Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 K 55/14

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses der Beklagten vom 30. April 2014.

2

Sie sieht sich durch den planfestgestellten „Rückbau des Bahnüberganges 24,5 (Posten 16, (R.))“ in der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land im Landkreis Mansfeld-Südharz, Bahnkilometer 24,571 der Eisenbahnstrecke (6343) Halle/Saale Hauptbahnhof bis Hann. Münden in ihrem Grundeigentum beeinträchtigt, weil ihr durch das Vorhaben der Zugang zu der öffentlichen Verkehrsanbindung abgeschnitten werde.

3

Gegenstand des Vorhabens ist der ersatzlose Rückbau des Bahnüberganges einschl. aller Anlagenteile sowie der beiderseitige Anschluss der vorhandenen Böschungen über den BÜ-Bereich an den Bestand. Zudem wird sowohl bahnrechts als auch bahnlinks je ein Stahlgitterzaun auf dem (ehemaligen) Kreuzungsstück errichtet, wodurch ein Befahren des Gleisbereiches mit Kraftfahrzeugen verhindert werden soll.

4

Die Klägerin betreibt den Abbau, die Verarbeitung und die Veräußerung von regional vorkommendem Kaolin und Tonen an mehreren Abbau-, Lager- und Betriebsstätten. Nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Grundabtretungsverfahrens zugunsten der Firma (R.) GmbH verfügt die Klägerin nicht mehr über das Eigentum an den Flurstücken 26 und 55/1 der Flur (A) der Gemarkung R. ihrer ehemaligen Betriebsstätte R.. Die vorgenannten Flurstücke wurden am 29. Oktober 2013 als Eigentum der Firma (R.) im Grundbuch eingetragen. Von dem Grundabtretungsverfahren nicht betroffen ist das in derselben Gemarkung und Flur belegene Flurstück 27, das weiterhin im Eigentum der Klägerin steht.

5

Sämtliche vorgenannten Flurstücke liegen südlich der Bahnlinie und grenzen an die östliche Seite der sog. „Z-Straße“ (eines südlich der Bahnlinie mittlerweile namenlosen Weges) an. Die Z-Straße verläuft aus Richtung Norden kommend durch die bebaute Ortslage R., kreuzt zunächst die L 175 (Richtung Osten = Amsdorfer Straße, Richtung Westen = Geschwister-Scholl-Straße) und danach den streitgegenständlichen Bahnübergang in Richtung Süden, wo sie im Tagebaugebiet endet. Das streitgegenständliche Flurstück 27 verläuft als schmaler Streifen parallel zu und südlich von der Bahnlinie und ist zwischen der Bahnlinie und der nördlichen Längsseite des Flurstückes 26 gelegen, an die es unmittelbar angrenzt.

6

Mit Schreiben des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 19. Juli 2012 wurde die Klägerin

7

„um Prüfung der Planunterlagen und Stellungnahme zu Ihrem vom Vorhaben berührten Aufgabenbereich innerhalb von 6 Wochen nach Erhalt dieses Schreibens (§ 18a Nr. 7 Satz 4 AEG)“

8

gebeten. Ferner enthielt das Schreiben den Hinweis:

9

„Soweit Sie durch das Vorhaben zugleich in eigenen Rechten betroffen sind, muss der Einwand frist- und formgerecht erhoben werden (§ 18a Nr. 7 Satz 1 AEG). Die Frist dafür endet am 19.09.2012.“

10

Im Amtsblatt der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land Nr. 8 vom 1. August 2012 (S. 4 f.) erfolgte die Bekanntmachung des Anhörungsverfahrens zu dem streitgegenständlichen Planfeststellungsverfahren. Die Planunterlagen lagen vom 6. August 2012 bis einschl. 5. September 2012 im Bauamt der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land, Ortsteil R. am See, während der Dienststunden zur allgemeinen Einsichtnahme aus. Ende der Einwendungsfrist war der 19. September 2012.

11

Mit an das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt gerichtetem Schreiben vom
19. September 2012 machte die Klägerin geltend, ihre Betriebsstätte R. sei durch das Vorhaben betroffen. Durch die Beseitigung des betroffenen Bahnüberganges werde ihr Betriebsgelände nebst Betriebszufahrt südlich des Bahnüberganges vom öffentlichen Straßennetz (Einmündung Z-Straße an die L 175 nördlich der Bahnlinie) abgeschnitten. Die Entscheidung im Grundabtretungsverfahren sei noch nicht bestandskräftig und werde sich voraussichtlich als rechtswidrig erweisen. Das Betriebsgelände sei wegen untertagiger Lagerung grundeigener Kaolin- und Tonvorkommen von Bedeutung; diesbezüglich bestehe bergrechtlich eine Sicherungs- und Verwertungspflicht. Ein Kaolinabbau sei beabsichtigt, weshalb eine LKW-Zufahrt für das Gelände benötigt werde und die Anschlussgleise wieder an Bedeutung gewinnen würden, so dass eine Ertüchtigung des Bahnüberganges geboten sei.

12

Selbst bei Bestandskraft des Grundabtretungsbeschlusses verliere sie bergrechtlich nicht das Recht an der Mitgewinnung des vorgenannten Rohstoffvorkommens; die Notwendigkeit des Bahnüberganges ergebe sich daher für mindestens weitere 15, wenn nicht sogar 48 Jahre.

13

Darüber hinaus müssten auf dem Betriebsgelände oberflächig abgelagerte Kaolin-Massen abgewickelt werden. Zwischen ihr und der (R.) GmbH sei streitig, ob sie ihrer Beräumungspflicht nachgekommen sei.

14

Die Genehmigungsunterlagen enthielten keine Ermittlungen über die Kosten einer Ertüchtigung des Bahnüberganges, so dass die Beseitigungsentscheidung nicht nachvollzogen werden könne. Ebenso wenig sei die Beibehaltung der aktuellen Halbschrankenlösung sachgerecht geprüft worden.

15

Am 22. März 2013 fand im Rahmen des Anhörungsverfahrens für die geplante Schließung des streitgegenständlichen Bahnüberganges ein Erörterungstermin im Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt statt, an dem auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und ihr Geschäftsführer teilgenommen haben. Letzterer wies dabei darauf hin, dass sich ungeachtet der Grundabtretung von Grundstücken an die (R.) vor Ort noch ein weiteres Grundstück befände, das im Eigentum der Klägerin stehe.

16

Mit an das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt gerichtetem Schreiben vom 12. April 2013 machte die Klägerin geltend, das in ihrem Eigentum stehende Flurstück 27 verliere durch die Schließung des Bahnüberganges den Anschluss an das öffentliche Verkehrsnetz und sei auch fußläufig nicht mehr erreichbar. Der Klägerin würde die Benutzbarkeit ihres Grundeigentumes völlig entzogen, was eine „stille“ Enteignung darstelle. Das Flurstück werde derzeit als Abstellplatz für LKW genutzt. Diese Nutzung werde sich als Anfahrts- und Stellfläche zum Abtransport der (durch die (R.) GmbH) mitgewonnenen Kaolin-Massen für ca. 20 bis 25 Jahre fortsetzen.

17

Am 30. April 2014 hat die Beklagte den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss gefasst und bezüglich der klägerischen Einwendungen ausgeführt:

18

Aufgrund einer Stellungnahme des Landesamtes für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt vom 31. Mai 2013 sei nach Rechtskraft des Grundabtretungsbeschlusses und entsprechender Rechtsänderungen im Grundbuch die Klägerin nicht mehr berechtigt, den auf den Flurstücken 26 und 55/1 anstehenden Ton und das Kaolin abzubauen. Ein Braunkohleabbau sei seitens der (R.) ebenfalls nicht geplant. Die vorgenannten Flurstücke sollten als Sicherheitsabstandsflächen und Böschungsgrundstücke eingesetzt werden. Hinsichtlich der streitigen Beräumung des ehemaligen Betriebsgeländes der Klägerin von einer Tonhalde stünde laut (R.) ein alternativer Transportweg über deren Flurstücke 40 und 105 der Flur (B) der Gemarkung R. zu Verfügung.

19

Den Einwand betreffend des Flurstückes 27 habe die Klägerin erst nach dem Ende der Einwendungsfrist erhoben und sei deshalb damit präkludiert. Allerdings handele es sich um einen von Amts wegen zu beachtenden Belang, der im Ergebnis keine andere Entscheidung rechtfertige. Denn der Anschluss des Flurstückes 27 an das öffentliche Straßen- und Wegenetz sei fraglich. Der das Vorhaben betreffende Teil der Z-Straße sei kein öffentlich gewidmeter Weg; das südliche Straßenstück stehe im Eigentum der (R.) GmbH und ende auf Höhe des ehemaligen Betriebsgeländes der Klägerin als Sackgasse. Die (R.) benötige die Zufahrt zum Betriebsgelände aus Richtung des Bahnüberganges nicht wegen vorhandener alternativer Zufahrtsmöglichkeit. Zudem sei es möglich, ausgehend vom Flurstück 27 den bahnparallelen Weg (Flurstück 41) der (R.) bis auf Höhe des Bahnkilometers ca. 26,2 zu nutzen, welcher in Weiterführung des „(W-Weg)es“ mittels Wegunterführung unter der Eisenbahnstrecke eine Anbindung an den Ortsteil R. ermögliche.

20

Der streitige Planfeststellungsbeschluss vom 30. April 2014 wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mittels Postzustellungsurkunde am 17. Mai 2014 zugestellt. Am 17. Juni 2014 hat die Klägerin beim erkennenden Gericht Klage erhoben und zu deren Begründung ausgeführt:

21

Einzige Anbindung des Flurstückes 27 an die jenseits des streitgegenständlichen Bahnüberganges gelegene L 175 sei die Z-Straße, auf der sich auch der Bahnübergang befände. Der vordere an die Z-Straße angebundene Teil des Flurstückes 27 werde als LKW-Abstellfläche genutzt und deshalb regelmäßig befahren. Die Z-Straße habe von alters her nicht nur als Betriebszufahrt gedient, sondern sei auch von der Allgemeinheit genutzt worden, wie die vermutlich zu DDR-Zeiten erfolgte Abfallverkippung im Bereich der Sackgasse zeige. Aufgrund der Nutzung zu DDR-Zeiten handele es sich bei dem durch das streitige Vorhaben betroffenen Teilstück der Z-Straße um eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße. Eine Entwidmung sei nicht erfolgt. Der im Planfeststellungsbeschluss erwähnte Alternativzugang für das Flurstück 27 über das Flurstück 41 und den „(W-Weg)“ sei nicht verifizierbar. Weder sei der Weg dem öffentlichen Verkehr gewidmet noch bestehe ein gesichertes Nutzungsrecht der Klägerin und auch die Befahrbarkeit mit PKW und LKW sei nicht gewährleistet.

22

Mit nachgereichtem Schriftsatz vom 10. Oktober 2014 trägt die Klägerin vor, sie sei mit ihrem Klagevorbringen nicht gem. § 18a Abs. 7 AEG präkludiert, weil sie mit Schreiben des Landesverwaltungsamtes vom 19. Juli 2012 nicht ordnungsgemäß über die Rechtsfolgen der Versäumung der Einwendungsfrist belehrt worden sei. Im Übrigen sei die Betroffenheit des klägerischen Grundeigentums aufgrund seiner Belegenheit offenkundig gewesen. Mit Einwendungsschreiben vom 19. September 2012 habe sie ihrer Besorgnis, mit ihrer Grundstücksfläche durch Schließung des streitgegenständlichen Bahnüberganges von der Anbindung an das öffentliche Straßennetz abgeschnitten zu werden, ausdrücklich Ausdruck verliehen. Auch im weiteren Verfahren, z. B. im Erörterungstermin vom 22. Februar 2013, sei auf das Flurstück 27 hingewiesen worden. Nicht zuletzt habe sich die Beklagte auf ihre Einwendungen eingelassen und diese in den planerischen Abwägungsvorgang einbezogen. Des Weiteren vertieft die Klägerin ihre Rechtsauffassung, dass es sich bei dem den Bahnübergang kreuzenden, in Richtung Süden verlaufenden Teilstück der Z-Straße um eine öffentliche Straße handele und hierzu keine Alternative bestehe.

23

Die Klägerin beantragt,

24

den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 30. April 2014 aufzuheben.

25

Die Beklagte beantragt,

26

die Klage abzuweisen.

27

Sie macht geltend, dass die Klägerin mit ihrem Vorbringen präkludiert sei und über keine klagefähige Rechtsposition mehr verfüge. Die Einwendungen vom 19. September 2012 befassten sich nur mit den Flurstücken des Betriebsgeländes, die Gegen-stand des Grundabtretungsverfahrens zugunsten der (R.) gewesen seien. Erstmals im Erörterungstermin am 22. Februar 2013 und sodann mit Schriftsatz vom 12. April 2013, d. h. nach Ablauf der Einwendungsfrist habe die Klägerin vorgetragen, dass durch die Schließung des Bahnüberganges 24,5 das in ihrem Eigentum stehende Flurstück 27 seinen Anschluss an das öffentliche Straßennetz verlieren würde. In der ortsüblichen Bekanntmachung des Anhörungsverfahrens im Amtsblatt der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land sei auf die Einwendungsfrist und die Rechtsfolgen ihrer Versäumung hingewiesen worden. Bei dem Schreiben der Anhörungsbehörde vom 19. Juli 2012 sei es um die Beteiligung der Klägerin als Trägerin öffentlicher Belange, nicht um die hier relevante Betroffenenanhörung wegen privater Rechte gegangen. Auch habe sie sich nicht auf die nach Fristablauf erfolgten Einwendungen der Klägerin eingelassen, sondern diese von Amts wegen geprüft. Letzteres sei möglich, ohne dass dadurch der gesetzliche Einwendungsausschluss zu ihrer Disposition gestellt werde. Im Übrigen vertieft die Beklagte ihre Rechtsauffassung, dass das streitgegenständliche Flurstück bisher nicht an das öffentliche Straßen- und Wegenetz angeschlossen gewesen und das streitgegenständliche Teilstück der Z-Straße keine öffentliche Straße sei.

28

Die Beigeladene beantragt,

29

die Klage abzuweisen.

30

Sie teilt die Rechtsauffassung der Beklagten, dass die Klägerin mit dem Klagevorbringen zu Flurstück 27 präkludiert und die Zugänglichkeit zu diesem Grundstück seit jeher nur über das als Privatweg zu qualifizierende Teilstück der Z-Straße erfolgt sei. Die Klägerin habe auch nicht plausibel gemacht, dass das Flurstück 27 auf eine Verbindung mit dem Straßennetz angewiesen sei. Form und Belegenheit des Flurstückes ließen im Zeitraum der Planfeststellung keine sinnvolle wirtschaftliche oder sonstige Nutzung erkennen. Selbst wenn der Beklagten, bezogen auf das Flurstück 27, ein Abwägungsfehler unterlaufen wäre, sei dieser nicht erheblich, weil er weder offensichtlich noch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sei.

31

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten A und B) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

32

1. Die zulässige Klage ist unbegründet.

33

Die Klägerin ist mit ihrem Klagevorbringen gem. § 18a Nr. 7 Satz 1 AEG in der bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. April 2014 geltenden Fassung (a. F.) ausgeschlossen. Im Hinblick auf den Abwägungsspielraum der Planfeststellungsbehörde kommt es grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses an (vgl. BVerwG, Beschluss v. 17. Januar 2013 - 7 B 18.12 -, juris Rdnr 27; Urteil v. 23. April 1997 - 11 A 7.97 -, juris Rdnr 46; OVG LSA, Urteil v. 17. Juli 2014 - 1 K 17/13 -, juris).

34

Soweit die Regelung des § 18a Nr. 7 AEG ab 1. Juni 2015 außer Kraft getreten ist, bliebe jedoch unabhängig von Vorstehendem die gleichermaßen materielle Präklusionsregelung des § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG i.V.m. § 18 Satz 3 AEG in der ab 1. Juni 2015 geltenden Fassung bestehen. Auch nach dieser Regelung ist die Klägerin mit ihrem Klagevorbringen ausgeschlossen. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die klagweise geltend gemachte Einwendung der Klägerin auf einem besonderen privatrechtlichen Titel beruht, der einem Einwendungsausschluss entgegen stünde.

35

Soweit das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Unionsrechtskonformität des § 18a Nr. 7 AEG seit Oktober 2014 unter Verweis auf das Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission (Rs. C-137/14, juris) feststellt, dass eine Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes derzeit nicht mehr tragend auf das Rechtsinstitut der Präklusion gestützt werden könne (vgl. BVerwG, Beschluss v. 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 -, juris m. w. N.), betreffen sowohl das Vertragsverletzungsverfahren wie auch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes umweltrechtliche Einwände, d. h. die Präklusion nach § 2 Abs. 3 UmwRG i. V. m. § 73 Abs. 6 VwVfG bzw. Verstöße gegen die unionsrechtliche UVP-RL und IE-RL, mithin Normen, die vorliegend nicht betroffen sind. Im Übrigen ist die Aussage des Bundesverwaltungsgerichtes zur „acte-claire“-Doktrin nicht auf die vorliegende Entscheidung übertragbar, da sie an die innerstaatliche Vorlagepflicht der Gerichte anknüpft, die aufgrund der Anfechtbarkeit der streitgegenständlichen Entscheidung für den Senat nicht besteht (vgl. Senatsbeschluss v. 17. Juli 2014 - 1 K 17/13 -, juris).

36

Gem. § 18a Nr. 7 Satz 1 AEG (a. F.) sind Einwendungen gegen den Plan nach Ablauf der Einwendungsfrist ausgeschlossen. Die Klägerin hat innerhalb der am 19. September 2012 abgelaufenen Einwendungsfrist den nunmehr geltend gemachten Einwand, in ihrem Eigentumsrecht an dem Flurstück 27 der Flur (A) der Gemarkung R. verletzt zu werden, weil das streitige Vorhaben ihr Grundstück vom Zugang zum öffentlichen Straßen- und Wegenetz abschneide, nicht erhoben. Ihr kann wegen der Fristversäumnis auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Dieser Einwendungsausschluss erstreckt sich auch auf das der Planfeststellung nachfolgende gerichtliche Verfahren (vgl. BVerwG, Gerichtsbescheid v. 3. Juli 1996 - 11 A 64.95 -, juris Rdnr 35 ff.).

37

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes muss der Betroffene im Einwendungsverfahren zumindest in groben Zügen darlegen, welche Beeinträchtigungen befürchtet werden. Die Darlegungsanforderungen orientieren sich an den Möglichkeiten eines Laien; Ausführungen, die technisch-wissenschaftlichen Sachverstand voraussetzen, können regelmäßig nicht erwartet werden. Die Anforderungen an die Substantiierung dürfen nicht überspannt werden. Das tatsächliche Vorbringen muss aber so konkret sein, dass die Planfeststellungsbehörde erkennen kann, welchen Belangen sie in welcher Weise nachgehen soll und wogegen sie den Einwender schützen soll. Dagegen gehört die rechtliche Qualifizierung des tatsächlichen Vorbringens nicht zu den Anforderungen an eine präklusionsverhindernde Einwendung. Es ist Sache der Behörde, die notwendigen rechtlichen Schlüsse aus Tatsachenvorbringen zu ziehen, ohne sich auf eine bestimmte rechtliche Qualifizierung, auf die sich ein Einwender ggf. konzentriert, zu beschränken (so BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2011 - 7 A 10.10 -, juris Rdnr 31).

38

Die für die Präklusion erforderliche Anstoßwirkung beschränkt sich auf den von der Anhörungsbehörde gewählten Auslegungsbereich, wobei es nicht darauf ankommt, ob dieser Bereich nach Maßgabe des § 18a Nr. 1 AEG zutreffend bestimmt worden ist (BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 - 7 A 28.12 u. a. -, juris Rdnr 17).

39

Die formellen Präklusionsvoraussetzungen bestehen darin, dass die Bekanntmachung der Planauslegung den nach § 18a Nr. 7 Satz 3 AEG erforderlichen Hinweis auf die Einwendungsfrist und die Folgen der Versäumung der Einwendungsfrist enthalten muss; zudem muss die Bekanntmachung den Anforderungen des § 73 Abs. 5 VwVfG genügen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2011 - 7 A 10.10 -, juris Rdnr 34).

40

Hiervon ausgehend liegen die formellen Präklusionsvoraussetzungen in Bezug auf die Klägerin vor. Die Bekanntmachung genügt auch den Anforderungen des § 73 Abs. 5 VwVfG.

41

Im Amtsblatt der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land Nr. 8 vom 1. August 2012 erfolgte die ortsübliche Bekanntmachung der Planauslegung sowie der Einwendungsfrist. Auf die Auslage des Planes im Zeitraum vom 6. August 2012 bis einschl. 5. September 2012 während der Dienststunden im Bauamt der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land wurde hingewiesen. Unter Pkt. 1 erfolgte die Belehrung wo und bis wann Einwendungen erhoben werden können sowie über die Rechtsfolge des Einwendungsausschlusses gem. § 18a Nr. 7 Satz 3 AEG. Mängel im Zusammenhang mit der ortsüblichen Bekanntmachung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

42

Soweit die Klägerin auf eine unzureichende Rechtsfolgenbelehrung im Schreiben des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 19. Juli 2012 verweist, wird die Präklusionswirkung dadurch nicht gehindert. Dabei kann auf sich beruhen, ob dieses Schreiben an die privatrechtlich organisierte Klägerin im Wesentlichen als „Behördenbeteiligung“ wegen Trägerschaft öffentlicher Belange i. S. d. § 73 Abs. 2 VwVfG i. V. m. § 18a Nr. 7 Satz 4 AEG angesehen werden kann und der Passus zur Betroffenenanhörung i. S. d. § 73 Abs. 4 VwVfG i. V. m. § 18a Nr. 7 Satz 1 AEG („zugleich in eigenen Rechten betroffen sind“) lediglich informatorischer Natur war. Denn jedenfalls hat die nachfolgende ortsübliche Bekanntmachung der Planauslegung, der Anhörungsfrist und der Rechtsfolgenbelehrung im Amtsblatt der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land vom 1. August 2012 die Einwendungsfrist für die Betroffenenanhörung wirksam in Lauf gesetzt und war geeignet, die Präklusionswirkung auszulösen (vgl. BVerwG, Gerichtsbescheid v. 30. Juli 1998 - 4 A 1.98 -, juris Rdnr 19).

43

Die Klägerin ist auch materiell-rechtlich präkludiert.

44

Soweit die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 19. September 2012 - dem Tag des Ablaufes der Einwendungsfrist für die Betroffenenanhörung - Einwendungen gegen das streitige Vorhaben erhoben hat, kann auf sich beruhen, ob dieses Schreiben, wie über dem Anschriftenfeld vermerkt, „vorab per Fax“ dem Landesverwaltungsamt noch am 19. September 2012 zugegangen ist bzw. ob im Hinblick auf den am 20. September 2012 beim Landesverwaltungsamt eingegangenen Originalschriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 32 VwVfG zu gewähren gewesen wäre. Denn nach dem insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont der Behörde (vgl. BVerwG, Urteil v. 26. Mai 2011 - 7 A 10.10 -, juris Rdnr 32) kann dem Einwendungsschreiben der Klägerin vom 19. September 2012 nicht entnommen werden, dass die Klägerin eine Verletzung ihres Grundeigentums rügen will, weil das streitige Vorhaben ihr Flurstück 27 vom öffentlichen Straßennetz abschneide.

45

Die im Schreiben vom 19. September 2012 vorgebrachten Einwände betreffen die ehemalige Betriebsstätte der Klägerin und ihre Betriebszufahrt über die Z-Straße, wobei weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass letztere über das jetzt angeführte Flurstück 27 erfolgte. Die Klägerin verweist auf den von ihr geplanten Kaolinabbau, falls sich das Grundabtretungsverfahren (bezüglich der Flurstücke 26 und 55/1) als rechtswidrig erweist. Sie macht für den Fall der Bestandskraft des Grundabtretungsbeschlusses ein bergrechtliches Mitgewinnungsrecht sowie eine Beräumungspflicht von Kaolin-Massen geltend, beides auf die Flächen des ehemaligen Betriebsgeländes (Flurstück 26 und 55/1) bezogen. Das Flurstück 27 wird von diesen Einwänden nicht tangiert. Ausgehend von dem insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont der Behörde, hatte die Beklagte keine Veranlassung, angesichts der von der Klägerin geltend gemachten Gründe für den Erhalt bzw. die von ihr für geboten erachtete Ertüchtigung des streitgegenständlichen Bahnüberganges, davon auszugehen, dass die Klägerin damit zugleich eine Eigentumsbeeinträchtigung hinsichtlich des Flurstückes 27 einwenden wollte.

46

Rechtlich unerheblich ist, ob die Beklagte das Eigentum der Klägerin am Flurstück 27 und seine Belegenheit zwischen Bahnlinie und ehemaligem Betriebsgelände der Klägerin erkannt hat oder hätte erkennen können. Denn dieser Umstand vermag eine zur Wahrung grundstücksbezogener Rechte erhobene Einwendung nicht zu ersetzen. Allein die Rechtsstellung des Einwendungsführers oder - wie hier - die Belegenheit seines Grundstückes besagt nichts darüber, ob und inwieweit und aus welchen Gründen sie gegen das Vorhaben ins Feld geführt werden soll (vgl. BVerwG, Beschluss v. 19. März 2015 - 3 B 2.15 -, juris).

47

Nicht entscheidungserheblich ist ferner, dass die Beklagte den erstmals nach Ablauf der Einwendungsfrist vorgebrachten Einwand betreffend des Flurstückes 27 von Amts wegen geprüft hat. Die gesetzlich angeordnete materielle Präklusion steht nicht zur Disposition der Planfeststellungsbehörde. Sie ist zwar nicht gehindert, außerhalb der Frist vorgetragene Einwendungen von Amts wegen zu berücksichtigen. Die gesetzliche Rechtsfolge des Einwendungsverlustes wird dadurch aber nicht überwunden. Dem Betroffenen eröffnet sich daher auch dann nicht die Möglichkeit, verfristete, erfolglos gebliebene Einwendungen mit einer Klage zu verfolgen, wenn sie der Behörde bekannt waren und sie sich inhaltlich mit ihnen auseinandergesetzt hat (vgl. BVerwG, Beschluss v. 18. Dezember 2012 - 9 B 24.12 -, juris Rdnr 6 m. w. N.).

48

Der Klägerin wäre auch nicht gem. § 32 VwVfG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Einwendungsfrist zu gewähren gewesen bzw. es ist nicht davon auszugehen, dass sich nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses ein etwaiger Wiedereinsetzungsanspruch in einen Anspruch auf gerichtliche Berücksichtigung des nicht fristgerechten Vorbringens gewandelt hat (vgl. BVerwG, Gerichtsbescheid v. 30. Juli 1998 - 4 A 1.98 -, juris Rdnr 20; Bayerischer VGH, Urteil v. 14. Oktober 2014 - 22 A 13.40069 -, juris Rdnr 34).

49

Die Fristversäumnis war nicht unverschuldet. Im Hinblick auf das Einwendungsschreiben vom 19. September 2012 ist weder vorgetragen noch ersichtlich, aus welchen Gründen die Klägerin an der fristgerechten Geltendmachung des jetzt im Klageverfahren vorgebrachten Einwandes gehindert gewesen sein sollte. Auch war das Schreiben des Landesverwaltungsamtes vom 19. Juli 2012 nicht irreführend, denn es unterscheidet hinsichtlich der Fristsetzung erkennbar zwischen der Behördenanhörung (Verweis auf § 18a Nr. 7 Satz 4 AEG a.F., der sich auf die Behördenanhörung bezieht) und der - vorliegend relevanten - Betroffenenanhörung („zugleich in eigenen Rechten betroffen“ und dem Verweis auf § 18a Nr. 7 Satz 1 AEG a.F.). Die Frist für die Betroffenenanhörung ist zutreffend angegeben. Die fehlende Rechtsfolgenbelehrung erfolgte durch die ortsübliche Bekanntmachung im Amtsblatt der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land vom 1. August 2012, dessen Kenntnisnahme von der Klägerin erwartet werden kann.

50

Soweit die Klägerin erstmals bei der Anhörung am 22. Februar 2013 auf ihr Flurstück 27 hingewiesen und mit Schriftsatz vom 12. April 2013 dessen Abschneiden vom öffentlichen Verkehrsnetz durch das Planfeststellungsvorhaben geltend gemacht hat, ist zudem nicht feststellbar, dass damit gem. § 32 Abs. 2 Satz 1 VwVfG innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Erhebung des streitgegenständlichen Einwandes nachgeholt wurde (vgl. BVerwG, Gerichtsbescheid v. 3. Juli 1996 - 11 A 64.95 -, juris).

51

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren gem. § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil es der Billigkeit entspricht, sie der unterlegenen Klägerin aufzuerlegen. Denn die Beigeladene hat das Verfahren mit ihrem Vorbringen gefördert und sich durch die Antragstellung einem eigenen Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt.

52

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

53

4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

54

Beschluss

55

Der Streitwert wird für das Klageverfahren auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

56

Gründe

57

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 52 Abs. 1 GKG.

58

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen