Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 111/19

Gründe

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Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

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Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, ihn abzuschieben, zu Recht abgelehnt.

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Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dem Antragsteller stehe ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung aus Art. 6 GG im Hinblick auf das im Dezember 2019 zu erwartende Kind nicht zu, weil er keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Sein Vortrag zum Vorliegen einer zukünftigen Schicksals- und Beistandsgemeinschaft mit dem Kind und dessen Mutter beschränke sich auf die Erklärung, dass er gewillt sei, sich zukünftig um das Kind mit der Mutter kümmern zu wollen, wobei er zugleich einräume, bisher keine gemeinsame Wohnung mit der Mutter des Kindes gehabt zu haben. Dies dürfte für die Glaubhaftmachung einer zukünftigen Beistandsgemeinschaft nicht genügen. Es sei zwar davon auszugehen, dass die vom Antragsteller benannte Frau tatsächlich ein Kind erwarte. Aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen lasse sich entnehmen, dass eine Schwangerschaft bestehe. Die Mutter des Kindes besitze aber nicht die deutsche Staatsbürgerschaft, sondern sei kosovarische Staatsangehörige, die über keinen Aufenthaltstitel verfüge, sondern nur im Bundesgebiet geduldet sei. Dass das zu erwartende Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen werde, sei nicht vorgetragen. Es liege daher nicht nahe, dass der Antragsteller mit seiner "Familie" im Bundesgebiet mittels eines zu erteilenden Aufenthaltstitels werde leben können. Der Antragsteller habe aber auch nicht glaubhaft gemacht, dass er überhaupt der Vater des ungeborenen Kindes sei. Die Kindesmutter benenne zwar in der von ihr abgebenden Erklärung, dass der Antragsteller der Vater ihres ungeborenen Kindes sei. Der Antragsteller habe jedoch selbst eingeräumt, weder eine Sorgerechtserklärung noch eine Vaterschaftsanerkennung abgegeben zu haben. Solche Erklärungen seien aber in vorläufigen Rechtsschutzverfahren regelmäßig Voraussetzung für den Nachweis zur Annahme einer Vaterschaft. Atypische Besonderheiten, weshalb ausnahmsweise von der Abgabe solcher Erklärungen abgesehen werden könne, seien nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller meine, die vorgenannten Handlungen wegen des Fehlens von Ausweispapieren unterlassen zu haben, vermöge dies die Annahme eines atypischen Falles nicht zu rechtfertigen.

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1. Es kann offen bleiben, ob das Verwaltungsgericht - wie der Antragsteller geltend macht - zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Antragsteller eine zukünftige Beistandsgemeinschaft mit dem noch ungeborenen Kind und dessen Mutter nicht glaubhaft gemacht hat. Für den Standpunkt des Verwaltungsgerichts könnte jedoch sprechen, dass es insoweit offenbar an der Vorlage einer zur Glaubhaftmachung von Tatsachen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geeigneten eidesstattlichen Versicherung (§ 294 ZPO) fehlt.

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2. Der Antragsteller ist jedenfalls der - selbständig tragenden - Begründung des Verwaltungsgerichts, er habe nicht glaubhaft gemacht, dass er überhaupt Vater des ungeborenen Kindes ist, nicht durchgreifend entgegengetreten.

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Nach der Rechtsprechung des Senats ist Voraussetzung für die Zuerkennung von Abschiebungsschutz gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG für den ausländischen Vater eines noch nicht geborenen (deutschen) Kindes, dass dieser gegenüber den zuständigen Behörden mit Zustimmung der Mutter seine Vaterschaft anerkannt hat. Dabei ist nicht entscheidend, ob die erklärte Vaterschaftsanerkennung bereits wirksam geworden ist und damit gemäß § 1594 Abs. 1 BGB Rechtswirkungen geltend gemacht werden können. Abzustellen ist – gerade wenn noch nicht über ein endgültiges Aufenthaltsrecht zu befinden ist – vielmehr darauf, ob keine durchgreifenden Zweifel an der künftigen Vaterschaft bestehen (vgl. Beschluss des Senats vom 17. Januar 2019 - 2 M 153/18 - juris Rn. 18). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass es für die Annahme aufenthaltsrechtlicher Vorwirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 8 EMRK grundsätzlich der auch schon vor der Geburt des Kindes zulässigen Anerkennung der Vaterschaft (§§ 1592 Nr. 2, 1594 Abs. 4 BGB) bedarf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2018 - 2 BvR 941/18 - juris Rn. 8). Diese Voraussetzung für die Zuerkennung von Abschiebungsschutz fehlt hier. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass eine Vaterschaftsanerkennung nicht vorliegt. Der Antragsteller hat auch keine besonderen Umstände aufgezeigt, die ausnahmsweise die Annahme aufenthaltsrechtlicher Schutzwirkungen auch ohne eine Vaterschaftsanerkennung gebieten würden. Insbesondere hat er nicht dargelegt, weshalb ihm die Anerkennung der Vaterschaft bislang nicht möglich oder zumutbar gewesen sein soll. Nach seinen eigenen Angaben ist die fehlende Vaterschaftsanerkennung auf die irrige Annahme zurückzuführen, dass ein entsprechender Antrag nicht ohne gültigen Pass gestellt werden dürfe. Dies ist seiner Verantwortungssphäre zuzurechnen.

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3. Ohne Erfolg wendet sich der Antragsteller gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, er werde mit seiner "Familie" nicht im Bundesgebiet leben können. Er macht geltend, das Gericht verkenne, dass sich die zukünftige Kindesmutter aktuell in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte und auch ihr Kind in Deutschland bekommen werde. Auch das Kind einer Mutter, die lediglich eine Duldung innehabe, habe ein grundgesetzlich geschütztes Recht darauf, auch Kontakt mit seinem Vater zu haben. Ebenso stehe dem Vater eines solchen Kindes ein grundrechtlich geschütztes Recht zu, Umgang und Kontakt mit diesem Kind zu pflegen, solange sich dieses (unabhängig von der aktuellen Rechtsposition) in Deutschland aufhalte. Erst wenn sich dies zukünftig ändern sollte, d.h. das Kind die Bundesrepublik verlassen (müsse), könne auch der Aufenthalt des Vaters in Deutschland beendet werden.

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Hiermit kann der Antragsteller nicht durchdringen. Nach der Senatsrechtsprechung liegt ein Grund für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60a Abs. 2 AufenthG mit Blick auf Art. 6 GG, soweit – wie hier – weder die Mutter noch das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, nur dann vor, wenn es dem Ausländer und seiner Partnerin nicht zuzumuten ist, das Bundesgebiet zu verlassen und ein familiäres Zusammenleben im Heimatland des Ausländers oder seiner Partnerin zu führen. Das hängt maßgeblich vom aufenthaltsrechtlichen Status der schwangeren ausländischen Staatsangehörigen ab. Abschiebungsschutz ist grundsätzlich nur dann zu gewähren, wenn diese über ein gesichertes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügt (vgl. Beschluss des Senats vom 10. Dezember 2014 - 2 M 127/14 - juris Rn. 6). Besitzt die Schwangere kein Aufenthaltsrecht und wird sie lediglich geduldet, so besteht nur dann Anlass zur Duldung ihres Partners, wenn ihr auch eine freiwillige Ausreise nicht möglich ist (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: März 2015, § 60a AufenthG Rn. 177). Gemessen daran steht der Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG vorliegend auch entgegen, dass die werdende Mutter nicht über ein gesichertes Aufenthaltsrecht, sondern nur über eine Duldung verfügt, und nichts dafür ersichtlich ist, dass sie nicht freiwillig (in ihr Heimatland) ausreisen kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller und die Schwangere verschiedene Staatsangehörigkeiten besitzen, denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass keiner der Heimatstaaten bereit ist, dem jeweils anderen Partner den Aufenthalt zu ermöglichen, so dass es zu einer längerfristigen Trennung des Antragstellers von der Mutter und dem Kind kommt (vgl. dazu Funke-Kaiser, a.a.O., § 60a AufenthG Rn. 204).

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4. Nicht durchgreifend ist schließlich die Rüge des Antragstellers, das vorgelegte Attest der Praxis D. sei bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts völlig unberücksichtigt geblieben. Aus dieser Bescheinigung gehe hervor, dass bei der zukünftigen Kindesmutter eine Gestationsdiabetes vorliege und dass die Abschiebung des Antragstellers eine erhebliche psychische Belastung für die Kindesmutter darstelle, so dass im Falle der Abschiebung eine greifbare gesundheitliche Gefahr für die Kindesmutter und das noch ungeborene Kind vorliege.

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Nach der Rechtsprechung des Senats setzt die Zuerkennung von Abschiebungsschutz gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG für den ausländischen Vater eines noch nicht geborenen (deutschen) Kindes grundsätzlich voraus, dass eine Gefahrenlage für das ungeborene Kind oder die Mutter (Risikoschwangerschaft) besteht (vgl. Beschluss des Senats vom 17. Januar 2019 - 2 M 153/18 - a.a.O. Rn. 18). Eine solche Risikoschwangerschaft ergibt sich aus der Diagnose einer Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes) nicht. Nach der Leitlinie Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) für Patientinnen, Schwangere und Interessierte zu Diagnostik, Behandlung u. Nachsorge der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) (https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Leitlinien/Patientenleitlinien/GDM_Patienten_LL_END_2012_04_17.pdf) ist Gestationsdiabetes eine Störung der Blutzuckerverarbeitung in der Schwangerschaft. Bei einem Gestationsdiabetes verlaufe die Schwangerschaft in den meisten Fällen normal. In einigen Fällen könne es, bedingt durch vermehrten Zuckerfluss über die Nabelschnur von der Mutter zum Kind, zu einem starken Wachstumsschub des Kindes kommen. Dieses übermäßige Wachstum betreffe besonders den Körperstamm, d.h. Bauch, Brustkorb und die Schulterregion, weniger die Arme und Beine oder den Kopf. Hierdurch könne bei einer normalen Geburt auf natürlichem Weg beim Durchtreten der kindlichen Schulter der Geburtsablauf erschwert sein. In einigen Fällen könne es direkt nach der Geburt zu Anpassungsproblemen und Unterzuckerungen kommen. Durch eine entsprechende Betreuung und

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Überwachung des Neugeborenen in der Entbindungsklinik könnten mögliche Auffälligkeiten rechtzeitig behandelt werden. Ein Diabetes bei dem neugeborenen Kind müsse nicht befürchtet werden. Das übermäßige Wachstum und die damit verbundenen Probleme könnten durch rechtzeitige Diagnose des Gestationsdiabetes sowie intensive Überwachung und Behandlung in vielen Fällen vermieden werden. Nach heutiger Erkenntnis werde auch die Veranlagung des Kindes für Übergewicht oder Diabetes im späteren Leben günstig beeinflusst (sog. Fehlprogrammierung). Schwangere mit Gestationsdiabetes neigten häufiger als gesunde Schwangere zu einer Blutdruckerhöhung in der Schwangerschaft und sie würden öfter mit einem Kaiserschnitt entbunden. Diese erhöhten Risiken würden durch die Behandlung vermindert. Frauen hätten in den Jahren nach einem Gestationsdiabetes ein hohes Risiko, einen Typ-2-Diabetes mellitus zu entwickeln. Durch Änderung des Lebensstils nach der Schwangerschaft könne das Risiko aber deutlich abgesenkt werden. Eine Gefahrenlage für das ungeborene Kind oder die Mutter (Risikoschwangerschaft) besteht hiernach bei einer Gestationsdiabetes nicht. Auch eine erhebliche psychische Belastung für die Kindesmutter infolge der Abschiebung reicht insoweit nicht aus.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nr. 8.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai / 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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