Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 M 24/16
Gründe
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1. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 1. Kammer - vom 25. Januar 2016, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg. Die vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.
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Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Dezember 2016 nicht wiederhergestellt. Der Bescheid vom 18. Dezember 2015, mit dem dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzuges die Fahrerlaubnis entzogen und ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 € für den Fall der Nichtabgabe seines Führerscheines beim Antragsgegner bis zum 4. Januar 2016 angedroht worden ist, erwies sich danach bei der im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein veranlassten überschlägigen Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig. Die vom Antragsteller mit der Beschwerde dagegen erhobenen Einwendungen rechtfertigen keine andere Bewertung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
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Der Einwand des Antragstellers auf Seite 2 ff. seiner Beschwerdeschrift, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gemäß § 2 Abs. 8 StVG i. V. m. §§ 46 Abs. 3, 13 Satz 1 Nr. 2 lit. b) FeV vorliege, greift nicht durch. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers steht der Annahme einer wiederholten Zuwiderhandlung seine Bindungswirkung des in der Bußgeldsache (Az.: 13 OWi (...)/15 [393 Js (...)/15]) ergangenen rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichtes Dessau-Roßlau vom 25. Juni 2015 i. S. v. § 3 Abs. 4 Satz 2, 2. HS StVG entgegen. Die vom Antragsteller begehrte Wertung, dass mit dem Amtsgericht Dessau-Roßlau davon auszugehen sei, dass der Antragsteller erstmalig in Form des Führens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss auffällig geworden sei, trifft nicht zu. Denn unabhängig davon, ob das Amtsgericht Dessau-Roßlau die vorausgegangene rechtskräftige Verurteilung des Antragstellers wegen eines mit einer Verwarnung geahndeten Verkehrsvergehens der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs (§§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2, 69, 69a StGB, 1, 10, 14, 105 JGG) mit Urteil des Amtsgerichtes Schönebeck vom 25. August 2010 (Az.: 6a Ds 523 Js (...)/10 [96/10]) als im bußgeldrechtlichen Sinne nicht mehr als verwertbar angesehen haben sollte, ergibt sich aus dem Urteil keine die Fahrerlaubnisbehörde bindende Sachverhaltsfeststellung der Bußgeldentscheidung nach § 3 Abs. 4 Satz 2, 2. HS StVG.
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Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG kann die Fahrerlaubnisbehörde, will sie in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis gewesen ist, zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Nach Satz 2, 2. Halbsatz der Vorschrift stehen Bußgeldentscheidungen einem Urteil gleich, soweit sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage beziehen. § 3 Abs. 4 StVG dient dazu, widersprechende Entscheidungen der Strafgerichte bzw. der Ordnungswidrigkeiten verfolgenden Behörden/Gerichte und der Fahrerlaubnisbehörden zu vermeiden. Es soll verhindert werden, dass derselbe einer Eignungsbeurteilung zugrundeliegende Sachverhalt unterschiedlich festgestellt und bewertet wird; die Feststellungen und Beurteilung durch den Strafrichter bzw. der zuständigen Stelle in Ordnungswidrigkeitsverfahren soll in den gesetzlich angeordneten Fällen den Vorrang haben (vgl. zur Beurteilung durch den Strafrichter: BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2012 - 3 C 30.11 -, juris). Für Bußgeldentscheidungen bedeutet dies, dass mit ihnen von vornherein keine bindende Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen verknüpft ist.
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Hiervon ausgehend verfängt die Rechtsauffassung des Antragstellers nicht, zu der Sachverhaltsfeststellung im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 2, 2. HS StVG gehöre auch die im Rechtsfolgenausspruch - hier: 500,00 € Bußgeld und einmonatiges Fahrverbot - zum Ausdruck kommende Wertung des in der Bußgeldsache urteilenden Gerichtes (des "Bußgeldrichter[s]"), eine erstmalige Zuwiderhandlung gemäß §§ 24a Abs. 1, 25 StVG, § 4 Abs. 3 BKatV, lfd. Nr. 241 des Bußgeldkatalogs (im Folgenden: B.Kat) liege vor, die der Annahme einer wiederholten Zuwiderhandlung i. S. v. § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. b) FeV entgegenstehe.
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Zwar hat der "Bußgeldrichter" aufgrund des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt vom 28. Januar 2015, mit welchem ausgehend von einer Voreintragung einer Entscheidung nach § 24a StVG, § 316 StGB oder § 315c Abs. 1 lit. a) StGB im Fahreignungsregister ein Bußgeld von 1.000,00 € und ein dreimonatiges Fahrverbot (vgl. lfd. Nr. 241.1 B.Kat) verhängt worden war, das Bußgeld und das Fahrverbot in Anwendung der lfd. Nr. 241 B.Kat abgesenkt. Mit dieser durch das Urteil vom 25. Juni 2015 getroffenen Bußgeldentscheidung ist jedoch keine Feststellung des Sachverhalts i. S. d. § 3 Abs. 4 Satz 2, 2. HS StVG verbunden, die dem Antragsgegner als Fahrerlaubnisbehörde die Berücksichtigung der nicht getilgten Eintragung im Fahreignungsregister betreffend das Urteil des Amtsgerichtes Schönebeck vom 25. August 2010 verbietet.
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Voranzustellen ist, dass schon das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. Januar 1994 (vgl. - 11 B 116.93 -, juris) ausgeführt hat:
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"…daß im Verfahren nach § 25 StVG keine Entscheidung über die Eignung des Kraftfahrers zum Führen von Kraftfahrzeugen getroffen wird. Mit der Verhängung eines Fahrverbots neben der Geldbuße wird lediglich eine erzieherische Nebenfolge (vgl. BVerfGE 27, 36 <42>) verfügt, nicht jedoch über die Fahreignung des Kraftfahrers befunden. Deshalb entfalten Bußgeldentscheidungen nach § 4 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 StVG nur insoweit Bindungswirkung für das behördliche Entziehungsverfahren, als sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage beziehen, nicht dagegen hinsichtlich der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Daraus folgt, daß eine Anordnung nach § 15 b Abs. 2 Satz 1 StVZO und auch eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 15 b Abs. 1 StVO nicht im Widerspruch zu einem vorangegangenen Fahrverbot und zur Rückgabe des Führerscheins nach Ablauf des Fahrverbots stehen (vgl. dazu Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot-Führerscheinentzug, Bd. II, 7. Aufl. 1992, Rdnr. 180 m.w.N.). Dies ist nicht zweifelhaft und bedarf daher keiner Klärung."
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Hierdurch wird deutlich, dass die sich nach §§ 24, 24a StVG i. V. m. § 25 StVG ergebenden Rechtsfolgen weder Ausfluss von Fahreignungsfeststellungen sein können noch den Schluss erlauben, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 FeV (Nachfolgenorm des mittlerweile aufgehobenen § 15b Abs. 2 Satz 1 StVZO), der die Regelungen der §§ 11 bis 14 FeV für anwendbar erklärt, nicht in eigener Zuständigkeit prüfen darf.
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Im Übrigen ist zu konstatieren, dass der "Bußgeldrichter" mit dem Rechtsfolgenausspruch allenfalls zum Ausdruck gebracht hat, dass eine bußgeld- bzw. fahrverbotserhöhende Voreintragung im Fahreignungsregister (vgl. lfd. Nr. 241.1 B.Kat) nicht vorliege und deshalb ein Bußgeld von 500,00 € und ein einmonatiges Fahrverbot zu verhängen seien. Bei dieser allein auf der Rechtsfolgenseite der Entscheidung zu verortenden Einschätzung, es liege keine im ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sinne verwertbare Voreintragung im Fahreignungsregister i. S. d. lfd. Nr. 241 BKat (vgl. auch 241.1 und 241.2 BKat) vor, kann es sich jedoch schon deshalb um keine bindende Sachverhaltsfeststellung der Bußgeldentscheidung nach § 3 Abs. 4 Satz 2, 2. HS StVG handeln, weil lediglich eine (ordnungswidrigkeits)rechtliche Bewertung durch das Gericht erfolgt, ohne dass mit dieser fahreignungsrelevante Feststellungen verknüpft wären, zu welchen der "Bußgeldrichter" gerade nicht berufen ist. Wie bereits dargestellt entfalten Bußgeldentscheidungen nach § 3 Abs. 4 Satz 2, 2 HS StVG keine Bindungswirkung hinsichtlich der Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Zu nichts anderem würde jedoch diese - vom Antragsteller vorgenommene - weite und mit dem Gesetzeszweck nicht zu vereinbarenden Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Feststellung des Sachverhalts" führen, wenn einer sich allein nach dem Ordnungswidrigkeitsrecht richtenden Rechtsfolge eine entsprechende Bindungswirkung zukäme. Die Frage, ob eine wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss i. S. v. § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. b) FeV vorliegt, ist in diesem Zusammenhang allein fahrerlaubnisrechtlich und nicht ordnungswidrigkeitsrechtlich zu beurteilen, so dass entsprechende rechtliche Bewertungen des "Bußgeldrichter(s)" keinen bindenden Charakter haben können. Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem vom Antragsteller angeführten Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg vom 28. Mai 2015 in dem Verfahren 1 S 71.14.
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Mit der Bußgeldentscheidung vom 25. Juni 2015 wurde allein bindend die Feststellung bzw. Beurteilung getroffen, dass der Antragsteller am (...) Oktober 2014 schuldhaft eine Zuwiderhandlung gegen § 24a StVG begangen hat. Die Bindung erfasst damit nur den Sachverhalt, der Gegenstand des Ordnungswidrigkeitsverfahrens ist, mithin allein die Tat vom (...) Oktober 2014. Die fahrerlaubnisrechtliche Verwertbarkeit von Voreintragungen im Fahreignungsregister - also eine weitere (bereits geahndete und im Fahreignungsregister eingetragene) Tat - ist und war hier folglich weder Gegenstand der Sachverhaltsfeststellung noch der der darauf bezogenen Schuldfrage dieser Bußgeldentscheidung, zumal sie sich nur auf der Rechtsfolgenseite als ordnungswidrigkeitsrechtliche Bewertung abbildet. Dass eine Voreintragung im Fahreignungsregister nach Ziffer 241.1 BKat auch bußgeld- und fahrverbotsbestimmend ist, mithin die Rechtsfolge im Ordnungswidrigkeitsverfahren bestimmt, führt - entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers - nicht etwa dazu, dass der "Bußgeldrichter", ohne hierfür zuständig zu sein, den Sachverhalt fahreignungsrelevant bewertet bzw. hierauf einflusshabende Feststellungen des Sachverhalts manifestiert.
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Letztlich beurteilt sich die Frage, ob lediglich eine erstmalige oder aber - wie im vorliegenden Fall - eine wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. b) FeV vorliegt, allein im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne und kann durch bloße rechtliche Wertungen des "Bußgeldrichter(s)" auf der Rechtsfolgenseite nicht tangiert werden. Dies zugrunde gelegt, kann - entgegen der auf Seite 3 ff. der Beschwerdeschrift vertretenen Rechtsauffassung des Antragstellers - keine der Bußgeldentscheidung widersprechende Entscheidung erblickt werden. Denn der Bußgeldentscheidung kommt insoweit schon nicht die hierfür notwendige tatsächliche wie rechtliche Reichweite zu.
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Auch das Regelungsgefüge des Straßenverkehrsgesetzes und des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) stützt diese Auslegung, dass dem bloßen Rechtsfolgenausspruch der Bußgeldentscheidung nicht die vom Antragsteller begehrte Bindungswirkung zukommt. Zwar werden gemäß § 63 Abs. 1 BZRG Eintragungen im Erziehungsregister entfernt, sobald der Betroffene - wie im vorliegenden Verfahren - das 24. Lebensjahr erreicht hat, so dass die nach §§ 60 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 2 BZRG in das Erziehungsregister einzutragende Verwarnung (§ 14 JGG) durch das Strafurteil vom 25. August 2010 dem am (...) 1990 geborenen Antragsteller mit Ablauf des 4. Februar 2014 nicht mehr gemäß §§ 63 Abs. 4, 51 Abs. 1 BZRG strafschärfend vorgehalten werden kann. Denn § 51 Abs. 1 BZRG regelt, dass die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn deren Eintragung in diesem Register getilgt worden oder zu tilgen ist. Ob und inwieweit diese Regelungen auf das Ordnungswidrigkeitsverfahren von Einfluss sind, mithin der „Bußgeldrichter“ trotz bestehender Voreintragung im Fahreignungsregister zu Recht von einer ersten Zuwiderhandlung i. S. d. lfd. Nr. 241 BKat ausgegangen ist, kann letztlich dahinstehen. Denn § 63 Abs. 4 BZRG verweist darüber hinaus auf die Regelung des § 52 Abs. 2 Nr. 1 BZRG, wonach abweichend von § 51 Absatz 1 BZRG eine frühere Tat (jedenfalls) in einem Verfahren, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat, berücksichtigt werden darf, solange die Verurteilung nach den Vorschriften der §§ 28 bis 30b des Straßenverkehrsgesetzes verwertet werden darf. Außerdem dürfen für die Prüfung der Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen Entscheidungen der Gerichte nach den §§ 69 bis 69b des Strafgesetzbuches verwertet werden.
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So liegt der Fall auch hier. Zwar ist die Verwarnung des Antragstellers mit Urteil des Amtsgerichtes Schönebeck vom 25. August 2010 mit Erreichen seines 24. Lebensjahres aus dem Erziehungsregister zu entfernen. Gleichwohl bleibt die Eintragung im Fahreignungsregister hiervon unberührt. Denn wie das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss zu Recht festgestellt hat, ist bei einer Entscheidung wegen einer Straftat nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB, in der - wie hier - die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 angeordnet worden ist, in Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 StVG von einer zehnjährigen Tilgungsfrist auszugehen (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) StVG), so dass die Verurteilung vom 25. August 2010 verwertbar war und ist.
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Weshalb sich - wie der Antragsteller auf Seite 4, vorletzter Absatz seiner Beschwerdeschrift meint - keine Ausnahme nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 BZRG ergebe, wird nicht schlüssig dargelegt.
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Der Einwand des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht zur Begründung der fehlenden Bindungswirkung auf die unterschiedliche Zielrichtung des Ordnungswidrigkeits-/Strafverfahrens und des Fahrerlaubnisverfahrens abgestellt, trägt nicht. Denn dass einem Ordnungswirdrigkeits-/Strafverfahrens ein repressiver und erzieherischer Charakter innewohnt, wohingegen die dem Fahrerlaubnisrecht anhaftende Zielrichtung ist, die Sicherheit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen und den Schutz von Rechtsgütern und Interessen sowohl des Betroffenen als auch Dritten zu gewährleisten, stellt er mit seiner Argumentation schon nicht in Frage. Vielmehr verdeutlicht diese Verschiedenheit der Zielrichtungen gerade für den Bereich des Ordnungswidrigkeitsrechts, dass den in Bußgeldsachen zuständigen Behörden und Gerichten, denen die Beurteilung über die Fahreignung entzogen ist, durch den Rechtsfolgenausspruch keine insoweit bindenden Feststellungen treffen können. Anders gewendet: Ihrem Rechtsfolgenausspruch kann grundsätzlich nur eine repressive bzw. erzieherische Wirkung zukommen, nicht jedoch die Entscheidung, ob präventiv notwendige Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs zu ergreifen sind.
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Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang vorträgt, der "Bußgeldrichter" habe konkret die Unverwertbarkeit der Eintragung des Urteils vom 25. August 2010 in dem Fahreignungsregister und nicht etwa den Eintritt der Tilgungsreife in dem Erziehungsregister festgestellt, so kann dies vorliegend dahinstehen. Entgegen seiner auf Seite 5 der Beschwerdeschrift geäußerten Rechtsauffassung kann - selbst eine solche Bewertung des "Bußgeldrichter(s)" zugrunde gelegt - hieraus nicht gefolgert werden, dass es sich dabei um eine nach § 3 Abs. 4 Satz 2, 2. HS StVG bindende Sachverhaltsfeststellung handelt. Denn die ordnungswidrigkeitsrechtliche Bewertung in Form der fehlenden Verwertbarkeit einer Voreintragung im Fahreignungsregister bestimmt schon nicht den Gegenstand des Ordnungswidrigkeitsverfahrens, der hier auf die Tat vom (...) Oktober 2014 beschränkt ist.
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Der Einwand des Antragstellers auf Seite 4 seiner Beschwerdeschrift, es komme nicht darauf an, ob der "Bußgeldrichter" den Sachverhalt richtig entschieden habe und zu Unrecht zu Gunsten des Antragstellers von keiner Voreintragung im Fahreignungsregister ausgegangen sei, ist unter Berücksichtigung vorangegangenen Ausführungen schon nicht entscheidungserheblich. Denn der Rechtsfolgenausspruch bindet die Fahrerlaubnisbehörde weder fahreignungsrelevant, noch beinhaltet dieser vorliegend bindende Sachverhaltsfeststellungen über die geahndete Tat hinaus.
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Die vom Antragsteller zur weiteren Begründung seiner Rechtsauffassung herangezogene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg vom 28. Mai 2015 (Az.: 1 S 71.14, juris) ist schon nicht einschlägig. Denn sie betrifft die zum Punktesystem getroffene Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG in der mittlerweile außer Kraft getretenen Fassung durch das Gesetz vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310 ff.) und nicht die hier streitbefangene Regelung des § 3 Abs. 4 Satz 2, 2. HS StVG, so dass schon nicht plausibel ist, wie diese auf bindende Sachverhaltsfeststellung i. S. v. § 3 Abs. 4 Satz 2, 2. HS StVG von Einfluss sein kann. Soweit der Antragsteller auf die Entscheidung deshalb Bezug genommen hat, um (von evident fehlerhaften Bußgeldentscheidungen) eine Bindungswirkung zu belegen, beinhaltet die rechtskräftige Bußgeldentscheidung durch Urteil des Amtsgerichtes Dessau-Roßlau vom 25. Juni 2015 indes keine Sachverhaltsfeststellung dahingehend, dass die Entscheidung des Amtsgerichtes Schönebeck vom 25. August 2010 in einem dem Entzug der Fahrerlaubnis betreffenden Verfahren mangels Verwertbarkeit nicht berücksichtigt werden darf (siehe Ausführungen oben).
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Durfte damit der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. b) FeV auffordern, begegnet die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen der nicht fristgemäßen Vorlage nach §§ 11 Abs. 8, 46 Abs. 3 FeV nicht den vom Antragsteller eingewandten rechtlichen Bedenken.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Fahrerlaubnis der Klassen B, M und L der Auffangwert in den Ansatz zu bringen ist. Im Hinblick auf das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren erachtet der Senat eine Halbierung als angemessen (5.000,00 € / 2).
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4. Dieser Beschluss ist u n a n f e c h t b a r (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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