Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 L 99/13

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, den Auszahlungsbetrag seiner Versorgungsbezüge im Zeitraum April bis Juli 2011 in der beantragten Höhe festzusetzen.

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Der am (…) 1941 geborene Kläger war im Dienst des Landes Sachsen-Anhalt tätig, zuletzt als Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9 m. Z.). Er trat mit Ablauf des Monats September 2001 in den Ruhestand. Danach erhielt er von der Beklagten Versorgungsbezüge mit einer vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes. Vor seiner Verbeamtung im Jahre 1991 hatte der Kläger Rentenanwartschaften erworben. Seit dem 1. Oktober 2006 bezieht er zusätzlich eine Regelaltersrente, wo-raufhin die Beklagte mit Bescheid vom 24. Juli 2006 die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehalts nach § 14a BeamtVG zum 1. Oktober 2006 aufgehoben hat. Mit Bescheid vom 30. August 2006 über die Ruhensregelung gemäß § 55 BeamtVG setzte die Beklagte den Auszahlungsbetrag für die Versorgungsbezüge ab 1. Oktober 2006 auf 564,24 € fest.

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Mit Schreiben vom 5. Mai 2011 wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat um Neuberechnung seiner Versorgung, da er ab Mai 2011 26,00 € monatlich weniger überwiesen erhalte als im Zeitraum 2010 bis April 2011. Er bat um Klärung, da nach der Neuregelung des Besoldungsrechts in Sachsen-Anhalt zum April 2011 keine Verschlechterung bei der Versorgung eintreten dürfe. Er berufe sich auf eine Besitzstandswahrung.

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Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 7. Juli 2011 mitgeteilt hatte, dass ihre Berechnung der Versorgung rechtmäßig sei, erhob der Kläger mit Schreiben vom 10. Juli 2011 Widerspruch gegen die Neuberechnung seiner Versorgungsbezüge ab dem 1. April 2011. Zur Begründung führte er aus, es könne keinesfalls rechtens sein, dass sich sein monatliches Gesamteinkommen trotz Renten- und Besoldungserhöhung verringert habe. Der reine Rentenempfänger würde hier bevorteilt.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie u. a. aus: Zum 1. April 2011 sei das Besoldungs- und Versorgungsergänzungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (BesVersEG LSA) vom 8. Februar 2011 in Kraft getreten. Durch die Gesetzesänderung sei die amtsunabhängige Mindestversorgung erhöht worden. Aufgrund dessen sei eine neue Ruhensberechnung nach § 55 BeamtVG i. d. F. vom 31. August 2006 i. V. m. §§ 7 ff. BesVersEG LSA und § 2 Nr. 8 und 9 BeamtVÜV erforderlich gewesen, und dies habe zu einer Minderzahlung der Versorgungsbezüge geführt. Denn bei Bezug von Mindestversorgung und der gesetzlichen Rente sei, sofern nach Anwendung des § 55 BeamtVG die Restversorgung das erdiente Ruhegehalt übersteige, gemäß § 14 Abs. 5 BeamtVG i. V. m. § 2 Nr. 9 BeamtVÜV eine erweiterte Ruhensregelung vorzunehmen. Danach ruhe auch die Versorgung in Höhe der Differenz zwischen dem erdientem Ruhegehalt und der Mindestversorgung. Die Gesamtversorgung des Klägers in Höhe von 1.671,23 € erfülle alle im Beamtenversorgungsgesetz aufgestellten Kriterien. Da mindestens das erdiente Ruhegehalt von 661,21 € gezahlt werde, sei dem Leistungsprinzip genüge getan, § 2 Nr. 9 Satz 4 BeamtVÜV.

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Der Widerspruchsbescheid wurde am 27. September 2011 mit Zustellungsurkunde durch Einwurf in einen zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten zugestellt.

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Ausweislich des Bescheides vom 11. Oktober 2011 berechnete die Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers ab dem 1. Januar 2007 wegen Änderung der Regelaltersrente erneut, stellte eine Überzahlung für den Zeitraum 1. April 2011 bis 31. Oktober 2011 von insgesamt 10,45 € fest und forderte diesen Betrag vom Kläger zurück.

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Am 28. Oktober 2011 hat der Kläger Klage erhoben und diese damit begründet, dass die Anrechnungsvorschrift des § 55 BeamtVG rechtswidrig sei und er gegenüber Beziehern einer gesetzlichen Altersrente benachteiligt werde.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 26. September 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die zu zahlenden Versorgungsbezüge des Klägers für die Monate April, Mai und Juni 2011 auf jeweils 691,89 € und für den Monat Juli 2011 auf 678,89 € festzusetzen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und ihre Begründung aus dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vertieft.

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Mit Urteil vom 17. Juli 2013 hat das Verwaltungsgericht den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 26. September 2011 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die zu zahlenden Versorgungsbezüge des Klägers für die Monate April, Mai und Juni 2011 auf jeweils 691,89 € und für den Monat Juli 2011 auf 678,89 € festzusetzen. Zur Begründung wird ausgeführt:

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Die Klage sei aufgrund der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid fristgerecht erhoben worden. Der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Klageerhebung habe die einmonatige Klagefrist nicht wirksam in Lauf gesetzt.

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Einem Klageerfolg stehe ferner nicht eine mögliche Bestandskraft des Bescheides vom 11. Oktober 2011 entgegen, für den nicht habe festgestellt werden können, ob und wann er dem Kläger bekannt gegeben worden sei. Eine Auslegung des Regelungsinhaltes ergebe indes, dass er nur eine Rückforderung betreffe und die Berechnungen über die dem Kläger zustehende Höhe der Versorgung nur nachrichtlich zur Begründung der Rückforderung beigefügt worden seien.

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Die Verpflichtungsklage sei statthaft; bei Dissens über die Höhe der dem Beamten zustehenden Versorgungsbezüge - wie hier - habe dieser die Wahl, den behaupteten Anspruch als allgemeine Leistungs- oder Verpflichtungsklage geltend zu machen.

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Die Klage sei auch begründet. Der Kläger habe einen Anspruch auf Festsetzung seiner Versorgungsbezüge in der geltend gemachten Höhe. Die von der Beklagten vorgenommene Kumulierung der Ruhensvorschriften der §§ 55 und 14 Abs. 5 BeamtVG entspreche in der von der Beklagten angewandten Reihenfolge nicht dem Gesetz. Im Falle des Zusammentreffens beider Vorschriften sei zuerst § 14 Abs. 5 BeamtVG anzuwenden. Dies entspreche der Systematik des Gesetzes. Der Verweis in § 14 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG auf § 55 BeamtVG sei nur ein Tatbestandsmerkmal und sage nichts über die Reihenfolge der Prüfung aus. Erst auf die nach § 14 Abs. 5 BeamtVG berechneten Versorgungs- und Rentenansprüche sei danach § 55 BeamtVG anzuwenden, womit Sinn und Zweck beider Vorschriften erreicht werde. Die von der Beklagten umgekehrt angewandte Reihenfolge der Ruhensvorschriften führe zu zahlreichen Friktionen und Ungereimtheiten. So trete nicht nur das vom Kläger beklagte Phänomen ein, dass eine Erhöhung der Mindestversorgung und der Rente zu einer niedrigeren Gesamtversorgung aus Pension und Rente führe. Die Beklagte wende § 55 BeamtVG zudem in zweckwidriger Weise an, weil diese Vorschrift durch Festlegung einer Obergrenze nur der Vermeidung einer Überversorgung diene; die Berechnungsweise der Beklagten führe dazu, dass die Obergrenze wegen anderer Kürzungs- oder Ruhensregelungen nicht mehr erreicht werden könne oder in Ausnahmefällen überschritten werde. Ferner führe ein geringfügig höheres erdientes Ruhegehalt zu einer niedrigeren Versorgung, wenn die Berechnung des § 55 BeamtVG gerade auf das erdiente Ruhegehalt oder weniger führe. Eine Rechtfertigung dafür, dass derjenige, der einen höheren Rentenanspruch erworben habe, eine niedrigere Gesamtversorgung aus Rente und Pension bekomme als derjenige, dessen Rentenanspruch niedriger sei, sei nicht ersichtlich. Der Grundsatz der Gewährleistung der Alimentation berechtige den Dienstherrn nicht dazu, seine Leistungen mehr zu kürzen, als die Leistungen der anderen öffentlichen Kassen ausmachen.

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Das Urteil wurde der Beklagten am 20. August 2013 zugestellt. Auf ihren Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 19. März 2014 - der Beklagten am 31. März 2014 zugestellt - die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

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Mit am 11. April 2014 beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte ihre Berufung wie folgt begründet:

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Die Klage sei bereits unzulässig wegen Nichteinhaltung der einmonatigen Klagefrist. Der Hinweis auf die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs gehöre nicht zu den zwingenden Bestandteilen einer Rechtsbehelfsbelehrung über die Klageerhebung; sein Fehlen sei auch nicht geeignet, die Klageerhebung zu erschweren. Treffe die Rechtsbehelfsbelehrung zur (Un)Möglichkeit der elektronischen Form keine positive Aussage, könne daraus auch keine negative Aussage abgeleitet werden. Der Hinweis auf die „Schriftlichkeit“ gebe dem Betroffenen Anlass, sich kundig zu machen, was darunter - auch im Hinblick auf technische Weiterentwicklungen - zu verstehen sei.

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Die Klage sei zudem nicht begründet. Im Ergebnis sollten die Ruhensregelungen dafür Sorge tragen, dass die Gesamtsumme aus verbleibender Restversorgung und Rente nicht weniger betrage als die Mindestversorgung und außerdem die erdiente Versorgung nicht unterschritten werde. Gemäß § 55 BeamtVG sei zunächst die Mindestversorgung zu ermitteln, die dann die Grundlage der weiteren Ruhensvorschrift des § 14 Abs. 5 BeamtVG sei. So regele § 14 Abs. 5 BeamtVG ausdrücklich, dass „nach Anwendung des § 55 BeamtVG“ die weiteren Voraussetzungen des § 14 Abs. 5 BeamtVG zu prüfen seien. Auch rechtfertige die Gesetzessystematik nicht die vom Verwaltungsgericht getroffene Auslegung, weil die streitgegenständlichen Bestimmungen unterschiedlichen Abschnitten und verschiedenen Themenbereichen des Beamtenversorgungsgesetzes zugeordnet seien. Soweit das Verwaltungsgericht auf mögliche Friktionen und Ungereimtheiten verweise, seien diese hinzunehmen, weil dem Gesetzgeber bei beamtenversorgungsrechtlichen Regelungen ein weiter Spielraum politischen Ermessens zustehe und generalisierende Regelungen unvermeidbare Härten nach sich ziehen würden. Diese seien in Kauf zu nehmen, solange sich - wie hier - für die Gesamtregelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lasse.

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Die Beklagte beantragt,

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unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichtes Halle - 5. Kammer - vom 17. Juli 2013 die Klage als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er trägt vor, dass er von einer fristgemäßen Klageerhebung am 27. Oktober 2011 ausgehe. Jedenfalls enthalte der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung mangels Hinweises auf die Möglichkeit der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs. In der Sache selbst seien die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Urteil überzeugend und zutreffend.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte A) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Berufung, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und begründet.

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a) Die Klage ist zwar entgegen der Annahme der Beklagten zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben.

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Eine Klageerhebung am 27. Oktober 2011 - wie vom Kläger behauptet - und damit innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 74 VwGO lässt sich zwar nicht feststellen. Das Original der Klageschrift vom 27. Oktober 2011 ging am 28. Oktober 2011 im Justizzentrum Halle ein; der auf dem Schriftsatz befindliche Hinweis auf ein vorab übersandtes Telefax lässt sich nach Aktenlage nicht verifizieren. Es bedarf insoweit aber keiner weiteren Sachaufklärung, weil infolge einer unrichtig erteilten Rechtsbehelfsbelehrung zum angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 26. September 2011 die Klageerhebung binnen Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO möglich war und erfolgt ist.

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Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der fehlende Hinweis auf die gemäß § 55a VwGO i. V. m. § 1 und Anlage, Nr. 3 ERVVO LSA vom 1. Oktober 2007 (GVBl. LSA 2007, S. 330, zuletzt geändert durch VO vom 4. Februar 2011, GVBl. LSA S. 65) gegebene Nutzungsmöglichkeit des elektronischen Rechtsverkehrs beim Verwaltungsgericht Halle für alle Verfahren zur Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten geführt hat. Der Beklagten kann zwar darin gefolgt werden, dass die Belehrung über die Form der Klageerhebung nicht zu den in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben gehört (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 2000 - 7 B 200.99, 7 PKH 71.99 -, juris Rdnr. 3; Urteil vom 27. April 1990 - 8 C 70.88 -, juris Rdnr. 16; Urteil vom 13. Dezember 1978 - 6 C 77.78 -, juris Rdnr. 22). Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO aber auch dann unrichtig, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen. Ein Rechtsbehelf kann deshalb im Ergebnis auch dann irreführend sein, wenn der in ihm enthaltene Hinweis als solcher - isoliert betrachtet - nicht unzutreffend war, aber den Eindruck erweckt, alle zu erfüllenden Anforderungen vollständig aufgelistet zu haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 - 4 C 2.01 -, juris Rdnr. 13).

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Der vom BFH (Beschluss vom 12. Dezember 2012 - I B 127/12 -, juris) im Zusammenhang mit der Auslegung des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO (i. d. F. der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002, BGBl. I, S. 3866: „Der Einspruch ist schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären.“) vertretenen Rechtsauffassung, dass gemessen am maßgeblichen „objektiven Verständnishorizont“ der (nicht zwingende) Hinweis auf die Form des Einspruches nicht geeignet sei, eine Fehlvorstellung über die (Un)Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form (§ 87a AO) hervorzurufen, weil hierüber weder eine positive noch negative Aussage getroffen werde, vermag der Senat in Bezug auf die entsprechende Regelung in § 81 Abs. 1 VwGO nicht zu folgen. Die weitere Begründung des BFH, dass der Hinweis auf die „Schriftlichkeit“ entsprechend § 357 Abs. 1 Satz 1 AO (a. F.) weder irreführend noch rechtsschutzbeeinträchtigend wirke, weil er den Betroffenen lediglich in die Lage versetze, sich im Rahmen seiner verfahrensrechtlichen Mitverantwortung darüber kundig zu machen, ob das herkömmliche Verständnis dessen, was unter „schriftlich“ aufzufassen sei, angesichts technischer Weiterentwicklungen zu modifizieren sei, überzeugt nicht, weil der elektronische Rechtsverkehr nicht mit einer dem Schriftformerfordernis ebenfalls genügenden telegraphischen oder fernschriftlichen Rechtsbehelfseinlegung vergleichbar ist, sondern es hierfür zusätzlich einer qualifizierten elektronischen Signatur oder eines anderen sicheren Verfahrens bedarf (vgl. § 55a Abs. 1 Satz 3 und 4 VwGO; § 87a Abs. 3 AO [a./n. F.]). Auch der Gesetzgeber hat die Eigenständigkeit des elektronischen Rechtsverkehrs zum Ausdruck gebracht, indem er in § 87a Abs. 3 Satz 1 AO (a./n. F.) regelt, dass eine durch Gesetz (für …) angeordnete Schriftform, durch die elektronische Form ersetzt werden kann, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist und § 357 Abs. 1 Satz 1 AO aktuell wie folgt gefasst hat: „Der Einspruch ist schriftlich oder elektronisch einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären“ (Hervorhebungen durch den Senat).

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Eine Rechtsbehelfsbelehrung, die - wie hier - trotz Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs nach § 55a VwGO lediglich auf die Rechtsbehelfseinlegung in schriftlicher Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 81 Abs. 1 VwGO) verweist, ist unvollständig und deshalb irreführend, weil sie geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs sei ausgeschlossen (so OVG LSA, Urteil vom 12. November 2013 - 1 L 15/13 -, juris Rdnr. 27, m. w. N.).

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b) Die Klage ist indes unbegründet und zwar ungeachtet der etwaigen Wirksamkeit und Bestandskraft des Bescheides der Beklagten vom 11. Oktober 2011.

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Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Auszahlungsbeträge für seine Versorgungsbezüge für die Monate April, Mai und Juni 2011 auf jeweils 691,89 € bzw. für Juli 2011 auf 678,89 € festsetzt (gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Die der Ruhensberechnung der Beklagten zugrunde gelegten Beträge sowie die Rechenvorgänge als solche werden vom Kläger nicht in Zweifel gezogen. Dahingehende Mängel sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Die der Stattgabe des Klagebegehrens allein zugrunde liegende und vom Verwaltungsgericht für maßgeblich erachtete Prüfungsreihenfolge der Ruhensvorschriften der §§ 14 Abs. 5 und 55 BeamtVG hält indes einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

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Die Beklagte geht zutreffend davon aus, dass bei einem Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit gesetzlicher Regelaltersrente zuerst die Ruhensvorschrift des § 55 BeamtVG und danach die weitere Ruhensregelung des § 14 Abs. 5 BeamtVG zu prüfen ist. Weder Bestandsschutzerwägungen noch der Grundsatz der Alimentationspflicht und/oder der Gleichbehandlung rechtfertigen eine andere Reihenfolge bzw. gebieten das Ergebnis, den Auszahlungsbetrag für das Ruhegehalt bei Erhöhung des Mindestruhegehaltes und/oder der Regelaltersrente nicht unter den bisher gezahlten Auszahlungsbetrag der Versorgungsbezüge sinken zu lassen.

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Der Senat hat sich zur Prüfungsreihenfolge in mehreren Entscheidungen - unter Hinweis auf die einschlägige beamtenrechtliche Kommentierung - bereits geäußert (vgl. Beschluss vom 2. März 2006 - 1 L 7/05 -, juris Rdnr. 8; Beschluss vom 18. August 2009 - 1 L 40/09 -, juris Rdnr. 37; Beschluss vom 11. Oktober 2011 - 1 L 134/11 -, juris Rdnr. 7) und festgestellt:

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„Die Gesamtregelung des § 14 Abs. 5 BeamtVG stellt - wie die weitgehend inhaltsgleiche Bestimmung des § 2 Nr. 9 BeamtVÜV - eine weitere Einschränkung bei der Gewährung einer Mindestversorgung gemäß § 14 Abs. 4 BeamtVG dar …. Sinn und Zweck der Regelungen bestehen nämlich darin, den sich nach Anwendung von § 55 BeamtVG ergebenden Zahlbetrag an Versorgungsbezügen nochmals zu reduzieren, wenn und weil infolge einer späten Begründung des Beamtenverhältnisses die Gewährung einer Mindestversorgung auf eine Rentenleistung trifft, die nach der Regelung des § 55 BeamtVG dazu führte, dass trotz der verhältnismäßig kurzen Dienstzeit neben der Rentenleistung gleichwohl das (nahezu) ungekürzte Mindestruhegehalt zu gewähren wäre …. Hieraus folgt zugleich, dass für eine weitere Reduzierung der Versorgungsbezüge dann kein Anlass besteht, wenn nach der Anwendung des § 55 BeamtVG … die Versorgung das erdiente Ruhegehalt gerade nicht übersteigt. Dementsprechend ist die erweiterte Ruhensregelung des § 14 Abs. 5 BeamtVG ebenso wenig anzuwenden wie § 2 Nr. 9 BeamtVÜV, wenn nach der Anwendung des § 55 BeamtVG die - verbleibende - Versorgung hinter der erdienten Versorgung zurückbleibt.“

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Das Bundesverwaltungsgericht hat die Berechnungsweise des Senats im Beschluss vom 14. Juli 2010 (- 2 B 109.09 -, juris Rdnr. 3) ausdrücklich in den Blick genommen und nicht beanstandet. Seine Feststellung,

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„wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist über die Regelung des § 55 Abs. 2 BeamtVG, in dessen Rahmen die Vorschriften über die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG gelten, sichergestellt, dass die Gesamtversorgung des Beamten ausnahmslos zumindest das Niveau der beamtenrechtlichen Mindestversorgung erreicht und damit in jedem Fall dem Gebot der amtsangemessenen Versorgung nach Art. 33 Abs. 5 GG genügt“,

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weist vielmehr darauf hin, dass, soweit § 55 BeamtVG keine inzidente Anwendung der Regelungen des § 14 BeamtVG gebietet, diese nicht vorrangig zum Zuge kommen; letzteres trifft auf die weitere Ruhensregelung des § 14 Abs. 5 BeamtVG zu.

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Mit Beschluss vom 11. Oktober 2011 (- 1 L 134/11 -, juris) hat der Senat die vorgenannten Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes aufgegriffen und vertiefend ausgeführt:

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§ 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG stellt für die Berechnung der Höchstgrenze auf einen Betrag ab, der sich als Ruhegehalt ergeben würde, wenn der Berechnung die in lit. a) und b) bezeichneten Parameter zugrunde gelegt werden. Die Regelung bezieht sich damit nicht nur auf die Ruhegehaltsberechnung nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 BeamtVG, sondern fordert ggf. die Berechnung des Ruhegehaltes nach Maßgabe des § 14 Abs. 4 Satz 1 oder 2 BeamtVG, sofern die darin genannten Voraussetzungen infolge eines zu geringen fiktiven Ruhegehaltes vorliegen. D. h. bei der Ermittlung der Höchstgrenze gelten auch die vorbezeichneten Vorschriften über die Mindestversorgung …. Dies hat auch seinen guten Sinn, denn schon auf diese Weise wird von Gesetzes wegen sichergestellt, dass die Gesamtversorgung des Beamten ausnahmslos zumindest das Niveau der beamtenrechtlichen Mindestversorgung erreicht und damit in jedem Fall dem Gebot der amtsangemessenen Versorgung nach Art. 33 Abs. 5 GG genügt … Darüber hinaus gewährleisten § 14 Abs. 5 Satz 3 BeamtVG und § 2 Nr. 9 Satz 3 BeamtVÜV, dass im Fall der erweiterten Ruhensanordnung nach dem jeweiligen Satz 1 der Norm … die Summe aus Versorgung und Rente nicht hinter dem Betrag der Mindestversorgung zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 BeamtVG zurückbleiben darf.“

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Das sächsische Oberverwaltungsgericht hat sich hinsichtlich der Prüfungsreihenfolge der Senatsrechtsprechung angeschlossen (vgl. Beschluss vom 27. November 2013 - 2 A 374/10 -, juris Rdnr. 14). Entsprechendes lässt sich auch für das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 19. Mai 2011 - OVG 4a N 29.11 -, juris Rdnr. 6) und das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 16. Januar 2008 - 21 A 2098/06 -, juris Rdnr. 34) feststellen. Soweit die vorgenannte Entscheidung des OVG NRW durch das Bundesverwaltungsgericht aufgehoben wurde (vgl. Urteil vom 12. November 2009 - 2 C 29.08 -, juris) wurden die Ausführungen zur Prüfungsreihenfolge der §§ 55, 14 Abs. 5 BeamtVG nicht beanstandet; vielmehr weist das Bundesverwaltungsgericht (a. a. O., Rdnr. 17) darauf hin:

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„Zu vergleichen ist daher die Situation dieser Beamtengruppe vor und nach der Gesetzesänderung im Sozialversicherungsrecht. Vor der Gesetzesänderung ist die Rente aus der Sozialversicherung, die dieser Beamtengruppe neben der Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG erhalten hätte, in der Regel nicht nach § 55 BeamtVG angerechnet worden, da die Höchstgrenze nach § 55 Abs. 2 BeamtVG nicht überschritten worden wäre. Zu einem anderen Ergebnis kam man vor der Gesetzesänderung auch nicht über die den § 55 BeamtVG ergänzende Ruhensvorschrift bei Bezug der Mindestversorgung des § 14 Abs. 5 BeamtVG …“ (Hervorhebung durch den Senat).

48

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass Erhöhungen der Mindestversorgung und/oder der Regelaltersrente zu einer niedrigeren Gesamtversorgung aus Pension und Rente bzw. zu einem niedrigeren Auszahlungsbetrag für das Ruhegehalt als bisher führen können, wie sich dies aus den Berechnungen zum Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2011 ergibt; danach belief sich die Gesamtversorgung des Klägers auf 1.681,82 € (ab 1. Juli 2009) bzw. auf 1.685,70 € (ab 1. März 2010) gegenüber 1.677,11 € (ab 1. April 2011). Der Auszahlungsbetrag für das Ruhegehalt verringerte sich von 688,01 € (ab 1. März 2009) bzw. 691,89 € (ab 1. März 2010) auf 683,30 € (ab 1. April 2011) bzw. 673,41 € (ab 1. Juli 2011). Diese Einkommensschwankungen sind systemimmanent und vom Kläger hinzunehmen.

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Jede gesetzliche Regelung des Versorgungsrechtes muss generalisieren und enthält daher auch unvermeidbare Härten. Daraus sich ergebende Ungereimtheiten, Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die Gesamtregelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt. Das gilt für die Anwendung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in gleicher Weise wie für die Anwendung des Gleichheitssatzes (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2009 - 2 C 29.08 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 16. März 2009 - 2 BvR 1003/08 -, juris).

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Im Hinblick darauf, dass Art. 33 Abs. 5 GG dem Beamten grundsätzlich keinen Anspruch darauf gibt, dass die Versorgungsregelung, unter der er in das Beamtenverhältnis eingetreten oder unter der er in den Ruhestand getreten ist, unverändert erhalten bleibt und Art. 33 Abs. 5 GG insbesondere nicht die unverminderte Höhe von Versorgungsbezügen garantiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 1997 - 2 C 35.96 -, juris Rdnr. 25; BVerfG, Beschluss vom 16. März 2009, a. a. O., Rdnr. 7), besteht erst recht kein schutzwürdiges Interesse des Ruhestandsbeamten dahingehend, dass seine Gesamtversorgung aus Ruhegehalt und Regelaltersrente keinen Schwankungen unterliegt, solange die Grenze der Mindestversorgung bzw. des erdienten Ruhegehaltes nicht unterschritten wird. Die Schwankungen liegen in einem von dem Betroffenen beherrschbaren Rahmen und lassen eine Unterschreitung des von Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereiches der Alimentation nicht besorgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2012 - 2 BvL 5/10 -, juris Rdnr. 88).

51

Der Kläger verkennt, dass der Dienstherr bei Erhöhungen der Regelaltersrente oder der Mindestversorgung den bestehenden Versorgungsvorteil in einem weitergehenden Umfange als bisher für sich abschöpft, weil Beamte mit einer nur kurzen Dienstzeit im aktiven Beamtenverhältnis (beim Kläger rund 10 Jahre) durch Erhalt des amts(un)abhängigen Mindestruhegehalts neben den Rentenleistungen im Verhältnis zum „Nur-Beamten“ eine überproportionale Gesamtversorgung erhalten, die nicht durch Eigenleistung des Versorgungsempfängers, sondern mangels hinreichender Abstimmung des Renten- und Beamtenversorgungsrechtes aufeinander entstanden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 B 109.09 -, juris Rdnr. 8). Die für den Fall einer verkürzten Lebensarbeitszeit vorgesehene und sozial gerechtfertigte überproportionale Versorgung kommt auch den Mischlaufbahnbeamten - allerdings grundlos - zugute (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2009 - a. a. O., Rdnr. 8). Diese Vergünstigung wird nach Maßgabe der §§ 55, 14 Abs. 5 BeamtVG abgeschmolzen. Im Hinblick auf die Kappungsgrenzen dieser Vorschriften ist auch nicht ersichtlich, dass eine Überkompensation eintritt. Orientierungsziel der Abschmelzung ist die Annäherung der Gesamtversorgung an die Versorgung eines mit dem Versorgungsempfänger vergleichbaren „Nur-Beamten“, dem gegenüber keine Minderversorgung eintreten darf. Es kommt deshalb für die Abschöpfung des Versorgungsvorteils weder lediglich auf den Erhöhungsbetrag der Regelaltersrente noch auf einen Vergleich des Klägers mit einem „Nur-Rentenempfänger“ an. Einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), wonach eine einmal erreichte Gesamtversorgung nicht mehr unterschritten werden darf, gibt es nicht; Art. 33 Abs. 5 GG garantiert nicht die unverminderte Höhe von Versorgungsbezügen. Auch muss einem doppelt versorgten Beamten im Saldo kein Versorgungsvorteil verbleiben; verhindert werden muss allein eine Schlechterstellung und Benachteiligung der (auch) rentenversorgten Beamten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2009, a. a. O., Rdnr. 12).

52

Es ist für den Senat auch nicht ersichtlich, dass die Schwankungen der Auszahlungsbeträge eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Behandlung unter den eine Gesamtversorgung erhaltenden Ruhestandsbeamten zur Folge haben, weil Empfänger von niedrigeren Regelaltersrenten im Einzelfall eine höhere Gesamtversorgung erhalten können als Ruhestandsbeamte mit einem höheren Rentenanspruch.

53

Aufgrund der verhältnismäßig weiten Gestaltungsfreiheit, die Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber bei Regelungen des Besoldungs- und Versorgungsrechtes belässt, kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Regelung getroffen hat. Der Gesetzgeber ist insbesondere frei, darüber zu befinden, was in concreto als im Wesentlichen gleich und was als so verschieden anzusehen ist, dass die Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. Er ist befugt, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2009, a. a. O., Rdnr. 14).

54

Hiervon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass der nach einheitlichen Maßstäben erfolgende Abbau der Überversorgung rechtlich zu beanstanden ist und hierdurch in der Gruppe der Normadressaten Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht auftreten, dass sich eine gleiche Behandlung nicht mehr rechtfertigt und deshalb willkürlich erscheint. Vereinzelte und unvermeidbare Härtefälle müssen - insbesondere weil es sich hier um die gesetzliche Regelung von Massenerscheinungen handelt - im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise hingenommen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 - 2 BvR 933.82 -, juris Rdnr. 142). Allein die Befugnis des Gesetzgebers, im Bereich des Versorgungsrechtes generalisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, mit der Folge, dass es hierbei auch zu unvermeidbaren Härten kommt, vermag einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch nicht zu begründen.

55

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

56

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

57

4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG) liegen nicht vor.


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