Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 L 119/16

Gründe

I.

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Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sich die ursprünglich auf Erteilung einer Genehmigung für 15 Windkraftanlagen gerichtete Verpflichtungsklage nachträglich erledigt hat.

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Mit Antrag vom 25.07.2012 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 BImSchG für die Errichtung und den Betrieb von 15 Windenergieanlagen des Typs ENERCON E-101 auf mehreren Grundstücken der Gemarkungen H-Stadt und L-Stadt im Windpark H-Stadt. Mit Schreiben vom 17.07.2013 modifizierte die Klägerin ihren Antrag. Nachdem der Beklagte mehrfach Unterlagen nachgefordert hatte, lehnte er den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 18.08.2014 ab. Er begründete dies damit, dass dem Vorhaben das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsgebot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG im Hinblick auf den Rotmilan entgegenstehe.

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Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Klägerin mit Urteil vom 25.10.2016 – 2 A 4/15 HAL – ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, da dem Vorhaben Belange des Naturschutzes i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegenstünden. Die Einschätzung des Beklagten, dass der Rotmilan durch die geplanten 15 Windenergieanlagen einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt sei, sei naturschutzfachlich vertretbar.

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Hiergegen hat sich die Klägerin zunächst mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung gewandt. Mit Schreiben vom 05.04.2018 hat sie den Genehmigungsantrag für das von ihr geplante Windkraftvorhaben zurückgenommen. Zugleich hat sie die Klage zurückgenommen. Nachdem der Beklagte seine Einwilligung zu der Klagerücknahme nicht erteilte, hat die Klägerin die Erledigung der Hauptsache erklärt. Der Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

II.

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1. Erklärt allein der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, dann ist das Verfahren als Streit über die Erledigung fortzusetzen.

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Der Kläger, der den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, ohne dass der Beklagte dem gemäß § 161 Abs. 2 VwGO zustimmt, nimmt von seinem bisherigen Klagebegehren Abstand und begehrt statt dessen die prozessuale Feststellung, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Dieser Austausch des Klagebegehrens führt zu einer Änderung des Streitgegenstandes und stellt damit der Sache nach eine Klageänderung dar. An die Stelle des durch den ursprünglichen Klageantrag bestimmten bisherigen Streitgegenstandes tritt der Streit über die Behauptung des Klägers, seinem Klagebegehren sei durch ein nachträgliches Ereignis die Grundlage entzogen worden. Als Klageänderung eigener Art ist der Wechsel vom ursprünglichen Klageantrag zum Erledigungsfeststellungsantrag nicht den Einschränkungen des § 91 VwGO unterworfen und bedarf auch nicht der Einwilligung des Beklagten (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.04.1989 – 9 C 61.88 –, juris RdNr. 9; Urt. v. 31.10.1990 – 4 C 7.88 –, juris RdNr. 19; Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 21.10 –, juris RdNr. 10; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 161 RdNr. 28). Tritt das erledigende Ereignis im Berufungszulassungsverfahren ein, ist der Erledigungsstreit nicht erst in einem nachfolgenden Rechtsmittelverfahren auszutragen; die Feststellung der Erledigung erfolgt vielmehr im Zulassungsantragsverfahren selbst. Bei Erfolg wird die Erledigung der Hauptsache festgestellt. Vorausgegangene Entscheidungen sind gemäß § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO für unwirksam zu erklären (vgl. VGH BW, Beschl. v. 28.06.2007 – 13 S 779/07 –, juris RdNr. 2; NdsOVG, Beschl. v. 25.03.2010 – 11 LA 237/09 –, juris RdNr. 2; SächsOVG, Beschl. v. 27.01.2012 – 5 A 157/10 –, juris RdNr. 1; OVG RP, Beschl. v. 02.04.2014 – 8 A 10021/14 –, juris RdNr. 11; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 161 RdNr. 35).

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2. Das Begehren auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist begründet.

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a) Durch die Rücknahme des Antrags auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung hat sich die Hauptsache erledigt.

9

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Bauantrag auch noch während der Anhängigkeit einer auf Erteilung der Baugenehmigung gerichteten Verpflichtungsklage zurückgenommen werden. Die Zurücknahme ist auch nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung zulässig. Mit der Zurücknahme des Bauantrages ist die Hauptsache erledigt. Auf die Gründe, die den Kläger zur Zurücknahme seines Bauantrages bewegt haben, kommt es nicht an; denn seinem Verpflichtungsantrag auf Erteilung der Baugenehmigung ist allein durch die Zurücknahme der Boden entzogen worden (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1989 – 4 C 22.88 –, juris Rdnr. 9; Beschl. v. 19.05.1995 – 4 B 247/94 –, juris RdNr. 19). Der Kläger ist auch rechtlich nicht daran gehindert, seinen Bauantrag zurückzunehmen. Eine Zurücknahme des Bauantrages verstößt insbesondere nicht gegen § 92 VwGO (so aber NdsOVG, Urt. v. 31.08.1983 – 1 A 20/81 –, NVwZ 1985, 431). Die in dieser Bestimmung vorgesehene Beschränkung der prozessualen Dispositionsbefugnis des Klägers wirkt nicht auf seine im materiellen Recht und im Verwaltungsverfahrensrecht begründete Befugnis zurück, über den Streitgegenstand zu verfügen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1989 – 4 C 22.88 –, a.a.O. Rdnr. 12). Der Eintritt der Hauptsacheerledigung durch Rücknahme des Antrags ist dabei nicht auf Bauanträge beschränkt; sie tritt vielmehr bei allen Verwaltungsakten bzw. behördliche Maßnahmen ein, die einen Antrag voraussetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 21.10 –, a.a.O. RdNr. 12; Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 113 RdNr. 118).

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Hiernach hat im vorliegenden Fall die Rücknahme des Antrags auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dem ursprünglichen Klagebegehren der Klägerin die Grundlage entzogen und damit zum Eintritt der Hauptsacheerledigung geführt.

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b) Die Feststellung der Erledigung der Hauptsache erfordert im vorliegenden Fall nicht die Überprüfung der Zulässigkeit und Begründetheit des ursprünglichen Klagebegehrens.

12

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass es für die allein noch zu prüfende Frage, ob eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist oder nicht, regelmäßig nicht darauf ankommt, ob die Klage ursprünglich begründet war (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.10.1990 – 4 C 7.88 –, a.a.O. RdNr. 20; Clausing, a.a.O., § 161 RdNr. 28). Ob die Erledigungsfeststellung voraussetzt, dass die ursprüngliche Klage zumindest zulässig war, kann hier dahingestellt bleiben, weil Zweifel an der Zulässigkeit der ursprünglichen Untätigkeitsklage der Klägerin nicht bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert die Feststellung der Erledigung der Hauptsache auf die einseitige Erledigungserklärung der Klägerseite hin jedoch ausnahmsweise dann die Überprüfung der Zulässigkeit und der Begründetheit des ursprünglichen Klagebegehrens, wenn die Beklagtenseite sich für ihren Widerspruch gegen die Erledigungserklärung und ihr Festhalten an ihrem bisherigen Antrag auf ein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung berufen kann, dass die Klage vor ihrer Erledigung unzulässig oder unbegründet war (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.10.1990 – 4 C 7.88 –, a.a.O. RdNr. 21; Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 21.10 –, a.a.O. RdNr. 14). Einer Auseinandersetzung mit der hieran im Schrifttum geäußerten Kritik (vgl. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 161 RdNr. 32) bedarf es nicht, weil im vorliegenden Fall ein solches Sachentscheidungsinteresse des Beklagten nicht gegeben ist.

13

Eine Sachentscheidung kann trotz Erledigung nicht schon dann verlangt werden, wenn um die Begründetheit der ursprünglichen Klage gestritten wurde und der Beklagte deren Klärung wünscht. Vielmehr muss das Interesse des Beklagten an der Klärung der für die Begründetheit ursprünglich erheblichen, wegen der Erledigung aber nicht mehr entscheidungsrelevanten Rechtsfragen berechtigt sein. Die Frage, ob der Beklagte ein berechtigtes Interesse an einer klageabweisenden Sachentscheidung über den ursprünglichen Verpflichtungsantrag des Klägers hat, ist nach denselben Grundsätzen zu beantworten, wie sie in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für den Fortsetzungsfeststellungsantrag des Klägers geregelt sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1989 – 4 C 22.88 –, a.a.O. Rdnr. 16; Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 21.10 –, a.a.O. RdNr. 14). Ein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist jedes nach Lage der Dinge schutzwürdige rechtliche, tatsächliche oder ideelle Interesse. Hierzu gehören die Kriterien des Präjudizinteresses und der Wiederholungsgefahr (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.2013 – 8 B 8.13 –, juris RdNr. 6).

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Im vorliegenden Fall ist ein berechtigtes Interesse des Beklagten, trotz Erledigung der Hauptsache durch die Rücknahme des Genehmigungsantrags eine Sachentscheidung herbeizuführen, nicht ersichtlich.

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aa) Ein berechtigtes Interesse des Beklagten an einer Sachentscheidung wegen der möglichen Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen durch die Klägerin ist nicht gegeben.

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Zwar kann der Beklagte grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, sein Verwaltungshandeln sei rechtmäßig gewesen, wenn ihm diese Feststellung nutzt, drohende Schadensersatzansprüche beispielsweise in einem Amtshaftungsprozess abzuwehren (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 161 RdNr. 163). Hat sich die Hauptsache im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens erledigt, besteht für eine feststellende Entscheidung, dass die streitige behördliche Maßnahme rechtswidrig gewesen sei, im Hinblick auf einen etwaigen Schadensersatzprozess unter drei Voraussetzungen ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Die begehrte Feststellung muss für die Geltendmachung eines solchen Ersatzanspruchs erheblich und ein solches Verfahren muss mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein. Schließlich darf es nicht offenbar aussichtslos erscheinen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 15.05.2003 – 1 A 3254/02 –, juris RdNr. 5).

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Vorliegend ist bereits zweifelhaft, ob die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs durch die Klägerin mit Sicherheit zu erwarten ist. Zwar hat die Klägerin – wie der Beklagte zu Recht geltend macht – in der Zeit bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts durch Schreiben vom 17.09.2014, 07.10.2014, 01.04.2015 und 04.08.2016 die Geltendmachung eines Verzögerungsschadens in Höhe von 8.800.000,00 € wegen des Inkrafttretens des EEG 2014 angekündigt. In ihrer Stellungnahme vom 25.06.2018 hat die Klägerin jedoch ausgeführt, der von ihr geltend gemachte Amtshaftungsanspruch sei obsolet, da sie diesem durch die Rücknahme des Antrags auf Erlass des Verwaltungsakts selbst die Grundlage entzogen habe. Vor diesem Hintergrund erscheint die Erhebung einer Schadensersatzklage durch die Klägerin derzeit wenig wahrscheinlich. Jedenfalls wäre eine etwaige Schadensersatzklage der Klägerin offensichtlich aussichtslos.

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Zwar kommt im vorliegenden Fall eine Amtspflichtverletzung sowohl wegen einer rechtswidrigen Ablehnung der Genehmigung als auch wegen einer rechtswidrigen Verzögerung der Entscheidung grundsätzlich in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Behörde einen Antrag auf eine Baugenehmigung oder einen Bauvorbescheid ordnungsgemäß und rechtzeitig positiv zu bescheiden, wenn der Antrag im Sinne des Antragstellers entscheidungsreif ist. Eine Verzögerung der Entscheidung und erst recht eine Ablehnung des Antrags stellen in der Regel eine Amtspflichtverletzung dar (vgl. BGH, Beschl. v. 23.01.1992 – III ZR 191/90 –, juris RdNr. 4; Urt. v. 23.09.1993 – III ZR 54/92 –, juris RdNr. 14; Urt. v. 24.02.1994 – III ZR 6/93 –, juris Rdnr. 7; Urt. v. 12.07.2001 – III ZR 282/00 –, juris Rdnr. 9). Entsprechendes dürfte für einen Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gelten.

19

Entgegen der von der Klägerin angedeuteten Auffassung steht die Rücknahme ihres Antrags einem Amtshaftungsanspruch wegen Nichterteilung der beantragten Genehmigung nicht von vornherein entgegen. Der Umstand, daß ein Antragsteller einen abgelehnten Antrag fallen läßt, ist als solcher kein selbständiger Grund für den Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen, die auf rechtswidrige Nichtbescheidung des Antrags gestützt werden. Dieser Gesichtspunkt ist vielmehr im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob der Geschädigte es schuldhaft versäumt hat, den Schaden durch Rechtsmittel abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB) (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.1987 – III ZR 16/86 –, juris RdNr. 22).

20

Eine etwaige Schadensersatzklage ist jedoch deshalb als offensichtlich aussichtslos anzusehen, weil das für einen Amtshaftungsanspruch erforderliche Verschulden offensichtlich fehlt. Das ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts als auch der für die Durchführung von Amtshaftungsprozessen zuständigen Zivilgerichte in der Regel der Fall, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (sog. "Kollegialgerichts-Richtlinie") (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.06.2003 – 5 C 50.02 –, juris RdNr. 9; Urt. v. 30.06.2004 – 4 C 1.03 –, juris RdNr. 21; Urt. v. 17.08.2005 – 2 C 37/04 –, juris RdNr. 27; Urt. v. 16.05.2013 – 8 C 14/12 –, juris RdNr. 47; BGH, Urt. v. 21.01.2016 – III ZR 160/15 –, juris RdNr. 36).

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Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu, denn das Verwaltungsgericht hat – in Kammerbesetzung – die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten Genehmigung mit Urteil vom 25.10.2016 – 2 A 4/15 HAL – abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung. Damit hat es der Sache nach den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 18.08.2014 für rechtmäßig gehalten. Selbst wenn dieser dennoch rechtswidrig gewesen sein sollte, kann dem für den Beklagten tätigen Beamten nach der "Kollegialgerichts-Richtlinie" kein Verschuldensvorwurf gemacht werden.

22

Entsprechendes gilt für den von der Klägerin erhobenen Verzögerungsvorwurf. Eine Verzögerung der Entscheidung über einen Genehmigungsantrag stellt nur dann eine Amtspflichtverletzung dar, wenn die Behörde über den Antrag nicht entscheidet, obwohl dieser im Sinne des Antragstellers entscheidungsreif, also genehmigungsfähig, ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.02.1994 – III ZR 6/93 –, a.a.O. Rdnr. 7; Urt. v. 12.07.2001 – III ZR 282/00 –, a.a.O. Rdnr. 15). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die beantragte Genehmigung nicht erteilt, sondern weitere Unterlagen von der Klägerin nachgefordert, weil er Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens hatte. Selbst wenn dies objektiv fehlerhaft und damit amtspflichtwidrig gewesen sein sollte, kommt auch insoweit ein Verschuldensvorwurf nicht in Betracht, da die fehlende Genehmigungsfähigkeit des Antrags der Klägerin vom Verwaltungsgericht in dem genannten Urteil bestätigt worden ist.

23

Die Geltendmachung eines – verschuldensunabhängigen – Entschädigungsanspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff wegen einer rechtswidrigen Ablehnung des Genehmigungsantrag oder wegen dessen verzögerter Bearbeitung (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.2001 – III ZR 282/00 –, a.a.O. Rdnr. 21) ist vorliegend deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin ausweislich des bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Auszugs aus dem Liegenschaftskataster (BA A Bl. 302 ff.) nicht Eigentümerin der Grundstücke ist, auf denen die Windenergieanlagen errichtet werden sollten.

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bb) Es liegt auch kein berechtigtes Interesse des Beklagten an einer Sachentscheidung wegen Wiederholungsgefahr vor.

25

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr ist gegeben, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.11.2017 – 7 C 26.15 –, juris RdNr. 18). Aus der Perspektive des Beklagten ist hiernach ein berechtigtes Interesse an einer Sachentscheidung über eine erledigte Verpflichtungsklage wegen Wiederholungsgefahr anzuerkennen, wenn zu erwarten ist, dass die Klägerin unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen einen gleichartigen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts stellen wird. Davon ist hier nicht auszugehen. Die Klägerin hat ausgeführt, dass mit der Rücknahme des Antrags klar sei, dass das ehemals beantragte Windenergievorhaben in dieser Form nicht mehr durchgeführt werden soll. Es liege zudem auf der Hand, dass sie auch nicht beabsichtige, einen neuen, gleichlautenden Antrag zu stellen. Für den Fall eines neuen Antrags sei es aufgrund der veränderten EEG-rechtlichen Voraussetzungen (Regimewechsel vom System der festen Einspeisevergütung hin zu einem Abschreibungssystem) notwendig, deutlich kosteneffizientere Windenergieanlagen zu planen. Dies liefe in jedem Fall auf andere WEA-Typen mit größerer Gesamthöhe und größerem Rotordurchmesser hinaus. Zudem sei vom Verwaltungsgericht über eine konkrete artenschutzrechtliche Konfliktsituation mit Blick auf konkrete Anlagentypen und konkrete Anlagenstandorte vor dem Hintergrund eines in dynamischer Entwicklung befindlichen naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozesses in Bezug auf die Kollisionsempfindlichkeit bestimmter Vogelarten entschieden worden. Diese Fragen wären schon aufgrund einer absehbar zu ändernden Anlagenkonfiguration (weniger Anlagen an anderen Standorten) und auf der Grundlage absehbar neuer Erkenntnisse zum avifaunistischen Konfliktpotential von bestimmten Windenergieanlagen nebst neuer Erkenntnisse zur Wirksamkeit artenschutzrechtlicher Vermeidungsmaßnahmen in Zukunft auf völlig anderer Grundlage zu beantworten. Vor dem Hintergrund dieser nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen der Klägerin vermag der Senat ein berechtigtes Interesse des Beklagten an einer Sachentscheidung wegen Wiederholungsgefahr nicht zu erkennen. Die Ausführungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 06.07.2018 geben zu einer anderen Bewertung keinen Anlass.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

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4. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Dabei setzt der Senat den Streitwert der (einseitig für erledigt erklärten) Hauptsache an. Zwar ist nach einer verbreiteten Auffassung bei einer einseitig gebliebenen Erledigungserklärung der Streitwert – jedenfalls für die Zeit ab dem Eingang der Erledigungserklärung – lediglich in Höhe der bis zur Erledigungserklärung angefallenen Kosten festzusetzen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.07.2006 – 7 B 18.06 –, juris RdNr. 16; Beschl. d. Senats v. 28.11.1996 – 2 M 69/95 –, juris RdNr. 5; OVG LSA, Beschl. v. 03.12.2002 – 1 O 513/02 –, juris RdNr. 2; Beschl. v. 14.04.2016 – 4 O 45/16 –, juris RdNr. 3; OVG RP, Beschl. v. 02.04.2014 – 8 A 10021/14 –, a.a.O. RdNr. 19; Neumann, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 161 RdNr. 193). Es trifft zwar zu, dass in den Fällen einer einseitig gebliebenen Erledigungserklärung keine Entscheidung über den ursprünglich geltend gemachten Anspruch mehr begehrt wird, sondern mit dem in der Erledigungserklärung liegenden Antrag auf Feststellung der Erledigung nur noch das Interesse verfolgt wird, aus dem Prozess ohne einseitige und zwingende Kostenlast aussteigen zu können. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sich der Streitwert auf das Kosteninteresse reduziert. Nach § 40 GKG ist für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet. Eine durch eine Klageänderung eingetretene Verringerung des Wertes kann aufgrund dieser eindeutigen Regelung bei der Bemessung des Streitwertes keine Berücksichtigung finden. Dass für die Streitwertfestsetzung bei einseitig für erledigt erklärten Verfahren der Wert der Hauptsache und nicht der Wert der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten zugrunde zu legen ist, findet eine Stütze darüber hinaus in der Gesetzessystematik. Denn nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG wird die Verfahrensgebühr in Prozessverfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der Einreichung der Klageschrift fällig. Dem entspricht es aber, dass dieser Zeitpunkt auch für die Streitwertfestsetzung maßgeblich ist. Schließlich wird auch in den Fällen, in denen die Gegenseite der Erledigungserklärung des Klägers zustimmt und es deshalb zu übereinstimmenden Erledigungserklärungen kommt, der Streitwert nach dem Wert der Hauptsache bemessen. Da in solchen Fällen ebenso wie in den Fällen der einseitigen Erledigungserklärung der Erledigungserklärung des Klägers das Interesse zugrunde liegt, die Kostenlast zu vermeiden, erscheint es nicht gerechtfertigt, die Höhe des Streitwerts davon abhängig zu machen, ob der Beklagte der Erledigungserklärung zustimmt oder widerspricht. Ebenso wenig kann entscheidend sein, ob nach der Erledigungserklärung über die Zulässigkeit und Begründetheit der Hauptsache zu entscheiden ist (vgl. HessVGH, Beschl. v. 20.12.2006 – 6 NG 1645/06 –, juris RdNr. 6; SächsOVG, Beschl. v. 27.01.2012 – 5 A 157/10 –, a.a.O. RdNr. 10; BayVGH, Beschl. v. 29.01.2016 – 10 CE 15.764 –, juris Rdnr. 9).

28

Dass sich der Streitwert des Erledigungsstreits erst ab dem Zeitpunkt der Erledigungserklärung nach dem Kosteninteresse der Beteiligten richtet, hat nur für ein etwaiges Rechtsmittelverfahren Bedeutung, dessen Gegenstand eine im Erledigungsstreit ergangene Entscheidung ist. In der Instanz, in der der Übergang zum Erledigungsfeststellungsantrag erfolgt ist, verbleibt es wegen § 40 GKG für die Berechnung der Gerichtskosten bei dem ursprünglichen (vollen) Streitwert. Die Klageänderung wirkt nicht zurück, sie kann deshalb auch nicht bereits entstandene Gerichtskosten wieder entfallen lassen. Andernfalls hätte es ein Beklagter, dem nach eingetretener Erledigung die Kostenaufbürdung droht, in der Hand, durch einen – sachlich nicht gerechtfertigten – Widerspruch gegen die Erledigungserklärung des Klägers seine Kostenlast erheblich zu mindern (vgl. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 161 RdNr. 34a).

29

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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