinvereinbarungen befürchtet, ist weder dargelegt, dass sich damit mehr als das jeder vertraglichen Vereinbarung innewohnende Risiko einer Vertragsbeendigung realisiert, vom Antragsteller befürchtete Jagdausübungsstörungen nicht im Interesse seiner Vertragspartner beseitigt werden können bzw. ein Kündigungsrecht begründen, noch dass neue Vertragspartner nicht in angemessener Zeit gefunden werden können. Auch mangelt es an substantiierten Darlegungen dazu, inwiefern das Jagdentgelt überhaupt zu den in der Beschwerde(begründungs)schrift angegebenen, im Zusammenhang mit dem Waldkauf stehenden finanziellen Verpflichtungen des Antragstellers einen wesentlichen Beitrag zu leisten vermag. Nicht zuletzt fehlen jegliche Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers und die Glaubhaftmachung der Behauptung, er sei auf die Jagdentgelte „angewiesen“.

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Soweit die Beschwerdebegründungsschrift schließlich auf den gesamten erstinstanzlichen Vortrag des Antragstellers, auch im Hauptsacheverfahren, Bezug nimmt, ist darin lediglich eine bloße Formalbegründung zu sehen, die keine Beschwerdebegründung i. S. v. § 146 Abs. 4 VwGO darstellt. Eine schlichte Bezugnahme auf bestimmte frühere Anträge oder Schriftsätze, erstinstanzlich in das Verfahren eingeführte Unterlagen etc. oder gar ein Pauschalverweis auf das erstinstanzliche Vorbringen oder den Inhalt der Gerichtsakten bzw. Verwaltungsvorgänge ist im Hinblick auf die durch § 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO normierten besonderen Darlegungslasten und -anforderungen unzureichend, weil sich die Beschwerdeschrift mit der angefochtenen Entscheidung - unter substantiiertem Vorbringen - auseinandersetzen muss (vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 21. April 2006 - 1 M 54/06 -, juris [m. w. N.]; Beschluss vom 10. Januar 2011 - 1 M 2/11 -, juris).

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Fehlt es nach alledem bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes kann auf sich beruhen, ob der Antragsteller, insbesondere im Hinblick auf die Privatgutachten des Sachverständigen Dr. M. vom 6. Juli 2011 und 2. Januar 2013, einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht hat.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren und unter Aufhebung der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren zugleich für die erste Instanz beruht auf §§ 63 Abs. 3, 47, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat orientiert sich dabei an dem in Ziff. 20.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) vorgeschlagenen Wert für Verfahren über den Bestand und die Abgrenzung von Jagdbezirken. Eine Reduzierung des Streitwertes wegen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist nicht geboten, da das Verfahren eine (faktische) Vorwegnahme der Hauptsache betrifft.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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