Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 Ws 76/20

Tenor

1. Auf den Antrag des Verletzten hin wird die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 12. November 2019 betreffend die Beschuldigten H und Dr. S aufgehoben.

2. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) wird angewiesen, die Ermittlungen gegen die Beschuldigten H und Dr. S wieder aufzunehmen und in dem unter Berücksichtigung der Rechtsaufassung des Senats erforderlichen Umfang durchzuführen.

3. Im Übrigen – betreffend die Beschuldigte R – wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Erhebung der öffentlichen Klage als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller war vom 13. bis zum 19. Juni 2017 in der psychiatrischen Abteilung des Stadtkrankenhauses F. (Pfalz) untergebracht. Dem lag – nach Einlieferung durch die Polizei in den Abendstunden des 13. Juni 2017 – ein Beschluss des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 14. Juni 2017, Az. 2 XIV 29/17 L, auf der Grundlage des PsychKG RP vom 17. November 1995 zugrunde, der später mit Beschluss des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 14. Dezember 2017, Az. 1 T 214/17, für rechtswidrig erklärt wurde, weil die Anhörung des Antragstellers durch das Amtsgericht fehlerhaft erfolgt war. Der Antragsteller war durch die Polizei in das Stadtkrankenhaus verbracht worden, nachdem er in der Nähe seiner Wohnung auf der Straße mit Gegenständen um sich geworfen hatte, wobei er zwei Pkw beschädigte, und zudem Todesdrohungen zum Nachteil seiner – in der Situation nicht anwesenden – Kinder ausgesprochen hatte. Durch den Beschuldigten H wurden nach einer Untersuchung des Antragstellers im Stadtkrankenhaus die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Antragstellers nach dem PsychKG festgestellt und sodann eine 5-Punkt-Fixierung angeordnet. Die genauen Umstände dieser Anordnung und ihrer Durchführung soweit sie über das in der Krankenakte Notierte hinausgehen sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Die Fixierung, während der der Antragsteller überwacht wurde, dauerte bis um 2.30 Uhr des Folgetags und wurde dann auf eine Diagonalfixierung reduziert, die bis um 8.50 Uhr fortdauerte, als der Beschuldigte Dr. S die Fixierung aufhob. Der Antragsteller verweigerte weitgehend die ärztlich für erforderlich gehaltene Medikation, wohl weil er befürchtete vergiftet zu werden. Am 16. Juni 2017 kam es erneut zu einer Fixierung des Antragstellers, nachdem ab ca. 16 Uhr das Personal der Station, insbesondere die Beschuldigte R beunruhigt war. Z.B. kam es nach dem bisherigen Ermittlungsstand zu Türenschlagen und einem nicht näher spezifizierten, bedrohlichen Verhalten des Antragstellers. Aufgrund der in den Krankenakten festgehaltenen, aber darüber hinaus nicht weiter aufgeklärten Situation heraus wurde die Polizei hinzugerufen und mit deren Hilfe der Antragsteller ab 16.40 Uhr vollfixiert. Durch wen die Anordnung erfolgte, ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Die Krankenakte (Bl. 51 mittlere Spalte oben) enthält die Wendung „10 mg i.v. direkt“ und dann in der Folgezeile „n. Anw. Dr. S“ und in der nächsten Zeile „Vollfixierung“. Abgezeichnet ist dies durch zwei Unterschriftskürzel, von denen der Beschuldigte Dr. S angibt, sie stammten von einem Dr. D. Die Eintragung ist insoweit aber nicht eindeutig. Die Fixierung wurde erneut durchgängig überwacht, jedenfalls z.T. durch die Beschuldigte R. Das Verhalten des Antragstellers wurde, wie auch bei der Fixierung vom 13./14. Juni 2017, in einem Protokoll festgehalten. Nachdem der Antragsteller sich in der Nacht bereit erklärt hatte, das Medikament Olanzapin einzunehmen, wurde die Vollfixierung gelöst und eine Diagonalfixierung angewandt. Um 9.30 Uhr wurde der Antragsteller auf Anordnung des Beschuldigten Dr. S entfixiert.

2

Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren mit Verfügung vom 12. November 2019 gem. § 170 Abs. 2 StPO ein, nachdem sie zuvor die medizinischen Unterlagen des Antragstellers im Rahmen einer Durchsuchung sichergestellt hatte und die Beschuldigten H, Dr. S und R sich über ihre Verteidiger zur Sache eingelassen hatten. Die Akte 2 XIV 29/17 des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) und die Akte des Ermittlungsverfahrens 5371 Js 36254/17 der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) gegen den Antragsteller wegen Sachbeschädigung waren beigezogen.

3

Die Staatsanwaltschaft war der Ansicht, die in dem zeitlich nach dem beanzeigten Geschehen im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Problematik der Fixierung im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung (Urteil vom 24. Juli 2018, Az. 2 BvR 309/15 und 2 BvR 502/16) aufgestellten Grundsätze seien bei der Beurteilung der Strafbarkeit des Verhaltens der Beschuldigten nicht von maßgeblicher Bedeutung, weil sie den Beschuldigten nicht bekannt sein konnten. Es könne den Beschuldigten zudem im Hinblick auf die Anforderungen des maßgeblichen Rechtfertigungsgrundes des § 17 Abs. 2 PsychKG RP nicht widerlegt werden, dass von dem Antragsteller in den jeweiligen Situationen die erhebliche und gegenwärtige Gefahr ausgegangen sei, er werde gewalttätig gegen andere Personen oder Sachen. Auch dass eine frühere unverzügliche Entfixierung des Antragstellers nach § 17 Abs. 3 PsychKG RP geboten gewesen wäre, sei angesichts der Einlassungen der Beschuldigten und der Eintragungen in der Krankenakte nicht beweisbar.

4

Das Beschwerdeverfahren bei der Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken führte nicht zum Erfolg. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrem Bescheid vom 18. Februar 2020 angenommen, dass die Beschuldigten sich jedenfalls Tatsachen vorstellten, die eine Fixierung bzw. ihre Aufrechterhaltung nach den §§ 17 Abs. 2 und 3 PSychKG gerechtfertigt hätten, was eine Strafbarkeit mangels Vorsatzschuld ausschließe (Fall des sog. Erlaubnistatbestandsirrtums).

5

Gegen diesen Bescheid richtet sich der Klageerzwingungsantrag.

II.

6

Der Klageerzwingungsantrag ist nicht zulässig hinsichtlich der Beschuldigten R.

7

Gem. § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO muss der Antrag auf die gerichtliche Entscheidung die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, angeben. Dazu muss der vorgetragene Sachverhalt eine Subsumtion unter die als verletzt bezeichneten Strafvorschriften ermöglichen (Meyer-Goßner, StPO, § 172, Rn. 27a; Graalmann-Scheerer, LR, StPO § 172, Rn. 150).

8

Der Antragsteller hat nicht hinreichend darlegt, durch welche Handlung der Beschuldigten R eine tatbestandsmäßige Freiheitsberaubung im Sinne des § 239 StGB zur Last fallen sollte. Zwar war sie im Vorfeld der Fixierung des Antragstellers am 16. Juni 2017 eingebunden, indem sie die Aufmerksamkeit des behandelnden Arztes auf den Zustand des Antragstellers lenkte, weil sie diesen als bedrohlich empfand. Dieses Verhalten macht sie aber weder zum Täter noch zum Teilnehmer an einer in der Fixierung eventuell zu sehenden strafbaren Freiheitsberaubung. Die Antragsschrift zeigt nicht auf, dass sie maßgeblich an der Entscheidung beteiligt war, in welcher Weise auf den sich darbietenden Zustand des Antragsstellers reagiert werden sollte. Herausgehobener war ihre Stellung nur in ihrer Funktion als diejenige, die den Antragsteller während der Fixierung überwacht hat. Eine Freiheitsberaubung kommt insoweit indes nur durch ein Unterlassungsdelikt in Betracht. Die nach § 13 StGB erforderliche Garantenstellung für die Freiheit des Antragstellers kommt ihr aber – soweit erkennbar – hier nicht zu. Eine Krankenschwester hat regelmäßig nicht die Anordnungen des behandelnden Arztes zu überprüfen. Besonderheiten, die eine entsprechende Rechtspflicht ausnahmsweise hier hätten begründen könnten, sind nicht vorgetragen.

III.

9

Im Übrigen ist der Klageerzwingungsantrag zulässig und begründet.

10

Nach § 170 Abs. 1 StPO muss die Staatsanwaltschaft Anklage erheben, wenn die Ermittlungen genügenden Anlass hierzu bieten. Das ist der Fall, wenn die Verurteilung des Beschuldigten bei vorläufiger Tatbewertung mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Schmitt in: Meyer-Goßner, StPO, 63. Auflage 2020, § 170 Rn. 2). Damit verbunden ist eine Prognose – zunächst der Staatsanwaltschaft - über den Ausgang des Strafverfahrens und die Bewertung der zur Verfügung stehenden Beweismittel. Der unbestimmte Rechtsbegriff „hinreichender Tatverdacht“ lässt einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum (so auch BVerfG, Beschluss vom 28. März 2002 – 2 BvR 2104/91, NStZ 2002, 606; BGH, Urteil vom 18. Juni 1970 – III ZR 95/68, NJW 1970, 1543). Insofern gibt es einen Bereich, innerhalb dessen eine Einschätzungsprärogative der Staatsanwaltschaft verbleibt, die auch im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens nicht vollständig überprüft werden kann.

11

Die Verfahrenseinstellung bzw. deren Aufrechterhaltung im Klageerzwingungsverfahren darf aber nicht willkürlich sein und muss dem im Einzelfall einschlägigen Grundrecht auf effektive Strafverfolgung gerecht werden. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existenzieller Weise betrifft. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Eine existenzielle Betroffenheit kann sich vor allem aus dem Gegenstand der angegriffenen Entscheidung oder der aus ihr folgenden Belastung ergeben (vgl. BVerfG NJW 2020, 1877). Im Bereich von nicht nur unerheblichen Zwangsfixierungen, wie hier im Fall der 5-Punkt-Fixierung, hat das Bundesverfassungsgericht einen grundrechtlichen Anspruch auf effektive Strafverfolgung bejaht (vgl. BVerfG NJW 2020, 675; NStZ-RR 2020, 51; vgl. zum Ganzen Schemmel, NJW 2020, 651).

12

Danach ist die angefochtene Einstellungsverfügung betreffend die Beschuldigten H und Dr. S aufzuheben.

13

Die bisherigen Einstellungserwägungen, insbesondere zur Frage des Vorliegens eines Erlaubnistatbestandsirrtums sind aufgrund der bislang durchgeführten Ermittlungen (jedenfalls noch) nicht hinreichend tragfähig und deshalb im Kernbereich der zu untersuchenden Tat unvollständig. Mit dem derzeitigen Ermittlungsstand stellen sie eine angesichts des grundrechtlichen Anspruchs des Verletzten auf effektive Strafverfolgung zu weitgehende Beweisantizipation dar. Es stehen bisher nicht ausgeschöpfte Ermittlungsansätze zur Verfügung, um die allgemeine Berufung der Angeklagten auf rechtmäßiges, hilfsweise irrtümliches Verhalten objektiv zu überprüfen. Im Zentrum der Betrachtungen muss dabei die – auch medizinisch fachliche – Nachvollziehbarkeit des Verhaltens der Beschuldigten stehen. Insbesondere ist zu klären, welche Prognose sie für das Verhalten des Antragstellers in den jeweiligen Situationen vertretbar stellen konnten. Erst auf dieser Grundlage ist – für den Fall einer objektiv rechtswidrigen Vorgehensweise – der Versuch einer hinreichenden Abgrenzung des Erlaubnistatbestandsirrtums von einem Erlaubnisirrtum iSd. § 17 StGB möglich.

14

Hinsichtlich der Anordnung sowie der Fortdauer der 5-Punkt-Fixierung am Abend des 13. Juni 2017 sowie der erneuten Fixierung am 16. Juni 2017 ergibt sich weder aus der Patientenakte noch (bisher) aus den Einlassungen der Beschuldigten für den medizinischen Laien eine tragfähige Grundlage für die Annahme einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit von Personen oder des Betroffenen selbst oder für Sachen im Sinne des § 17 Abs. 2 PsychKG RP, die für die gesamte Zeit der Fixierung fortgedauert hätte. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass der Betroffene aufgrund seiner (psychischen) Verfasstheit allgemein gefährlich erscheint oder sich zurückliegend gefährlich verhalten hat. Diese Umstände sind vielmehr erst die Grundlage, die es überhaupt erlauben, den Betroffenen gegen seinen Willen in der Psychiatrie geschlossen unterzubringen. Diese Unterbringung hat ihrerseits Voraussetzungen, die jedoch auf einer niedrigeren Schwelle anzusetzen sind und nicht zugleich eine grundrechtsvertiefende Fixierung des Untergebrachten erlauben. § 17 Abs. 2 PsychKG setzt vielmehr eine sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch hinsichtlich der Intensität qualifizierte Gefahr voraus. Eine gegenwärtige Gefahr ist eine solche, die jedenfalls unmittelbar bevorsteht oder die zwar unvorhersehbar ist, mit der wegen besonderer Umstände aber jederzeit gerechnet werden muss. Dabei ist ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad zu fordern (vgl. BGHZ 220, 333 zum baden-württembergischen PsychKHG). Um eine solche Gefahrenlage bejahen zu können, genügt allein der Verweis auf das Verhalten des Angeklagten vor der Festnahme nicht. Es müssen Gesichtspunkte hinzutreten, die auch in der neuen Situation der geschlossenen Unterbringung besorgen lassen, dass der Betroffene unmittelbar gewalttätig gegen sich, andere oder Sachen werden wird. Soweit statt auf objektive Umstände auf eine etwaige Fehlvorstellung der Beschuldigten hingewiesen wird, kann – wenn das Recht eines Verletzten auf effektive Strafverfolgung betroffen ist – auch unter Berücksichtigung des Zweifelsgrundsatzes die Annahme eines die Vorsatzschuld beseitigenden Erlaubnistatbestandsirrtums nur anhand konkret umrissener Tatsachenvorstellungen hingenommen werden.

15

Soweit sich die Unmittelbarkeit eines gefährlichen Handelns des Antragstellers statt aus laienhaft erkennbaren objektiven Anzeichen erst aus medizinisch fachlicher Sicht ergeben sollte, bedarf dies erst noch der weiteren Aufklärung durch Hinzuziehung medizinischen Sachverstands, zumal die Dokumentation in der Krankenakte hierzu keinen für den medizinischen Laien hinreichenden Aufschluss gibt. Gleiches gilt für die Frage einer hinreichenden Qualifikation des Beschuldigten H iSd. § 331 Satz 1 Nr. 2 FamFG, der Neurologe ist. Dass die Staatsanwaltschaft insoweit eigenen Sachverstand besitzt, hat sie nicht dargelegt. Einzig in dem aus der Ermittlungsakte ersichtlichen Türenschlagen mag eine eher geringfügige Gewalt gegen Sachen zu sehen sein, die aber unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht ohne weiteres eine mehrere Stunden andauernde Fixierung rechtfertigt, wenn nicht weitere konkrete, womöglich nur für einen Facharzt erkennbare Gefährlichkeitsmomente hinzutreten. Es sind neben der Krankenakte auch weitere Ermittlungsansätze zur Gewinnung von Anknüpfungstatsachen für die Beurteilung durch einen Sachverständigen vorhanden, namentlich die Vernehmung des Anzeigeerstatters sowie der Polizeibeamten, die bei den beiden Fixierungen des Antragstellers anwesend waren und zumindest Beobachtungen zum äußeren Geschehensablauf machen können.

16

Die Sache ist allerdings nicht anklagereif. Deshalb ist die Staatsanwaltschaft anzuweisen, die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

17

Eine solche Anweisung der Staatsanwaltschaft, ist über den Wortlaut der §§ 172 ff. StPO, insbesondere des § 173 Abs. 3 StPO, hinaus in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte anerkannt (dies jedenfalls, wenn die Staatsanwaltschaft, z.B. aus rechtlichen Erwägungen heraus, gar keine Ermittlungen vorgenommen hat, vgl. OLG Braunschweig wistra 1993, 31 ff.; OLG Hamm StV 2002, 128; OLG Karlsruhe, Justiz 2003, 270, 271 f.; OLG Koblenz NStZ 1995, 50; OLG Köln NStZ 2003, 682; OLG München NStZ 2008, 403, 404; OLG Brandenburg VRS 114 (2008), 373; OLG Celle, Beschluss vom 27. April 2010 - 2 Ws 102/10, BeckRS 2010, 15541; KG Berlin, NStZ-RR 2014, 14; OLG Nürnberg Beschluss vom 28. Juni 2016 – 1 Ws 231/16, BeckRS 2016, 128922; OLG Koblenz Beschluss vom 4. November 2016 – 2 Ws 396/16, BeckRS 2016, 136795; vgl. auch MüKoStPO/Kölbel, 1. Aufl. 2016, StPO § 173 Rn. 7 mwN). Der Senat hat schon mit Beschluss vom 1. März 2001 - 1 Ws 83/01, NStZ-RR 2001, 308, 309 (und zuvor mit Beschluss vom 5. Februar 1980 - 1 Ws 424/79, NStZ 1981, 193) entschieden, dass das Oberlandesgericht weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft anordnen kann, wenn diese in einem Kernbereich der zu untersuchenden Tat unvollständig ermittelt hat und umfangreiche Nachforschungen notwendig sind (vgl. OLG Brandenburg, StV 2020, 157; ähnlich auch OLG Rostock, Beschluss vom 12. März 2004 – I Ws 120/03, BeckRS 2010, 27377 unter III., vgl. auch Rieß, NStZ 1986, 433, 438 f.). An dieser Rechtsprechung ist im Lichte der jüngeren verfassungsrechtlichen Rechtsprechung (aaO.) zum Recht eines (existenziell) Verletzten auf effektive Strafverfolgung festzuhalten.

18

Danach sind die die Behandlung des Antragstellers betreffenden medizinischen Unterlagen durch einen Facharzt für Forensische Psychiatrie daraufhin zu überprüfen, ob aus ihnen aus medizinischer Sicht die Notwendigkeit einer Fesselung des Antragstellers ersichtlich ist. Sollte dies nicht der Fall sein, sind noch die Polizeibeamten, die bei den beiden Fixierungen des Antragstellers anwesend waren, zum äußeren Geschehen zu vernehmen. Sollten sich aus diesen Ermittlungen keine konkreten Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Anordnung und Dauer der vorgenommen Fixierung des Antragstellers ergeben, ist hinsichtlich des Beschuldigten H Anklage zu erheben. Hinsichtlich der zweiten Fixierung ist durch Beiziehung der Dienstpläne des Krankenhauses und eventuell auch durch Vernehmung des Pflegepersonals zu klären, welcher Arzt am 16. Juni 2017 um 16.40 Uhr für deren Anordnung zuständig bzw. verantwortlich war. Gegebenenfalls ist danach auch gegen den Beschuldigter Dr. S Anklage zu erheben.

V.

19

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (BeckOK StPO/Gorf, 38. Ed. 1.10.2020, StPO § 177 Rn. 2).

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